Entscheidungsdatum
02.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W119 2284866-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2024, Zahl: 1352290007/230915119, nach einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2024, Zahl: 1352290007/230915119, nach einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.05.2023 gab er im Wesentlichen an, aus Manbij zu stammen, der Volksgruppe der Araber sowie der islamischen Religion anzugehören und verheiratet zu sein. Seine Muttersprache sei Arabisch, er habe neun Jahre die Schule besucht.
Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor: „Wegen dem Krieg und Militär. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe.“ Zu seiner Rückkehrbefürchtung gab er an, er fürchte um sein Leben.
Am 14.12.2023 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen, legte seinen Personalausweis im Original sowie seine Geburtsurkunde und seinen Auszug aus dem Personenregister, die Geburtsurkunden und Auszüge aus dem Personenregister die Gattin und den Sohn betreffend, den Auszug aus dem Familienregister und die Heiratsurkunde, jeweils in Kopie mit beglaubigter Übersetzung vor, und gab im Wesentlichen an, er sei Araber, Sunnit und in Aleppo, Manbij, im Dorf „ XXXX “ geboren, wo er auch im familieneigenen Haus gelebt habe. Die Schule habe er neun Jahre besucht. Am 14.12.2023 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen, legte seinen Personalausweis im Original sowie seine Geburtsurkunde und seinen Auszug aus dem Personenregister, die Geburtsurkunden und Auszüge aus dem Personenregister die Gattin und den Sohn betreffend, den Auszug aus dem Familienregister und die Heiratsurkunde, jeweils in Kopie mit beglaubigter Übersetzung vor, und gab im Wesentlichen an, er sei Araber, Sunnit und in Aleppo, Manbij, im Dorf „ römisch 40 “ geboren, wo er auch im familieneigenen Haus gelebt habe. Die Schule habe er neun Jahre besucht.
2016 sei der Beschwerdeführer illegal in die Türkei gereist und 2023 illegal nach Österreich gekommen.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor: „In Syrien herrscht Krieg, wenn ich dort bleibe muss ich zum Militär. Die Kurden rekrutieren auch. Ich habe Asyl beantragt, weil ich nichts mit Waffen zu tun haben möchte. Ich will niemanden töten und nicht selbst getötet werden.“ Er habe niemals Kontakt mit Rekrutierern der syrischen Armee oder diverser Milizen gehabt und auch nicht an Kampfhandlungen teilgenommen, er sei in der Türkei gewesen. Persönlich bedroht oder einberufen worden sei er nie, den Wehrdienst habe er nicht abgeleistet.
Im Falle der eventuellen Rückkehr würde er als Verräter gesehen, weil er illegal ausgereist sei und seinen Wehrdienst nie abgeleistet habe. „Sie“ würden ihn an die Front setzen, damit er sterbe. Die Gefängnisse in Syrien seien auch sehr bekannt.
Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberichtigten gemäß Paragraph 3, Absatz , in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Gegen Spruchpunkt I. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den Militärdienst für die syrische Armee nicht abgeleistet und würde im Falle der Rückkehr unter Zwang rekrutiert bzw. drohe ihm Inhaftierung und Folter bis zur Tötung. Eine Einberufung aus (kriegs-)strategischen Gründen sei deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, da Manbij laut syrialivemaps (Stand 18.01.2024) nur wenige Kilometer vom Regimegebiet entfernt sei. Es sprächen gute Gründe für die Annahme, dass auch die Zahlung der Befreiungsgebühr nicht mit hinreichender Sicherheit vor der Rekrutierung bzw Bestrafung schützt. Auch gingen die Länderberichte davon aus, dass Rekruten im Zuge des Wehrdienstes der Gefahr ausgesetzt seien, an Verbrechen des syrischen Militärs beteiligt zu werden. Gegen Spruchpunkt römisch eins. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Beschwerdeführer habe den Militärdienst für die syrische Armee nicht abgeleistet und würde im Falle der Rückkehr unter Zwang rekrutiert bzw. drohe ihm Inhaftierung und Folter bis zur Tötung. Eine Einberufung aus (kriegs-)strategischen Gründen sei deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, da Manbij laut syrialivemaps (Stand 18.01.2024) nur wenige Kilometer vom Regimegebiet entfernt sei. Es sprächen gute Gründe für die Annahme, dass auch die Zahlung der Befreiungsgebühr nicht mit hinreichender Sicherheit vor der Rekrutierung bzw Bestrafung schützt. Auch gingen die Länderberichte davon aus, dass Rekruten im Zuge des Wehrdienstes der Gefahr ausgesetzt seien, an Verbrechen des syrischen Militärs beteiligt zu werden.
