Entscheidungsdatum
24.06.2024Index
20/01 Allgemein bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
ABGB §914Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Univ.-Doz. Dr. Kolonovits als Vorsitzenden, Mag. Sinai als Berichter, seine Richterin Mag.a Hornschall als Beisitzerin sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Hassfurther und die fachkundige Laienrichterin Mag.a Jarolim, über die Beschwerde der Disziplinaranwältin der Stadt Wien (protokolliert zu VGW-171/005/283/2024) und die Beschwerde des Ing. Mag. A. B., vertreten durch Rechtsanwälte GmbH in Wien, C.-straße (protokolliert zu VWG-171/V/005/506/2024), jeweils gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 24.11.2023, Zl. ..., betreffend Dienstpflichtverletzungen nach der Wiener Dienstordnung 1994 (DO 1994), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.05.2024,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde der Disziplinaranwältin der Stadt Wien mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Spruch des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses wie folgt zu lauten hat:römisch eins. Gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG wird der Beschwerde der Disziplinaranwältin der Stadt Wien mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Spruch des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses wie folgt zu lauten hat:
Herr Ing. Mag. A. B. hat die Dienstanweisung 37/20 vom 11.11.2021 von D. betreffend die Hygienebestimmungen auf Grund der 3. COVID-19-Maßnahmenschutzverordnung, wonach der Einlass am Arbeitsort nur unter Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefährdung, somit darüber, dass man entweder gegen COVID-19 geimpft, durch einen aktuellen PCR-Test negativ auf das Corona-Virus getestet wurde oder von COVID-19 genesen ist, erfolgen kann, sowie die ihm danach wiederholt vom Leiter der Stabstelle Personal und seinem unmittelbaren Vorgesetzten erteilten mündlichen Weisungen, wonach er am 01.02.2022 seinen Dienst in der Dienststelle vor Ort unter Vorlage eines gültigen negativen PCR-Tests anzutreten hat, und die schriftliche Weisung vom 18.01.2022, mit der ihm nochmals unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen die vorgenannten mündlichen Weisungen zur Kenntnis gebracht wurden, nicht befolgt und den Dienst in der Zeit vom 01.02.2022 bis 31.03.2022 eigenmächtig und unentschuldigt nicht angetreten.
Dadurch hat Ing. Mag. B. § 20 Abs. 1 DO 1994 und § 26 Abs. 1 erster Satz DO 1994 verletzt, weshalb über ihn gemäß § 76 Abs. 1 Z 4 DO 1994 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird.Dadurch hat Ing. Mag. B. Paragraph 20, Absatz eins, DO 1994 und Paragraph 26, Absatz eins, erster Satz DO 1994 verletzt, weshalb über ihn gemäß Paragraph 76, Absatz eins, Ziffer 4, DO 1994 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wird.
II. Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten Ing. Mag. A. B. als unbegründet abgewiesen. römisch II. Gemäß Paragraph 28, VwGVG wird die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten Ing. Mag. A. B. als unbegründet abgewiesen.
III. Gemäß § 106 Abs. 1 DO 1994 werden ihm für das Disziplinarverfahren keine Kosten auferlegt.römisch III. Gemäß Paragraph 106, Absatz eins, DO 1994 werden ihm für das Disziplinarverfahren keine Kosten auferlegt.
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.römisch IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Paragraph 25 a, VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
1 Über Strafantrag der Disziplinaranwältin der Stadt Wien (in der Folge „Disziplinaranwältin“) vom 18.08.2023 wurde mit dem angefochtenen Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien – Senat 1 (in der Folge „belangte Behörde“) vom 24.11.2023 Ing. Mag. A. B. (in der Folge „Disziplinarbeschuldigter“) das Folgende zur Last gelegt:
„[Der Disziplinarbeschuldigte], Personalnummer ..., hat als Fachbeamter des technischen Dienstes von D. entgegen der ihm am 11. November 2021 per E-Mail übermittelten Dienstanweisung 37/20 von D. betreffend die Hygienebestimmungen auf Grund der 3. COVID-Maßnahmenschutzverordnung, welche mit 15. November 2021 in Kraft getreten ist und nach der der Einlass am Arbeitsort nur unter Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefährdung, somit darüber, dass man entweder gegen COVID-19 geimpft, durch einen aktuellen PCR-Test negativ auf das Corona-Virus getestet wurde oder von COVID-19 genesen ist, erfolgen kann, und den ihm danach wiederholt vom Leiter der Stabstelle Personal von D., Herrn E. F., und seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Leiter des Fachbereiches G., Herrn Ing. H. I. erteilten mündlichen Weisungen, wonach er am 1. Februar 2022 seinen Dienst in der Dienststelle vor Ort unter Vorlage eines entsprechenden gültigen, negativen PCR-Test anzutreten hat, wobei ihm diese Weisung im Rahmen einer von ihm am 20. Jänner 2022 unterfertigten Niederschrift nochmals unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen bei Zuwiderhandeln zur Kenntnis gebracht wurde, in der Zeit vom 1. Februar 2022 bis 31. März 2022 den Dienst nicht angetreten und hat somit die für ihn festgesetzte Arbeitszeit nicht eingehalten und ist dadurch eigenmächtig und unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben.„[Der Disziplinarbeschuldigte], Personalnummer ..., hat als Fachbeamter des technischen Dienstes von D. entgegen der ihm am 11. November 2021 per E-Mail übermittelten Dienstanweisung 37/20 von D. betreffend die Hygienebestimmungen auf Grund der 3. COVID-Maßnahmenschutzverordnung, welche mit 15. November 2021 in Kraft getreten ist und nach der der Einlass am Arbeitsort nur unter Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefährdung, somit darüber, dass man entweder gegen COVID-19 geimpft, durch einen aktuellen PCR-Test negativ auf das Corona-Virus getestet wurde oder von COVID-19 genesen ist, erfolgen kann, und den ihm danach wiederholt vom Leiter der Stabstelle Personal von D., Herrn E. F., und seinem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Leiter des Fachbereiches G., Herrn Ing. H. römisch eins. erteilten mündlichen Weisungen, wonach er am 1. Februar 2022 seinen Dienst in der Dienststelle vor Ort unter Vorlage eines entsprechenden gültigen, negativen PCR-Test anzutreten hat, wobei ihm diese Weisung im Rahmen einer von ihm am 20. Jänner 2022 unterfertigten Niederschrift nochmals unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen bei Zuwiderhandeln zur Kenntnis gebracht wurde, in der Zeit vom 1. Februar 2022 bis 31. März 2022 den Dienst nicht angetreten und hat somit die für ihn festgesetzte Arbeitszeit nicht eingehalten und ist dadurch eigenmächtig und unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben.
