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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde
1.) des H P und 2.) der M P, beide in B, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 3. November 1994, Zl. 3-33.21 P 3-94/4, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 20. Februar 1991 beantragten die Beschwerdeführer bzw. deren Rechtsvorgänger bei der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung (BH) die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Abwasserentsorgungsanlage auf dem Grundstück Nr. 569/3, KG B, für ihr Wohnhaus. Dem Antrag waren Projektsunterlagen angeschlossen. Auf dem Lageplan ist die im Eigentum der mitbeteiligten Partei (mP) stehende Parzelle (öffentlicher Weg) 962/2 als von der Abwasserableitung berührt eingezeichnet. Im "Anrainerverzeichnis" des technischen Berichtes ist ebenfalls die Parzelle 962/2 angeführt.
Bei der von der BH am 18. Mai 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Vertreter der mP folgende Erklärung ab:
"Es wurde bereits seitens der Gemeinde ein Kanal errichtet und dieser auch betrieben. Die Entfernung zum Gst. 569/3, KG A., beträgt laut Gutachten von Ing. K. 47,90 m."
Die BH führte am 15. Februar 1993 eine weitere mündliche Verhandlung durch. In dem bei dieser Verhandlung vom Amtssachverständigen für Wasserbautechnik erstatteten Befund wird ausgeführt, die Ablaufleitung vom Bodenfilter verlaufe (u.a.) über das öffentliche Weggrundstück 962/2 im Eigentum der mP.
Der Vertreter der mP gab dieselbe Erklärung ab wie bei der Verhandlung am 18. Mai 1992.
Mit Bescheid vom 25. Jänner 1994 erteilte die BH gemäß § 32 Abs. 2 lit. a des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Abwasserentsorgungsanlage nach Maßgabe des in der Begründung enthaltenen Befundes und der vorgelegten Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden und bei Erfüllung einer Reihe näher bezeichneter Auflagen.
Die mP berief und brachte vor, sie habe im Jahr 1986 einen öffentlichen Kanalstrang für einen Großteil der Bewohner der KG B. errichtet und an das Kanalnetz des AWV G. angeschlossen. In diesem Zusammenhang sei auch für das Grundstück der Beschwerdeführer ein Hausanschlußschacht in einer Entfernung von 47,90 m vom Wohnhaus errichtet worden. Seitens der Gemeinde erscheine auf Grund dieser Tatsache die Errichtung einer dezentralen Anlage höchst unlogisch. Die volkswirtschaftlich günstigere Lösung sei der Anschluß an die zentrale Anlage des AWV G. Als wesentliches Argument gegen die Bewilligung der Kleinkläranlage werde ausgeführt, daß das laufende Verfahren, welches den Anschlußzwang an die öffentliche Anlage erwirken sollte, noch nicht abgeschlossen sei. Die mP könne nicht verstehen, daß die Bewilligung für die Errichtung einer Kläranlage ausgesprochen werde und ersuche, den erstinstanzlichen Wasserrechtsbescheid aufzuheben.
Laut einem im Akt erliegenden Aktenvermerk vom 8. Februar 1994 sprach die Zweitbeschwerdeführerin an diesem Tag bei der BH vor und teilte mit, der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid vom 25. Jänner 1994 sei insoweit falsch, weil die Ablaufleitung nicht - wie in der Begründung angegeben - über das öffentliche Weggrundstück 962/2 der mP - wie ursprünglich beantragt - führe, sondern die Landesstraße X bei Kilometer 0,290 in Anspruch genommen werde. Die Unterlagen für die neue Führung der Ablaufleitung (Lageplan und Bewilligung für die Inanspruchnahme der Landesstraße) seien bereits im Frühsommer 1993 (kein Eingangstempel) bei der BH abgegeben worden. In der Folge brachten die Beschwerdeführer bei der BH einen als "Berufung" - Berichtigung" bezeichneten Schriftsatz ein, in dem sie ausführten, die Ablaufleitung verlaufe nicht über das öffentliche Weggrundstück 962/2. Entsprechende Unterlagen seien der BH bereits "seinerzeit" vorgelegt worden.
In der Folge zogen die beschwerdeführenden Parteien ihre Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid zurück.
