Entscheidungsdatum
01.10.2024Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W610 2298975-1/4E
W610 2298976-1/4E
W610 2298973-1/4E
W610 2298974-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Julia RASCHHOFER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , 2.) XXXX , geboren am XXXX , 3.) mj. XXXX , geboren am XXXX , und 4.) mj. XXXX , geboren am XXXX , alle Staatsangehörigkeit: Algerien und vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.08.2024, Zahlen: 1.) 760181810/241099210, 2.) 1404100206-241099562, 3.) 1404096103-241099236 und 4.) 1404096201-241099295, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Julia RASCHHOFER über die Beschwerden von 1.) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 2.) römisch 40 , geboren am römisch 40 , 3.) mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 , und 4.) mj. römisch 40 , geboren am römisch 40 , alle Staatsangehörigkeit: Algerien und vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU GmbH), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.08.2024, Zahlen: 1.) 760181810/241099210, 2.) 1404100206-241099562, 3.) 1404096103-241099236 und 4.) 1404096201-241099295, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerden werden gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 und Paragraph 61, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Algeriens, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin.
Der beschwerdeführenden Parteien stellten am 17.07.2024 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Abfragen im Visa-Informationssystem des Bundesministeriums für Inneres ergaben, dass das spanische Generalkonsulat XXXX den beschwerdeführenden Parteien jeweils am XXXX .2024 ein Schengen-Visum der Kategorie C für den Gültigkeitszeitraum XXXX .2024 bis XXXX .2024 (Erstbeschwerdeführer) bzw. XXXX .2024 bis XXXX .2024 (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer:innen) ausgestellt hatte. Abgleiche in der Eurodac-Datenbank verliefen ergebnislos.Der beschwerdeführenden Parteien stellten am 17.07.2024 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Abfragen im Visa-Informationssystem des Bundesministeriums für Inneres ergaben, dass das spanische Generalkonsulat römisch 40 den beschwerdeführenden Parteien jeweils am römisch 40 .2024 ein Schengen-Visum der Kategorie C für den Gültigkeitszeitraum römisch 40 .2024 bis römisch 40 .2024 (Erstbeschwerdeführer) bzw. römisch 40 .2024 bis römisch 40 .2024 (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer:innen) ausgestellt hatte. Abgleiche in der Eurodac-Datenbank verliefen ergebnislos.
In den am 18.07.2024 durchgeführten polizeilichen Erstbefragungen gaben der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie am 16.07.2024 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern im Besitz von gültigen spanischen Schengen-Visa auf dem Luftweg von Algerien nach Italien und von dort weiter nach Österreich gereist seien.
2. Mit Schreiben vom 31.07.2024 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Spanien gemäß Art. 12 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-Verordnung), ABl. 2013 L 180, 31, um Aufnahme der beschwerdeführenden Parteien. Mit Schreiben vom 13.08.2024 stimmte Spanien der Aufnahme gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung zu.2. Mit Schreiben vom 31.07.2024 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Spanien gemäß Artikel 12, Absatz 2, oder 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-Verordnung), ABl. 2013 L 180, 31, um Aufnahme der beschwerdeführenden Parteien. Mit Schreiben vom 13.08.2024 stimmte Spanien der Aufnahme gemäß Artikel 12, Absatz 2, Dublin III-Verordnung zu.
3. Am 27.08.2024 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen.
Der Erstbeschwerdeführer gab zunächst zu seinem Gesundheitszustand an, dass er seit dem Jahr 2010 an psychischen Problemen und seit einem Jahr an rheumatischen Beschwerden leide und einen Orthopäden benötige. Er nehme Schmerzmittel ein und befinde sich aufgrund seiner rheumatischen Beschwerden in fachärztlicher Behandlung. Angesprochen auf die vorliegende Zustimmungserklärung Spaniens und die beabsichtigte Zurückweisung seines in Österreich gestellten Antrages gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er sich bereits im Jahr 2006 in Österreich aufgehalten habe und Österreich sein eigentliches Zielland gewesen sei; er habe jedoch das spanische Visum erhalten, dies sei die einzige Möglichkeit gewesen, nach Österreich zu kommen. Er wolle in Österreich bleiben, weil er sich hier in Sicherheit fühle. In Spanien gebe es nichts. Er habe nur über Spanien gelesen, sei aber nie dort gewesen. Die ihm im Vorfeld der Einvernahme übermittelten Länderinformationen zu Spanien habe er nicht gelesen.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie – ebenso wie ihre minderjährigen Kinder – gesund sei und keine Verwandten im Raum Europas habe. Angesprochen auf die vorliegende Zustimmungserklärung Spaniens und die beabsichtigte Zurückweisung ihres in Österreich gestellten Antrages gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie dazu nichts sagen könne; sie könne dies nicht entscheiden, dies mache ihr Mann, der sich besser auskenne. Sie selbst und ihre Kinder seien nie in Spanien gewesen; ihre Kinder hätten keine eigenen Gründe, die einer Rückkehr nach Spanien entgegenstünden. Die ihr im Vorfeld der Einvernahme übermittelten Länderinformationen zu Spanien habe sie nicht gelesen.
