Entscheidungsdatum
02.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W119 2274123-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2023, Zahl: 1295353400/220329026, nach einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2023, Zahl: 1295353400/220329026, nach einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab sie im Wesentlichen an, der Volksgruppe der Araber sowie der islamischen Religion anzugehören, in Damaskus geboren und ledig zu sein. Sie habe zwölf Jahre die Schule besucht und sei zuletzt Studentin gewesen. Ihre Muttersprache sei Arabisch. Ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester befänden sich in Syrien.
Zum Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin vor: „In Syrien herrscht Bürgerkrieg. Täglich werden junge Frauen entführt und es wird Lösegeld verlangt. Mein Vater hat kein Geld für die Entführer und ich habe Angst, in Syrien vergewaltigt zu werden. Ich habe Angst um mein Leben.“ Dies seien alle Fluchtgründe. Zu den Befürchtungen im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat gab sie an: „Entführung, Vergewaltigung, Tod.“
Am 24.11.2022 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen, legte ihre syrische ID-Card vor und erklärte dabei im Wesentlichen, in Damaskus/Syrien geboren, ledig, Sunnitin, Araberin und syrische Staatsangehörige zu sein. Ihre letzte Wohnadresse sei in „ XXXX “ gewesen. Die Beschwerdeführerin habe 12 Jahre die Schule besucht und sei dann geflüchtet. Die Matura hätte sie nicht abgeschlossen und nie etwas gearbeitet.Am 24.11.2022 wurde die Beschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen, legte ihre syrische ID-Card vor und erklärte dabei im Wesentlichen, in Damaskus/Syrien geboren, ledig, Sunnitin, Araberin und syrische Staatsangehörige zu sein. Ihre letzte Wohnadresse sei in „ römisch 40 “ gewesen. Die Beschwerdeführerin habe 12 Jahre die Schule besucht und sei dann geflüchtet. Die Matura hätte sie nicht abgeschlossen und nie etwas gearbeitet.
Die Heimat habe sie illegal und schlepperunterstützt im September 2021 Richtung Türkei verlassen, ihr Vater habe alles organisiert. Ihr Ziel sei Österreich gewesen, weil sie Verwandte hier habe. Die Angehörigen ihrer Kernfamilie befänden sich nach wie vor in der Heimat, zweimal in der Woche habe die Beschwerdeführerin mittels WhatsApp Kontakt mit ihrer Familie in Syrien, die ihr Leben mit der Pension des Vaters bestreite.
Zu ihrem Fluchtgrund gab die Beschwerdeführerin an: „Es gab einen Entführungsversuch meiner Person und ich habe Angst vor Vergewaltigung und Tod. In Syrien herrscht Bürgerkrieg. Mein Vater hat kein Geld für Lösegeld für mich und darum bin ich aus Angst um mein Leben und aus Angst, vergewaltigt zu werden nach Österreich geflüchtet. Mein Vater hat alles organisiert. Das sind alle meine Fluchtgründe.“ Der Grund ihrer Flucht sei die Angst, entführt und vergewaltigt und danach umgebracht zu werden, gewesen. Ausdrücklich verneinte sie, persönlich Probleme wegen ihrer Religion, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit oder politischen Gesinnung gehabt zu haben bzw. verfolgt worden zu sein.
Zu ihrer Rückkehrbefürchtung brachte die Beschwerdeführerin vor: „Ich habe Angst, entführt, vergewaltigt und danach umgebracht zu werden.“
Die Beschwerdeführerin bestätigte, alles gesagt zu haben und dass ihr ausreichend Zeit eingeräumt worden sei, um ihre Probleme vorzutragen.
Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberichtigten gemäß § 3 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde der Beschwerdeführerin die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberichtigten gemäß Paragraph 3, Absatz , in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.) und ihr gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wurde der Beschwerdeführerin die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Gegen Spruchpunkt I. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Beschwerdeführerin stamme aus „ XXXX “, gehöre der arabischen Volksgruppe an und sei Sunnitin. Aus den Länderberichten gehe klar hervor, dass sich die Situation von Frauen durch den Konflikt ausgesprochen verschlechtert habe, weil sie aufgrund ihres Geschlechts in zunehmendem Maße Opfer einer Vielzahl von Menschenverletzungen würden, die die verschiedenen Konfliktparteien begingen. Insbesondere werde auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen; 6. aktualisierte Fassung verwiesen, welche untermauerten, dass insbesondere Frauen, welche gefährdet seien, Opfer von sexueller Gewalt zu werden, einem besonderen Risikoprofil unterlägen. In concreto habe sich der Entführungsversuch im September 2021 ereignet. Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit einer Freundin in der Früh auf dem Weg zur Schule gewesen, als sie bemerkt hätten, dass sie von einer Gruppe bewaffneter Männer verfolgt würden. Da sie nicht mehr weit von der Schule entfernt gewesen seien, seien die Mädchen so schnell in das Schulgelände gelaufen, wie sie konnten und so ihren Verfolgern entkommen. Ein paar Tage später habe der Vater der Beschwerdeführerin einen Drohbrief vor der Türe ihres Hauses gefunden, in dem gestanden sei: „Wenn deine Tochter das Haus verlässt, wird sie nicht zurückkommen.“ Daraufhin habe er umgehend die Ausreise der Beschwerdeführerin organisiert. Sie habe sich im Haus versteckt und bereits zwei Tage später Syrien verlassen können. Der Beschwerdeführerin drohe aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen eine Verfolgung in Form von massiven Diskriminierungen und insbesondere sexueller Gewalt. Auch nach ihrer Ausreise sei der Vater noch persönlich bedroht und nach der Tochter gefragt worden, bis er mitgeteilt habe, dass sie das Land verlassen hätte. Darüber hinaus würde sie bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Visier der syrischen Behörden geraten und ihr jedenfalls eine politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt werden, weil sie Syrien illegal verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt hat. Gegen Spruchpunkt römisch eins. wurde rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Beschwerdeführerin stamme aus „ römisch 40 “, gehöre der arabischen Volksgruppe an und sei Sunnitin. Aus den Länderberichten gehe klar hervor, dass sich die Situation von Frauen durch den Konflikt ausgesprochen verschlechtert habe, weil sie aufgrund ihres Geschlechts in zunehmendem Maße Opfer einer Vielzahl von Menschenverletzungen würden, die die verschiedenen Konfliktparteien begingen. Insbesondere werde auf die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen; 6. aktualisierte Fassung verwiesen, welche untermauerten, dass insbesondere Frauen, welche gefährdet seien, Opfer von sexueller Gewalt zu werden, einem besonderen Risikoprofil unterlägen. In concreto habe sich der Entführungsversuch im September 2021 ereignet. Die Beschwerdeführerin sei gemeinsam mit einer Freundin in der Früh auf dem Weg zur Schule gewesen, als sie bemerkt hätten, dass sie von einer Gruppe bewaffneter Männer verfolgt würden. Da sie nicht mehr weit von der Schule entfernt gewesen seien, seien die Mädchen so schnell in das Schulgelände gelaufen, wie sie konnten und so ihren Verfolgern entkommen. Ein paar Tage später habe der Vater der Beschwerdeführerin einen Drohbrief vor der Türe ihres Hauses gefunden, in dem gestanden sei: „Wenn deine Tochter das Haus verlässt, wird sie nicht zurückkommen.“ Daraufhin habe er umgehend die Ausreise der Beschwerdeführerin organisiert. Sie habe sich im Haus versteckt und bereits zwei Tage später Syrien verlassen können. Der Beschwerdeführerin drohe aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen eine Verfolgung in Form von massiven Diskriminierungen und insbesondere sexueller Gewalt. Auch nach ihrer Ausreise sei der Vater noch persönlich bedroht und nach der Tochter gefragt worden, bis er mitgeteilt habe, dass sie das Land verlassen hätte. Darüber hinaus würde sie bei einer Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit ins Visier der syrischen Behörden geraten und ihr jedenfalls eine politisch oppositionelle Gesinnung unterstellt werden, weil sie Syrien illegal verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt hat.
