TE Bvwg Erkenntnis 2024/8/22 W240 2296230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2024
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Entscheidungsdatum

22.08.2024

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. FPG § 61 heute
  2. FPG § 61 gültig ab 01.10.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 106/2022
  3. FPG § 61 gültig von 01.06.2016 bis 30.09.2022 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2016
  4. FPG § 61 gültig von 20.07.2015 bis 31.05.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  5. FPG § 61 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  6. FPG § 61 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  7. FPG § 61 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2011

Spruch


W240 2296230-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Tanja FEICHTER über die Beschwerde von XXXX , , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024, Zl. 740886100/240851894, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Tanja FEICHTER über die Beschwerde von römisch 40 , , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2024, Zl. 740886100/240851894, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 5, AsylG 2005 und Paragraph 61, FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (auch BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 29.05.2024 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Er stellte am 26.04.2004 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, aufgrund diesen Antrages wurde dem BF in Österreich der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Im Jahr 2015 wurde dem Beschwerdeführer der Asylstatus wieder aberkannt, weil er mehrmals in sein Herkunftsland reiste und sich unter den Schutz seines Heimatlandes stellte.

Am 13.04.2018 reiste der BF freiwillig, unter Gewährung der Kostenübernahme der Heimreisekosten, via IOM in sein Heimatland.

Betreffend den BF scheint am 11.05.2023 sowie am 24.05.2023 eine Eurodactreffermeldung der Kategorie 1 (Asylantragstellung) zu Deutschland auf.

Der BF war am 29.05.2024 abermals (illegal) in das Bundesgebiet eingereist um gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zu stellen.

Anlässlich seiner Erstbefragung am 30.05.2024 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, es würden seine vier Kinder in Österreich leben, diese seien XXXX geboren. Das Sorgerecht für seine Kinder habe seine geschiedene Frau (Anmerkung BVwG: die Ex-Ehefrau des BF, IFA Zahl XXXX XXXX , sie lebt seit 2003 durchgehend in Österreich und verfügt wie ihre Kinder über einen Asylstatus). Ein Arzt habe dem BF in Deutschland gesagt, er hätte Krebs, er habe Schmerzen im Bauchbereich, daher habe er in Deutschland auch Morphium erhalten. Er könne der Einvernahme aber ohne Probleme folgen. Er habe nach Österreich gelangen wollen, weil er schon einmal in Österreich gelebt habe und auch seine Kinder in Österreich leben. Er habe die Russische Föderation 2020 verlassen, sei rund zwei Wochen in Polen und dann rund ein Jahr in Deutschland gewesen. Am 29.05.2024 sei er nach Österreich gelangt. In Deutschland habe er einen Asylantrag gestellt, dieser sei abgelehnt worden, die Unterlagen darüber seien in Deutschland geblieben. In Deutschland habe er auf der Straße gelebt und sei nicht versorgt worden. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der BF an, er habe Krebs und wolle den Rest seines Lebens bei seinen Kindern verbringen, er könne nicht nach Tschetschenien zurück, weil er da niemanden mehr habe. Anlässlich seiner Erstbefragung am 30.05.2024 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, es würden seine vier Kinder in Österreich leben, diese seien römisch 40 geboren. Das Sorgerecht für seine Kinder habe seine geschiedene Frau (Anmerkung BVwG: die Ex-Ehefrau des BF, IFA Zahl römisch 40 römisch 40 , sie lebt seit 2003 durchgehend in Österreich und verfügt wie ihre Kinder über einen Asylstatus). Ein Arzt habe dem BF in Deutschland gesagt, er hätte Krebs, er habe Schmerzen im Bauchbereich, daher habe er in Deutschland auch Morphium erhalten. Er könne der Einvernahme aber ohne Probleme folgen. Er habe nach Österreich gelangen wollen, weil er schon einmal in Österreich gelebt habe und auch seine Kinder in Österreich leben. Er habe die Russische Föderation 2020 verlassen, sei rund zwei Wochen in Polen und dann rund ein Jahr in Deutschland gewesen. Am 29.05.2024 sei er nach Österreich gelangt. In Deutschland habe er einen Asylantrag gestellt, dieser sei abgelehnt worden, die Unterlagen darüber seien in Deutschland geblieben. In Deutschland habe er auf der Straße gelebt und sei nicht versorgt worden. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der BF an, er habe Krebs und wolle den Rest seines Lebens bei seinen Kindern verbringen, er könne nicht nach Tschetschenien zurück, weil er da niemanden mehr habe.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 04.06.2024 ein auf
Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Deutschland. Mit Schreiben vom 06.06.2024 erklärte sich Deutschland zur Übernahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO ausdrücklich bereit. Aus dem Schreiben ist ersichtlich, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Deutschland abgelehnt wurde.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 04.06.2024 ein auf
Art. 18 Absatz eins, Litera b, der Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an Deutschland. Mit Schreiben vom 06.06.2024 erklärte sich Deutschland zur Übernahme des Beschwerdeführers gemäß Artikel 18, Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO ausdrücklich bereit. Aus dem Schreiben ist ersichtlich, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Deutschland abgelehnt wurde.

3. Am 02.07.2024 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen des Zulassungsverfahrens niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Er tätigte insbesondere folgende Angaben:

„(…)

LA:     Erklären Sie sich dazu bereit, die Einvernahme unter den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, Vorsorge- und Schutzmaßnahmen (Mindestabstand 2m,) durchzuführen?