4. Mit Bescheiden jeweils vom 29.08.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass Spanien für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Art. 12 Abs. 2 oder Abs. 3 Dublin III-Verordnung zuständig sei (Spruchpunkte I.), ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Spanien zulässig sei (Spruchpunkte II.).4. Mit Bescheiden jeweils vom 29.08.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass Spanien für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz gemäß Artikel 12, Absatz 2, oder Absatz 3, Dublin III-Verordnung zuständig sei (Spruchpunkte römisch eins.), ordnete gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, FPG die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG die Abschiebung nach Spanien zulässig sei (Spruchpunkte römisch II.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte begründend im Wesentlichen aus, dass das durchgeführte Konsultationsverfahren die Zuständigkeit Spaniens – das einer Aufnahme der beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich zugestimmt habe – ergeben habe. Ein im besonderen Maße substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung von Art. 4 GRC beziehungsweise Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der vorgebrachten – als nicht schwerwiegend zu qualifizierenden – gesundheitlichen Probleme stehe dem Erstbeschwerdeführer Zugang zum spanischen Gesundheitssystem offen. Die beschwerdeführenden Parteien würden ein Familienleben untereinander führen, hätten darüber hinaus jedoch keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen in Österreich. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zu keiner Verletzung der Dublin III-Verordnung sowie von Art. 8 EMRK beziehungsweise Art. 7 GRC führe und die Zurückweisung daher auch unter diesem Aspekt zulässig sei. Im Ergebnis habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung ergeben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte begründend im Wesentlichen aus, dass das durchgeführte Konsultationsverfahren die Zuständigkeit Spaniens – das einer Aufnahme der beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich zugestimmt habe – ergeben habe. Ein im besonderen Maße substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung von Artikel 4, GRC beziehungsweise Artikel 3, EMRK im Fall einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der vorgebrachten – als nicht schwerwiegend zu qualifizierenden – gesundheitlichen Probleme stehe dem Erstbeschwerdeführer Zugang zum spanischen Gesundheitssystem offen. Die beschwerdeführenden Parteien würden ein Familienleben untereinander führen, hätten darüber hinaus jedoch keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen in Österreich. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zu keiner Verletzung der Dublin III-Verordnung sowie von Artikel 8, EMRK beziehungsweise Artikel 7, GRC führe und die Zurückweisung daher auch unter diesem Aspekt zulässig sei. Im Ergebnis habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Artikel 17, Absatz eins, Dublin III-Verordnung ergeben.
5. Gegen diese, den beschwerdeführenden Parteien am 30.08.2024 zugestellten, Bescheide richtet sich die am 11.09.2024 durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsvertretung der beschwerdeführenden Parteien eingebrachte gemeinsame Beschwerde, zu deren Begründung zusammengefasst ausgeführt wird, dass sich die Behörde unzureichend mit der Versorgungssituation in Spanien auseinandergesetzt und es verabsäumt habe, ergänzende Länderberichte zur tatsächlichen Lage von Asylwerbern in Spanien einzuholen und auszuwerten. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens gelange die Behörde zum unrichtigen Schluss, dass sich eine systematische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Spanien nicht erkennen lasse. Entgegen der Ansicht der Behörde sei jedoch die Versorgung von Dublin-Rückkehrern in Spanien keinesfalls gesichert. Zudem habe sich die Behörde unzureichend mit dem Gesundheitszustand des Erstbeschwerdeführers befasst, der an Depressionen und an Rheuma leide. Die Behörde habe es verabsäumt, zu ermitteln, welche Behandlung der Erstbeschwerdeführer benötige und ob er diese in Spanien erhalten könne. Die beschwerdeführenden Parteien seien als Familie mit zwei kleinen Kindern als vulnerable Personengruppe anzusehen, deren Versorgung in Spanien nicht sichergestellt sei. Es sei fraglich, ob für sie als Familie eine passende Unterkunft sowie für den Erstbeschwerdeführer eine adäquate medizinische Versorgung zur Verfügung stehe.
6. Die Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakte wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 12.09.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Algeriens, der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern und gesetzlichen Vertreter des dreizehnjährigen Drittbeschwerdeführers und der neunjährigen Viertbeschwerdeführerin. Die beschwerdeführenden Parteien reisten am 16.07.2024 auf dem Luftweg von Algerien nach Italien und von dort weiter nach Österreich, wo sie am 17.07.2024 Anträge auf internationalen Schutz stellten.
Eine EURODAC-Abfrage lieferte keine Treffer.
Die beschwerdeführenden Parteien waren zum Zeitpunkt der Antragstellung jeweils im Besitz eines durch das spanische Generalkonsulat XXXX ausgestellten gültigen spanischen Schengen-Visums der Kategorie C mit einer Gültigkeitsdauer von XXXX .2024 bis XXXX .2024 (Erstbeschwerdeführer) bzw. von XXXX .2024 bis XXXX .2024 (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer:innen).Die beschwerdeführenden Parteien waren zum Zeitpunkt der Antragstellung jeweils im Besitz eines durch das spanische Generalkonsulat römisch 40 ausgestellten gültigen spanischen Schengen-Visums der Kategorie C mit einer Gültigkeitsdauer von römisch 40 .2024 bis römisch 40 .2024 (Erstbeschwerdeführer) bzw. von römisch 40 .2024 bis römisch 40 .2024 (Zweit- bis Viertbeschwerdeführer:innen).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 31.07.2024 auf Art. 12 Abs. 2 oder 3 Dublin III-Verordnung gestützte Aufnahmegesuche an Spanien, denen die spanische Behörde mit Schreiben vom 13.08.2024 auf Grundlage des Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 31.07.2024 auf Artikel 12, Absatz 2, oder 3 Dublin III-Verordnung gestützte Aufnahmegesuche an Spanien, denen die spanische Behörde mit Schreiben vom 13.08.2024 auf Grundlage des Artikel 12, Absatz 2, Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.
Die Zuständigkeit Spaniens zur Durchführung der Asylverfahren der beschwerdeführenden Parteien ist weiterhin gegeben.