Außerdem müsste er den Selbstverteidigungsdienst der kurdischen Selbstverwaltungsgebiete ableisten. Der Beschwerdeführer wolle sich jedoch ebenso wenig an völkerrechtswidrigen Handlungen im Rahmen des Selbstverteidigungsdienstes der Kurden beteiligen und lehne es wiederum aus Gewissensgründen ab, für die Kurden zu kämpfen. Ihm würde als Wehrdienstverweigerer somit auch auf kurdischer Seite eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen. Darüber hinaus würden ihm auch die kurdischen Milizen eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, da er Araber sei, aus einem ehemaligem Gebiet des IS stamme und keiner seiner Brüder den Wehrdienst bei den kurdischen Milizen abgeleistet habe. Den UNHCR-Richtlinien sei zu entnehmen, dass diese Rekrutierungen zu den kurdischen Milizen auch mit Zwang, Misshandlungen und Tötungen durchgesetzt würden. UNHCR sei der Auffassung, dass „Männer, die eine Ableistung des Dienstes bei den „Selbstverteidigungseinheiten“ ablehnen, wenn die Ablehnung als Ausdruck einer SDF/YPG-feindlichen Gesinnung und/oder einer Unterstützung von ISIS oder SNA wahrgenommen wird“ wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz benötigen, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder ihrer religiösen oder ethnischen Identität.
Der Beschwerdeführer verweigere aus politischen und Gewissensgründen den Militärdienst in der Streitkraft der syrischen Regierung sowie die Absolvierung des Wehrdienstes („Selbstverteidigungspflicht“) bei den kurdischen Milizen.
Des Weiteren sei damit zu rechnen, dass ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise, der Flucht nach Europa und der Asylantragstellung in Österreich bei einer Rückkehr das syrische Regime eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt würde und hätte die Behörde in Bezug auf die Zugriffsmöglichkeit des syrischen Regimes auch die Möglichkeit der sicheren Erreichbarkeit in der Beweiswürdigung miteinbeziehen müssen.
Am 19.03.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt nicht teilnahm.
Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, in XXXX geboren zu sein und von Geburt an bis 2016 dort gelebt zu haben. Die Schule habe er neun Jahre besucht, gearbeitet hingegen nur in der Türkei.Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, in römisch 40 geboren zu sein und von Geburt an bis 2016 dort gelebt zu haben. Die Schule habe er neun Jahre besucht, gearbeitet hingegen nur in der Türkei.
Zwei verheiratete Schwestern befänden sich noch immer in XXXX , zwei seiner Brüder und eine seiner Schwestern in Jordanien, seine Eltern, die Gattin, zwei Schwestern und drei Brüder in der Türkei, er habe auch einen Bruder in Österreich. Zu den Angehörigen in Syrien halte er einmal monatlich Kontakt.Zwei verheiratete Schwestern befänden sich noch immer in römisch 40 , zwei seiner Brüder und eine seiner Schwestern in Jordanien, seine Eltern, die Gattin, zwei Schwestern und drei Brüder in der Türkei, er habe auch einen Bruder in Österreich. Zu den Angehörigen in Syrien halte er einmal monatlich Kontakt.
Zum Heimatort des Beschwerdeführers wurde ein Screenshot erstellt. 2016 sei das Dorf unter der Kontrolle des IS gestanden, es sei zu Gefechten zwischen den Kurden und dem IS gekommen und das Dorf bombardiert worden. Eine Bombe habe das Haus seines Nachbarn getroffen, wobei 8 bis 10 Personen getötet worden seien. Daher sei die Familie des Beschwerdeführers geflüchtet. Jetzt übten die Kurden die Kontrolle in XXXX aus.Zum Heimatort des Beschwerdeführers wurde ein Screenshot erstellt. 2016 sei das Dorf unter der Kontrolle des IS gestanden, es sei zu Gefechten zwischen den Kurden und dem IS gekommen und das Dorf bombardiert worden. Eine Bombe habe das Haus seines Nachbarn getroffen, wobei 8 bis 10 Personen getötet worden seien. Daher sei die Familie des Beschwerdeführers geflüchtet. Jetzt übten die Kurden die Kontrolle in römisch 40 aus.
Im Herkunftsort habe die Familie im eigenen Haus gelebt, es gehöre ihr noch immer, er wisse aber nicht, ob das Haus aktuell bewohnt sei oder nicht.
Einer der Brüder des Beschwerdeführers habe vor Beginn der Ereignisse in Syrien den Militärdienst geleistet und zwei den Wehrdienst wegen des Studiums aufgeschoben.