Hierdurch hat der Beschuldigte die gemäß §§ 20 Abs. 1 und 26 Abs. 1 erster Satz Dienstordnung 1994 (DO 1994) genannten Dienstpflichten verletzt.Hierdurch hat der Beschuldigte die gemäß Paragraphen 20, Absatz eins und 26 Absatz eins, erster Satz Dienstordnung 1994 (DO 1994) genannten Dienstpflichten verletzt.
Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wird über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe des 4-fachen Monatsbezuges gemäß § 76 Abs. 1 Z 3 DO 1994, unter Ausschluss der Kinderzulage, verhängt.Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wird über den Beschuldigten eine Geldstrafe in Höhe des 4-fachen Monatsbezuges gemäß Paragraph 76, Absatz eins, Ziffer 3, DO 1994, unter Ausschluss der Kinderzulage, verhängt.
Gemäß § 78 Abs. 1 DO 1994 wird die verhängte Geldstrafe im Ausmaß des 2-fachen Monatsbezuges, unter Ausschluss der Kinderzulage, unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von 2 Jahren bedingt nachgesehen.Gemäß Paragraph 78, Absatz eins, DO 1994 wird die verhängte Geldstrafe im Ausmaß des 2-fachen Monatsbezuges, unter Ausschluss der Kinderzulage, unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von 2 Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 106 Abs. 1 DO 1994 werden dem Beschuldigten für das Disziplinarverfahren keine Kosten auferlegt.“Gemäß Paragraph 106, Absatz eins, DO 1994 werden dem Beschuldigten für das Disziplinarverfahren keine Kosten auferlegt.“
2 Dagegen erhob die Disziplinaranwältin fristgerecht Beschwerde (protokolliert zu VGW-171/005/283/2024). Darin brachte sie im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe verabsäumt, im Spruch des Disziplinarerkenntnisses über den Anschuldigungspunkt, der Beschuldigte habe „in der Zeit vom 1. Februar 2022 bis 31. März 2022“ die im Strafantrag angeführten schriftlichen und mündlichen Weisungen nicht befolgt, abzusprechen. Weiters focht die Disziplinaranwältin die Strafbemessung der belangten Behörde insofern an, als anstelle der Disziplinarstrafe der Geldstrafe die Disziplinarstrafe der Entlassung, in eventu eine höhere Geldstrafe zu verhängen wäre.
3 Auch der Disziplinarbeschuldigte erhob gegen das Disziplinarerkenntnis fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (protokolliert zu VGW-171/V/005/506/2024). Er begehrte eine Abänderung des Disziplinarerkenntnisses dahingehend, dass er von sämtlichen Disziplinarvorwürfen freigesprochen werde, in eventu das Disziplinarverfahren gegen ihn eingestellt werde, in eventu über ihn nur die Disziplinarstrafe des Verweises, in eventu eine bedingt nachgesehene Geldbuße verhängt, in eventu die verhängte Geldstrafe reduziert und zur Gänze unter Setzung einer Bewährungsfrist bedingt nachgesehen werde. Er beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
4 Dazu brachte er im Wesentlichen vor, er habe sich vom 15.11.2021 bis 31.01.2022 abwechselnd jeweils in genehmigtem Urlaub, Zeitausgleich und Heimarbeit befunden. Er habe die Niederschrift seines unmittelbaren Vorgesetzten vom 18.01.2022 aufgrund deren Wortlauts („Sie werden daher am 1.2.2022 vom Dienst freigestellt und dürfen den Arbeitsort nicht betreten“) nur so verstehen können, dass sein Vorschlag, ab 01.02.2022 eine „vorübergehende Karenz (Dienstfreistellung ohne Entgelt für die Dauer der Karenzierung)“ in Anspruch zu nehmen, aufgegriffen worden sei. Angesichts dessen könne dem Disziplinarbeschuldigten richtigerweise nicht vorgeworfen werden, er wäre eigenmächtig und unentschuldigt vom Dienst ferngeblieben. Vielmehr habe er bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Anordnung seines Vorgesetzten befolgt.
5 Die Bescheidbegründung erschöpfe sich weitgehend – in der vom Disziplinarbeschuldigten bestrittenen – Behauptung, er habe die schriftliche Anordnung in der Niederschrift vom 18.01.2022 bewusst missinterpretiert. Für diese Behauptung und das von der belangten Behörde vermeinte „klare Ziel der Niederschrift“ fehle einerseits eine konkrete Begründung und andererseits gehe die belangte Behörde dabei nicht vom Wortlaut der Niederschrift aus.
6 Unabhängig davon, dass der Disziplinarbeschuldigte von sämtlichen Vorwürfen richtigerweise freizusprechen sei, sei die über ihn verhängte Disziplinarstrafe überhöht. Die belangte Behörde habe zahlreiche Milderungsgründe nicht berücksichtigt. Beim Disziplinarbeschuldigten liege nicht nur der Milderungsgrund der Unbescholtenheit vor, sondern auch ein „tadelloser Lebenswandel“ und eine jahrzehntelange verdienstvolle Tätigkeit für die Stadt Wien. Zu berücksichtigen sei auch seine letzte Dienstbeurteilung, welche auf „sehr gut“ gelautet habe, und dass der Disziplinarbeschuldigte seit 01.04.2022, sohin seit mittlerweile über eineinhalb Jahren, seinen Dienst wieder unbeanstandet versehe. Diese lange Phase des unbestrittenen Wohlverhaltens, wie auch die lange Verfahrensdauer, die in keiner Weise vom Disziplinarbeschuldigten zu verantworten sei, seien jedenfalls als mildernd zu berücksichtigen und sprächen klar gegen die Notwendigkeit einer unbedingten Geldstrafe.
7 Mit Schreiben vom 03.01.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde der Disziplinaranwältin unter Anschluss der Bezugsakten dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Sie nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Mit Schreiben vom 08.01.2024 legte sie die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
8 Sowohl die Disziplinaranwältin als auch der Disziplinarbeschuldigte brachten in der Folge jeweils eine Stellungnahme zur Beschwerde der jeweils anderen Partei beim Verwaltungsgericht ein.