VP:      Ja

LA:     Haben Sie die Belehrung verstanden?

VP:      Ja

LA:     Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher?

VP:     Sehr gut

Meine Muttersprache ist Tschetschenisch. Einvernahme wird auf Russisch aufgrund Ihres Wunsches durchgeführt.

LA:      Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

VP:      Nein

LA:      Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

VP:      Ja

Erklärung: Ihre Angaben sind Grundlage Für die Entscheidung im Asylverfahren und Sie sind verpflichtet, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Diesen Angaben kommt in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zu.

Alle persönlichen Daten und Vorbringen in diesem Verfahren unterliegen der österreichischen Gesetzgebung hinsichtlich Amtsverschwiegenheit und Datenschutz.

Diese Daten werden weder an in Ihr Heimatland weitergeleitet noch öffentlich gemacht.

LA:      Haben Sie alles verstanden?

VP:      Ja

LA:     Haben Sie bis jetzt im Verfahren zur Ihrer Person die Wahrheit gesagt?

VP:      Ja.

LA:      Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

VP:      Nein

LA:      Haben Sie jemals einen Pass gehabt?

VP:      Nein

LA:      Warum haben Sie bei der Erstbefragung angegeben, dass sich Ihr Pass bei den deutschen Behörden befindet?

VP:      Da wurde ich vermutlich falsch verstanden

LA:      Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

VP:     Nein

LA:      Sind Sie derzeit in ärztlicher Betreuung und/ oder Behandlung bzw. Therapie?

VP:      Ja. Ich mache Therapie. Ich habe Bauchschmerzen. Ich habe was mit dem Darm. Es wurde mir gesagt, dass das Symptome von Krebs. Ich möchte aber keine Chemotherapie. Ich möchte mich so behandeln.

Anm: AW wird darauf hingewiesen, dass er hier in Ö. jederzeit zu einem Arzt gehen kann.Anmerkung, AW wird darauf hingewiesen, dass er hier in Ö. jederzeit zu einem Arzt gehen kann.

LA:      Wo machen Sie die Therapie und wann?

VP:      Ich möchte die Therapie machen, wenn ich Kontakt zu meinen Kindern aufnehme. Bisher nehme ich nur Schmerztabletten.

LA:      Gibt es Befunde? Waren Sie bei einem Arzt?

VP:      Nein. Ich möchte gleich nachdem dieses Interview abgeschlossen ist einen kompletten Check machen. Man muss bei mir alles anschauen weil auch die Rippen gebrochen waren und man muss bei mir alles anschauen.

LA:      Woher haben Sie die Schmerztabletten?

VP:      Ich war hier beim Arzt im Lager. Ich habe auch Epilepsie, aber nur sehr selten.

LA:      Nehmen Sie zurzeit Medikamente? Wenn ja welche?

VP:      Nur Schmerztabletten.

LA:      Gibt es Befunde?

VP:      Nein. Ich habe auch aus Deutschland keine Befunde.

LA:      Wann wurde und von wem wurde Ihnen erstmals die Diagnose gestellt?

VP:      Ich wurde eigentlich noch nicht gecheckt und daher gibt es noch gar keine Symptome. Ich will von Krebs gar nichts hören. Vielleicht habe ich mich einfach nur verkühlt.

LA:      Wann findet Ihr nächster Termin beim Arzt statt?

VP:      Ich habe keinen Termin beim Arzt. Ich werde selbst dort hin gehen.

LA:      An welchen Beschwerden leiden Sie?

VP:      Ich habe Magenschmerzen und es dreht mich.

LA:      Sie sind seit einem Monat hier. Warum waren Sie nicht bei einem Arzt?

VP:      Ich möchte das hier nicht im Lager machen. Ich mache das wenn ich verlegt werde. Ich möchte aber keine Chemotherapie machen. Ich weiß, dass Leute die diese Symptome hatten eine Chemotherapie machen mussten und das will ich nicht. Ich muss nach XXXX . Dort sind meine Kinder. 2 hab ich schon gesehen und 2 muss ich erst och sehen.VP:      Ich möchte das hier nicht im Lager machen. Ich mache das wenn ich verlegt werde. Ich möchte aber keine Chemotherapie machen. Ich weiß, dass Leute die diese Symptome hatten eine Chemotherapie machen mussten und das will ich nicht. Ich muss nach römisch 40 . Dort sind meine Kinder. 2 hab ich schon gesehen und 2 muss ich erst och sehen.

LA:      Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen, CH, Lichtenstein oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

VP:     Nein, aber ich habe aber eine Schwester in Deutschland

LA:      Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

VP:      Ja Ich habe 4 Söhne in Österreich.
XXXX LA:         Seit wann befindet sich Ihre Söhne in Österreich und welchen Status besitzen sie?
VP:      Ja Ich habe 4 Söhne in Österreich.
römisch 40 LA:         Seit wann befindet sich Ihre Söhne in Österreich und welchen Status besitzen sie?

VP:       XXXX VP:       römisch 40

Meine Kinder sind alle in Österreich geboren

LA:      Zwei Ihrer angeblichen Söhne sind noch minderjährig. Wer hat die Obsorge über die beiden?