1.2. Die beschwerdeführenden Parteien haben in Spanien Zugang zu einem rechtstaatlichen Asylverfahren, materiellen Versorgungsleistungen sowie zu Gesundheitsversorgung. Sie unterliegen im Fall einer Überstellung nach Spanien nicht der konkreten Gefahr, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.
Zur Lage in Spanien wird im Einzelnen Folgendes festgestellt:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 08.11.2022:
Allgemeines zum Asylverfahren
Spanien verfügt über ein rechtsstaatliches Asylsystem mit administrativen und gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. In erster Instanz ist das Oficina de Asilo y Refugio (OAR) zuständig für die Bearbeitung von Asylanträgen. Es untersteht dem Innenministerium:
(AIDA 4.2022; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
Ein Asylverfahren kann, je nach Nationalität des Antragstellers, zwischen drei Monaten und zwei Jahren dauern, in Sonderfällen auch bis zu drei Jahren. Der Backlog an anhängigen Fällen in 1. Instanz ist chronisch hoch und betrug Ende 2021 72.271 Fälle (AIDA 4.2022).
Die Ankünfte in Spanien, insbesondere auf den Kanarischen Inseln, haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die Auswirkungen der COVID-19-Beschränkungen auf irreguläre Einreisen waren nur vorübergehend: Nach Angaben der nationalen Behörden kamen im Jahr 2021 insgesamt 41.945 Personen auf dem Land- und Seeweg nach Spanien; 1.845 auf dem Landweg (nach Ceuta und Melilla) und 40.100 auf dem Seeweg. Von den letzteren landeten mehr als die Hälfte an den Kanarischen Inseln an (22.316 Personen), der Rest hauptsächlich in Festlandspanien und auf den Balearen (17.341 Personen) (AIDA 4.2022).
Nach Angaben des Innenministeriums bietet Spanien Venezolanern humanitären Schutz, die nicht für andere Schutzformen in Frage kommen. 2021 beantragten bis August 6.488 Venezolaner Asyl, welche mit 18% aller Antragsteller die größte Gruppe von Asylwerbern darstellten (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071360.html, Zugriff 18.10.2022
Dublin-Rückkehrer
Spanien erhält wesentlich mehr Dublin-In-Anfragen als es Dublin-Out-Anfragen stellt. Spanien gibt vor Transfers keine Garantien an Mitgliedsstaaten ab; bei Ankunft der Rückkehrer koordiniert die Asylbehörde (OAR) sich mit dem Sozialministerium, das für die Unterbringung zuständig ist. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten von Problemen bei der Identifizierung von zurückkehrenden Opfern von Menschenhandel (hauptsächlich aus Frankreich), die nicht effektiv als solche erkannt wurden. Koordinationsprobleme zwischen den spanischen Behörden (OAR, Dublin-Unit, Sozialministerium) sind ein weiterer Kritikpunkt. 2019 und 2020 gab es Berichte über Dublin-Rückkehrer ohne Zugang zu Versorgung wegen Platzmangel, was in bestimmten Fällen zu Obdachlosigkeit führte. Nach einer Reihe von Gerichtsurteilen wurden Anordnungen getroffen, um den Zugang von Dublin-Rückkehrern, die Spanien freiwillig in Richtung anderer EU-Länder verlassen hatten, zum Versorgungssystem zu gewährleisten. Dennoch berichteten NGOs im Juni 2019, dass sie einige Dublin-Rückkehrer (darunter Kinder und eine schwangere Frau) unterstützten, denen das OAR die Unterbringung verweigert habe (AIDA 4.2022).
Beim (erneuten) Zugang zum Asylverfahren können Dublin-Rückkehrer aufgrund allgemeiner Mängel im Asylsystem auf Hindernisse stoßen. Das OAR priorisiert ihre Registrierung für die Einbringung eines Asylantrags. Wurde ihr vorheriges Asylverfahren beendet, müssen sie erneut einen Asylantrag stellen, der nicht als Folgeantrag gilt (AIDA 4.2022).
Der Wohnort und die Art der Unterbringung von Dublin-Rückkehrern werden von den spanischen Behörden auf der Grundlage der Bedürfnisse der Asylwerber und ihrer Fähigkeit, ein selbständiges Leben zu führen, zugewiesen. Die Art der Unterbringung ist unterschiedlich zwischen Zentren mit unterschiedlicher Kapazität (maximal 120 Personen) oder in Wohnungen (IOM 29.7.2022).
Quellen:
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? IOM – International Organisation for Migration (29.7.2022): Auskunft von IOM, per E-Mail
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA)/ Vulnerable
Bei vulnerablen Antragstellern (Minderjährige; unbegleitete Minderjährige; Behinderte; Alte; Schwangere; alleinerziehende Elternteile mit minderjährigen Kindern; Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen ernsten Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt; Opfer von Menschenhandel) sind laut Gesetz Maßnahmen zu setzen, die ihre spezialisierte Betreuung garantieren. Es fehlen jedoch Durchführungsbestimmungen hierzu. Eine Risikoeinschätzung bzw. Identifizierung von Vulnerabilität wird von Beamten während des Asylinterviews oder von NGOs, welche in Unterbringungszentren und während des Asylverfahrens Hilfestellung bieten, vorgenommen. Früherkennungsmechanismen für Vulnerabilität existieren nicht (AIDA 4.2022).