9 Das Verwaltungsgericht führte am 22.05.2024, nach Bildung des gemäß § 74a Abs. 2 Z 2 DO 1994 vorgesehenen Senats, eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit der Disziplinaranwältin sowie des Disziplinarbeschuldigten und seines rechtsfreundlichen Vertreters durch. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil. In der Verhandlung wurden der Disziplinarbeschuldigte als Partei sowie sein unmittelbarer Vorgesetzter, Ing. H. I., sowie der Leiter der Stabstelle Personal von D., E. F., als Zeugen einvernommen.
10 Im Anschluss an die Verhandlung zog sich der Senat zur nichtöffentlichen Beratung und Beschlussfassung zurück. Der dabei beschlossene Spruch samt Begründung wurde sodann mündlich verkündet.
11 Die Disziplinaranwältin erklärte daran anschließend ausdrücklich den Verzicht auf die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Der Disziplinarbeschuldigte beantragte die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses, welches hiermit ergeht.
2. Feststellungen
12 Der am ...1969 geborene Disziplinarbeschuldigte, der eine Höhere Technische Lehranstalt (HTL) und das Studium der internationalen Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien absolviert hat, steht seit 01.06.1993 als Fachbeamter des technischen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und versieht seit 01.04.2009 seinen Dienst bei D..
13 Dort ist er seit 01.12.2012 als dezentraler Inventarführer tätig und war als solcher bis Ende des Jahres 2023 für das Inventar der D. Zentrale zuständig. Seine Tätigkeit umfasste aber auch die Koordinierung und den Abschluss von Verträgen in Bezug auf Lichtwellenleitungen in […]anlagen, die Programmierung der Nebengebühr für die Mitarbeitenden und die Dienstkleidungen.
14 Aufgrund des Erlasses der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 12.11.2021, Zl. ..., bzw. der Dienstanweisung 37/20 von D. vom 11.11.2021 (letztere wurde dem Disziplinarbeschuldigten am 11.11.2021 von seiner Dienststelle per E-Mail übermittelt), die beide die zum damaligen Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 an Arbeitsorten umsetzen sollten und mit 15.11.2021 in Kraft traten, war der Einlass am Arbeitsort ab dem zuletzt genannten Zeitpunkt nur unter Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefährdung (Impfung gegen COVID-19, aktueller negativer PCR-Test oder Genesung von COVID-19) möglich und Mitarbeitende ohne einen solchen Nachweis der Zutritt zum Arbeitsort zu verwehren.
15 Im Zeitraum von 15.11.2021 bis 31.01.2022 wurde dem Disziplinarbeschuldigten von seiner Dienststelle D. die Inanspruchnahme von 100 % Homeoffice, Urlaub oder Zeitausgleich gewährt, sodass er nicht auf der Dienststelle anwesend sein musste. In diesem Zeitraum wurde keinem anderen Mitarbeitenden von D. diese Möglichkeiten in diesem Umfang gewährt.
16 Sowohl der unmittelbare Vorgesetzte des Disziplinarbeschuldigten, Ing. H. I., als auch der Leiter der Stabstelle Personal von D., E. F., forderten den Disziplinarbeschuldigten im Zeitraum von Anfang November 2021 bis Ende Jänner 2022 allerdings mehrfach mündlich auf, einen PCR-Tests zu erbringen, weil dieser weder gegen COVID-19 geimpft, noch davon genesen war, und seinen Dienst auf der Dienststelle vor Ort wieder anzutreten. Diesen Aufforderungen kam der Disziplinarbeschuldigte zu keinem Zeitpunkt nach, weil er einen solchen Test wegen seiner persönlichen Ablehnung der gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nicht durchführen lassen wollte.
17 Aufgrund der Übersiedelung der D. Zentrale vom … in den … Wiener Gemeindebezirk war die Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten als Inventarführer auf der Dienststelle ab 01.02.2022 an zumindest einigen Tagen pro Woche notwendig. Da sich der Disziplinarbeschuldigte aber weiterhin verweigerte, den Dienst unter Vorlage eines gültigen negativen PCR-Tests vor Ort anzutreten, übermittelte ihm Ing. I. eine – vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 2 (in der Folge „MA 2“), konzipierte – Niederschrift vom 18.01.2022 per E-Mail mit der Bitte, diese zu unterschreiben und an ihn zu retournieren.
18 Mit dieser Niederschrift wurde dem Disziplinarbeschuldigten von seinem unmittelbaren Vorgesetzten Ing. H. I. die ausdrückliche Weisung erteilt, einen PCR-Test zu machen und erst mit einem gültigen negativen Testergebnis seinen Dienst am 01.02.2022 anzutreten. Er wurde darauf hingewiesen, dass bis dahin seine Bezüge eingestellt werden und sich der Magistrat der Stadt Wien weitere dienstrechtliche Maßnahmen vorbehält. Die Niederschrift enthält zwar auch den Hinweis, dass der Disziplinarbeschuldigte ab 01.02.2022 „vom Dienst freigestellt“ wird und den Arbeitsort nicht betreten darf. Dennoch musste die Niederschrift vom Disziplinarbeschuldigten als schriftliche Weisung, den Dienst ab 01.02.2022 unter Vorlage eines PCR-Tests anzutreten, andernfalls eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst vorliegt und demnach der Anspruch auf Diensteinkommen verloren geht, verstanden werden.
19 Der Disziplinarbeschuldigte unterschrieb diese Niederschrift und retournierte diese am 20.01.2022 per E-Mail an Ing. I..
20 In der Folge legte er jedoch keinen PCR-Test vor und blieb der Dienststelle von 01.02.2022 bis 31.03.2022 fern. Dadurch fielen für andere Mitarbeitende von D. zusätzliche Arbeiten, die mit der Übersiedlung zusammenhingen, an.
21 Für den genannten Zeitraum wurde ihm weder 100 % Homeoffice, noch Urlaub, Zeitausgleich oder Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge, geschweige denn eine „Dienstfreistellung“ (im Sinne einer genehmigten und gerechtfertigten Abwesenheit von der Dienststelle) gewährt.
22 Aufgrund des Wegfalls der gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 der Stadt Wien bzw. des Erlasses der Magistratsdirektion, Zl. ..., und der Dienstanweisung 37/20 von D. trat der Disziplinarbeschuldigte über schriftliches Ersuchen des Ing. I. am 01.04.2022 seinen Dienst auf der Dienststelle an.