VP:      Meine Ex-Gattin

LA:      Nennen Sie mir die genauen Daten Ihrer angeblichen Gattin:

VP:       XXXX , StA Russland, sie ist seit 2003 in Österreich und hat einen positiven Bescheid. Wir sind aber geschieden. VP:       römisch 40 , StA Russland, sie ist seit 2003 in Österreich und hat einen positiven Bescheid. Wir sind aber geschieden.

Es konnte eruiert werden, dass es sich bei der Ex Gattin um XXXX XXXX handelt.Es konnte eruiert werden, dass es sich bei der Ex Gattin um römisch 40 römisch 40 handelt.

LA:      Haben Ihre Söhne Sie seit Ihrer Einreise schon hier in der Unterkunft besucht und falls ja wie oft und wann zuletzt?

VP:      Die ältesten waren schon mal hier zu Besuch.

LA:      Wie haben Sie Kontakt zu Ihren Söhnen gehalten als Sie sich nicht in Österreich aufgehalten haben?

VP:      Wir hatten telefonischen Kontakt.

LA:      Bestehen finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten zu Ihren Söhnen?

VP:      Nein

LA:      Haben Sie anderen Verwandte in Österreich?

VP:      Ich habe eine Tante in Wien und XXXX lebt noch mein älterer Bruder. Aber auch zu diesen bestehen keine Abhängigkeiten. VP:      Ich habe eine Tante in Wien und römisch 40 lebt noch mein älterer Bruder. Aber auch zu diesen bestehen keine Abhängigkeiten.

LA:      Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

VP:      Nein

LA:      Liegen gegenseitig finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten zu sonst jemandem vor?

VP:      Nein

LA:      Haben Sie jemals in einem anderen Land um Asyl angesucht?

VP:      Ja in Deutschland. Ich habe dort eine Duldung erhalten und es ist nun geschlossen.

LA:      Haben Sie die Duldung verlängern lassen?

VP:      Nein ich bin hierher gekommen. Ich habe in Deutschland auf der Straße gelebt. Ich wollte nicht in Deutschland verlängern. Ich wollte schon seit 7 Jahren meine Kinder sehen.

LA;      In Deutschland ist alles geschlossen. Ich kann dort nicht sein.

LA:      Wann und wie lange waren Sie in Deutschland aufhältig?

VP:      Fast 1 Jahr lang. 4 Monate und 2 Wochen Monate war ich im Gefängnis, 4 Monate auf der Straße und 4-5 Monate war ich im Lager.

LA:     Kennen Sie den Stand Ihres Asylverfahrens in Deutschland?

VP:      Ich habe eine negative Entscheidung erhalten

LA:      Wurden Sie in Deutschland untergebracht und versorgt?

VP:      Ich war nur 4-5 Monate im Lager und danach auf der Straße. Ich kann dort im Lager nicht leben.

LA:      Warum können Sie dort im Lager nicht leben?

VP:      Ich möchte dort nicht leben. Ich möchte hier leben.

Vorhalt:

LA:      Ihnen wurde eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit Deutschland geführt werden.
Der Staat Deutschland stimmte in Ihrem Fall gem. Art. 18.1.d der Dublin III-Verordnung zu. Es war eine ausdrückliche Zustimmung und keine Verfristung.
Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland auszuweisen.
LA:      Ihnen wurde eine Verfahrensanordnung gem. Paragraph 29, Absatz 3, Ziffer 4, AsylG 2005 zu eigenen Handen zugestellt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass im gegenständlichen Fall Konsultationsverfahren mit Deutschland geführt werden.
Der Staat Deutschland stimmte in Ihrem Fall gem. Artikel 18 Punkt eins Punkt d, der Dublin III-Verordnung zu. Es war eine ausdrückliche Zustimmung und keine Verfristung.
Seitens des BFA ist nunmehr geplant, gegenständlichen Antrag auf int. Schutz gem. Paragraph 5, AsylG 2005 zurückzuweisen und Sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Deutschland auszuweisen.

LA:     Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

VP:     Ich habe Krebs und möchte bis zu meinem Ende bei meinen Söhnen in Österreich leben. Außerdem wurde ich in Deutschland weder untergebracht noch versorgt. Geben Sie mir ein Ticket für meine 4 Kinder und ich fahre mit Ihnen nach Russland. Ich fahre sicher nicht nach Deutschland.

LA:      Haben Sie in Deutschland ein Krankenhaus aufgesucht?

VP:      Nein ich hatte keine Versicherung.

LA:      Sie haben im Zuge der Ausfolgung der Ladung die Länderfeststellungen zu Deutschland erhalten. Möchten Sie dazu etwas angeben?

VP:      Nein

Ihnen wird erklärt, dass Sie nachdem Ihnen der Bescheid ausgefolgt wurde, Sie die Möglichkeit haben gegen die Entscheidung eine Beschwerde ein zu legen oder einen Rechtsmittelverzicht abzugeben. Der Rechtsmittelverzicht führt zur unmittelbaren Rechtskraft der Entscheidung im Asylverfahren und Sie würden damit auf eine Beschwerde verzichten.

LA:     Ist Ihnen die Dublinverordnung bekannt?

VP:      Ja

LA:     Wollen Sie noch etwas angeben was Ihnen wichtig erscheint? Wollen Sie noch etwas vorbringen oder ergänzen?

VP:     Ich möchte nicht nach Deutschland sondern möchte hier mit meinen Söhnen in Österreich leben.