Mit Bescheid vom 3. November 1994 behob die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf Grund der Berufung der mP den erstinstanzlichen Bescheid. Die Berufung der Beschwerdeführer wurde als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wird ausgeführt, nach der Aktenlage seien dem Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für eine Einzelkläranlage Unterlagen angeschlossen worden, denen zufolge die Errichtung einer Ablaufleitung von der Abwasserreinigungsanlage u.a. über das im Eigentum der mP stehende öffentliche Weggrundstück Nr. 962/2 in den H.-Bach vorgesehen sei. Diese beantragte Ausführung sei Gegenstand der mündlichen Verhandlung der Wasserrechtsbehörde erster Instanz am 15. Februar 1993 gewesen und sei auch vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der Befundaufnahme beschrieben worden. Die Beschwerdeführer hätten zur Ortsverhandlung einen Vertreter entsandt, von dem das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis genommen worden sei. Eine allfällige Trassenänderung sei anläßlich dieser mündlichen Verhandlung nicht behandelt und auch nicht beantragt worden. Auch im nachfolgenden Verfahren sei ein derartiges Ansuchen der Aktenlage zufolge nicht eingebracht worden. Offenbar sei auch der BH kein derartiges Ansuchen bekanntgewesen. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid sei die Ablaufleitung von der Einzelkläranlage zum H.-Bach über das Grundstück der mP wasserrechtlich bewilligt worden. Eine Zustimmungserklärung zur Inanspruchnahme von Fremdgrund sei nicht aktenkundig; vielmehr habe die mP gemäß der Aktenlage wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß sie dem Vorhaben negativ gegenüberstehe. Damit stünden auch die undatierten und ohne Eingangsvermerk versehenen Schriftstücke in Einklang, auf die sich die Beschwerdeführer nunmehr stützten (Lageplan, Einverständniserklärungsformular und undatierte Bewilligung der Baubezirksleitung Graz-Umgebung über die Inanspruchnahme der Landesstraße X durch eine Wasserleitung). Laut diesen Unterlagen habe die mP eindeutig ihre Zustimmung zur Querung der Gemeindestraße verweigert. Obwohl entgegen der in der Verhandlungsschrift vom 15. Februar 1993 enthaltenen Auflage die Vorlage von Einverständniserklärungen der betroffenen Grundeigentümer nicht erfolgt sei, sei von der BH das beantragte Projekt bewilligt worden. Damit sei die mP durch die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung in ihrem gesetzlich geschützten Recht auf Unberührtheit ihres Grundeigentums verletzt worden. Sollten die Beschwerdeführer tatsächlich beabsichtigen, das eingereichte Projekt zu ändern, so sei hiefür ein dem § 13 AVG entsprechendes Ansuchen bei der Wasserrechtsbehörde erster Instanz einzubringen und darüber in einem eigenen Verfahren unter Zuziehung aller bekannten Parteien und Beteiligten ein eigenes wasserrechtliches Verfahren durchzuführen. Eine derartige wesentliche Projektsänderung könne jedenfalls nicht von der Berufungsbehörde als Berichtigung im Berufungsbescheid durchgeführt werden, da sonst den Parteien das verfassungsmäßig gewährleistete Recht auf den gesetzlichen Richter genommen würde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführer bringen im wesentlichen vor, die mP habe weder in den mündlichen Verhandlungen vor der Erstbehörde noch in der Berufung die Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht. Die Berufung der mP habe daher die belangte Behörde nicht zum Anlaß nehmen dürfen, den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mP hat ebenfalls eine Äußerung erstattet, in der sie ihren in der Berufung geäußerten Standpunkt bekräftigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies nach § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Einwendung im Sinne des § 42 Abs. 1 AVG nur dann vor, wenn die Partei die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht, wobei Einwendungen spezialisiert werden müssen. Auf Grund einer Einwendung muß jedenfalls erkennbar sein, welche Rechtsverletzung behauptet wird (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 279 f, angeführte Rechtsprechung).
Die mP hat im Verfahren vor der Wasserrechtsbehörde erster Instanz nie auch nur andeutungsweise einen Einwand gegen die Inanspruchnahme der öffentlichen Wegparzelle 962/2 vorgebracht. Diesbezüglich ist daher Präklusion eingetreten. Daß die mP sich - worauf die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides hinweist - außerhalb des behördlichen Verfahrens geweigert hat, eine Zustimmungserklärung für die Inanspruchnahme dieses Grundstückes zu unterschreiben, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, da § 42 Abs. 1 AVG auf Einwendungen bei der Behörde abstellt. Schon auf Grund der eingetretenen Präklusion durfte die belangte Behörde die Berufung der mP nicht mehr zum Anlaß nehmen, den erstinstanzlichen Wasserrechtsbescheid wegen der darin enthaltenen Inanspruchnahme der Parzelle 962/2 aufzuheben.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aber auch noch aus einem weiteren Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Die mP hat in ihrer Berufung ein Vorbringen erstattet, welches nicht die subjektiven Rechte der mP betrifft. Auf Grund eines derartigen Berufungsvorbringens durfte aber die belangte Behörde nicht den bekämpften Bescheid aufheben, sondern hatte die Berufung zurückzuweisen. Eine unzulässige Berufung berechtigt die Berufungsbehörde nicht zu einer Sachentscheidung. Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist nämlich ausschließlich jener Bereich, in welchem dem Berufungswerber ein Mitspracherecht zusteht (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., 547, angeführte Rechtsprechung).
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz (siehe auch Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung)Voraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungsrecht und Präklusion (AVG §42 Abs1)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994070185.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010