23 Bis November 2021 und seit 01.04.2022 hat der Disziplinarbeschuldigte seine Dienstpflichten stets gewissenhaft erfüllt, seine Dienstbeurteilungen lauteten zumindest auf „sehr gut“. Bei seiner letzten Dienstbeurteilung wurde sein Einordnungsvermögen mit „Normleistung“ beurteilt. Er hat in dieser Zeit keine Weisungen seines Vorgesetzten missachtet und es gab auch keine Beschwerden von Mitarbeitenden von D. über den Disziplinarbeschuldigten. Er weist keine gerichtlichen oder disziplinarrechtlichen Vorstrafen auf.
3. Beweiswürdigung
24 Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde vorgelegten Akten (Disziplinarakt und Administrativakt), Würdigung der Beschwerdevorbringen, der dazu eingebrachten Stellungnahmen und Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.05.2024.
25 Die Feststellungen unter Rn. 12 bis 15 und 19, 20, 22 und 23 ergeben sich aus dem Akteninhalt und den damit im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Disziplinarbeschuldigten sowie der Zeugen Ing. I. und F. in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht und sind unstrittig.
26 Dass der Disziplinarbeschuldigte von Anfang November 2021 bis Ende Jänner 2022 durch Ing. I. und F. mehrmals schriftlich und mündlich zur Vorlage eines gültigen negativen PCR-Tests aufgefordert wurde, ergibt sich ebenso bereits aus den diesbezüglich glaubhaften und übereinstimmenden Angaben der genannten – unter Wahrheitspflicht stehenden – Zeugen. So gab Ing. I. überzeugend an, er habe den Disziplinarbeschuldigten von Mitte November 2021 bis Jänner 2022 mehrmals telefonisch zur Vorlage eines PCR-Tests aufgefordert, damit er seinen Dienst vor Ort antreten könne. F. konnte sich noch detailliert daran erinnern, dass er schon am 04.11.2021 das Gespräch mit dem Disziplinarbeschuldigten hinsichtlich seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Corona-Maßnahmen gesucht und ihn zum Überdenken seiner Einstellung aufgefordert habe. Ein weiteres Mal – vor dem 15.11.2021 – habe er ihn am Gang etwas emotional auf die disziplinarrechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens hingewiesen. Letztmalig habe er ihm aufgrund der Weisung des Direktors von D. am 24.01.2022 ein (aktenkundiges) Mail geschrieben, worin er ihn abermals aufgefordert habe, einen gültigen negativen PCR-Test vorzulegen. Der Disziplinarbeschuldigte hat zudem in der Verhandlung vor der belangten Behörde vom 19.10.2023 selbst angegeben, dass es „nur diese persönlichen Gespräche im November“ und „hinsichtlich des Erfordernisses des Dienstantritts (…) nur dieses eine Telefonat vor der Niederschrift am 18.01.2022 gegeben“ habe (vgl. S. 8 Verhandlungsschrift vom 19.10.2023). Ausgehend davon war seiner nunmehrigen Aussage in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, er sei im genannten Zeitraum mündlich „gar nicht“ zur Vorlage eines PCR-Tests aufgefordert worden, kein Glauben zu schenken.
27 Dass die Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten als Inventarführer auf der Dienststelle wegen der Übersiedelung der D. Zentrale ab 01.02.2022 (an zumindest einigen Tagen pro Woche) notwendig war, ergibt sich aus den nachvollziehbaren Angaben des Zeugen Ing. I.. Demnach habe es unter anderem auch Begehungen von anderen Dienststellen gegeben, bei denen es darum gegangen sei, ob diese Dienststellen Inventar von D. benötigten. Der Disziplinarbeschuldigte hätte auch seine Büros zu räumen gehabt. Diese Ausführungen sind mit dem Antwortschreiben des Zeugen F. an die MA 2 vom 09.05.2022 in Einklang zu bringen, wonach der Disziplinarbeschuldigte ab 01.02.2022 „tageweise seinen Dienst vor Ort durchführen“ sollte, „im März 2022 Besichtigungstermine mit anderen Dienststellen vor Ort, betreffend möglicher Übernahme der Inventargegenstände“ stattgefunden hätten und auch deshalb „eine Anwesenheit des Mitarbeiters notwendig gewesen“ wäre (vgl. AS 40, Teil B, Administrativakt). Für das Verwaltungsgericht erscheint es angesichts dessen lebensnah, dass die Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten als Inventarführer in der Zentrale von D. aufgrund der Übersiedlungsmaßnahmen ab 01.02.2022 notwendig war. Daran vermag seine Verantwortung in der Verhandlung, er habe für die Übersiedlung „alles vorbereitet (zB Excel-Listen, Fotodokumentation der Inventargegenstände erstellt)“ und für die Übersiedlung die Fachabteilung „Planung“ zuständig gewesen sei, nichts zu ändern, weil nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen noch ausständige Arbeiten durch andere Mitarbeitende von D. hätten übernommen werden müssen.
28 Es war aber vor allem auf das Beschwerdevorbringen des Disziplinarbeschuldigten einzugehen, wonach er aufgrund der Niederschrift seines Vorgesetzten Ing. I. vom 18.01.2022, worin er unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass er ab 01.02.2022 „vom Dienst freigestellt“ werde und die Bezüge eingestellt würden, von einer „Dienstfreistellung“ (unter Entfall der Bezüge) ausgegangen und daher in der Folge gerechtfertigt dem Dienst von 01.02.2022 bis 31.03.2022 ferngeblieben sei.
29 Diese Interpretation der Niederschrift ist bereits deshalb als reine Schutzbehauptung zu werten, weil der Disziplinarbeschuldigte noch im Jahr 2022 offenkundig selbst nicht von der Gewährung eines Karenzurlaubs unter Entfall der Bezüge für den genannten Zeitraum durch seine Dienststelle ausging. So hielt er in seinem E-Mail an die MA 2 vom 11.03.2022 ausdrücklich fest, dass sein Vorschlag, für den genannten Zeitraum auf „Urlaubskarenz“ zu gehen, von seinem Vorgesetzten „bereits zuvor“ abgelehnt worden sei (vgl. AS 24, Teil A, Administrativakt). In seiner Stellungnahme zum Disziplinarvorwurf an die MA 2 vom 12.08.2022 hat er dieses Vorbringen wiederholt (vgl. AS 52 ff, Teil B, Administrativakt).