Am 29.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt entschuldigt nicht teilnahm.
Dabei brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe hier in Wien vor einem Mullah traditionell islamisch geheiratet, sei aber nicht offiziell verheiratet. Sie sei Araberin und in Damaskus geboren, habe dort aber nicht gelebt, sondern sei als Baby nach Daraa ins Dorf XXXX übersiedelt. Ihre Vorfahren stammten aus XXXX und die Eltern aus XXXX , sie seien dann nach Damaskus gegangen und die Beschwerdeführerin dort zur Welt gekommen. Später seien sie nach Daraa in ihr Heimatdorf gezogen. Dabei brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe hier in Wien vor einem Mullah traditionell islamisch geheiratet, sei aber nicht offiziell verheiratet. Sie sei Araberin und in Damaskus geboren, habe dort aber nicht gelebt, sondern sei als Baby nach Daraa ins Dorf römisch 40 übersiedelt. Ihre Vorfahren stammten aus römisch 40 und die Eltern aus römisch 40 , sie seien dann nach Damaskus gegangen und die Beschwerdeführerin dort zur Welt gekommen. Später seien sie nach Daraa in ihr Heimatdorf gezogen.
In XXXX habe die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise gelebt, ihre Eltern, die beiden Brüder und ihre Schwester seien noch dort. Es gehe der Familie wirtschaftlich nicht gut. Die Geschwister gingen alle zur Schule, der Vater sei Pensionist und sie hätten sich ein Grundstuck gepachtet, das sie für sich bewirtschafteten. Die Beschwerdeführerin habe Kontakt zu ihrer Familie. Die 11. Klasse habe sie zur Hälfte besucht, aber nicht abgeschlossen. Sie hätte dort aber auch die Matura machen können.In römisch 40 habe die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise gelebt, ihre Eltern, die beiden Brüder und ihre Schwester seien noch dort. Es gehe der Familie wirtschaftlich nicht gut. Die Geschwister gingen alle zur Schule, der Vater sei Pensionist und sie hätten sich ein Grundstuck gepachtet, das sie für sich bewirtschafteten. Die Beschwerdeführerin habe Kontakt zu ihrer Familie. Die 11. Klasse habe sie zur Hälfte besucht, aber nicht abgeschlossen. Sie hätte dort aber auch die Matura machen können.
Es habe in ihrem Heimatdorf Entführungen und Vergewaltigungen von Mädchen gegeben. Zwei Tage vor ihrer Ausreise sei eine Freundin von ihr getötet worden, als die Beschwerdeführerin nicht mit ihr unterwegs gewesen sei: „Alle Schüler haben vor der Schule demonstriert. Sie und ich erhielten einen Berief, in dem stand, dass wir nicht mehr demonstrieren dürfen. Sie hat wieder demonstriert. Sie wurde dann getötet und ihre Leiche wurde vor das Haus ihrer Eltern hingelegt. Mein Vater hat Angst bekommen und hat mich weggeschickt, damit mir nicht das gleiche passiert.“ Die Schüler hätten gegen das Regime demonstriert. Nachgefragt, warum sie selbst teilgenommen habe, erklärte die Beschwerdeführerin, die ganze Schule habe demonstriert. Schüler und Lehrer hätten an diesen Demonstrationen teilgenommen und sie selbst auch zweimal. Nachgefragt, ob sie auch eine eigene Meinung gehabt habe, erwiderte die Beschwerdeführerin, alle Schüler und Lehrer hätten gegen das Regime demonstriert und sie sei auch dabei gewesen. Es hätten immer alle mitgemacht. Wann in dieser Schule das erste Mal demonstriert worden sei, wisse sie nicht mehr. Die Demonstrationen hätten einmal wöchentlich stattgefunden, sie selbst sei nur zweimal dabei gewesen: „Zu Beginn wollte ich nie an Demonstrationen teilnehmen, weil ich Angst hatte. Bei den beiden Malen haben mich meine 2 Freundinnen überredet und deswegen habe ich mitgemacht.“ Das erste Mal sei am Anfang der 11.Klasse und das zweite Mal ca. zwei Monate vor ihrer Ausreise gewesen. Die getötete Freundin habe immer an Demos teilgenommen und sie glaube, als sie das letzte Mal gemeinsam demonstriert hätten, habe sie jemand fotografiert und „wir“ hätten deswegen auch die Drohbriefe erhalten. Sie selbst habe es nicht bemerkt, aber ihre Freundin hätte gesagt, dass irgendjemand „uns“ fotografiert hätte. Nach dieser Aufnahme habe die Beschwerdeführerin den Drohbrief erhalten.