Unbegleitete Minderjährige haben Anspruch auf eine vordringliche Bearbeitung ihres Asylantrags, was die Verfahrensdauer halbiert. […]
Das spanische Unterbringungssystem ist bemüht, Asylwerber in der Aufnahmeeinrichtung unterzubringen, die ihrem Profil und ihren Bedürfnissen am besten entspricht, je nach Alter, Geschlecht, Haushalt, Nationalität, Vorhandensein von Familiennetzwerken, Unterhalt, usw.. Zwischen der Asylbehörde und der für die Unterkunft zuständigen NGO wird eine Einzelfallprüfung vorgenommen und die geeignetste Unterkunft ausgesucht. Es gibt einen fortlaufenden Überwachungsmechanismus diesbezüglich. Vulnerable können bis zu 24 Monate untergebracht werden anstatt der üblichen 18 Monate. Die vulnerabelsten Asylwerber (Opfer von Menschenhandel bzw. Folter, UM, psychisch Kranke,...) werden wenn nötig an externe spezialisierte Dienste übergeben, da das spanische Aufnahmesystem für sie keine spezialisierten Aufnahmeplätze garantiert, was Gegenstand von Kritik ist. Einige NGOs bieten Aufnahmeeinrichtungen und Dienste für Asylwerber mit psychischen Problemen an. Darüber hinaus verfügen einige NGOs über spezielle Plätze für Opfer von Menschenhandel (AIDA 4.2022).
Im Zentrum für unbegleitete minderjährige Migranten in Madrid, Hortaleza, wurden strukturelle Mängel und mangelnde Unterstützung festgestellt. Im Jänner 2022 wurde ein in dem Zentrum aktiver Menschenhändler-Ring ausgehoben (AIDA 2.2022).
Obwohl laut Gesetz UM bei Ankunft in Spanien eine Aufenthaltsgenehmigung auszustellen ist, waren 2019 mindestens 10.000 UM unter Verantwortung der autonomen Gemeinden undokumentiert. Im März 2019 urteilte ein spanisches Gericht, dass die Kommunen auf fremde Minderjährige dieselben Regeln der Registrierung anzuwenden haben wie auf spanische Kinder. Kritisiert werden Fälle, in denen Betroffene die Schutzzentren verlassen müssen, sobald sie 18 Jahre alt werden, obwohl sie noch keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten haben, was zu Obdachlosigkeit führen kann. Dies und der Mangel an Ressourcen und Unterbringungsplätzen tragen zum Problem der Obdachlosigkeit bei. In der Praxis werden von UM nur sehr wenige Asylanträge gestellt (2018: 77 Anträge; 2019: 98 Anträge), was von Kritikern als Zeichen für die Unzulänglichkeiten beim Zugang von UM zu internationalem Schutz in Spanien interpretiert wird. Im Oktober 2021 verabschiedete die Regierung eine Reform zum Einwanderungsgesetz, die darauf abzielt, die Integration von unbegleiteten Minderjährigen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund zu fördern. Das Gesetz wird die Legalisierung von etwa 8.000 jungen Erwachsenen ermöglichen, die als unbegleitete minderjährige Ausländer nach Spanien gekommen waren. Einen Monat nach seiner Verabschiedung beantragten fast 4.500 junge Migranten die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis (AIDA 2.2022).
Minderjährige in Spanien haben das Recht auf Bildung, und es besteht eine Schulpflicht für Kinder von sechs bis 16 Jahren. Asylsuchende Minderjährige erhalten Zugang zum Unterricht in regulären Schulen der Autonomen Gemeinde in der sie untergebracht sind. Je nach Gemeinde wird die schulische Integration daher unterschiedlich gehandhabt. Einige Gemeinden setzen auf Vorbereitungsklassen, andere auf Tutoren und wieder andere bieten keine zusätzlichen oder spezialisierten Dienste an, um die die Integration in die Schule zu erleichtern (AIDA 4.2022).
Die Unterbringungsbedingungen für UM in den Exklaven Melilla und Ceuta, sowie auf den Kanarischen Inseln werden wegen schlechter Bedingungen, Überbelegung und Mangel an materiellen und personellen Ressourcen stark kritisiert (AIDA 4.2022).
UNHCR, NGOs und das Büro des Ombudsmannes äußerten sich besorgt über die Behandlung von unbegleiteten und begleiteten minderjährigen Migranten. Es gibt nicht genügend Platz in den Aufnahmezentren für unbegleitete Minderjährige in Ceuta, und Medien berichteten, dass mehrere hundert Minderjährige auf der Straße lebten (USDOS 12.4.2022).
Bei Minderjährigen, die in CETI untergebracht waren, wurden in Zeiten der Überlastung aufgrund von Überbelegung Defizite beim Zugang zum Unterricht festgestellt. Aufgrund des Anstiegs der Ankünfte auf den Kanarischen Inseln ist dort der Zugang zu Schulbildung für Migrantenkinder nicht in jedem Zentrum garantiert, weil es einen Mangel an verfügbaren Schulplätzen gibt (AIDA 4.2022).
Nach dem Gesetz müssen alle Minderjährigen unter 16 Jahren eingeschult werden. Auf den Kanarischen Inseln waren viele der minderjährigen Migranten mehr als ein Jahr nach ihrer Ankunft im Land immer noch nicht eingeschult (USDOS 12.4.2022).