LA:     Konnten Sie meinen Fragen folgen?

VP:     Ja

LA:     Haben Sie den Dolmetscher verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

VP:     Ja

AW möchte nach der Rückübersetzung zu folgender Frage eine Änderung seiner Meinung kundtun die in der EV vermerkt sein soll:

LA:     Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?

VP:     Ich habe Krebs und möchte bis zu meinem Ende bei meinen Söhnen in Österreich leben. Außerdem wurde ich in Deutschland weder untergebracht noch versorgt. Geben Sie mir ein Ticket für meine 4 Kinder und ich fahre mit Ihnen nach Russland. Ich fahre sicher nicht nach Deutschland. Ich werde sicher nicht mit meinen Kinder nach Russland fahren. (…)“

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.07.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß
Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist (Spruchpunkt I.), sowie die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Deutschland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.).
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.07.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß
Art. 18 Absatz eins, Litera d, Dublin III-VO zur Prüfung des Antrages zuständig ist (Spruchpunkt römisch eins.), sowie die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers gemäß Paragraph 61, Absatz eins, FPG angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Deutschland gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG zulässig ist (Spruchpunkt römisch II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Deutschland wurden bereits in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

3.       Allgemeines zum Asylverfahren

In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Für das erstinstanzliche Asylverfahren zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Beschwerden können an die zuständigen Verwaltungsgerichte oder weiter an übergeordnete Gerichte (Gerichtshöfe) gerichtet werden (AIDA 4.2023; vgl. BAMF 10.2023, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Für das erstinstanzliche Asylverfahren zuständig ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Beschwerden können an die zuständigen Verwaltungsgerichte oder weiter an übergeordnete Gerichte (Gerichtshöfe) gerichtet werden (AIDA 4.2023; vergleiche BAMF 10.2023, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).

Überblick über das deutsche Asylverfahren:

(Quelle: AIDA 4.2023)

Nach Angaben der Bundesregierung haben in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 188.967 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt, was einem Anstieg von 78,1% gegenüber 2022 entspricht. Die meisten Antragsteller kamen aus Syrien, Afghanistan, Türkei, Iran und Irak (HRW 11.1.2024).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2023): Ablauf des deutschen Asylverfahrens, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=31, Zugriff 27.2.2024

-        HRW – Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2103213.html, Zugriff 1.3.2024
4.         Dublin-Rückkehrer

Im Jahr 2022 wurden 3.700 Überstellungen nach Deutschland durchgeführt, verglichen mit 4.274 im Jahr 2021, 4.369 im Jahr 2020 und 6.087 im Jahr 2019. Im Jahr 2022 kamen die meisten Überstellungsersuchen an Deutschland aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Es gibt keine Berichte darüber, dass Dublin-Überstellte nach der Überstellung nach Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren oder andere Probleme hatten. Es gibt kein einheitliches Verfahren für die Aufnahme und Weiterbehandlung von Dublin-Überstellten. Wenn sie bereits in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, sind sie in der Regel verpflichtet, in die Region zurückzukehren, der sie während ihres früheren Asylverfahrens in Deutschland zugewiesen wurden. Wurde ihr Antrag bereits rechtskräftig abgelehnt, ist es möglich, dass sie bei der Rückkehr nach Deutschland in Schubhaft genommen werden (AIDA 4.2023).

Dublin-Überstellungen nach Deutschland müssen in einem kontrollierten Umfeld durchgeführt werden. Das heißt, die deutschen Behörden sind im Voraus über die Ankunft des Antragstellers informiert. Nach Ankunft muss sich der Rückkehrer bei einer staatlichen Behörde (in der Regel der Bundespolizei) melden, welche die Ankunft dokumentiert. Im Falle der Ersteinreise nach Deutschland registriert die Bundespolizei den Betreffenden und verweist ihn an die nächstgelegene Erstaufnahmeeinrichtung. Bei einer Wiedereinreise nach Deutschland (Wiederaufnahme, Folgeantrag) wird der Antragsteller an die zuständige Aufnahmeeinrichtung verwiesen. In beiden Fällen wird dem Antragsteller ein Zugticket und ein Dokument zur Ermittlung der zuständigen Aufnahmeeinrichtung ausgehändigt. Der Antragsteller reist selbständig zur angegebenen Aufnahmeeinrichtung. Der Zugang zu Unterkünften und anderen materiellen Aufnahmebedingungen erfordert keinen gesonderten Antrag, sondern wird automatisch gewährt, wenn der Behörde die Existenz des Leistungsempfängers und dessen Anspruch auf die Leistungen bekannt ist. Daher empfiehlt es sich, nach Überstellung nach Deutschland, die Leistungsstelle persönlich zu kontaktieren. Wenn der Rückkehrer nicht bereits als Asylwerber in Deutschland registriert ist, ist ein Asylantrag und die entsprechende Registrierung gemäß Asylgesetz erforderlich. Die nötigen Schritte werden so schnell als unternommen, um grundlegende Bedürfnisse wird sich innerhalb von Stunden oder Tagen gekümmert (BAMF/EUAA 5.3.2024).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024

-        BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
5.         Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA)/ Vulnerable

Vulnerable:

Es gibt keine gesetzliche Vorschrift bzw. Mechanismus zur systematischen Identifizierung vulnerabler Personen im Asylverfahren, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Dies ist Gegenstand von Kritik. Nach Ansicht des BAMF ist die Identifizierung vulnerabler Antragsteller Aufgabe der Bundesländer, die auch für Aufnahme und Unterbringung zuständig sind. Die Praxis der Identifizierung in den Aufnahmezentren der Bundesländer ist unterschiedlich. Kurz nach der Registrierung des Asylantrags im Ankunftszentrum sollte bei allen Asylwerbern eine medizinischen Untersuchung durchgeführt werden, die sich jedoch auf die Identifizierung übertragbarer Krankheiten konzentriert. Es gibt keinen gemeinsamen Ansatz für den Zugang zu sozialen Diensten oder anderen Beratungseinrichtungen. Dies hängt davon ab, wie die Bundesländer und das BAMF das Verfahren in den jeweiligen Zentren organisieren. Rund zwei Drittel aller Bundesländer haben auch Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Gewalt in den Unterbringungseinrichtungen erlassen (AIDA 4.2023).

Das BAMF verfügt nicht über spezialisierte Einheiten, die sich mit vulnerablen Gruppen befassen. Alle Entscheider absolvieren das EUAA-Schulungsmodul zum Thema "Befragung von vulnerablen Personen". Wenn Informationen vorgelegt werden, die auf eine Vulnerabilität hindeuten, werden diese an den zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet, der Maßnahmen ergreifen kann. Für bestimmte Gruppen von Vulnerablen setzt das BAMF sogenannte Sonderbeauftragte ein, die für deren Verfahren zuständig sind und ihre Kollegen im Umgang mit vulnerablen Antragstellern beraten. Die Richtlinien des BAMF sehen vor, dass die folgenden Fälle besonders sensibel und gegebenenfalls von speziell geschulten Entscheidern behandelt werden: unbegleitete Minderjährige; Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung; Opfer von Menschenhandel; und Opfer von Folter und Traumatisierung. Stellt sich während der Anhörung heraus, dass ein Asylwerber zu einer dieser Gruppen gehört, ist der Beamte, der die Anhörung durchführt, verpflichtet, zusätzlich zur Benachrichtigung der Aufnahmeeinrichtung einen Sonderbeauftragten hinzuzuziehen. Anwälte haben berichtet, dass die Einführung von Sonderbeauftragten zu einer gewissen Verbesserung bei der Bearbeitung von sensiblen Fällen geführt hat, aber es gab auch Beispiele von Fällen, in denen Hinweise auf Traumata und sogar ausdrückliche Hinweise auf Folter nicht dazu führten, dass Sonderbeauftragte hinzugezogen wurden (AIDA 4.2023).

In Deutschland liegt die Unterbringung von Asylwerbern in der Zuständigkeit der Bundesländer. Nach ihrer Ankunft und Registrierung sind Asylwerber gesetzlich verpflichtet, während der Prüfung des Asylantrags in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu bleiben. Für Familien mit minderjährigen Kindern gilt diese Verpflichtung allerdings nur für bis zu sechs Monate und für Vulnerable kann diese generell beendet werden, wenn z.B. eine besondere Unterbringung notwendig ist. Die Bundesländer prüfen, ob die Antragsteller besondere Unterbringungsbedürfnisse haben und berücksichtigen diese durch besondere Maßnahmen. So werden beispielsweise Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, und ihre minderjährigen Kinder in der Regel gemeinsam in besonders geschützten Bereichen der Aufnahmeeinrichtungen untergebracht. Einige Bundesländer bieten spezielle Aufnahmeeinrichtungen, z.B. für allein reisende Frauen und Familien, Personen mit körperlichen Behinderungen, LGBTIQ-Personen oder Opfer von Menschenhandel (BAMF/EUAA 5.3.2023).

2019 wurden die Bundesländer verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz von Frauen und vulnerablen Personen bei der Unterbringung von Asylwerbern in Erstaufnahmeeinrichtungen zu gewährleisten (AIDA 4.2023). In einigen Bundesländern gibt es spezielle Programme zur Identifizierung vulnerabler Personen und spezielle Programme zu deren Schutz vor Gewalt (BAMF/EUAA 5.3.2023). Besondere Bedürfnisse sollen im Rahmen des Aufnahmeverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen berücksichtigt werden, und Sozialarbeiter oder medizinisches Personal in den Aufnahmeeinrichtungen können bei der spezifischen medizinischen Behandlung helfen. Die Praktiken unterscheiden sich jedoch von Bundesland zu Bundesland und auch von Kommune zu Kommune. Die AnkER-Zentren und die funktional gleichwertigen Aufnahmezentren sehen in der Regel eine getrennte Unterbringung von allein reisenden Frauen und teilweise auch von anderen vulnerablen Gruppen vor (AIDA 4.2023). NGOs bieten Beratung oder Hilfe durch niedrigschwellige psychosoziale Beratung vor Ort; sie können die Betroffenen an externe professionelle Dienste verweisen (BAMF/EUAA 5.3.2023).