An diesem Tag habe mehr als die Hälfte der Schule demonstriert, ca. 100 Personen. Warum gerade sie und ihre Freundin besonders aufgefallen sein sollten, wisse die Beschwerdeführerin nicht. Zwei Tage später habe sie diesen Drohbrief erhalten und es sei drinnengestanden: „wenn deine Tochter noch einmal demonstrieren sollte, dann wirst du sie nicht mehr sehen.“ Der Drohbrief sei vor der Haustür gelegen, sie wisse nicht, wer ihn dort deponiert habe. Die Beschwerdeführerin wisse auch nicht, wie und von wem die Freundin getötet worden sei, aber ihre Leiche sei vor „ihrem“ Haus gelegen. Als ihr Vater das gesehen habe, habe er die Beschwerdeführerin nicht mehr in Syrien bleiben lassen und zwei Tage später sei sie weggegangen. Getötet worden sei die Freundin auf dem Weg zu einem Supermarkt, wie, wisse sie nicht. Auch wisse sie nicht, ob die Lehrer die damals demonstriert hätten, an der Schule noch unterrichteten.
Nachgefragt, warum die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nichts vom Tod ihrer Freundin erwähnt habe, erwiderte sie, sie habe nur das gesagt, wonach sie gefragt worden sei. Sie sei auch nach einem Entführungsversuch gefragt worden und habe es bejaht. Vorgehalten, sie sei bei der Behörde darauf aufmerksam gemacht worden, ihre Fluchtgründe darzulegen und nachgefragt, warum sie nicht näher dargelegt habe, wie sich ihr Entführungsversuch dargestellt hätte bzw. ihre Freundin getötet worden wäre, erwiderte die Beschwerdeführerin: „Ich wusste nicht, dass ich das dort auch sagen muss. Ich wurde auch nicht danach gefragt, sonst hätte ich das erwähnt.“ Bei der Vorbereitung zu ihrer Beschwerde sei sie nach diesem Vorfall befragt worden und deshalb habe sie das auch vorgebracht. Weiters sei ihr gesagt worden, dass sie in der Verhandlung vor dem Richter alles erzählen solle, selbst Sachen, wonach sie nicht gefragt werde, deswegen erzähle sie heute alles. Vorgehalten, in der Beschwerde habe sie zu ihrem Entführungsversuch angegeben, dass sie mit einer Freundin auf dem Weg zur Schule gewesen wäre, als sie bemerkt hätten, dass sie von einer Gruppe Männer verfolgt würden und nachgefragt, warum sie nun nichts davon erzähle, fragte die Beschwerdeführerin: „Musste ich das heute nochmal alles erzählen?“ Sie habe das bereits in der Vorbereitung erzählt und gedacht, alles was sie bereits gesagt habe, brauche sie nicht mehr zu sagen, nur Sachen, die sie noch nicht erwähnt habe. Ihr wäre nur gesagt worden, sie solle alles vorbringen: „was ich denke und was ich weiß“.