Quellen:
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? StC - Save The Children (2.9.2020): Protection Beyond Reach: State of play of refugee and migrant children's rights in Europe, https://resourcecentre.savethechildren.net/node/18172/pdf/report_5_years_migration_1.pdf, Zugriff 4.11.2022
? USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071360.html, Zugriff 18.10.2022
Non-Refoulement
Bilaterale Abkommen mit Marokko und Algerien erlauben es Spanien, irreguläre Migranten aus diesen Ländern abzuschieben, und zwar fast alle ohne Verwaltungsverfahren oder richterliche Anordnung, in Übereinstimmung mit dem Gesetz zum Schutz der Sicherheit der Bürger. Spanien hält weiter daran fest, dass Rückschiebungen nach Marokko unter dem diesbezüglichen bilateralen Abkommen legal sind und dies auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) durch das Urteil vom Feber 2020 bestätigt worden sei. NGOs kritisieren diese Praxis. Die Rückführungen im Rahmen dieser Abkommen wurden im März 2020 eingestellt, als die Grenze aufgrund der COVID-19-Pandemie geschlossen wurde. Seitdem sind nur sehr wenige Rückführungen erfolgt. Die spanische Regierung hat keine offiziellen Statistiken über die Zahl der nach Marokko oder Algerien zurückgeführten Personen vorgelegt. Ein Abkommen zwischen Spanien und Marokko erlaubt es der spanischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, von marokkanischen Häfen aus zu operieren und vor der marokkanischen Küste gerettete irreguläre Migranten nicht nach Spanien, sondern an die marokkanische Küste zurückzuführen (USDOS 12.4.2022).
Es gibt Berichte über Einreiseverweigerungen, Refoulement, Kollektivabschiebungen und sogenannte Pushbacks, besonders in den Exklaven Ceuta und Melilla an der Grenze zu Marokko, wo ein spezielles Grenzregime herrscht. Gemäß spanischer Gesetze werden dort irreguläre Migranten wieder nach Marokko zurückgebracht. Asylantragstellung ist an den offiziellen Grenzübertrittspunkten möglich. Jedoch interpretieren Kritiker diese Praxis als Pushbacks, da es Asylsuchenden praktisch nicht möglich sein soll, aus Marokko auszureisen und zu den spanischen offiziellen Grenzübertrittspunkten zu gelangen. Spanien hat bilaterale Abkommen mit Mauretanien, Algerien, Senegal und Marokko zur Rückübernahme von Migranten unterzeichnet. Im Rahmen eines solchen Abkommens nimmt etwa Mauretanien Migranten zurück, die durch dieses Land gereist sind. Kritiker bezeichnen diese Praxis im Falle von Malischen Migranten als indirekte Pushbacks und als Verletzung des Non-Refoulement-Gebots (AIDA 4.2022).
Es versammeln sich regelmäßig Tausende von Migranten und Flüchtlingen an der Landgrenze zwischen Marokko und den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla. Im Februar 2020 bestätigte die Große Kammer des EGMR die Rechtmäßigkeit einer umstrittenen Praxis, bei der die spanischen Behörden Personen, die die Grenzen der Exklaven illegal überqueren, beispielsweise durch Überklettern von Zäunen, zurückschicken. Im Jahr 2021 kamen mehrere unbegleitete Minderjährige aus Marokko nach Ceuta und wurden kurzerhand zurückgeschickt. Der Ombudsmann und Dutzende von Menschenrechts-NGOs verurteilten die Rückführungen mit der Begründung, dass die Regierung die für diese Praxis geltenden rechtlichen Standards nicht eingehalten und die Rechte der Minderjährigen verletzt habe (FH 24.2.2022).
Quellen:
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071964.html, Zugriff 24.10.2022
? USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071360.html, Zugriff 18.10.2022
Versorgung
Migranten aus Ländern ohne Rückführungsabkommen und solche, die nachweislich Anspruch auf internationalen Schutz haben, erhalten im Rahmen eines von der Regierung ausgehenden und von verschiedenen NGOs verwalteten Aufnahmeprogramms Unterkunft und Grundversorgung (USDOS 12.4.2022).
Wenn ihnen finanzielle Mittel fehlen, haben Asylwerber ein Recht auf Unterbringung und soziale Dienste zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse. Die materiellen Bedingungen sind für alle Antragsteller dieselben, egal in welcher Art von Verfahren sie sich befinden. Dieses System unterstützt Nutznießer von der Asylantragsstellung bis zum Abschluss des Integrationsprozesses. Die Koordinierung und Verwaltung der Aufnahme von Asylwerbern fällt in die Verantwortung der Generaldirektion Inklusion und humanitäre Hilfe (Dirección General de Inclusión y Atención Humanitaria, DGIAH) sowie des Staatssekretariats für Migration (Secretaría de Estado de Migraciones, SEM) des Ministeriums für Inklusion, soziale Sicherheit und Migration. Das Asylgesetz sieht vor, dass die Versorgung durch Verordnung festgelegt wird, jedoch existieren detaillierte Regeln derzeit nur in Form eines unverbindlichen Handbuchs (AIDA 4.2022).
Das spanische System hat ca. 10.000 Unterbringungsplätze. Es umfasst folgende Unterbringungstypen:
1. Für Migranten, die per Boot über das Meer nach Spanien kommen, gibt es eigene Unterbringungseinrichtungen:
• vier Temporäre Hilfszentren für Fremde (Centros de Atención Temporal de Extranjeros, CATE), welche der Polizei unterstehen und der Identifizierung dienen. Es handelt sich um geschlossene Zentren mit max. 72 Stunden Verweildauer (AIDA 4.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).• vier Temporäre Hilfszentren für Fremde (Centros de Atención Temporal de Extranjeros, CATE), welche der Polizei unterstehen und der Identifizierung dienen. Es handelt sich um geschlossene Zentren mit max. 72 Stunden Verweildauer (AIDA 4.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022).
• elf Zentren für Nothilfe und Verteilung (Centros de Atención de Emergencia y Derivación, CAED), geführt von NGOs wie dem spanischen Roten Kreuz. Dies sind offene Zentren, welche u.a. soziale und rechtliche Unterstützung bieten (AIDA 4.2022).
