TE Bvwg Erkenntnis 2024/7/24 W105 2268210-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2024
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Entscheidungsdatum

24.07.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W105 2268210-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2023, Zahl 1286188804/211453763, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2023, Zahl 1286188804/211453763, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.06.2024 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG wird festgestellt, dass römisch 40 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 03.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 04.10.2021 wurde der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen.

2. Am 02.05.2022 fand die Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

Hiebei gab der Antragsteller zu Protokoll, Angehöriger der paschtunischen Volksgruppe zu sein und acht Jahre lang die Schule besucht zu haben. Er sei als Minderjähriger von seinem Vater weggeschickt worden. Der Vater sei aufgefordert gewesen ihn an die Taliban herauszugeben und hätten die Taliban dem Vater gedroht seine Kinder zu töten, weil er selbst für seinen Job von den Amerikanern bezahlt worden wäre. Er habe davon bei der Erstbefragung nichts zu Protokoll gegeben, da ihm das sein Vater erst bei einem Telefonat gesagt habe. Unter einem legte der Antragsteller zu Beweis seines Vorbringens mehrere Dokumente vor.

Mit eingebrachter Stellungnahme vom 16.05.2022 wurde des Weiteren vorgebracht, dass sich die Kernfamilie des Antragstellers derzeit in Pakistan aufhalten würde. Der Antragssteller beziehe sich auf wohlbegründete Furcht vor Verfolgung, da sein Vater aufgrund dessen Regierungstätigkeit in Afghanistan in den Focus der Terroristen geraten sei. Zum Beweis hiefür lege er Fotos des Vaters zu durchlaufenden Ausbildungen sowie zu seiner Tätigkeit im Parlament vor. Des Weiteren wurde darauf verwiesen, dass die Taliban den Vater mittels Drohbriefes aufgefordert hätten den Antragsteller herauszugeben.

4. Mit Bescheid vom 01.02.2023 wies das BFA den (Folge-) Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit Bescheid vom 01.02.2023 wies das BFA den (Folge-) Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen eine vorliegende mangelnde Glaubhaftigkeit des Vorbringens ins Treffen.

5. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte in der Beschwerdebegründung aus, dass der Vater des Antragstellers in Afghanistan für die Regierung tätig gewesen sei und habe aufgrund dessen eine schriftliche Drohung durch die Taliban erhalten und sei aufgefordert worden den Antragsteller an die Taliban auszuliefern. Gleichzeitig wurden Kopien dreier mutmaßlicher Drohbriefe der Taliban vorgelegt. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte in der Beschwerdebegründung aus, dass der Vater des Antragstellers in Afghanistan für die Regierung tätig gewesen sei und habe aufgrund dessen eine schriftliche Drohung durch die Taliban erhalten und sei aufgefordert worden den Antragsteller an die Taliban auszuliefern. Gleichzeitig wurden Kopien dreier mutmaßlicher Drohbriefe der Taliban vorgelegt.

8. Am 10.06.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari statt, an der der BF gemeinsam mit seinem Vertreter teilnahm.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF

Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er stammt aus der Provinz Baghlan, ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der BF führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 . Er stammt aus der Provinz Baghlan, ist Staatsangehöriger Afghanistans, Angehöriger der Volksgruppe der Pashtunen und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben.

Der BF ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der Vater des Beschwerdeführers war bis zum Zeitpunkt der Machtübernahme der Taliban im August 2021 Vertreter eines Behindertenverbandes in der Herkunftsprovinz sowie war zu vormaligen Zeitpunkt Mitglied der sogenannten Loya Jirga.

Der Vater des Antragstellers hat zum vormaligen Zeitpunkt mehrere Drohbriefe seitens der Taliban erhalten, in welchen er bezichtigt wurde für die frühere Regierung gearbeitet und durch ausländisches Geld bezahlt worden zu sein und einem sei er aufgefordert worden seine Kinder an die Taliban auszuliefern.

Die Kernfamilie des Antragstellers befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr in Afghanistan, sondern hält sie sich in Pakistan auf.

Dem Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch Angehörige des derzeitigen Talibanregimes wegen der früheren beruflichen Tätigkeit seines Vaters zuzubilligen.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Länderspezifische Anmerkungen

In einigen Bereichen dieser Länderinformationen wurde auf das Taliban-Regime in Afghanistan bzw. seine Vertreter Bezug genommen. Dieses "Islamische Emirat Afghanistan" wurde mit Stand März 2023 von keinem Land der Welt anerkannt. Es gilt als eine de-facto-Regierung mit de-facto-Ministerien und de-facto-Ministern. Bezugnahmen, auch wenn sie sich auf staatliche Aufgaben (z.B. Botschaft in Pakistan, Grenzsicherung) beziehen, stellen keine Stellungnahme zur Anerkennung der Legitimation dar.

Der Konflikt um die Region Kaschmir wird kurz im entsprechenden Kapitel zur Sicherheitslage behandelt. Die Behandlung der von Pakistan kontrollierten Gebiete Kaschmirs stellt eine Beschreibung der de-facto-Situation bzw. de-facto-Administration und keine Stellungnahme dar.

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-02-01 11:02

Allgemeine Strukturen

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 27.10.2023). Die Stammesgebiete im Nordwesten des Landes, die ehemaligen Federally Administered Tribal Areas bzw. Stammesgebiete unter Bundesverwaltung und Provincially Administered Tribal Areas bzw. Stammesgebiete unter Provinzverwaltung, wurden nach einer Verfassungsänderung 2018 in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert und damit die nationalen und verfassungsmäßigen Rechte auf diese Gebiete ausgedehnt (ICG 14.2.2022). Pakistan kontrolliert außerdem die Gebiete Gilgit-Baltistan sowie Azad Jammu und Kaschmir auf der pakistanisch verwalteten Seite von Kaschmir (AA 27.10.2023).

Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik (USDOS 20.3.2023). Es werden regelmäßig Wahlen im Wettbewerb eines Mehrparteiensystems abgehalten (FH 2023). Die Nationalversammlung besteht aus 342 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden. Zehn der Sitze sind für Nicht-Muslime reserviert, 60 für Frauen. Der Senat hat 100 Mitglieder. Der Premierminister wird für fünf Jahre durch die Nationalversammlung gewählt (EB 19.1.2024). Der Präsident hat eher eine symbolische Funktion und wird ebenfalls für fünf Jahre durch ein Wahlkollegium aus den beiden Häusern des Parlaments und den Provinzversammlungen gewählt (FH 2023; vgl. EB 19.1.2024).Pakistan ist eine föderale parlamentarische Republik (USDOS 20.3.2023). Es werden regelmäßig Wahlen im Wettbewerb eines Mehrparteiensystems abgehalten (FH 2023). Die Nationalversammlung besteht aus 342 Abgeordneten, die für fünf Jahre gewählt werden. Zehn der Sitze sind für Nicht-Muslime reserviert, 60 für Frauen. Der Senat hat 100 Mitglieder. Der Premierminister wird für fünf Jahre durch die Nationalversammlung gewählt (EB 19.1.2024). Der Präsident hat eher eine symbolische Funktion und wird ebenfalls für fünf Jahre durch ein Wahlkollegium aus den beiden Häusern des Parlaments und den Provinzversammlungen gewählt (FH 2023; vergleiche EB 19.1.2024).

Trotz der Existenz formaler demokratischer Institutionen übt das mächtige militärische Establishment de facto einen starken Einfluss aus. Dies hemmt die Entwicklung der demokratischen Institutionen (BS 23.2.2022). Eine lange Reihe an politischen Domänen wird dem Militär überlassen - von der nationalen Sicherheitspolitik bis zur Außenpolitik. Dem Militär wird auch immer wieder vorgeworfen, sich in den Wahlprozess einzumischen (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023). Auch Gruppen, die ökonomische Eliten vertreten, haben oft enge Verbindungen zum Staat. Ebenso profitieren religiöse Gruppen vom Zurückgreifen des Staates auf den Islam als ideologische Legitimation. Zwar gab es Fortschritte in einigen Bereichen, doch vieles in der Politik des Landes ist weiterhin an klientelistischen Diensten orientiert und von traditionellen Eliten aus den vermögenden Klassen dominiert (BS 23.2.2022).Trotz der Existenz formaler demokratischer Institutionen übt das mächtige militärische Establishment de facto einen starken Einfluss aus. Dies hemmt die Entwicklung der demokratischen Institutionen (BS 23.2.2022). Eine lange Reihe an politischen Domänen wird dem Militär überlassen - von der nationalen Sicherheitspolitik bis zur Außenpolitik. Dem Militär wird auch immer wieder vorgeworfen, sich in den Wahlprozess einzumischen (BS 23.2.2022; vergleiche FH 2023). Auch Gruppen, die ökonomische Eliten vertreten, haben oft enge Verbindungen zum Staat. Ebenso profitieren religiöse Gruppen vom Zurückgreifen des Staates auf den Islam als ideologische Legitimation. Zwar gab es Fortschritte in einigen Bereichen, doch vieles in der Politik des Landes ist weiterhin an klientelistischen Diensten orientiert und von traditionellen Eliten aus den vermögenden Klassen dominiert (BS 23.2.2022).

Wahlen 2018 und PTI-Regierung

Die Aufdeckung der Übersee-Konten des zu diesem Zeitpunkt amtierenden Premierministers Nawaz Sharif und seiner Familie im Zuge von internationalen Ermittlungen von Journalisten, den "Panama Papers", führte zu einer gerichtlichen Verurteilung und dessen Amtsenthebung (ICIJ 3.4.2023). Bei den folgenden Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter einerseits technische Verbesserungen in der Durchführung des Wahlprozesses festgestellt haben, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich Einflussnahmen durch Militär und Geheimdienst im Vorfeld der Wahlen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2022a). So dokumentierten Beobachter konzertierte Anstrengungen von Teilen des militärischen und richterlichen Establishments, die Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) des abgesetzten Premierministers Nawaz Sharif zu behindern (FH 2022a; vgl. BS 25.2.2022). Dies beinhaltete Strafverfahren u.a. in Bezug auf Korruption und Terrorismus sowie die Ablehnung von Entlassungen gegen Kaution bis nach den Wahlen. Außerdem berichteten Beobachter von Druck und Einflussnahme auf die Medien durch den Sicherheitsapparat, der zu einer gedämpften Berichterstattung über den Wahlkampf der PML-N geführt hat (FH 2022a). Imran Khan wurde, Berichten zufolge, damals vom Militär gestützt (Guardian 24.5.2023; vgl. SZ 13.6.2023, BS 23.2.2022, FH 2022a, Guardian/Khokhar 24.5.2023).Die Aufdeckung der Übersee-Konten des zu diesem Zeitpunkt amtierenden Premierministers Nawaz Sharif und seiner Familie im Zuge von internationalen Ermittlungen von Journalisten, den "Panama Papers", führte zu einer gerichtlichen Verurteilung und dessen Amtsenthebung (ICIJ 3.4.2023). Bei den folgenden Parlamentswahlen 2018 gewann die Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) die meisten Sitze in der Nationalversammlung, und der Parteivorsitzende, Imran Khan, wurde Premierminister. Während unabhängige Beobachter einerseits technische Verbesserungen in der Durchführung des Wahlprozesses festgestellt haben, äußerten Beobachter, zivilgesellschaftliche Organisationen und politische Parteien Bedenken hinsichtlich Einflussnahmen durch Militär und Geheimdienst im Vorfeld der Wahlen (USDOS 20.3.2023; vergleiche FH 2022a). So dokumentierten Beobachter konzertierte Anstrengungen von Teilen des militärischen und richterlichen Establishments, die Pakistan Muslim League-Nawaz (PML-N) des abgesetzten Premierministers Nawaz Sharif zu behindern (FH 2022a; vergleiche BS 25.2.2022). Dies beinhaltete Strafverfahren u.a. in Bezug auf Korruption und Terrorismus sowie die Ablehnung von Entlassungen gegen Kaution bis nach den Wahlen. Außerdem berichteten Beobachter von Druck und Einflussnahme auf die Medien durch den Sicherheitsapparat, der zu einer gedämpften Berichterstattung über den Wahlkampf der PML-N geführt hat (FH 2022a). Imran Khan wurde, Berichten zufolge, damals vom Militär gestützt (Guardian 24.5.2023; vergleiche SZ 13.6.2023, BS 23.2.2022, FH 2022a, Guardian/Khokhar 24.5.2023).

Khan hatte die Korruptionsbekämpfung zu seiner politischen Botschaft erhoben. Doch nach seinem Sieg konzentrierte sich die folgende Korruptionsbekämpfung auf die vorangegangenen Regierungsparteien Pakistan Peoples Party (PPP) und PML-N bzw. die sie dominierenden Familiendynastien (DIP 9.10.2021; vgl. ICIJ 3.10.2021, BS 23.2.2022). Die Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder und Parlamentarier der großen Oppositionsparteien und der Unwillen, sie hinzuzuziehen, führten zu einer Hemmung der parlamentarischen Arbeit und der Gesetzgebung (DAWN 17.3.2022).Khan hatte die Korruptionsbekämpfung zu seiner politischen Botschaft erhoben. Doch nach seinem Sieg konzentrierte sich die folgende Korruptionsbekämpfung auf die vorangegangenen Regierungsparteien Pakistan Peoples Party (PPP) und PML-N bzw. die sie dominierenden Familiendynastien (DIP 9.10.2021; vergleiche ICIJ 3.10.2021, BS 23.2.2022). Die Korruptionsermittlungen gegen führende Mitglieder und Parlamentarier der großen Oppositionsparteien und der Unwillen, sie hinzuzuziehen, führten zu einer Hemmung der parlamentarischen Arbeit und der Gesetzgebung (DAWN 17.3.2022).

Im Oktober 2020 gelang es den beiden Großparteien PPP und PML-N, sich unter dem Namen Pakistan Democratic Movement zu einer Allianz aus insgesamt elf Oppositionsparteien zu vereinen und zu breiten Demonstrationen zu mobilisieren (BS 23.2.2022; vgl. FH 2022a).Im Oktober 2020 gelang es den beiden Großparteien PPP und PML-N, sich unter dem Namen Pakistan Democratic Movement zu einer Allianz aus insgesamt elf Oppositionsparteien zu vereinen und zu breiten Demonstrationen zu mobilisieren (BS 23.2.2022; vergleiche FH 2022a).

Die starke politische Polarisierung erhöhte außerdem den Einfluss des militärischen Establishments weiter. Gleichzeitig war die PTI-Regierung auch selbst in der Umsetzung ihrer Politik durch dieselben Hindernisse gehemmt wie frühere Regierungen. Der Großteil der Abgeordneten der PTI setzte sich aus den traditionellen politischen und ökonomischen Eliten zusammen, die als Hemmschuh für Änderungen agieren, die ihre Interessen gefährden (BS 23.2.2022). Im Oktober 2021 wurden so auch Verstrickungen von Mitgliedern bzw. Geldgebern des PTI-Kabinetts, aber auch hoher Militärs, in illegale Geldgeschäfte durch die internationalen Ermittlungen der "Pandora Papers" aufgedeckt (DIP 9.10.2021; vgl. ICIJ 3.10.2021).Die starke politische Polarisierung erhöhte außerdem den Einfluss des militärischen Establishments weiter. Gleichzeitig war die PTI-Regierung auch selbst in der Umsetzung ihrer Politik durch dieselben Hindernisse gehemmt wie frühere Regierungen. Der Großteil der Abgeordneten der PTI setzte sich aus den traditionellen politischen und ökonomischen Eliten zusammen, die als Hemmschuh für Änderungen agieren, die ihre Interessen gefährden (BS 23.2.2022). Im Oktober 2021 wurden so auch Verstrickungen von Mitgliedern bzw. Geldgebern des PTI-Kabinetts, aber auch hoher Militärs, in illegale Geldgeschäfte durch die internationalen Ermittlungen der "Pandora Papers" aufgedeckt (DIP 9.10.2021; vergleiche ICIJ 3.10.2021).

Misstrauensvotum und folgende politische Krise

Im März 2022 kam es schließlich erstmals zu Gewalt von protestierenden Anhängern und Abgeordneten der Regierungspartei PTI, die versuchten, das "Sindh House", die Vertretung des Sindh in Islamabad, zu stürmen. Dorthin hatten sich abtrünnige Abgeordnete der eigenen Partei in Sicherheit gebracht, nachdem sie angedeutet hatten, einen geplanten Misstrauensantrag der geeinten Opposition gegen Premierminister Khan zu unterstützen (GeoNews 18.3.2022). Zwei Minister hatten zuvor Gewalt andeutende Drohungen gegen ebenjene Abgeordneten ausgesprochen (HRW 16.3.2022).

Ein für 3. April 2022 angesetztes Misstrauensvotum gegen den damaligen Premierminister Khan wurde mit dem Argument, es sei von den USA initiiert und damit die Einflussnahme eines fremden Staates unter Verweis auf Artikel 5 der Verfassung, der alle Bürger zur Loyalität dem Staat gegenüber verpflichtet, untersagt (ExT 3.4.2022a). Mit demselben Argument wurde die Nationalversammlung vom Präsidenten auf Bitte des Premierministers aufgelöst und Neuwahlen angekündigt (ExT 3.4.2022b; vgl. Zeit online 3.4.2022). Der Supreme Court erklärte jedoch vier Tage später dieses Vorgehen für verfassungswidrig und ordnete die Wiedereinsetzung der Nationalversammlung sowie der ausgesetzten Abstimmung an (ExT 7.4.2022). Es folgte die Absetzung Khans im Misstrauensvotum und die Wahl des Oppositionsführers Shabaz Sharif, Vorsitzender der PML-N, zum neuen Premierminister durch die Nationalversammlung (Zeit online 11.4.2022).Ein für 3. April 2022 angesetztes Misstrauensvotum gegen den damaligen Premierminister Khan wurde mit dem Argument, es sei von den USA initiiert und damit die Einflussnahme eines fremden Staates unter Verweis auf Artikel 5 der Verfassung, der alle Bürger zur Loyalität dem Staat gegenüber verpflichtet, untersagt (ExT 3.4.2022a). Mit demselben Argument wurde die Nationalversammlung vom Präsidenten auf Bitte des Premierministers aufgelöst und Neuwahlen angekündigt (ExT 3.4.2022b; vergleiche Zeit online 3.4.2022). Der Supreme Court erklärte jedoch vier Tage später dieses Vorgehen für verfassungswidrig und ordnete die Wiedereinsetzung der Nationalversammlung sowie der ausgesetzten Abstimmung an (ExT 7.4.2022). Es folgte die Absetzung Khans im Misstrauensvotum und die Wahl des Oppositionsführers Shabaz Sharif, Vorsitzender der PML-N, zum neuen Premierminister durch die Nationalversammlung (Zeit online 11.4.2022).

Aus Protest zog der Abgesetzte mitsamt seiner Partei aus der Nationalversammlung aus (ExT 14.4.2022) und initiierte eine dauerhafte, landesweite Kampagne von Demonstrationen (DAWN 20.4.2022; vgl. CNN 1.4.2023). Mit der Verlegung der Oppositionsarbeit vom Parlament auf die Straße versuchte Khan vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen und dafür auch das Militär zu gewinnen (ICG 27.12.2022).Aus Protest zog der Abgesetzte mitsamt seiner Partei aus der Nationalversammlung aus (ExT 14.4.2022) und initiierte eine dauerhafte, landesweite Kampagne von Demonstrationen (DAWN 20.4.2022; vergleiche CNN 1.4.2023). Mit der Verlegung der Oppositionsarbeit vom Parlament auf die Straße versuchte Khan vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen und dafür auch das Militär zu gewinnen (ICG 27.12.2022).

Zu einer ersten Zuspitzung der Lage führte ein Attentat am 3. November 2022, bei dem Khan im Zuge eines "Marsches nach Islamabad" angeschossen wurde. Es kam zu Demonstrationen vor Militäreinrichtungen (AI 27.3.2022). Khan beschuldigt Premierminister, Innenminister und Geheimdienstchef, Drahtzieher gewesen zu sein (ICG 27.12.2022).

Als weitere Entwicklung trugen die politischen Kräfte ihre Kämpfe verstärkt vor die Gerichte (CNN 1.4.2023). Um allgemeine Neuwahlen zu erzwingen, veranlasste die PTI im Jänner 2023 die Auflösung der Parlamente der beiden Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Punjab und beeinspruchte eine Verschiebung der diesbezüglichen Wahlen vor Gericht (AJ 4.4.2023). Gleichzeitig laufen gegen den ehemaligen Premierminister mehrere Strafverfahren (BAMF 20.3.2023; vgl. CNN 1.4.2023). In einem der Verfahren wurde Khan durch die Wahlkommission der Korruption für schuldig befunden (AJ 21.10.2022; vgl. TNI 21.10.2022, ICG 27.12.2022). Khan leitete daraufhin selbst ein Verfahren gegen die Wahlkommission ein (TI 31.1.2023). Als weitere Entwicklung trugen die politischen Kräfte ihre Kämpfe verstärkt vor die Gerichte (CNN 1.4.2023). Um allgemeine Neuwahlen zu erzwingen, veranlasste die PTI im Jänner 2023 die Auflösung der Parlamente der beiden Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Punjab und beeinspruchte eine Verschiebung der diesbezüglichen Wahlen vor Gericht (AJ 4.4.2023). Gleichzeitig laufen gegen den ehemaligen Premierminister mehrere Strafverfahren (BAMF 20.3.2023; vergleiche CNN 1.4.2023). In einem der Verfahren wurde Khan durch die Wahlkommission der Korruption für schuldig befunden (AJ 21.10.2022; vergleiche TNI 21.10.2022, ICG 27.12.2022). Khan leitete daraufhin selbst ein Verfahren gegen die Wahlkommission ein (TI 31.1.2023).

Ausbrüche von Unruhen

Nachdem Khan in einem seiner Verfahren nicht vor Gericht erschienen war, brachen beim Versuch seiner Festnahme im März 2023 schließlich schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhängern und der Polizei aus (REU 20.3.2023; vgl. ExT 14.3.2023). Seine Unterstützer widersetzten sich vor seinem Haus in Lahore mit Steinen und Brandbomben den Polizisten (BAMF 20.3.2023; vgl. CNN 15.3.2023). Der Haftbefehl wurde schließlich per Anordnung des Gerichts aus Sicherheitsgründen ausgesetzt (CNN 15.3.2023). Bei Khans selbstständigem Erscheinen vor Gericht in Islamabad kam es erneut zu schweren Zusammenstößen, bei denen auch ein Polizeiposten in Brand geriet (Guardian 18.3.2023; vgl. HRW 21.3.2023). Unter verschiedenen Vorwürfen in Bezug auf die Gewaltvorfälle, unter anderem Terrorismus, wurden 125 PTI-Anhänger in Lahore und 198 in Islamabad bei Razzien und Hausdurchsuchungen verhaftet (REU 20.3.2023). Human Rights Watch kritisierte die Anwendung der Terrorismus-Paragrafen (HRW 21.3.2023).Nachdem Khan in einem seiner Verfahren nicht vor Gericht erschienen war, brachen beim Versuch seiner Festnahme im März 2023 schließlich schwere gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen seinen Anhängern und der Polizei aus (REU 20.3.2023; vergleiche ExT 14.3.2023). Seine Unterstützer widersetzten sich vor seinem Haus in Lahore mit Steinen und Brandbomben den Polizisten (BAMF 20.3.2023; vergleiche CNN 15.3.2023). Der Haftbefehl wurde schließlich per Anordnung des Gerichts aus Sicherheitsgründen ausgesetzt (CNN 15.3.2023). Bei Khans selbstständigem Erscheinen vor Gericht in Islamabad kam es erneut zu schweren Zusammenstößen, bei denen auch ein Polizeiposten in Brand geriet (Guardian 18.3.2023; vergleiche HRW 21.3.2023). Unter verschiedenen Vorwürfen in Bezug auf die Gewaltvorfälle, unter anderem Terrorismus, wurden 125 PTI-Anhänger in Lahore und 198 in Islamabad bei Razzien und Hausdurchsuchungen verhaftet (REU 20.3.2023). Human Rights Watch kritisierte die Anwendung der Terrorismus-Paragrafen (HRW 21.3.2023).

Die versuchte Verhaftung sowie Schikanen gegen Khan hatten allerdings seine Unterstützung unter der jungen Bevölkerung erhöht. Seit dem Misstrauensvotum gelang es ihm, seine Popularität auf ein davor unerreichtes Ausmaß auszubauen (Guardian 24.5.2023).

Im Mai 2023 brachen schließlich als Folge der tatsächlichen Verhaftung Khans landesweite Unruhen aus (Guardian 11.5.2023). Khans Partei rief seine Anhänger dazu auf, Pakistan "stillzulegen" und "für Khan aufzustehen". Die Unterstützer Khans gingen dabei so weit, dass sie Militäreinrichtungen belagerten oder stürmten (CBS 9.5.2023), darunter das in Rawalpindi gelegene Hauptquartier des Militärs (CBS 10.5.2023). Militäreinrichtungen in Peschawar, Lahore und Karatschi sowie der Stützpunkt der Air Force in Mianwali (TrI 23.5.2023; vgl. REU 26.6.2023), aber auch Regierungsgebäude und andere staatliche Einrichtungen wurden von Demonstranten angegriffen (Guardian/Khokhar 24.5.2023). Über 20 staatliche und militärische Einrichtungen wurden dabei in Brand gesetzt oder beschädigt (India Today 23.6.2023), ebenso wie einrückende Polizeieinsatzfahrzeuge. Truppen der Armee kamen im Punjab, in Islamabad und in Khyber Pakhtunkhwa zur Wahrung der Sicherheit zum Einsatz (Guardian 11.5.2023). Allerdings wurden auch Soldaten und Truppenfahrzeuge attackiert (CBS 10.5.2023).Im Mai 2023 brachen schließlich als Folge der tatsächlichen Verhaftung Khans landesweite Unruhen aus (Guardian 11.5.2023). Khans Partei rief seine Anhänger dazu auf, Pakistan "stillzulegen" und "für Khan aufzustehen". Die Unterstützer Khans gingen dabei so weit, dass sie Militäreinrichtungen belagerten oder stürmten (CBS 9.5.2023), darunter das in Rawalpindi gelegene Hauptquartier des Militärs (CBS 10.5.2023). Militäreinrichtungen in Peschawar, Lahore und Karatschi sowie der Stützpunkt der Air Force in Mianwali (TrI 23.5.2023; vergleiche REU 26.6.2023), aber auch Regierungsgebäude und andere staatliche Einrichtungen wurden von Demonstranten angegriffen (Guardian/Khokhar 24.5.2023). Über 20 staatliche und militärische Einrichtungen wurden dabei in Brand gesetzt oder beschädigt (India Today 23.6.2023), ebenso wie einrückende Polizeieinsatzfahrzeuge. Truppen der Armee kamen im Punjab, in Islamabad und in Khyber Pakhtunkhwa zur Wahrung der Sicherheit zum Einsatz (Guardian 11.5.2023). Allerdings wurden auch Soldaten und Truppenfahrzeuge attackiert (CBS 10.5.2023).

Je nach Quelle wurden zwischen fünf (Guardian 11.5.2023) und zehn Personen bei den gewalttätigen Ausschreitungen getötet (RFE/RL 12.5.2023). Der Supreme Court erklärte am 12. Mai die Festnahme Khans für unrechtmäßig und verfügte die Entlassung auf Kaution (Guardian 15.5.2023).

Den Ausschreitungen ist ein hartes Durchgreifen gefolgt (Siasat 23.5.2023). Das Militär hatte nach den Ausschreitungen angekündigt, alle an den Angriffen auf Militäreinrichtungen Beteiligte vor Militärgerichte zu stellen (REU 16.5.2023). In der Aufbereitung der Gewalt fertigte die Polizei anhand von Videos und Social Media-Nachrichten eine Liste von 25.000 als Verantwortliche bezeichneten Personen an. Mit Stand 19.5.2023 kündigte der Informationsminister an, 800 der bereits Verhafteten würden vor einem Militärgericht oder einem Anti-Terrorgericht angeklagt (Guardian 19.5.2023). Im Juni berichtete der Innenminister von beinahe 5.000 Verhafteten (REU 6.6.2023). Khan (Profil 5.7.2023) und indische Medien sprechen von 10.000 Verhafteten (India Today 23.6.2023). Die meisten Verhafteten wurden seitdem wieder freigelassen (REU 26.6.2023; vgl. India Today 23.6.2023, AJ 26.6.2023). Den Ausschreitungen ist ein hartes Durchgreifen gefolgt (Siasat 23.5.2023). Das Militär hatte nach den Ausschreitungen angekündigt, alle an den Angriffen auf Militäreinrichtungen Beteiligte vor Militärgerichte zu stellen (REU 16.5.2023). In der Aufbereitung der Gewalt fertigte die Polizei anhand von Videos und Social Media-Nachrichten eine Liste von 25.000 als Verantwortliche bezeichneten Personen an. Mit Stand 19.5.2023 kündigte der Informationsminister an, 800 der bereits Verhafteten würden vor einem Militärgericht oder einem Anti-Terrorgericht angeklagt (Guardian 19.5.2023). Im Juni berichtete der Innenminister von beinahe 5.000 Verhafteten (REU 6.6.2023). Khan (Profil 5.7.2023) und indische Medien sprechen von 10.000 Verhafteten (India Today 23.6.2023). Die meisten Verhafteten wurden seitdem wieder freigelassen (REU 26.6.2023; vergleiche India Today 23.6.2023, AJ 26.6.2023).

Führungspersonen der PTI wurden reihenweise unter dem Vorwurf verhaftet, die Gewalt orchestriert zu haben (Guardian 19.5.2023). Einzelne von ihnen verurteilten im Anschluss an die Ausschreitungen die Gewalt und das Vorgehen der Partei und verließen diese (AJ 1.6.2023). Die meisten allerdings, die dies nicht taten, wurden verhaftet bzw. in Haft behalten, darunter mehrere ehemalige Minister (Guardian 3.6.2023; vgl. AJ 1.6.2023). Selbst wenn verhaftete Parlamentarier bzw. Führungspersonen vor Gericht eine Freilassung auf Kaution erlangten, wurden sie erneut verhaftet, mitunter wiederholte sich dieser Vorgang mehrmals. Laut PTI befand sich zeitweise die gesamte Führungsriege in Haft und wurden auch Familien bedroht. Alle Freigelassenen distanzierten sich von Khan und zogen sich aus der Partei oder ganz aus der Politik zurück (REU 6.6.2023).Führungspersonen der PTI wurden reihenweise unter dem Vorwurf verhaftet, die Gewalt orchestriert zu haben (Guardian 19.5.2023). Einzelne von ihnen verurteilten im Anschluss an die Ausschreitungen die Gewalt und das Vorgehen der Partei und verließen diese (AJ 1.6.2023). Die meisten allerdings, die dies nicht taten, wurden verhaftet bzw. in Haft behalten, darunter mehrere ehemalige Minister (Guardian 3.6.2023; vergleiche AJ 1.6.2023). Selbst wenn verhaftete Parlamentarier bzw. Führungspersonen vor Gericht eine Freilassung auf Kaution erlangten, wurden sie erneut verhaftet, mitunter wiederholte sich dieser Vorgang mehrmals. Laut PTI befand sich zeitweise die gesamte Führungsriege in Haft und wurden auch Familien bedroht. Alle Freigelassenen distanzierten sich von Khan und zogen sich aus der Partei oder ganz aus der Politik zurück (REU 6.6.2023).

Indische Quellen sprechen davon, dass bei den Stürmungen der Militäreinrichtungen durch die Demonstranten die Wachleute nicht eingegriffen haben (TrI 23.5.2023) bzw. dass Sympathisanten Khans in der Armee, inklusive Generäle, dabei eine Zurückdrängung unterlassen (OF 19.5.2023; vgl. Siasat 23.5.2023) oder gar Informationen zur Orientierung weitergegeben hätten (OF 19.5.2023). Verschiedene Quellen berichten, dass Khan im Militär bis in die höchsten Ränge hinauf Unterstützung genoss (USIP 11.5.2023; vgl. RFE/RL 12.5.2023, OF 19.5.2023). Nach offiziellen Angaben des Militärs wurden drei hochrangige Angehörige entlassen, gegen 15 - darunter Generalmajore - wurden disziplinäre Maßnahmen ergriffen. Über 100 Personen sind bereits vor Militärgerichten angeklagt. Hierzu gibt es keine Angaben, wie viele davon Zivilisten sind. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten (AJ 26.6.2023; vgl. REU 26.6.2023). Der Supreme Court wurde diesbezüglich angerufen (DAWN 18.7.2023). Ein erstes Urteil des Supreme Courts, wonach eine Verhandlung von Zivilisten vor einem Militärgericht verfassungswidrig wäre, wurde von einem größeren Gremium desselben Gerichts aufgehoben. Der Spruch wurde sowohl in Justizkreisen als auch von Menschenrechtsorganisationen breit kritisiert (HRCP 11.1.2024).Indische Quellen sprechen davon, dass bei den Stürmungen der Militäreinrichtungen durch die Demonstranten die Wachleute nicht eingegriffen haben (TrI 23.5.2023) bzw. dass Sympathisanten Khans in der Armee, inklusive Generäle, dabei eine Zurückdrängung unterlassen (OF 19.5.2023; vergleiche Siasat 23.5.2023) oder gar Informationen zur Orientierung weitergegeben hätten (OF 19.5.2023). Verschiedene Quellen berichten, dass Khan im Militär bis in die höchsten Ränge hinauf Unterstützung genoss (USIP 11.5.2023; vergleiche RFE/RL 12.5.2023, OF 19.5.2023). Nach offiziellen Angaben des Militärs wurden drei hochrangige Angehörige entlassen, gegen 15 - darunter Generalmajore - wurden disziplinäre Maßnahmen ergriffen. Über 100 Personen sind bereits vor Militärgerichten angeklagt. Hierzu gibt es keine Angaben, wie viele davon Zivilisten sind. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten (AJ 26.6.2023; vergleiche REU 26.6.2023). Der Supreme Court wurde diesbezüglich angerufen (DAWN 18.7.2023). Ein erstes Urteil des Supreme Courts, wonach eine Verhandlung von Zivilisten vor einem Militärgericht verfassungswidrig wäre, wurde von einem größeren Gremium desselben Gerichts aufgehoben. Der Spruch wurde sowohl in Justizkreisen als auch von Menschenrechtsorganisationen breit kritisiert (HRCP 11.1.2024).

Anstehende Wahlen

Drei Tage vor dem Ablauf der regulären Legislaturperiode löste Premierminister Shabaz Sharif im August 2023 die Nationalversammlung auf, wodurch verfassungsmäßig 90 Tage für die Wahlen vorgesehen sind, anstatt der 60 Tage bei deren vollständiger Ableistung. Allerdings wurde auch ein Wahltermin nach 90 Tagen als unrealistisch bezeichnet. Einer der genannten Gründe ist, dass die Ergebnisse der aktuellen Volkszählung eine Neueinteilung der Wahlkreise verlangten (AJ 10.8.2023). Am 16. August wurde die verfassungsmäßig vorgesehene Übergangsregierung angelobt (REU 17.8.2023).

