Entscheidungsdatum
10.09.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W275 2280898-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geboren am XXXX StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Spruchpunkte I. bis III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2023, Zahl 1321332903/222656449, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 alias römisch 40 geboren am römisch 40 StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2023, Zahl 1321332903/222656449, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei im Wesentlichen an, er sei in Somalia wegen seiner Clanzugehörigkeit diskriminiert worden. Er habe in Somalia niemanden mehr, der ihn unterstütze. Gelebt habe er bei seiner Tante väterlicherseits. Mit dieser sei er in die Türkei geflüchtet, wo sie an Krebs verstorben sei. Zu seiner restlichen Familie, seiner Mutter und seinen Geschwistern, habe er keinen Kontakt. Bei einer Rückkehr nach Somalia habe er Angst an Hunger zu sterben oder von anderen Clanangehörigen getötet zu werden.
Am 21.09.2023 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. In dieser gab er zusammengefasst an, in Mogadischu geboren und aufgewachsen zu sein. Er habe in Somalia fünf Jahre die Koranschule besucht und als Schuhputzer gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte er im Wesentlichen aus, er gehöre einem Minderheitenclan an. Er habe eine Liebesbeziehung mit einer Angehörigen eines Mehrheitsclans geführt und sie im Oktober 2021 heimlich geheiratet. Als die Familie der Frau von der Heirat erfahren habe, hätte sie seine Tante angegriffen und bedroht. Ihn selbst hätten sie an seiner Arbeitsstelle aufgesucht und ihn gefoltert sowie ihm mit dem Umbringen gedroht, sollte er die Frau nicht in Ruhe lassen. Als nach einem Krankenhausaufenthalt die Schwangerschaft seiner Ehefrau festgestellt worden sei, hätte ihre Familie das Blechhaus des Beschwerdeführers angezündet und seine Tante misshandelt. Sie seien auch auf dem Weg zu ihm gewesen, die Tante habe ihn aber zuvor gewarnt. Er habe sich die letzten drei Wochen vor seiner Ausreise bei der Schwägerin seiner Tante versteckt. Seit diesem Vorfall habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Frau, weil ihr das Handy abgenommen worden sei.
Mit oben genanntem Bescheid vom 03.10.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm § 55 AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV.).Mit oben genanntem Bescheid vom 03.10.2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG wurde gemäß Paragraph 9, Absatz 2 und 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt sowie dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 58, Absatz 2 und 3 AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 55, AsylG 2005 eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch IV.).
Gegen die Spruchpunkte I. bis III. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.Gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch III. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Am 10.07.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhand-lung statt, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere zu seinen persönlichen Lebensumständen sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX (auch XXXX ) und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Somalia, ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Madhiban, Sub-Clan XXXX , Sub-Sub-Clan XXXX Sub-Sub-Sub-Clan XXXX an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Seine Erstsprache ist Somali.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 (auch römisch 40 ) und das Geburtsdatum römisch 40 . Er ist Staatsangehöriger von Somalia, ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer gehört dem Clan der Madhiban, Sub-Clan römisch 40 , Sub-Sub-Clan römisch 40 Sub-Sub-Sub-Clan römisch 40 an und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft des Islam. Seine Erstsprache ist Somali.
Der Beschwerdeführer ist in geboren und lebte in seinen ersten Lebensjahren (auch) in XXXX (Somalia), bevor sein Vater ihn zu seiner Tante väterlicherseits nach Mogadischu brachte, wo er sodann aufgewachsen ist und bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Der Beschwerdeführer und seine Tante wohnten in einer Hütte, für welche sie keine Miete zahlen mussten; die Hütte befand sich auf einem privaten Grundstück im Eigentum von Clanangehörigen der Darood (auch Darod). Der Beschwerdeführer hat fünf Jahre die (Koran-)Schule besucht und im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren begonnen, als Schuhputzer zu arbeiten. Mit seinem Einkommen kam er zuletzt für seinen Lebensunterhalt sowie für jenen seiner Tante auf. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben; sein Tod steht nicht im Zusammenhang mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers. Seine Mutter, seine drei Halbschwestern und seine drei Halbbrüder leben nach wie vor in Somalia. Der Beschwerdeführer ist in geboren und lebte in seinen ersten Lebensjahren (auch) in römisch 40 (Somalia), bevor sein Vater ihn zu seiner Tante väterlicherseits nach Mogadischu brachte, wo er sodann aufgewachsen ist und bis zu seiner Ausreise gelebt hat. Der Beschwerdeführer und seine Tante wohnten in einer Hütte, für welche sie keine Miete zahlen mussten; die Hütte befand sich auf einem privaten Grundstück im Eigentum von Clanangehörigen der Darood (auch Darod). Der Beschwerdeführer hat fünf Jahre die (Koran-)Schule besucht und im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren begonnen, als Schuhputzer zu arbeiten. Mit seinem Einkommen kam er zuletzt für seinen Lebensunterhalt sowie für jenen seiner Tante auf. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben; sein Tod steht nicht im Zusammenhang mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers. Seine Mutter, seine drei Halbschwestern und seine drei Halbbrüder leben nach wie vor in Somalia.
Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2023 wurde ihm in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt.Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2023 wurde ihm in Österreich eine Aufenthaltsberechtigung plus gemäß Paragraph 55, Absatz eins, AsylG 2005 erteilt.