2. In den Exklaven Ceuta und Melilla gibt es je ein Temporäres Migrationszentrum (Centros de estancia temporal para inmigrantes, CETI) mit 512 Plätzen (Ceuta), bzw. 782 Plätzen (Melilla), betrieben von den spanischen Behörden (AIDA 4.2022).
3. Für Antragsteller im Asylverfahren bzw. Schutzberechtigte gibt es:
• vier Unterbringungszentren (Centros de acogida de refugiados, CAR) auf dem spanischen Festland mit gesamt 416 Plätzen, betrieben von den spanischen Behörden (AIDA 4.2022).
• Unterbringungseinrichtungen (meist Wohnungen), die von 10 NGOs betrieben werden (AIDA 4.2022).
Wenn Antragsteller sich für eine private Unterkunft außerhalb des Systems entscheiden, haben sie keinen garantierten Zugang zu finanzieller Unterstützung und Leistungen wie in den Zentren (AIDA 4.2022).
Sowohl CATE als auch CAED werden für die Unterbringungsbedingungen kritisiert (AIDA 4.2022).
Personen, die ihren Asylantrag in den Exklaven Ceuta oder Melilla stellen, werden dort in temporären Zentren (CETI) untergebracht und müssen die Zulässigkeitsentscheidung über ihren Asylantrag dort abwarten und werden erst dann nach Festlandspanien transferiert. Spanische Gerichte haben ein solches Vorgehen mehrmals verurteilt. In den letzten Jahren wurde der Ablauf der Transfers nach Festland-Spanien weiterhin als intransparent kritisiert. Ähnliche Berichte gibt es auch betreffend die Kanarischen Inseln (AIDA 4.2022).
Die Unterbringung verläuft in folgenden Phasen:
• die Bewertungs- und Zuweisungsphase: umfasst eine Basisversorgung mit Unterbringung bis ein Platz im Unterbringungssystem verfügbar ist. Dauer: bis zu 30 Tage (in der Praxis aber auch länger) (AIDA 4.2022).
• die Unterbringungsphase (Phase 1): neben temporärer Unterbringung in CAR bzw. NGO-betriebenen Zentren oder humanitären Unterbringungseinrichtungen erhalten Asylwerber in dieser ersten Versorgungsphase u.a. soziale Hilfe, kulturelle Grundorientierung, Sprachkurse und Jobtraining, was ihre Integration in die spanische Gesellschaft erleichtern soll, und ein Taschengeld in Höhe von €50 im Monat, plus €20 für jeden abhängigen Minderjährigen. Zusätzlich werden andere persönliche Ausgaben abgedeckt (AIDA 4.2022).
• die Vorbereitungsphase für Autonomie (Phase 2): während dieser zweiten Versorgungsphase werden die Nutznießer in private Unterbringung entlassen und erhalten kein Taschengeld mehr, aber die Miete wird übernommen und sie können zusätzliche Mittel zur Deckung der Grundbedürfnisse erhalten, um ein „normales Leben“ beginnen zu können. Personen, die ab dem 1. Januar 2021 Zugang zu Unterbringung für Asylwerber erhalten, können nur dann in Phase 2 der Versorgung überwiesen werden, wenn sie internationalen Schutz erhalten haben. Ist dies nicht der Fall, verbleiben sie in Phase 1 (AIDA 4.2022).
Abgesehen von den Unterbringungskapazitäten für Asylwerber verfügt Spanien über sieben Hafteinrichtungen (Centros de Internamiento de Extranjeros, CIE) mit zusammen 1.288 Plätzen, die vornehmlich der Inhaftierung von illegalen Migranten dienen. Stellen diese einen Asylantrag in einem CIE, durchlaufen sie das Asylverfahren auch in diesem (AIDA 4.2022).
Die Bewertungs- und Zuweisungsphase, Phase 1 und 2 dauern zusammen maximal 18 Monate (verlängerbar auf 24 Monate für Vulnerable). Wer die zweite Phase in Anspruch nehmen will, muss die erste Phase in einer staatlichen Unterbringung absolvieren. Abgelehnte Asylwerber können bis zum Ende der Maximaldauer in ihrer Unterbringung bleiben (AIDA 4.2022).
In den letzten Jahren wurden Mängel im Aufnahmesystem berichtet, die den Zugang erschwerten (z.B. Wartezeiten) und in bestimmten Fällen zur Obdachlosigkeit führten. Schlechte Unterbringungsbedingungen in CAR-Zentren und NGO-Unterbringungen werden generell keine berichtet (AIDA 4.2022).
Die CETI werden als chronisch überbelegt und die Unterbringungsbedingungen als schlecht und für Familien und Vulnerable ungeeignet beschrieben und es wird ein Mangel an Psychologen und Übersetzern berichtet. Mit der COVID-19-Pandemie verschärfte sich dies noch. Besonders von den Kanarischen Inseln wurden 2021 Schwierigkeiten bei der adäquaten Versorgung von Migranten und Asylwerbern berichtet, weil die Kapazitäten und das humanitäre Hilfswesen dem Ansturm nicht gewachsen waren. Viele Einrichtungen sind nach wie vor überfüllt und mangelnde Transfers von den Inseln und Exklaven auf das Festland führten zu zahlreichen Fällen von Armut und Obdachlosigkeit unter Asylwerbern (AIDA 4.2022).
Internationale Menschenrechtsgruppen haben die spanischen Behörden dafür kritisiert, dass Migranten und Asylwerber oft unter schlechten Bedingungen untergebracht sind und viele von ihnen in improvisierten Lagern festgehalten werden, die angeblich gegen Menschenrechtsstandards verstoßen (FH 24.2.2022).