Zu seiner Rückkehrbefürchtung brachte der Beschwerdeführer vor: „Die Kurden haben die Kontrolle über meine Heimatregion. Falls ich zurückkehre, würden sie mich zwingen mitzukämpfen. Ich habe Angst, dass das Regime Manbij einnimmt. In meinem Alter müsse ich den Wehrdienst für das Regime ableisten. Ich bin ein Oppositioneller. Ich bin wegen meiner politischen Meinung ausgereist.“ Vorgehalten, er habe zuvor angegeben, ausgereist zu sein, weil es den Krieg zwischen den Kurden und dem IS gegeben hätte, erwiderte der Beschwerdeführer: „Ich wollte vor Ausbruch der Gefechte zwischen den Kurden und dem IS ausreisen. IS Anhänger haben das nicht zugelassen.“ Sie hätten die von ihnen kontrollierten Gebiete als eigenen Staat betrachtet. Keiner hätte die Grenze dieses Staates verlassen dürfen.
Aktuell würden Männer, die zwischen XXXX geboren sind, von den Kurden rekrutiert. Er habe ein Foto eines Schreibens von der Selbstverteidigungsbehörde, das auf den sozialen Medien veröffentlicht worden sei, auf seinem Handy.Aktuell würden Männer, die zwischen römisch 40 geboren sind, von den Kurden rekrutiert. Er habe ein Foto eines Schreibens von der Selbstverteidigungsbehörde, das auf den sozialen Medien veröffentlicht worden sei, auf seinem Handy.
Die kurdischen Milizen seien genauso wie das Regime. Sie rekrutierten Männer und schickten sie an die Fronten. Es herrsche dort Krieg, er möchte keine Waffe in die Hand nehmen. Er selbst sei nicht rekrutiert worden, sondern ausgereist, als die Kurden gekommen sind.
Leute des Regimes befänden sich im Sicherheitsquadrat in Manbij. Die Kurden kooperierten mit dem syrischen Regime. Der Beschwerdeführer habe einmal auf Facebook gelesen, dass einer verschwunden sei, nachdem er mit den Kurden zusammengearbeitet habe. Man glaube, dass die Kurden ihn dem syrischen Regime ausgeliefert hätten. Das Regime sei verbrecherisch und habe sogar chemische Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt. Bashar Al Assad sei ein Tyrann. Deswegen sei der Beschwerdeführer gegen dieses Regime. Wenn man dem Regime Geld zahle, unterstütze man es. Mit diesem Geld würden Waffen gekauft. Diese brächten nur Zerstörung und Tötungen. Für die Reise nach Österreich habe der Beschwerdeführer 7.000 EUR gezahlt. Er und seine Brüder hätten in der Türkei gearbeitet und Geld gespart, seine Frau ihren Schmuck verkauft.
Nochmals gefragt, warum der Beschwerdeführer weder für die Kurden noch für das syrische Regime den Militärdienst ableisten wolle, antwortete er: „In Syrien herrscht Krieg. Falls ich rekrutiert werde, würde ich im Kampf getötet werden, oder ich müsste einen anderen töten. Ich möchte keine Waffe tragen.“
Abschließend erklärte der Beschwerdeführer, ihm sei bei der Erstbefragung die Frage gestellt worden, ob er in Syrien Probleme wegen seiner Religion gehabt hätte. Er habe diese Frage mit „Nein“ beantwortet. Der Dolmetscher hätte nicht gesagt, ob er Probleme wegen seiner politischen Meinung in Syrien hatte. Er sei gegen das syrische Regime. Das sei ein Terrorregime.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 14.03.2023 sowie UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung V. und VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR-Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR-Position aus 2017, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. 1. 2022: Wehrdienst, ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion vom 8. 9. 2022, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 14. 11. 2022: Rekrutierungspraxis der syrischen Regierungskräfte, EUAA Country Guidance: Syria vom Februar 2023, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068212/SYRI_SM_Wehrdienst_2022_01_27_KE.odt, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA - Anfragebeantwortung Syrien:, Fragen des BvwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerung und Desertion, 16.09.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1], 14.06.2023, ACCORD –Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen [a-12197], 24.08.2023, ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor): Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen über kurzen zeitlichen Aufschub zum Antritt des Wehrdiensts für Rückkehrer [a-12200], 5. September 2023, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023 Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierungspraxis YPG; Rekrutierung von Arabern, 2. März 2023 Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Provinz Aleppo 2012 bis 2017, Akteure in der Region zw. Manbidsch und Al Khafsah, 5. September 2019, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) vom 7. September 2023, EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023, in das Verfahren eingeführt und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 14.03.2023 sowie UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung römisch fünf. und römisch VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR-Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR-Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR-Position aus 2017, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. 1. 2022: Wehrdienst, ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertion vom 8. 9. 2022, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien vom 14. 11. 