30 Dass die nunmehrige Interpretation der Niederschrift durch den Disziplinarbeschuldigten auch aus dem Zusammenhang gerissen ist, ergibt sich aus den glaubhaften und schlüssigen Angaben der Zeugen in der Verhandlung. Nach den Aussagen des Ing. I. sei mit der Formulierung der Niederschrift vom 18.01.2022 („vom Dienst freigestellt“) ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst gemeint gewesen. Ing. I. sei auch in Anbetracht des E-Mails des F. vom 24.01.2022 klar gewesen, dass es sich um keine Dienstfreistellung, sondern um eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst (§ 32 DO 1994) handle. Er habe dem Disziplinarbeschuldigten auch sicherlich nicht gesagt, er dürfte bis zum Auslaufen der Corona-Maßnahmen zuhause bleiben.
31 Auch der Zeuge F. hat diesbezüglich ausgeführt, mit der Formulierung sei gemeint gewesen, dass die Dienststelle nicht ohne Vorlage eines gültigen negativen PCR-Testes betreten werden dürfe. Er habe gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten klar kommuniziert, dass eine Abwesenheit vom Dienst ab 01.02.2022 nicht gerechtfertigt sei und ihn auf die Konsequenzen hingewiesen. Für eine Karenz hätte der Disziplinarbeschuldigte auch einen Antrag stellen müssen, dies sei seines Wissens nach nicht passiert. Letzteres wurde vom Disziplinarbeschuldigten auch nicht behauptet.
32 Ausgehend davon musste der Disziplinarbeschuldigte, der über einen Universitätsabschluss verfügt, die Niederschrift vom 18.01.2022 ohne jeden Zweifel – nicht zuletzt aufgrund des übrigen Inhalts und der dieser vorangegangenen mündlichen und schriftlichen Aufforderungen durch die Zeugen – als Weisung verstehen, seinen Dienst ab 01.02.2022 unter Vorlage eines PCR-Tests anzutreten, andernfalls eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst vorliegt und demnach der Anspruch auf Diensteinkommen verloren geht.
33 Daher waren die entsprechenden Feststellungen unter Rn. 16 bis 18 und 21 zu treffen.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zum Schuldspruch
34 Nach § 20 Abs. 1 DO 1994 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
35 Nach § 20 Abs. 2 DO 1994 kann der Beamte die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
36 Nach § 20 Abs. 3 DO 1994 kann der Beamte, bevor er die Weisung befolgt, seine Bedenken dem Vorgesetzten mitteilen, wenn er eine Weisung aus einem anderen Grund für gesetzwidrig hält. Bestätigt jedoch der Vorgesetzte diese Weisung schriftlich, so hat der Beamte die Weisung zu befolgen.
37 Nach 20 Abs. 4 DO 1994 hat der Beamte eine Weisung, die er für gesetzwidrig hält, ohne schriftliche Bestätigung zu befolgen, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt.
38 Nach der Rechtsprechung des VwGH stellt die Befolgung von Weisungen eine der Säulen einer funktionierenden Verwaltung dar (vgl. VwGH 25.6.1992, 92/09/0084; 14.9.2022, Ra 2021/09/0154). „Dienstanweisungen“ stellen generelle Weisungen dar (vgl. dazu abermals VwGH 14.9.2022, Ra 2021/09/0154).
39 Es steht grundsätzlich nicht dem einzelnen Beamten zu, entgegen bestehender gesetzlicher Regelungen bzw. entgegen ausdrücklicher mündlicher oder schriftlicher Weisungen nach eigenem Gutdünken über Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu befinden. Vielmehr sind erkennbar erteilte dienstliche Weisungen grundsätzlich bindend und können nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Ungehorsam drückt sich normalerweise in der gezielten Ablehnung oder in der nachlässigen Außerachtlassung einer Anordnung aufgrund bedingten Vorsatzes oder Fahrlässigkeit aus. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen die Befolgung der Weisung unterlassen wird, etwa aus dem Grunde einer durchaus sachlich gemeinten Kritik an der Zweckmäßigkeit. Da Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der erteilten Weisung auch nicht die Rechtsfolge des § 20 Abs. 3 DO 1994 (vgl. auch § 44 Abs. 3 BDG 1979) nach sich ziehen, steht dem Beamten nur die Möglichkeit, seine Verbesserungsvorschläge im Dienstweg darzulegen, offen (vgl. VwGH 28.10.2004, 2003/09/0045; 21.10.2022, Ra 2022/09/0043, jeweils mwN).
40 Der Disziplinarbeschuldigte hat die mehrfachen mündlichen Weisungen seines unmittelbaren Vorgesetzten, Ing. I., und des Leiters der Stabstelle Personal, F., die letztlich mit der Niederschrift vom 18.01.2022 durch seinen unmittelbaren Vorgesetzten verschriftlicht wurde, ab 01.02.2022 den Dienst an der Dienststelle unter Vorlage eines PCR-Tests anzutreten, aufgrund seiner grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber den gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 missachtet. Die Verpflichtung zur Vorlage eines solches Tests zum Zweck des Dienstantritts vor Ort ergibt sich zudem aus der zuvor in Kraft getretenen generellen Weisung an die Bediensteten von D. (Dienstanweisung 37/20 vom 11.11.2021), weshalb der Disziplinarbeschuldigte auch diese generelle Weisung nicht befolgt hat.
41 Die Auslegung der Niederschrift vom 18.01.2022 war im Sinne des § 914 ABGB am Empfängerhorizont zu messen, nämlich wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen und verständigen Menschen zu verstehen war, wobei auf konkrete Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 4.12.2023, Ra 2022/12/0075). Ausgehend vom festgestellten Inhalt der Niederschrift, den schriftlichen Ausführungen des Disziplinarbeschuldigten vom 11.03.2022 und 12.08.2022, wonach ihm von seinem Vorgesetzten gerade keine „Urlaubskarenz“ ab 01.02.2022 gewährt worden ist, und den vorangegangenen mündlichen Weisungen seines unmittelbaren Vorgesetzten konnte die Niederschrift vom Disziplinarbeschuldigten, der über einen Universitätsabschluss verfügt, nur als schriftliche Weisung, den Dienst ab 01.02.2022 unter Vorlage eines PCR-Tests anzutreten, andernfalls eine ungerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst vorliegt und demnach der Anspruch auf Diensteinkommen verloren geht, und nicht – wie er zu argumentieren versuchte – als Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge oder gar als „Dienstfreistellung“ verstanden werden.