Aufgrund der großen Zahl irregulärer Neuankömmlinge auf den Kanarischen Inseln im Jahr 2020 arbeitet die Regierung mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM), dem Spanischen Roten Kreuz und den lokalen NGOs Accem, der Cepaim-Stiftung und dem Weißen Kreuz zusammen, um den "Kanarenplan" umzusetzen. Im Dezember 2020 richtete das Ministerium für Integration, soziale Sicherheit und Migration sechs große Aufnahmezentren auf den Kanarischen Inseln ein, die von den Organisationen verwaltet werden (USDOS 12.4.2022).
Die Behörden haben es versäumt, angemessene Aufnahmebedingungen und ein faires und wirksames Asylverfahren für Menschen zu gewährleisten, die irregulär auf den Kanarischen Inseln ankommen (AI 29.3.2022).
Ab Dezember 2020 hat EASO begonnen, Spanien bei der Unterbringung von Asylwerbern zu unterstützen. Ein Einsatzplan für die Jahre 2022-2023 wurde genehmigt, mit dem Ziel, Spanien bei der Reform seines Aufnahmesystems zu unterstützen und u.a. eine Erhöhung der Zahl der Aufnahmeplätze auf den Kanarischen Inseln zu erreichen (AIDA 4.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).Ab Dezember 2020 hat EASO begonnen, Spanien bei der Unterbringung von Asylwerbern zu unterstützen. Ein Einsatzplan für die Jahre 2022-2023 wurde genehmigt, mit dem Ziel, Spanien bei der Reform seines Aufnahmesystems zu unterstützen und u.a. eine Erhöhung der Zahl der Aufnahmeplätze auf den Kanarischen Inseln zu erreichen (AIDA 4.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022).
Asylwerber sind gesetzlich berechtigt, sechs Monate nach der Einbringung ihres Asylantrags eine Arbeit aufzunehmen, während ihr Antrag geprüft wird. Nach Ablauf der ersten sechs Monate können die Asylwerber die Erneuerung ihres Asylwerberausweises (tarjeta roja [rote Karte]) beantragen, welche die Berechtigung zur Arbeit in Spanien bestätigt. Die Aufnahmezentren für Asylwerber bieten Jobtraining und Sprachkurse an. Darüber hinaus haben die drei wichtigsten NGOs, welche Aufnahmezentren betreiben (Accem, das Spanische Rote Kreuz und CEAR), das Ariadna-Netzwerk innerhalb der vier CAR-Zentren gegründet. Dieses bietet einen umfassenden Aktionsplan, der auf die besonderen Bedürfnisse von Asylwerbern und Schutzberechtigten im Hinblick auf Arbeitsintegration eingeht. Dazu gehören Dienstleistungen wie personalisierte Beratungsgespräche, Schulungen vor der Einstellung, Jobtraining, aktive Unterstützung bei der Arbeitssuche usw. In der Praxis stoßen Asylwerber jedoch auf Hindernisse beim Zugang zum spanischen Arbeitsmarkt. Viele sprechen kein Spanisch, die Anerkennung von Qualifikationen ist langwierig, kompliziert und oft teuer. Diskriminierung aufgrund von Nationalität oder Religion kommt vor. Asylwerber, Flüchtlinge und Migranten in Spanien stoßen bei der Eröffnung von Bankkonten häufig auf Schwierigkeiten. Im Februar 2022 forderten verschiedene Organisationen die Regierung und die spanische Zentralbank auf, dringende Maßnahmen zu ergreifen, damit die Bankinstitute das Gesetz einhalten und eine Praxis beenden, welche die finanzielle und soziale Eingliederung von Asylwerbern, Flüchtlingen und Migranten behindert (AIDA 4.2022).
Quellen:
? AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Spain 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070427.html, Zugriff 24.10.2022
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? USDOS – US Department of State (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Spain, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071360.html, Zugriff 18.10.2022
Medizinische Versorgung
Das spanische Recht sieht für alle Asylwerber so wie für spanische Bürger den vollen Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem vor, einschließlich Zugang zu spezialisierterer Behandlung für Personen, die Folter, schwere körperliche oder seelische Misshandlungen oder Traumatisierung erlitten haben. Der universelle Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem gilt auch für irreguläre Migranten. Obwohl in Spanien Zugang zu spezieller Behandlung durch Psychologen und Psychiater frei und garantiert ist, gibt es keine Institutionen, die auf die Behandlung traumatisierter Flüchtlinge spezialisiert sind. Es gibt einige NGOs, die für Asylwerber mit psychischen Bedürfnissen zuständig sind. Die NGO Accem hat 2018 das Zentrum für Unterbringung und Hilfe für Menschen mit mentalen Problemen (Centro de Acogida y Atención Integral a Personas con Problemas de Salud Mental) für die Zielgruppe der vulnerablen Asylwerber, Flüchtlinge und Migranten gegründet. Die NGO CEAR (Comisión Española de Ayuda al Refugiado) betreibt auch Einrichtungen, die auf Asylsuchende mit psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. Die Stiftung La Merced bietet Aufnahmeplätze für junge erwachsene Asylsuchende, die spezielle Unterstützung aufgrund psychischer Erkrankungen benötigen. Andere NGOs haben ebenfalls spezifische Ressourcen für Asylwerber mit psychischen Problemen aufgebaut, wie etwa Bayt al-Thaqafa, Progestión, Provivienda und Pinardi. Die NGO Valencia Accull hat in Valencia eine Aufnahmeeinrichtung für alleinstehende weibliche Asylwerberinnen/ Flüchtlinge eröffnet. Die COVID-19-Pandemie wirkte sich negativ auf den Zugang von Asylwerbern zu Gesundheitsleistungen aus. Beim Zugang zur Impfkampagne für Migranten wurden verschiedene Hindernisse festgestellt, vor allem aufgrund der Sprachbarriere und fehlendem Zugang zu digitalen Diensten. Migranten (auch undokumentierte) sind in die spanische Impfstrategie einbezogen. Die Verantwortung für die Bereitstellung von Informationen und die Erleichterung des Zugangs zur Kampagne wurde häufig an NGOs delegiert (AIDA 4.2022).