2022: Rekrutierungspraxis der syrischen Regierungskräfte, EUAA Country Guidance: Syria vom Februar 2023, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2068212/SYRI_SM_Wehrdienst_2022_01_27_KE.odt, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA - Anfragebeantwortung Syrien:, Fragen des BvwG zur Bestrafung von Wehrdienstverweigerung und Desertion, 16.09.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Einberufung von Reservisten der syrischen Armee: Bedarf, Bedingungen, Alter, Dauer, Einsatzbereich, Möglichkeit des Freikaufens [a-12132-1], 14.06.2023, ACCORD –Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen [a-12197], 24.08.2023, ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (Autor): Anfragebeantwortung zu Syrien: Informationen über kurzen zeitlichen Aufschub zum Antritt des Wehrdiensts für Rückkehrer [a-12200], 5. September 2023, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung Syrien – Wehrdienst, 27.01.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188] 6. September 2023 Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation zu Syrien: Rekrutierungspraxis YPG; Rekrutierung von Arabern, 2. März 2023 Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Provinz Aleppo 2012 bis 2017, Akteure in der Region zw. Manbidsch und Al Khafsah, 5. September 2019, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) vom 7. September 2023, EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023, in das Verfahren eingeführt und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der arabischen Volksgruppe sowie der islamisch-sunnitischen Religion an.
Er wurde im Dorf XXXX bei Manbij im Gouvernement Aleppo geboren, wo er bis zu seiner Ausreise in die Türkei 2016 im Familienverband lebte und neun Jahre die Schule besuchte. Das Haus, in dem er aufwuchs, gehört noch der Familie. In der Türkei war der Beschwerdeführer als Bauarbeiter und Schneider tätig.Er wurde im Dorf römisch 40 bei Manbij im Gouvernement Aleppo geboren, wo er bis zu seiner Ausreise in die Türkei 2016 im Familienverband lebte und neun Jahre die Schule besuchte. Das Haus, in dem er aufwuchs, gehört noch der Familie. In der Türkei war der Beschwerdeführer als Bauarbeiter und Schneider tätig.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und Vater eines Sohnes. Die Kernfamilie, die Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder befinden sich in der Türkei, zwei Brüder und eine Schwester in Jordanien, ein weiterer Bruder in Österreich. Zwei Schwestern leben im Herkunftsort. Der Beschwerdeführer hält zu seinen Angehörigen in der Heimat Kontakt.
Der Beschwerdeführer reiste über mehrere Länder illegal nach Österreich ein und stellte am 10.05.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer hält sich wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges außerhalb der Heimat auf. Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung durch staatliche Stellen oder eine andere Gruppe ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer weist keine verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder die örtlichen Machthaber auf und wird ihm eine solche auch nicht unterstellt. Er hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ins Blickfeld des syrischen Regimes oder der örtlichen Machthaber gebracht haben.
Der Beschwerdeführer hat keinen Einerufungsbefehl des syrischen Regimes für den Militärdienst bei der syrischen Armee erhalten.
Dem Beschwerdeführer droht nicht allein aufgrund seiner Ausreise oder der Asylantragstellung die Gefahr der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt.
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers steht unter kurdischer Kontrolle.
Das syrische Regime hat in der Umgebung seines Heimatortes zwar Stützpunkte, jedoch keinen Zugriff auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers selbst und ist dort nicht in der Lage, die Wehrpflicht durchzusetzen oder Oppositionelle zu verhaften. Der Beschwerdeführer wäre daher im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsort jedenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, zum Militärdienst für die syrische Armee eingezogen oder wegen Wehrdienstverweigerung bzw. –entziehung belangt bzw. verfolgt zu werden. Ihm wird durch das Regime auch keine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Dem Beschwerdeführer ist die Einreise in dieses Gebiet ohne Kontakt zum syrischen Regime über den nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur möglich. Er müsste bei einer Rückkehr in seine Heimatregion keine Gebiete durchqueren, die vom syrischen Regime kontrolliert werden.
Der Beschwerdeführer ist in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch die kurdische SDF/YPG/PKK ausgesetzt gewesen und hat kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm seitens der kurdischen Autonomiebehörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde. Die Autonomiebehörden sehen eine Verweigerung des Militärdienstes in der „Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien“ nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung an. Er ist auch nicht wegen seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit von Verfolgung durch kurdische Einheiten bedroht. Ebensowenig droht ihm Verfolgung, weil seine Brüder nicht den Dienst für die Kurden abgeleistet haben.
Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keine persönliche Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).