42 Somit hat der Disziplinarbeschuldigte die mehrfachen mündlichen und schriftlichen Weisungen seines Vorgesetzten nicht befolgt und damit die Dienstpflicht nach § 20 Abs. 1 DO 1994 verletzt.
43 Nach § 26 Abs. 1 DO 1994 hat der Beamte die festgesetzte Arbeitszeit einzuhalten und ist nach den Weisungen seiner Vorgesetzten zur ordnungsgemäßen Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen verpflichtet. Die Arbeitszeitaufzeichnungen können auch automationsunterstützt erfolgen.
44 Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH gehört die Einhaltung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz durch ihre Beamten zu den schwerwiegenden Interessen der Verwaltung, weil bei deren Nichtbeachtung eine funktionierende Verwaltungstätigkeit wohl undenkbar wäre (vgl. VwGH 17.12.2013, 2013/09/0138; 20.6.2016, Ra 2016/09/0070, jeweils mwN).
45 Der Disziplinarbeschuldigte hat die festgesetzte Arbeitszeit nicht eingehalten, weil er – trotz den dargestellten Weisungen – von 01.02.2022 bis 31.03.2022 eigenmächtig und unentschuldigt nicht auf seiner Dienststelle erschienen ist. Wie festgestellt, wurde ihm für diesen Zeitraum von seiner Dienststelle weder 100 % Homeoffice, noch Urlaub, Zeitausgleich oder Karenzurlaub unter Entfall der Bezüge, geschweige denn eine „Dienstfreistellung“ gewährt. Er hat daher auch seine Dienstpflicht nach § 26 Abs. 1 erster Satz DO 1994 verletzt.
4.2. Zur Strafbemessung
46 Nach § 76 Abs. 1 DO 1994 sind Disziplinarstrafen der Verweis (Z 1), die Geldbuße bis zum 1,5fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage (Z 2), die Geldstrafe bis zum 7fachen des Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage (Z 3) und die Entlassung (Z 4).
47 Nach § 77 Abs. 1 DO 1994 ist für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgebend. Dabei ist insbesondere Rücksicht zu nehmen, inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde (Z 1), inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (Z 2) und sinngemäß auf die gemäß §§ 32 bis 35 StGB, für die Strafbemessung maßgebenden Gründe (Z 3).
48 Nach § 77 Abs. 2 DO 1994 ist nur eine Strafe zu verhängen, wenn ein Beamter durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt wird. Diese Strafe ist nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
49 Nach § 77 Abs. 3 DO 1994 ist ohne Rücksichtnahme auf die in Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Strafbemessungsgründe jedenfalls die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen, wenn sich der Beamte einer derart schweren Dienstpflichtverletzung schuldig gemacht, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstgeber oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben so grundlegend zerstört ist, dass er für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar ist, es sei denn, die Tat ist auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte.
50 Voranzustellen ist, dass eine Einschränkung der Kognitionsbefugnis durch das Verbot der reformatio in peius im Disziplinarverfahren nur durch die Bestimmung des § 104 DO 1994 gegeben und dahin begrenzt ist, dass keine höhere Strafe als in dem mit der Beschwerde durch den Beschuldigten angefochtenen Disziplinarerkenntnis verhängt werden darf und nur den Fall betrifft, dass ausschließlich der Beschuldigte Beschwerde erhoben hat (vgl. zu § 129 BDG 1979 VwGH 28.11.2022, Ro 2022/09/0003; 25.1.2024, Ro 2023/09/0009).
51 Gegenständlich hat auch die Disziplinaranwältin Beschwerde gegen das Disziplinarerkenntnis erhoben und die Entlassung des Disziplinarbeschuldigten beantragt, weshalb das Verbot der reformatio in peius im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommt.
4.2.1. Zur Entlassung nach § 77 Abs. 3 DO 19944.2.1. Zur Entlassung nach Paragraph 77, Absatz 3, DO 1994
52 Nach der Rechtsprechung des VwGH ist bei Anwendung des § 77 Abs. 3 DO 1994 in einem ersten Schritt gemäß dem Einleitungssatz des § 77 DO 1994 die Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Diese ist einerseits nach der objektiven Schwere des Tatbildes und andererseits nach der Schwere des Verschuldens zu ermitteln (VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0027). Das objektive Gewicht der Tat (der „Unrechtsgehalt“) wird dabei in jedem konkreten Einzelfall – in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB – wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutsbeeinträchtigung bestimmt (vgl. VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0027).
53 Durch die festgestellten Dienstpflichtverletzungen nach § 20 Abs. 1 DO 1994 und § 26 Abs. 1 erster Satz DO 1994 hat der Disziplinarbeschuldigte das Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft beeinträchtigt. Da die Befolgung von Weisungen eine der Säulen einer funktionierenden Verwaltung darstellt und die Einhaltung der Arbeitszeit zu den schwerwiegenden Interessen der Verwaltung zählt, wurde dieses Rechtsgut durch die Taten erheblich beeinträchtigt.
54 Angesichts der beträchtlichen Dauer der Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten von seiner Dienststelle von nahezu zwei Monaten (von 01.02.2022 bis 31.03.2022) sowie seiner Weigerung, die Weisungen seines Vorgesetzten zu befolgen, konnte auch von einer erheblichen Schwere seiner Schuld ausgegangen werden (vgl. VwGH 4.9.2003, 2000/09/0094, mwN).
55 Insgesamt war daher von einer erheblichen Schwere der festgestellten Dienstpflichtverletzungen auszugehen.
56 In einem nächsten Schritt ist zu beurteilen, in welchem Ausmaß („inwieweit“) durch diese Dienstpflichtverletzungen das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten beeinträchtigt ist (§ 77 Abs. 1 Z 1 DO 1994) oder es sich um derart schwere Dienstpflichtverletzungen handelt, dass im Sinn des § 77 Abs. 3 DO 1994 das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstgeber oder das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben so grundlegend zerstört ist, dass er für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar geworden ist. § 77 Abs. 3 Wr DO 1994 kommt erst dann zum Tragen, wenn die vorangegangene Beurteilung zu einer derart schweren Dienstpflichtverletzung gelangt, dass das Vertrauensverhältnis grundlegend zerstört ist (vgl. abermals VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0027).
57 Die Zerstörung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben eines Bediensteten ist aus objektiver Sicht zu beurteilen, weil es darauf anzukommen hat, ob das Fehlverhalten bei Dritten Bedenken gegen eine rechtmäßige Aufgabenerfüllung auszulösen vermag. Gleiches gilt für die Beurteilung der Zerstörung des Vertrauens des Dienstgebers. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, dass sich die Verwaltung (insgesamt, und nicht nur der Vorgesetzte an der Dienststelle) auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist (vgl. VwGH 17.12.2013, Zl. 2013/09/0138). Diese Beurteilung ist an der Modellfigur des mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Beamten zu messen.
58 Dem Disziplinarbeschuldigten wurde für die Zeit von 15.11.2021 bis 31.01.2022, also zweieinhalb Monate lang, abwechselnd 100 % Homeoffice, Urlaub oder Zeitausgleich gewährt, weil er es ab November 2021 aus persönlichen Motiven abgelehnt hat, den Dienst vor Ort unter Vorlage eines wissenschaftlich anerkannten PCR-Tests zum Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefährdung durch COVID-19 (einer hochansteckenden Viruserkrankung) anzutreten. In dieser Zeit wurde keinem anderen Mitarbeitenden von D. eine ähnliche „Sonderbehandlung“ gewährt. Trotz des Umstands, dass ihm zweieinhalb Monate lang eine gerechtfertigte Abwesenheit von der Dienststelle bewilligt wurde, weigerte sich der Disziplinarbeschuldigte, die Weisungen seines Vorgesetzten, den Dienst ab 01.02.2022 auf der Dienststelle anzutreten, zu befolgen, obwohl seine Anwesenheit als Inventarführer aufgrund der Übersiedlung der D. Zentrale notwendig war. Dadurch mussten andere Mitarbeitende von D. die noch ausständigen Arbeiten, welche grundsätzlich vom Disziplinarbeschuldigten durchzuführen gewesen wären (wie etwa die Übersiedlung seiner Büros), übernehmen. Erst aufgrund des Wegfalls der gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 und der entsprechenden dienstlichen Erlässe trat der Disziplinarbeschuldigte über schriftliches Ersuchen seines unmittelbaren Vorgesetzten seinen Dienst am 01.04.2022 auf der Dienststelle an.
59 Daraus wird offenbar, dass er – trotz der dargestellten, wochenlangen „Sonderbehandlung“ – die von der Dienstgeberin umzusetzenden gesetzlichen Maßnahmen und die Weisungen seines Vorgesetzten über einen langen Zeitraum hinweg in unredlicher Weise nicht einhalten wollte und disziplinarrechtliche Konsequenzen sowie die Mehrbelastung seine*r Kolleg*innen durch seine Verhalten in Kauf nahm. Dadurch hat sich der Disziplinarbeschuldigte derart unredlich und vertrauensunwürdig verhalten, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Dienstgeberin in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben so grundlegend zerstört, dass er für eine Weiterbeschäftigung in seiner bisherigen Verwendung untragbar geworden ist. Dabei ist es unerheblich, dass er bis November 2021 und seit 01.04.2022 seine Dienstpflichten stets gewissenhaft erfüllt hat und es über ihn keine Beschwerden von anderen Mitarbeitenden seiner Dienststelle gegeben hat, weil sein Verhalten aus objektiver Sicht jedenfalls schwere Bedenken gegen eine rechtmäßige Aufgabenerfüllung auszulösen vermochte und eine allenfalls gegenteilige subjektive Einschätzung seines unmittelbaren Vorgesetzten für diese Beurteilung irrelevant ist.
60 Auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Disziplinarbeschuldigte ist zerstört, weil eine Belassung im Dienststand in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken würde, die Dienstgeberin verfolge die über einen langen Zeitraum begangenen Verfehlungen von unkündbaren Beamten nicht ernsthaft. Ob der Vorfall in der Öffentlichkeit bekannt wurde oder nicht, ist im Rahmen der Strafbemessung rechtlich unbeachtlich, weil dieser Umstand der Einflusssphäre des beschuldigten Beamten entzogen ist (vgl. VwGH 17.12.2013, 2013/09/0138).
61 Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Ausnahmetatbestand des § 77 Abs. 3 letzter Satzteil DO 1994, wonach eine Entlassung dann nicht zu verhängen ist, wenn die Tat auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte, eng auszulegen. Er lehnt sich an die Regelung zu den allgemeinen Grundsätzen zur Strafbemessung in § 32 Abs. 2 zweiter Satz StGB an. Er erfasst nach den Erläuterungen (Beilage Nr. 30/2009 LG - 02911-2009/0001) zur Beschlussvorlage „nur Situationen großer Bedrängnis, die einen so starken Motivationsdruck entfalten, dass auch ein maßgerechter Mensch zur Tat verleitet würde“.
62 Ausgehend davon kann dem Disziplinarbeschuldigten der Ausnahmetatbestand des § 77 Abs. 3 letzter Satzteil DO 1994 nicht zu Gute kommen. Es ist im Verfahren nicht ansatzweise hervorgekommen, dass er zur Missachtung der Weisungen seines Vorgesetzten und zum ungerechtfertigten Fernbleiben von der Dienststelle aufgrund großer Bedrängnis verleitet worden wäre. Vielmehr hat er die Einhaltung der gesetzlichen wie auch dienstlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 abgelehnt und ist sodann nicht auf der Dienststelle vor Ort erschienen. Ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Beamter hätte dagegen die Weisungen seines Vorgesetzten befolgt und einen gültigen negativen PCR-Test zum Zweck des Dienstantritts auf der Dienststelle vorgelegt.
63 Über den Disziplinarbeschuldigten war daher nach § 77 Abs. 3 DO 1994 jedenfalls die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen.
4.2.2. Zum Absorptionsprinzip nach § 77 Abs. 2 DO 19944.2.2. Zum Absorptionsprinzip nach Paragraph 77, Absatz 2, DO 1994
64 Da der Disziplinarbeschuldigte durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat, war nach dem Absorptionsprinzip des § 77 Abs. 2 DO 1994 nur eine Disziplinarstrafe, nämlich aus den oben dargestellten Gründen gemäß § 76 Abs. 1 Z 4 DO jene der Entlassung, zu verhängen.
4.2.3. Zur Ermessensübung der belangten Behörde
65 Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte. Das Verwaltungsgericht hat im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0038, mwN).
66 Aus den oben ausgeführten Erwägungen ergibt sich, dass nach Ansicht des erkennenden Senates die belangte Behörde ihre Ermessensausübung im Ergebnis jedoch nicht im Sinne des Gesetzes vorgenommen hat: Auf S. 9 f des Disziplinarerkenntnisses finden sich die Ausführungen, von einer Entlassung als schwerste Disziplinarstrafe habe Abstand genommen werden können, weil der Disziplinarbeschuldigte, nach Wegfall der 3G-Regel, mit 01.04.2022 „unmittelbar“ seinen Dienst wieder angetreten und damit seine „vorhandene weitere Dienstbereitschaft deutlich zum Ausdruck gebracht“ habe. Auch wenn der Disziplinarbeschuldigte mit der Begehung der festgestellten Dienstpflichtverletzungen „tatsächlich objektiv schwere Dienstpflichtverletzungen“ verwirklicht habe, sei der Grad der Untragbarkeit für eine weitere Beschäftigung insofern nicht überschritten worden, als er nach Wegfall „seiner persönlichen Hinderungsgründe seinen Dienst unverzüglich wiederaufgenommen“ habe. Auch handle es sich nach Angaben des Ing. I. beim Disziplinarbeschuldigten um einen „sehr guten Mitarbeiter“ bei D., der seine Arbeit stets genau und korrekt erledige und dies nach wie vor tue. Bis auf die in Rede stehende „Ausnahmesituation“ seien von ihm sämtliche Dienstanweisungen immer befolgt worden. Die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung scheine aus Gründen der Spezialprävention nicht erforderlich, zumal die vom VwGH mehrfach bestätigten Gründe für eine Entlassung bei ungerechtfertigter Abwesenheit von annährend zwei Jahren sowie beharrlicher Weisungsverweigerung über Jahre hinweg, im vorliegenden Fall nicht verwirklicht worden seien (Hinweis auf VwGH 19.11.1997, 96/09/0031; 16.9.2009, 2008/09/0180).
67 Damit hat die belangte Behörde aber die Voraussetzungen für die jedenfalls zu verhängende Disziplinarstrafe der Entlassung nach § 77 Abs. 3 DO 1994 nicht näher geprüft. Sie hat selbst ausgeführt, dass es sich im vorliegenden Fall um „objektiv schwere Dienstpflichtverletzungen“ handelt, jedoch nicht begründet, weshalb dadurch das Vertrauen der Dienstgeberin oder der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Disziplinarbeschuldigten dennoch nicht zerstört worden wäre. Dabei spielen das Fehlen von spezialpräventiven Gründen, die nach Ansicht der belangten Behörde im Fall des Disziplinarbeschuldigten vorlägen, keine Rolle. Auch der Hinweis auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH vermag eine einzelfallbezogene Beurteilung der Auswirkungen der festgestellten schweren Dienstpflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten, der zwei Monate dem Dienst ungerechtfertigt ferngeblieben ist und nahezu drei Monate lang wiederholt Weisungen seines Vorgesetzten nicht befolgt hat, nicht zu ersetzen.
68 Ungeachtet dessen hat die belangte Behörde auch übersehen, dass der Disziplinarbeschuldigte den Dienst am 01.04.2022 nicht aufgrund eines Sinneswandels, sondern bloß aufgrund des Außerkrafttretens der gesetzlichen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (und der entsprechenden dienstlichen Erlässe) und nur über schriftliche Aufforderung seines Vorgesetzten angetreten hat. Dass er aufgrund der subjektiven Wahrnehmung seines unmittelbaren Vorgesetzten ein „sehr guter Mitarbeiter“ ist und seine Aufgaben stets gewissenhaft und korrekt erledigt hat, steht der Annahme von spezialpräventiven Gründen nicht entgegen.
69 Ausgehend davon hat die belangte Behörde die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe des vierfachen Monatsbezugs (unter Ausschluss der Kinderzulage) nicht im Sinne des Gesetzes verhängt. Auf den Ausspruch der bedingte Strafnachsicht nach § 78 DO 1994 musste daher nicht näher eingegangen werden.
4.2.4. Ergebnis
70 Aufgrund dieser Strafbemessung war im Sinn des Antrags der Disziplinaranwältin über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 77 Abs. 3 iVm. 76 Abs. 1 Z 4 DO 1994 die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen. Seine Beschwerde gegen das angefochtene Disziplinarerkenntnis war dagegen abzuweisen.
4.3. Zur Kostenentscheidung nach § 106 DO 19944.3. Zur Kostenentscheidung nach Paragraph 106, DO 1994
71 Nach § 106 Abs. 1 DO 1994 ist in der Disziplinarverfügung und im Disziplinarerkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit der Beamte mit Rücksicht auf den von ihm verursachten Verfahrensaufwand, seine persönlichen Verhältnisse und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die Kosten des Verfahrens einschließlich der Reisegebühren und der Gebühren für Zeugen und Sachverständige zu ersetzen hat, wenn über den Beamten eine Disziplinarstrafe verhängt wird; dasselbe gilt, wenn im Schuldspruch von der Verhängung einer Disziplinarstrafe abgesehen wird (§ 77a Abs. 1). Die aus der Beiziehung eines Verteidigers erwachsenden Kosten hat in allen Fällen der Beamte zu tragen.
72 Im gegenständlichen Fall steht fest, dass dem Verwaltungsgericht infolge der gegenständlichen Disziplinarbeschwerden keinerlei Barauslagen oder sonstige Kosten im Sinn des §§ 76 ff AVG entstanden sind. Nach Ansicht des erkennenden Senats kann die Wendung „Kosten des Verfahrens“ nur im Sinne des Kostenbegriffs des AVG (daher im Sinn des §§ 76 ff AVG) verstanden werden, zumal diese Bestimmung offenkundig das regelt, was grundsätzlich im Administrativverfahren durch die §§ 76 ff AVG näher geregelt wird.
73 Auch erscheint es im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des § 106 Abs. 1 DO 1994 geboten, diese Bestimmung dahingehend auszulegen, dass durch diese Bestimmung nicht nur die Kostentragung vor dem behördlichen Verfahren geregelt wird. Andernfalls hätte dies das gleichheitswidrige Ergebnis, dass der Beschuldigte hinsichtlich der Kostentragung im behördlichen Verfahren deutlich günstiger gestellt wäre, als hinsichtlich der Kostentragung im Rechtsmittelverfahren; was im Ergebnis zu einer nicht sachlichen Erschwerung der Verfahrensführung vor dem Verwaltungsgericht führen würde. Da sohin keinerlei „Kosten des Verfahrens“ angefallen sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
4.4. Zum Vorbringen der Disziplinaranwä