Unbegleitete Minderjährige:

Unbegleitete Minderjährige, die nicht aufgrund irregulärer Einreise sofort zurückgeführt werden, werden in der Gemeinde, in der sie den ersten Behördenkontakt hatten oder aufgegriffen wurden, in die vorläufige Obhut des Jugendamtes genommen. In dieser Phase der vorläufigen Inobhutnahme prüft das örtliche Jugendamt, welches Jugendamt letztlich zuständig ist und ob der Minderjährige dem bundesweiten Verteilungsverfahren unterzogen werden kann. Nachdem das zuständige Jugendamt ermittelt wurde, wird das reguläre Inobhutnahmeverfahren eingeleitet. Es umfasst die Bestellung eines Vormunds durch das zuständige Familiengericht und das so genannte Clearingverfahren, bei dem geprüft wird, ob es Alternativen zum Asylantrag gibt, wie z.B. die Familienzusammenführung in einem Drittstaat oder die Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Der Vormund muss den Asylantrag für den unbegleiteten Minderjährigen schriftlich bei der zuständigen Außenstelle des BAMF stellen. Der Vormund fungiert als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen in allen rechtlichen Angelegenheiten, einschließlich des Asylverfahrens, aber auch als persönlicher Ansprechpartner für die Entwicklung von Zukunftsperspektiven und für die vom Jugendamt durchgeführte Unterstützung. In den meisten Fällen fungiert das Jugendamt als Vormund für den Minderjährigen, aber es gibt auch ehrenamtliche Vormunde mit spezieller Ausbildung. Oft sind die von den Jugendämtern bestellten Vormunde nicht in der Lage, die Minderjährigen im Asylverfahren ausreichend zu betreuen, da sie überlastet sind. Manche Vormunde in den Jugendämtern sind für bis zu 50 Minderjährige gleichzeitig zuständig. Eine weitere Herausforderung ist das fehlende spezifische Wissen über das Asylrecht, vor allem bei ehrenamtlichen Vormunden (AIDA 4.2023).

Das BAMF ist nicht für die Altersfeststellung zuständig, sondern verweist alle vorgeblich unbegleitet minderjährigen Asylwerber an das örtliche Jugendamt. Während der vorläufigen Inobhutnahme muss das Jugendamt das Alter des unbegleiteten Minderjährigen feststellen. Dies geschieht entweder durch Dokumente oder auf Basis einer „qualifizierten Überprüfung“ (Gespräch, visueller Eindruck) durch zwei erfahrene Mitarbeiter des Amtes. Im Rahmen dieser qualifizierten Überprüfung kann das Amt Sachverständige und Zeugen anhören oder schriftliche Beweise sammeln. Nur in Fällen, in denen Zweifel am Alter auf diese Weise nicht ausgeräumt werden können, kann das Jugendamt eine ärztliche Untersuchung mit den "sorgfältigsten Methoden" veranlassen. In der Praxis werden unterschiedliche Methoden angewandt, darunter Röntgenaufnahmen des Gebisses, des Schlüsselbeins oder des Handgelenks. Gegen die Entscheidung ist ein Rechtsmittel möglich, dieses hat aber keine aufschiebende Wirkung. In der Praxis werden die Ergebnisse der Altersfeststellung jedoch nur selten angefochten. Da für die Altersfeststellung verschiedene Jugendämter und Familiengerichte zuständig sind, liegen keine Statistiken über die Anzahl und den Ausgang von Altersfeststellungen vor (AIDA 4. 2023).

Für unbegleitete Minderjährige muss sich das Jugendamt um eine angemessene Unterbringung bemühen. Das kann in einer privaten Unterbringung bei Verwandten, bei Pflegefamilien, in allgemeinen Kinderheimen oder in speziellen, auf die Bedürfnisse ausländischer unbegleiteter Minderjähriger zugeschnittenen Kinderheimen (Clearinghäusern) der Fall sein. Die Art der Unterbringung variiert je nach Bundesland und den verfügbaren Kapazitäten. Unbegleitete Minderjährige bleiben in der Regel nicht an dem Ort, an dem sie angekommen sind, sondern können im Rahmen eines Verteilungssystems auf andere Orte in Deutschland verteilt werden (AIDA 4.2023). Allein reisende unbegleitete Minderjährige werden gemäß den gesetzlichen Bestimmungen außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen in Wohngruppen oder Jugendzentren untergebracht, die von den mit der Inobhutnahme betrauten örtlichen Jugendämtern betrieben werden (BAMF/EUAA 5.3.2023). Im Jahr 2021 wurden 11.278 neu ankommende unbegleitete Minderjährige in die Obhut eines Jugendamtes gegeben (im Vergleich zu 7.563 im Jahr 2020) (AIDA 4.2023).

Grundsätzlich gilt das Recht und die Pflicht zum Schulbesuch für alle Kinder in Deutschland, unabhängig von ihrem Status. Da das Bildungssystem jedoch in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt, gibt es einige wichtige Unterschiede in Gesetzgebung und Praxis (AIDA 4.2023).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024

-        BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024
6.         Non-Refoulement

Deutschland führt eine Liste sicherer Herkunftsstaaten. Zusätzlich führt Deutschland eine Liste sicherer Drittstaaten, von denen angenommen werden kann, dass sie die Flüchtlingskonvention von 1951 und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) anwenden. Letztere Liste umfasst derzeit Norwegen und die Schweiz (AIDA 4.2023).

Wenn Asylsuchende bereits in einem "sonstigen Drittstaat" vor Verfolgung sicher waren, ist dies ein Grund für Unzulässigkeit. Eine solche Sicherheit wird vermutet, wenn der Antragsteller im Besitz eines Reisedokuments aus diesem Land ist oder sich dort mehr als drei Monaten aufhielt, ohne von Verfolgung bedroht zu sein. Der Antragsteller kann diese Vermutung widerlegen, indem er eine Verfolgungsbedrohung glaubhaft macht. Die Bestimmung wird selten angewendet (24-mal im Jahr 2020, 4-mal im Jahr 2021 und 6-mal im Jahr 2022) (AIDA 4.2023).

Die Einreise in das Hoheitsgebiet muss verweigert werden, wenn ein Migrant an der Grenze ohne die erforderlichen Dokumente für eine legale Einreise erscheint und wenn eine sofortige Abschiebung in das Nachbarland (als sicherer Drittstaat) möglich ist. Seit 2013 dürfen Asylwerber nicht mehr in Nachbarländer zurückgeschickt werden, ohne dass ihr Antrag auf internationalen Schutz registriert wurde. Doch selbst wenn Migranten die Grenze überschritten haben - die aufgrund einer im Bundespolizeigesetz (in Anlehnung an den Schengener Grenzkodex) als 30 km langer Streifen definiert ist - haben sie nicht unbedingt das Hoheitsgebiet betreten, und es ist möglich, dass zu diesem Zeitpunkt noch eine Zurückweisung in den Nachbarstaat erfolgt, ohne zu prüfen, welches Land für die Behandlung des Asylantrags zuständig ist. Im Jahr 2022 stellten die Grenzkontrollbehörden insgesamt 34.731 Personen fest, die irregulär nach Deutschland einreisten und Asyl beantragten. Von diesen wurden 34.061 an das BAMF verwiesen. Seit 2015 führt Deutschland an den Grenzen zu Österreich regelmäßig wieder Grenzkontrollen ein (AIDA 4.2023).

Im Jahr 2018 wurde ein umstrittenes Verfahren eingeführt, das es der Bundespolizei ermöglicht, die Einreise an der Grenze zu verweigern und Personen innerhalb von 48 Stunden nach Griechenland und Spanien zurückzuschicken, wenn sie dort zuvor einen Asylantrag gestellt haben. Dieses Verfahren stützt sich auf Verwaltungsvorschriften und spezielle administrative Rückübernahmeabkommen mit den beiden Ländern. Diese Rückführungen beruhen also nicht auf der Dublin-Verordnung, sondern auf einer Einreiseverweigerung nach dem (nationalen) Begriff des sicheren Drittstaates in Kombination mit Verwaltungsvereinbarungen mit anderen EU-Mitgliedstaaten. Seit 2019 wurde sie nur noch auf Personen angewandt, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen wurden, da dies die einzige Grenze war, an der weiterhin Kontrollen stattfanden. Die Maßnahme wurde in der Praxis kaum angewandt und stark kritisiert (AIDA 4.2023).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024
7.         Versorgung

In den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts erhalten Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Grundleistungen (BAMF/EUAA 5.3.2023). Sie erhalten die Leistungen jedoch erst dann in vollem Umfang, wenn sie durch die Ausstellung eines Ankunftsnachweises in der Aufnahmeeinrichtung, der sie zugewiesen wurden, formell den Status eines Asylwerbers erhalten. In der Praxis geschieht dies innerhalb weniger Tage nach ihrer Meldung bei den Behörden. Sie haben mindestens so lange Anspruch auf diese Aufnahmebedingungen, wie sie den Status eines Asylwerbers haben, also in der Regel auch für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens. Asylwerber erhalten sowohl Sach- als auch Geldleistungen nur in der Stadt oder dem Landkreis, dem sie zugewiesen wurden und haben keinen Anspruch auf Leistungen in anderen Teilen Deutschlands, es sei denn, sie erhalten eine behördliche Erlaubnis, sich dorthin zu begeben. Wenn Asylwerber über Einkommen oder Vermögen verfügen, sind sie gesetzlich verpflichtet, diese Mittel einzusetzen, bevor sie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten können (AIDA 4.2023).

Voraussetzung für den Bezug von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, ist Bedürftigkeit (kein verfügbares Einkommen oder Vermögen). Der Zugang zu Unterkünften und anderen materiellen Aufnahmebedingungen erfordert keinen einen gesonderten Antrag, sondern wird automatisch gewährt, wenn der Behörde die Existenz des Leistungsempfängers und dessen Anspruch auf diese Leistungen bekannt ist (BAMF/EUAA 2.5.2023).

Das Asylbewerberleistungsgesetz sichert den Grundbedarf und regelt die Versorgung. Es gilt für Anspruchsberechtigte, u.a. für Asylwerber sowie Ausreisepflichtige (z.B. abgelehnte Asylwerber oder Inhaber von Duldungen). Folgende Leistungen sind gemäß Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen:

- Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt;

- Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse im Alltag (sogenanntes Taschengeld);

- Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt;

- bei besonderen Umständen auch weitere Leistungen, die vom Einzelfall abhängen (BAMF o.D.a).

Nach dem Gesetz erhalten Asylwerber, die in Aufnahmezentren untergebracht sind, nur Sachleistungen, in der Praxis erhalten sie das Taschengeld jedoch häufig in bar. Für Asylwerber in dezentralen Sammelunterkünften können Sachleistungen erbracht werden. Allein lebende Asylwerber müssen das Taschengeld in bar erhalten. Für diejenigen, die außerhalb von Aufnahmezentren leben, müssen die Kosten für Unterkunft (Miete), Heizung und Hausrat zusätzlich zu den oben genannten Leistungen erbracht werden, soweit dies notwendig und angemessen ist. Einzelheiten regeln die Bundesländer (BAMF o.D.a).