Ihr Vater sei nicht persönlich bedroht worden, er habe nur den Brief erhalten. Vorgehalten, in der Beschwerde stehe, dass ihr Vater nach ihrer Ausreise persönlich bedroht und nach ihr gefragt worden sei, erwiderte sie, sie habe das mit Sicherheit nicht so gesagt. Ihr Vater sei nicht von Angesicht zu Angesicht bedroht worden. Seitens der Rechtsberatung wurde angemerkt, es müsse ein Missverständnis mit der Beschwerdeführerin gegeben haben.
Die Beschwerdeführerin habe diese maskierten Männer gesehen. Sie hätten unter ihrer Jacke am Rücken die Waffe getragen und von außen habe man erkannt, dass irgendwas am Rücken sei, und sie gehe davon aus, dass es sich um eine Waffe handle. Die Männer seien ihnen nachgegangen: „Jeder der sich verfolgt fühlt, merkt auch, dass eine Person ihm nachgeht.“ Sie habe sich öfters zu diesen Männern umgedreht.
„Es waren 2 Männer, sie sind uns nachgegangen. Ich habe mich der Schule schon genähert gehabt. Zu Beginn als ich mit meiner Freundin unterwegs zur Schule war, war niemand hinter uns. Die Straßen waren leer, es war niemand außer den Schülern unterwegs. Als ich mich kurz umgedreht habe, habe ich 2 Männer wahrgenommen, wobei ich mir zu Beginn nichts bedacht habe. Ich drehte mich immer wieder zurück und sah immer dieselben beide Männer, die uns nachgingen. Da niemand auf der Straße war, habe ich und meine Freundin Angst bekommen. Als wir uns der Schule näherten und ich mich ein letztes Mal umdrehte, habe ich die gleichen Männer wiedergesehen. Wir liefen dann in die Schule hinein und machten die Tür zu. Wir sind zum Direktor gegangen und haben das auch gemeldet. Nach der Schule habe ich herumgeschaut, es war niemand da und ich bin dann nach Hause gegangen. Das war das erste und letzte Mal, dass sich so etwas ereignete.“ Vorgehalten, sie habe zuerst gesagt, die Straßen seien leer und lediglich die Schüler dagewesen und dann, es hätten sich nur die Verfolger und sie und ihre Freundin auf der Straße befunden, erwiderte die Beschwerdeführerin, die Schüler wären auch nicht mehr auf der Straße gewesen. Ihre Freundin und sie seien an dem Tag ein bisschen zu spät in die Schule gekommen, deswegen hätten sie sich auch beeilt. Es sei unterwegs auch niemand auf der Straße gewesen, auch keine Arbeiter oder Passanten. Diese Männer habe sie nur von Angesicht zu Angesicht gesehen. Die Waffen am Rücken hätte sie deshalb bemerkt, weil sie lang gewesen wären und auf beiden Seiten des Körpers etwas weggestanden hätte.
Vom Vater ihres Kindes habe sich die Beschwerdeführerin aus privaten Gründen getrennt.
Seitens der Rechtsberatung wurde auf das Urteil des EuGH vom 16.01.2024 zur Zahl C 621/21 verwiesen, welchem zu entnehmen sei, dass Frauen als einer sozialen Gruppe zugehörig angesehen werden können, wenn sie in ihrem Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind. Somit stelle Gewalt gegen Frauen aufgrund ihres Geschlechts eine Verfolgung iSd GFK dar. Den Länderberichten sowie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei eine solche Verfolgung zu entnehmen. Weiters sei davon auszugehen, dass ihr eine oppositionelle politische Gesinnung aufgrund ihrer Teilnahme an Demonstrationen zumindest unterstellt werde.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 27.3.2024, UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung V. und VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR Position aus 2017, EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch syrische Grenze, Weiterreise in AANES Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023 in das Verfahren eingeführt und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurden die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zur Situation in Syrien vom 27.3.2024, UNHCR: 1. Erwägungen zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen (Aktualisierung römisch fünf. und römisch VI.), November 2017 und März 2021; InterimsIeitfaden zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Aufrechterhaltung der UNHCR Position aus dem Jahr 2017, vom Februar 2020; Schreiben vom Februar 2020: Vorläufige UNHCR Empfehlungen zum internationalen Schutzbedarf