Für Asylwerber, die sich im spanischen Aufnahmesystem befinden, ist die allgemeine Gesundheitsversorgung im ganzen Land verfügbar. Die jeweiligen Sozialdienste und NGOs, die für das spanische Aufnahmesystem zuständig sind, bieten Beratung und Hilfestellung bei grundlegenden Verfahren wie dem Erhalt einer Gesundheitskarte, der Registrierung im örtlichen Rathaus usw. Sobald Asylwerber eine Gesundheitskarte erhalten haben, können sie einen Hausarzt wählen, der für die Überweisung zu medizinischen Tests und Fachärzten erforderlich ist (IOM 29.7.2022).
Die Covid-19-Pandemie setzte das nationale Gesundheitssystem unter einen noch nie dagewesenen Druck. Während der Covid-19-Impfkampagne stießen Ausländer, insbesondere irreguläre Migranten auf Hindernisse beim Zugang zum Gesundheitsdienst und zu Impfstoffen, da es keine klaren Protokolle zur Identifizierung und zum Zugang zu Informationen für diese Gruppen gab (AI 29.3.2022).
MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu Mitgliedsstaaten (MedCOI 19.2.2021).
Quellen:
? AIDA – Asylum Information Database (4.2022): Asociación Comisión Católica Española de Migraciones (Accem) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE), Country Report: Spain, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2022/04/AIDA-ES_2021update.pdf, Zugriff 15.9.2022
? IOM – International Organisation for Migration (29.7.2022): Auskunft von IOM, per E-Mail
? MedCOI – Medical COI (19.2.2021): Anfragebeantwortung, per E-Mail
1.2.2. In Spanien wurden im Jahr 2022 457 Anträge auf internationalen Schutz von algerischen Staatsangehörigen verzeichnet. 57 algerischen Staatsangehörigen wurde im Jahr 2022 der Status des Asylberechtigten, zwei algerischen Staatsangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten und vier algerischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen erteilt. In 390 Fällen wurden abweisende Entscheidungen getroffen.
Quelle:
? Spanisches Innenministerium, Asylstatistik für das Jahr 2022, abrufbar unter: https://proteccion-asilo.interior.gob.es/documentos/Asilo_en_cifras_2022.pdf, Zugriff 18.09.2024
1.3. Die beschwerdeführenden Parteien leiden jeweils an keinen schwerwiegenden physischen oder psychischen Erkrankungen.
1.4. Die Beschwerdeführer führen im Bundesgebiet untereinander ein Familienleben. Darüber hinaus gibt es keine privaten, beruflichen oder sozialen Anknüpfungspunkte, die sie im besonderen Maße an Österreich binden. Auch liegt keine besondere Integrationsverfestigung vor. Eine gemeinsame Überstellung der beschwerdeführenden Parteien nach Spanien führt zu keiner Verletzung des Kindeswohls des minderjährigen Drittbeschwerdeführers und der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Reiseweg und den Anträgen auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien in Österreich ergeben sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten und den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Die spanischen Visa der beschwerdeführenden Parteien ergeben sich aus einer Abfrage im Visa-Informationssystem, der auf Art. 12 Abs. 2 Dublin III-Verordnung gestützten Zustimmungserklärung der spanischen Behörde vom 13.08.2024 und den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.2.1. Die Feststellungen zum Reiseweg und den Anträgen auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Parteien in Österreich ergeben sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten und den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Die spanischen Visa der beschwerdeführenden Parteien ergeben sich aus einer Abfrage im Visa-Informationssystem, der auf Artikel 12, Absatz 2, Dublin III-Verordnung gestützten Zustimmungserklärung der spanischen Behörde vom 13.08.2024 und den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin.
Das durchgeführte Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der spanischen Behörde ist im Verwaltungsakt dokumentiert.
2.2. Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den durch Quellen belegten aktuellen Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat neben Ausführungen zur allgemeinen und medizinischen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-Verordnung) getroffen. Die herangezogene Berichtslage stammt von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützt sich auf verlässliche und unzweifelhafte Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und wurde ausgewogen zusammengestellt. Es handelt es sich um die aktuellste Version des Länderinformationsblatts zu Spanien. Soweit Berichte älteren Datums angeführt werden, ist anzumerken, dass sich die Lage in Spanien im Wesentlichen unverändert darstellt. Hinsichtlich des Zugangs von algerischen Staatsangehörigen zum spanischen Asylverfahren ergab die ergänzende Einsichtnahme in die vom spanischen Innenministerium veröffentlichte Asylstatistik für das Jahr 2022 (abrufbar unter: https://proteccion-asilo.interior.gob.es/documentos/Asilo_en_cifras_2022.pdf), dass im Jahr 2022 457 Anträge auf internationalen Schutz von algerischen Staatsangehörigen in Spanien verzeichnet wurden, über die – wie festgestellt – inhaltliche Entscheidungen ergingen (vgl. S. 24, 87, 142, 146, 154). Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Spanien, den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung – denen die beschwerdeführenden Parteien zu keinem Zeitpunkt entgegengetreten sind – zu folgen.2.2. Die Feststellungen zur Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultieren aus den durch Quellen belegten aktuellen Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, die auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat neben Ausführungen zur allgemeinen und medizinischen Versorgungslage von Asylwerbern auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlich