Entscheidungsdatum
12.09.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W189 2277940-1/21E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2023, Zl. 1318602403-222446835, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2024, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2023, Zl. 1318602403-222446835, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.07.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: der BF), ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 12.07.2021 unter Angabe des XXXX als Geburtsdatum in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz. Dort gab er an, in Beletweyne geboren, aber in Buale aufgewachsen zu sein. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime und dem Clan der Badi Ade an. Er habe acht Jahre die Schule besucht und nach dem Tod seines Vaters auf einem Bauernhof zu arbeiten begonnen und Gemüse zu Märkten transportiert. Der Antrag des BF in Griechenland wurde wegen einer festgestellten Zuständigkeit der Türkei rechtskräftig zurückgewiesen.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: der BF), ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 12.07.2021 unter Angabe des römisch 40 als Geburtsdatum in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz. Dort gab er an, in Beletweyne geboren, aber in Buale aufgewachsen zu sein. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime und dem Clan der Badi Ade an. Er habe acht Jahre die Schule besucht und nach dem Tod seines Vaters auf einem Bauernhof zu arbeiten begonnen und Gemüse zu Märkten transportiert. Der Antrag des BF in Griechenland wurde wegen einer festgestellten Zuständigkeit der Türkei rechtskräftig zurückgewiesen.
2. Der BF verließ anschließend Griechenland und stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 07.08.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Er gab an, am XXXX geboren zu sein, aus der Stadt Buale in der Region Middle Juba zu stammen und der Religionsgemeinschaft der Muslime sowie dem Clan der Badicade anzugehören. Seine Muttersprache sei Somali. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt Feldarbeiter gewesen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder würden in Somalia leben. Er habe Somalia im Juni 2021 illegal per Flugzeug in die Türkei verlassen. Zu seinem Ausreisegrund gab er zu Protokoll, dass er wegen der Al Shabaab Somalia verlassen habe. Diese habe seinen Vater getötet, weil er ihnen nicht den Zakat gegeben habe. Sie hätten den BF als Helfer haben wollen. Da er nicht sterben habe wollen, habe er das Land verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF, von der Al Shabaab getötet zu werden.2. Der BF verließ anschließend Griechenland und stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 07.08.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Er gab an, am römisch 40 geboren zu sein, aus der Stadt Buale in der Region Middle Juba zu stammen und der Religionsgemeinschaft der Muslime sowie dem Clan der Badicade anzugehören. Seine Muttersprache sei Somali. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und sei zuletzt Feldarbeiter gewesen. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder würden in Somalia leben. Er habe Somalia im Juni 2021 illegal per Flugzeug in die Türkei verlassen. Zu seinem Ausreisegrund gab er zu Protokoll, dass er wegen der Al Shabaab Somalia verlassen habe. Diese habe seinen Vater getötet, weil er ihnen nicht den Zakat gegeben habe. Sie hätten den BF als Helfer haben wollen. Da er nicht sterben habe wollen, habe er das Land verlassen. Im Falle einer Rückkehr befürchte der BF, von der Al Shabaab getötet zu werden.
3. In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: das BFA) am 25.07.2023 gab der BF in freier Erzählung zu seinem Fluchtgrund an, dass sein Leben in Gefahr gewesen sei. Eines Vormittags seien maskierte, bewaffnete Männer zu ihm gekommen. Sie hätten ihm gesagt, dass er gefangen sei. Der BF habe gesagt, dass er nicht mit ihnen gehen werde, und habe gefragt, was sie von ihm wollen würden. Die maskierten Männer hätten seinem Vater gesagt, dass sie den BF töten würden, wenn er nicht mitkomme. Der BF sei ein Ungläubiger. Sein Vater habe ihm gesagt, dass er mitgehen solle und er nachkommen würde. Dort habe man dem BF gesagt, dass er ein Spion sei und jeder Spion getötet werde. Das sei im März 2019 gewesen. Er sei vier Monate in Gefangenschaft gewesen. Er sei an Tuberkulose erkrankt. Er sei dann irgendwann von seinem Vater gefunden worden. Im Juli 2019 habe sein Vater für seine Freilassung 3.000,- US-Dollar an die Gruppe bezahlt, damit sie den BF freilassen. Im Jahr 2020 sei sein Vater von der Al Shabaab wegen Abgaben getötet worden. Seine Mutter habe ihn davor gewarnt zurückzugehen. Die Ältesten aus dem Dorf hätten ihr Hab und Gut verkauft. Im Juni 2021 habe der BF Somalia verlassen.
Im Rahmen dieser Einvernahme legte der BF ihn betreffende Entscheidungen der griechischen Asylbehörden über die Unzulässigkeit seines dortigen Asylantrages vor.
4. Mit Bescheid des BFA vom 09.08.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).4. Mit Bescheid des BFA vom 09.08.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.), eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine Rechtsvertretung binnen offener Frist Beschwerde, über welche das Bundesverwaltungsgericht am 09.07.2024 in beider Anwesenheit eine öffentliche, mündliche Verhandlung durchführte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
1.1.1. Die Identität des BF steht nicht fest. Er stammt aus Beletweyne in der Region Hiiraan. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan Badi Ade, welcher zur Clanfamilie der Hawiye zählt, an. Seine Muttersprache ist Somali. Er besuchte zwischen acht und zwölf Jahre lang die Grundschule, arbeitete auf der elterlichen Landwirtschaft und transportierte teils eigenes, teils fremdes Gemüse mit einem Tuk-Tuk zum Markt. Seine Eltern besitzen eine teils verpachtete, etwa 20 Hektar große Landwirtschaft und etwa 14 Ziegen. Die Eltern und Geschwister des BF leben weiterhin in seinem Heimatort Beletweyne und eine verheiratete Tante väterlicherseits in Mogadischu. Es besteht Kontakt zu ihnen.
1.1.2. Entgegen der von ihm angegebenen Ausreisegründe wurde weder der BF von der Al Shabaab der Spionage beschuldigt und gefangengenommen, noch sein Vater wegen unbezahlter Abgaben von dieser Gruppierung umgebracht. Der BF unterliegt keiner individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung durch die Al Shabaab.
Der gesunde BF kann wieder in die unter Regierungskontrolle stehende Heimatstadt Beletweyne zurückkehren und dort durch die elterliche Land- und Viehwirtschaft sowie durch eigene Erwerbstätigkeit seine Existenzgrundlage sichern. Er läuft dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Außergewöhnliche Umstände, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.
Daneben kann sich der BF aber auch in Mogadischu neu ansiedeln und dort seinen Unterhalt bestreiten. Er kann für den Anfang bei seiner Tante väterlicherseits Unterkunft nehmen, in weiterer Folge eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, gegebenenfalls eine eigene Wohnung anmieten und so ein Leben ohne unbillige Härten führen. Nötigenfalls wird ihn auch seine Familie finanziell unterstützen können.
1.1.3. Der BF reiste im August 2022 illegal in Österreich ein. Er hat hier keine Angehörigen oder Verwandten. Er besucht derzeit einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 und versteht auf Deutsch sehr einfach gehaltene Fragen, denen er in sehr einfachen Worten antworten kann. Er besucht seit Dezember 2023 regelmäßig einen organisierten örtlichen Treff zum Austausch mit der österreichischen Bevölkerung und hat freiwillig in seiner Unterkunft gearbeitet. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach. In seiner Freizeit geht er gerne Schwimmen und Radfahren.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
1.2.1. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
(PGN 23.1.2023)
(Rafal R./X 9.4.2023)
1.2.2. Sicherheitslage in der Region Hiiraan
Belet Weyne, Buulo Barde und Jalalaqsi befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und ATMIS (PGN 23.1.2023). Die beiden erstgenannten Städte können hinsichtlich einer Anwesenheit von (staatlichem) Sicherheitspersonal und etablierter Verwaltung als konsolidiert erachtet werden. Im Nordwesten Hiiraans ist al Shabaab nur in geringer Stärke präsent. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (BMLV 1.12.2023). Gemäß Regierungsangaben haben die Hawadle in Hiiraan alle Teile ihres Clangebiets von al Shabaab zurückerobert (Economist 3.11.2022). Nur noch das südwestliche Hiiraan befindet sich unter Kontrolle von al Shabaab (PGN 23.1.2023). Die Verbindung von Jowhar nach Belet Weyne ist grundsätzlich offen. Zwischen Buulo Barde und Belet Weyne ist es in den letzten Monaten aber wiederholt zu Zusammenstößen gekommen, die mit den Versuchen von al Shabaab, Truppen über den Shabelle nach Osten zu verlegen, zusammenhängen. Die Ortschaften entlang der Straße befinden sich jedenfalls nicht unter Kontrolle von al Shabaab (BMLV 1.12.2023).
Auch eine Quelle der FFM Somalia 2023 gibt an, dass sich die Erreichbarkeit von Hiiraan nach der Offensive verbessert hat. Tatsächlich verfügt die Regierung aber nicht über ausreichend Ressourcen, um jedes Dorf abzusichern. Trotzdem sich die Situation entlang der Hauptroute also verbessert hat, gibt es nach wie vor sogenannte Hit-and-Run-Angriffe und Hinterhalte. Aus Sicherheitsgründen bevorzugen manche Menschen weiterhin den Luftweg. Normalbürger können aber auch den Landweg nutzen und tun dies auch (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Eine andere Quelle berichtete allerdings schon im September 2022, dass die Verbindung von Belet Weyne nach Buulo Barde sicher ist (FTL 27.9.2022); eine weitere Quelle gibt im Juni 2023 an, dass Bürger zum ersten Mal seit über einem Jahrzehnt ohne Angst vor al Shabaab auf dieser Straße reisen können (Sahan/SWT 7.6.2023). Die meisten der wichtigen Verbindungsstraßen befinden sich unter Kontrolle der Regierung (Economist 3.11.2022).
In Belet Weyne ist die Sicherheitslage unverändert vergleichsweise stabil, es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der al Shabaab. In der Stadt befinden sich das Regionalkommando der Bundesarmee sowie Stützpunkte dschibutischer ATMIS-Truppen und der äthiopischen Armee. Zusätzlich gibt es einzelne Polizisten und Teile einer Formed Police Unit von ATMIS. Zudem gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht in der Stadt, sondern mehrheitlich außerhalb ausgetragen. Die in Belet Weyne vorhandene Präsenz der al Shabaab scheint kaum relevant (BMLV 1.12.2023). Anfang Oktober 2022 führte al Shabaab in Belet Weyne einen dreifachen Sprengstoffanschlag gegen einen Militärstützpunkt und das Hauptquartier der Lokalregierung durch. Dabei wurden mehr als 20 Personen getötet, darunter der Vizegouverneur von Hiiraan und der Gesundheitsminister der Region (VOA 3.10.2022).
1.2.3. Sicherheitslage in Mogadischu
Die Sicherheitslage in Mogadischu ist weiterhin dadurch gekennzeichnet, dass al Shabaab Angriffe auf Behörden und ihre Unterstützer verübt. Zugleich stecken hinter der Gewalt in der Stadt neben al Shabaab auch Regierungskräfte, der sogenannte Islamische Staat in Somalia (ISIS) und Unbekannte (Landinfo 8.9.2022). In der Stadt befinden sich die Polizei, die Präsidentengarde, die Bundesarmee, die National Intelligence and Security Agency (NISA), private Sicherheitskräfte und Clanmilizen in unterschiedlichem Umfang im Einsatz (Sahan/SWT 6.9.2023). Nichtstaatliche Sicherheitskräfte, darunter Clan-Milizen, üben trotz wiederholter Versuche, sie auf Linie zu bringen, erheblichen Einfluss in der Stadt aus. Die Teile dieser Patchwork-Sicherheitsarchitektur konkurrieren regelmäßig um Checkpoints und den Zugang zu Ressourcen (Sahan/SWT 6.9.2023).
Noch vor zehn Jahren kontrollierte al Shabaab die Hälfte der Stadt, die gleichzeitig Schauplatz heftiger Kämpfe war (BBC 18.1.2021; vgl. Sahan/SWT 18.1.2022). 2011 war Mogadischu eine halb entleerte Ruinenstadt, Einschusslöcher, zerstörte Häuser und Milizen in Kampf