Der Beschwerdeführer leidet an Asthma und verwendet einen Inhalationsspray; die Erkrankung bestand bereits in Somalia. Davon abgesehen ist er gesund. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer war bzw. ist in Somalia keiner (asylrelevanten) Diskriminierung oder sonstigen (asylrelevanten) individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung aufgrund seiner Clanzugehörigkeit ausgesetzt. Ihm droht auch aufgrund der vorgebrachten Beziehung und Eheschließung mit einer Frau des Mehrheitsclans der Hawiye keine individuelle Verfolgungsgefahr.
Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.
1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Somalia – konkret in seine Heimatstadt Mogadischu – unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände sowie der in Somalias Hauptstadt Mogadischu herrschenden ausreichend stabilen Sicherheits- und Versorgungslage nicht in eine existenzgefährdende Notlage geraten und es wäre ihm auch nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia (Version 6, Stand 08.01.2024):
Politische Lage
Hinsichtlich der meisten Tatsachen ist das Gebiet von Somalia faktisch zweigeteilt, nämlich in: a) die somalischen Bundesstaaten; und b) Somaliland, einen 1991 selbst ausgerufenen unabhängigen Staat, der international nicht anerkannt wird (AA 15.5.2023). Während Süd-/Zentralsomalia seit dem Zusammenbruch des Staates 1991 immer wieder von gewaltsamen Konflikten betroffen war und ist, hat sich der Norden des Landes unterschiedlich entwickelt (BS 2022a).
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Staatlichkeit: Somalia wird als der am meisten gescheiterte Staat der Welt beschrieben, das Land verfügt über keine einheitliche Regierung. Seit dem Zusammenbruch des autoritären Regimes von Mohamed Siad Barre im Jahr 1991 kämpft Somalia darum, eine Regierung zu bilden (Rollins/HIR 27.3.2023). Nach anderen Angaben ist Somalia zwar kein failed state mehr, bleibt aber ein fragiler Staat. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind demnach sehr schwach, wesentliche Staatsfunktionen können von ihnen nicht ausgeübt werden. Es gibt jedenfalls keine flächendeckende effektive Staatsgewalt (AA 15.5.2023). Denn obwohl das Land nominell von Präsident Hassan Sheikh Mohamud regiert wird, steht ein Großteil des Landes nicht unter staatlicher Kontrolle. Al Shabaab kontrolliert fast 70 % von Süd-/Zentralsomalia (Rollins/HIR 27.3.2023).
Die Bundesregierung ist nicht in der Lage, ihren Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag (nach westlicher Konzeption des Nationalstaates) in und um Mogadischu auch nur teilweise nachzukommen, geschweige denn ein landesweites Gewaltmonopol zu errichten. Sie bietet ihren Bürgern derzeit nur wenige wesentliche Dienstleistungen an. Die ständige Instabilität bleibt ein prägendes Merkmal des Lebens. Viele Menschen verlassen sich hinsichtlich grundlegender Dienstleistungen und Schutz weiterhin auf bestehende traditionelle, informelle Institutionen (Sahan/SWT 5.6.2023). Denn der Staat leidet an gescheiterten Institutionen, vom Gesundheitswesen bis zu den Sicherheitskräften. Persönlichkeitsorientierter Politik wird Vorrang gewährt. Informelle politische und Clanbeziehungen dominieren einen fragilen Staat. Und die immer noch offene institutionelle Lücke wird durch eine Reihe anderer Akteure – darunter al Shabaab – aufgefüllt (Sahan/Awad 28.8.2023).
Die Bundesregierung verfügt kaum über eine Möglichkeit, ihre Politik und von ihr beschlossene Gesetze im Land durch- bzw. umzusetzen (FH 2023a), da sie nur wenige Gebiete kontrolliert (BS 2022a). Gleichzeitig gilt Somalia als eines der korruptesten Länder der Welt und die Regierung ist zum Überleben stark auf internationale Hilfe angewiesen (Rollins/HIR 27.3.2023). Die Unfähigkeit, gegen die endemische Korruption vorzugehen, behindert den Staatsbildungsprozess und den Aufbau von Institutionen; der politische Machtkampf hat das Vertrauen der Bevölkerung in bestehende staatliche Institutionen weiter geschwächt, die politischen Konflikte haben die Kluft zwischen den Fraktionen vergrößert (BS 2022a).
Eigentlich sollte die Bundesregierung auch die Übergangsverfassung noch einmal überarbeiten, novellieren und darüber ein Referendum abhalten (USDOS 12.4.2022). Seit 2016 und 2017 die fünf Bundesstaaten gegründet wurden, stockt der Verfassungsprozess. Grundlegende Fragen des Staatsaufbaus sind nicht geklärt. Dies lähmt staatliches Handeln und fördert politische Spannungen zwischen Mogadischu und den föderalen Gliedstaaten, weil eben die Verfassungsgebung und Kompetenzverteilung noch immer nicht abgeschlossen sind (AA 15.5.2023).
Regierung: Unter der bestehenden Übergangsverfassung aus dem Jahr 2012 wird der Präsident für eine Amtszeit von vier Jahren von einer Zweidrittelmehrheit des Parlaments gewählt. Der Präsident teilt sich seine exekutive Macht mit dem Premierminister, der wiederum nur mit Unterstützung des Parlaments arbeiten kann (FH 2023a).
2017 wurde Farmaajo als Präsident gewählt, sein Mandat endete eigentlich Anfang 2021 (FH 2023a), er regierte aber bis Mai 2022 weiter (AA 15.5.2023). Somalia stürzte in eine schwere Verfassungs