Nach 18 Monaten überwiegend ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet werden Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz deutschen Staatsangehörigen bei den Leistungen für alte, behinderte und erwerbsgeminderte Personen gleichgestellt (BAMF/EUAA 5.3.2023). Das bedeutet Zugang zu regulären Sozialleistungen (AIDA 4.2023).

Monatliche Leistungen für Asylwerber im Überblick, inkl. Gegenüberstellung regulärer Sozialleistungen (Stand 01.2023):

(Quelle: AIDA 4.2023)

Es gibt Kritik, dass die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht ausreichen würden, um einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten (CERD 21.12.2023).

Quellen:

-        AIDA – Asylum Information Database (4.2023): Hoffmeyer-Zlotnik/Stiller (Autoren) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE) (Veröffentlicher); Country Report Germany 2022 Update, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/04/AIDA-DE_2022update.pdf, Zugriff 27.2.2024

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ohne Datum a): Zuständige Aufnahmeeinrichtung, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/Aufnahmeeinrichtung/aufnahmeeinrichtung-node.html, Zugriff 5.3.2024

-        BAMF/EUAA – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) [Deutschland] (Autor) / European Union Agency for Asylum (EUAA) (Veröffentlicher) (2.5.2023): Information on procedural elements and rights of applicants subject to a Dublin transfer to Germany, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/2023-05/factsheet_dublin_transfers_de.pdf, Zugriff 5.3.2024

-        CERD – UN Committee on the Elimination of Racial Discrimination (21.12.2023): Concluding observations on the combined 23rd to 26th reports of Germany [CERD/C/DEU/CO/23-26], https://www.ecoi.net/en/file/local/2102670/CERD_C_DEU_CO_23-26_56798_E.pdf, Zugriff 1.3.2024

7.1.    Unterbringung

Im Allgemeinen können 4 Arten von Unterkünften für Asylwerber unterschieden werden:

•        Erstaufnahmezentren (einschließlich Ankunftszentren, spezielle Aufnahmezentren und AnkER-Zentren)

•        Gemeinschaftsunterkünfte

•        Dezentrale Unterbringung

•        Notunterkünfte für den Fall außergewöhnlich hoher Ankunftszahlen

(AIDA 4.2023)

Die Bundesländer sind für die Aufnahme zuständig, das Bundesrecht gibt einen allgemeinen Rechtsrahmen vor. Generell sieht das Asylgesetz ein zweistufiges Aufnahmeverfahren vor. Zunächst werden die Asylwerber für maximal 18 Monate in Erstaufnahmezentren untergebracht. Viele Asylwerber bleiben nicht während der gesamten 18 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen, da sie nach der Entscheidung über ihren Asylantrag an andere Orte weitergeschickt werden. Nur Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind generell verpflichtet, während der gesamten Dauer ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Darüber hinaus können die Bundesländer die Höchstdauer für bestimmte Gruppen von Asylwerbern auf 24 Monate verlängern. Für Minderjährige, ihre Eltern und ihre unverheirateten erwachsenen Geschwister beträgt die maximale Aufenthaltsdauer sechs Monate (AIDA 4.2023; vgl. BAMF/EUAA 5.3.2023).Die Bundesländer sind für die Aufnahme zuständig, das Bundesrecht gibt einen allgemeinen Rechtsrahmen vor. Generell sieht das Asylgesetz ein zweistufiges Aufnahmeverfahren vor. Zunächst werden die Asylwerber für maximal 18 Monate in Erstaufnahmezentren untergebracht. Viele Asylwerber bleiben nicht während der gesamten 18 Monate in den Erstaufnahmeeinrichtungen, da sie nach der Entscheidung über ihren Asylantrag an andere Orte weitergeschickt werden. Nur Asylwerber aus sicheren Herkunftsstaaten sind generell verpflichtet, während der gesamten Dauer ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben. Darüber hinaus können die Bundesländer die Höchstdauer für bestimmte Gruppen von Asylwerbern auf 24 Monate verlängern. Für Minderjährige, ihre Eltern und ihre unverheirateten erwachsenen Geschwister beträgt die maximale Aufenthaltsdauer sechs Monate (AIDA 4.2023; vergleiche BAMF/EUAA 5.3.2023).

In einem zweiten Schritt werden die Asylwerber deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, den Gemeinden weiter Unterbringung zugewiesen. Diese geschieht entweder in Gemeinschaftsunterkünften oder in dezentraler Unterbringung (Wohnungen). Die Verpflichtung, in der Unterbringung der Gemeinde zu bleiben, gilt auch für die gesamte Dauer möglicher Rechtsbehelfsverfahren, aber es gibt regionale Unterschiede und einige Kommunen gewähren auch Zugang zum regulären Wohnungsmarkt (AIDA 4.2023).

Ankunftszentren (in Bayern: Transitzentren) sind eine Form von Erstaufnahmezentren, die an verschiedenen Orten in Deutschland eingerichtet, in denen verschiedene Behörden in denselben Räumlichkeiten untergebracht und in denen Verfahren wie Registrierung, Identitätsprüfung, Anhörung und Entscheidungsfindung gestrafft wurden. Zum selben Zweck wurden im August 2018 die "

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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