von Asylsuchenden aus Syrien: Fortgesetzte Anwendbarkeit der UNHCR Position aus 2017, EUAA Country Guidance: Syria vom April 2024, Asylländerbericht Syrien der ÖB Damaskus (Stand: Ende September 2021), Bericht DIS (Danish immigration Service), Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Sicherheitslage in Nordostsyrien, insbesondere in der Grenzregion um Semalka; Informationen zur Bewegungsfreiheit in den Gebieten unter kurdischer Selbstverwaltung [a-11859-2], 23.05.2022, Staatendokumentation des BFA zu Syrien: für Personenverkehr zur Einreise aktuell offener Grenzübergänge, 22.11.2022, Staatendokumentation des BFA: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Einreise türkisch syrische Grenze, Weiterreise in AANES Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29. März 2023, COUNTRY OF ORIGIN INFORMATION (COI) Report, Syria Military Service, Jänner 2024, Syrien Grenzübergänge COI CMS Version 1, 25.10.2023, EUAA Syria, major human rights, security, socio-economic developments EUAA Country of Origin Information – Syria-Security Information vom Oktober 2023 in das Verfahren eingeführt und eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige und gehört der arabischen Volksgruppe sowie der islamisch-sunnitischen Religion an.
Sie wurde in Damaskus geboren und übersiedelte im Kleinkindalter ins Dorf XXXX im Goevernement Daraa, wo sie im Familienverband mit ihren Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester aufwuchs und bis zur Ausreise im September 2021 die Schule besuchte. Im Bundesgebiet schloss die Beschwerdeführerin eine traditionell islamische „Ehe“ und ist Mutter eines Kindes. Von ihrem Partner ist sie mittlerweile getrennt.Sie wurde in Damaskus geboren und übersiedelte im Kleinkindalter ins Dorf römisch 40 im Goevernement Daraa, wo sie im Familienverband mit ihren Eltern, zwei Brüdern und einer Schwester aufwuchs und bis zur Ausreise im September 2021 die Schule besuchte. Im Bundesgebiet schloss die Beschwerdeführerin eine traditionell islamische „Ehe“ und ist Mutter eines Kindes. Von ihrem Partner ist sie mittlerweile getrennt.
Die Eltern und Geschwister befinden sich noch im Herkunftsort XXXX . Die Beschwerdeführerin hat Kontakt zu ihren Angehörigen. Der Vater bezieht Pension, die Geschwister, auch die jüngere Schwester, besuchen die Schule, die Familie betreibt auch eine eigene Landwirtschaft.Die Eltern und Geschwister befinden sich noch im Herkunftsort römisch 40 . Die Beschwerdeführerin hat Kontakt zu ihren Angehörigen. Der Vater bezieht Pension, die Geschwister, auch die jüngere Schwester, besuchen die Schule, die Familie betreibt auch eine eigene Landwirtschaft.
Festgestellt wird daher, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihre Herkunftsregion im Gouvernement Daraa über ein familiäres Netzwerk mit männlichen Angehörigen verfügt, das ihr Schutz bieten kann. Es handelt sich bei ihr nicht um eine alleinstehende Frau. Sie ist auch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gefährdet, Opfer von sexueller oder sonstiger physischer oder psychischer Gewalt zu werden.
Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen zu haben. Es hat auch keinen Entführungsversuch gegen sie gegeben.
Die Beschwerdeführerin war in Syrien keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt. Sie war nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Sie hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nicht verhaftet. Es besteht zurzeit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, wonach die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in ihre Heimatregion einer Verfolgung zum Opfer fallen würde, weil ihr eine oppositionelle Gesinnung zur syrischen Regierung unterstellt werden würde.
Ebenso wenig droht der Beschwerdeführerin allein aufgrund ihrer Ausreise oder der Asylantragstellung die Gefahr der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr keine persönliche Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (Stand: 27.03.2024; Auszug).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien:
Jusoor 30.7.2023
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75