Außerdem wurde im August Imran Khan der Unterschlagung schuldig befunden und in Haft genommen. Die Verurteilung hätte eine Kandidatur Khans bei den Wahlen verhindert. Nach dem großen Aufruhr vom Mai blieben die diesbezüglichen Proteste auf den Straßen begrenzt und ruhig (REU 5.8.2023). Zwischenzeitlich wurde das erste Urteil vom Höchstgericht Islamabad ausgesetzt, er verblieb in Haft aufgrund einer weiteren Anklage (AJ 27.9.2023).

Die allgemeinen Wahlen wurden für 8. Februar angesetzt. Das Umfeld der Wahlen wird allerdings Berichten zu Folge in einer Weise gestaltet, welche die PTI ins Abseits stellt. Imran Khan ist weiterhin in Haft. Seine Nominierung wurde von der Wahlkommission abgelehnt, wie auch die anderer PTI-Kandidaten (TIME 17.1.2024; vgl. AJ 12.1.2024, HRCP 11.1.2024, VOA 4.1.2024). Verhaftungen - wenn auch vorübergehend - und Verhöre von Führungspersonen der PTI halten an. Berichtet wird auch von der Vernichtung von Antragspapieren oder Entführungen. In der Medienberichterstattung ist Khan mit einer Art Bann belegt (HRCP 11.1.2024; vgl. TIME 17.1.2024). Der PTI wurde die Verwendung ihres Parteisymbols, einem Cricketschläger, auf den Wahlkarten gerichtlich untersagt. In einem Land mit 40 Prozent Analphabeten unter der wahlberechtigten Bevölkerung ist das Parteisymbol ein wichtiger Wiedererkennungsfaktor. Mehr noch, ist noch nicht gesichert, ob die PTI-Kandidaten überhaupt unter dem Namen der Partei antreten können oder als Unabhängige kandidieren müssen. Konträr dazu wurden die gerichtliche Verurteilung von Khans Vorgänger als Premierminister, dem aus dem Exil zurückgekehrten Nawaz Sharif, ebenso wie dessen lebenslanges Politikverbot aufgehoben, sodass er seine Wahlkampagne eröffnen konnte. Laut Meinungsumfragen genießt Khan allerdings weiterhin hohe Popularität (TIME 17.1.2024; vgl. AJ 12.1.2024). Ende Jänner 2024 wurde Khan nochmals der Unterschlagung für schuldig gesprochen und mit einem 10-jährigen Politikverbot belegt. Einspruch wurde eingelegt (GeoNews 31.1.2024).Die allgemeinen Wahlen wurden für 8. Februar angesetzt. Das Umfeld der Wahlen wird allerdings Berichten zu Folge in einer Weise gestaltet, welche die PTI ins Abseits stellt. Imran Khan ist weiterhin in Haft. Seine Nominierung wurde von der Wahlkommission abgelehnt, wie auch die anderer PTI-Kandidaten (TIME 17.1.2024; vergleiche AJ 12.1.2024, HRCP 11.1.2024, VOA 4.1.2024). Verhaftungen - wenn auch vorübergehend - und Verhöre von Führungspersonen der PTI halten an. Berichtet wird auch von der Vernichtung von Antragspapieren oder Entführungen. In der Medienberichterstattung ist Khan mit einer Art Bann belegt (HRCP 11.1.2024; vergleiche TIME 17.1.2024). Der PTI wurde die Verwendung ihres Parteisymbols, einem Cricketschläger, auf den Wahlkarten gerichtlich untersagt. In einem Land mit 40 Prozent Analphabeten unter der wahlberechtigten Bevölkerung ist das Parteisymbol ein wichtiger Wiedererkennungsfaktor. Mehr noch, ist noch nicht gesichert, ob die PTI-Kandidaten überhaupt unter dem Namen der Partei antreten können oder als Unabhängige kandidieren müssen. Konträr dazu wurden die gerichtliche Verurteilung von Khans Vorgänger als Premierminister, dem aus dem Exil zurückgekehrten Nawaz Sharif, ebenso wie dessen lebenslanges Politikverbot aufgehoben, sodass er seine Wahlkampagne eröffnen konnte. Laut Meinungsumfragen genießt Khan allerdings weiterhin hohe Popularität (TIME 17.1.2024; vergleiche AJ 12.1.2024). Ende Jänner 2024 wurde Khan nochmals der Unterschlagung für schuldig gesprochen und mit einem 10-jährigen Politikverbot belegt. Einspruch wurde eingelegt (GeoNews 31.1.2024).

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-02-01 11:02

Allgemeine Entwicklungen im Bereich Terrorismus

Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024).

Konstante Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Radd-ul-Fasaad sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, NAP, trugen zu einem kontinuierlichen Rückgang terroristischer Anschläge von 2009 bis 2020 - mit Ausnahme des Jahres 2013 - bei (PIPS 15.6.2021).

Die Operation Zarb-e-Azb 2014 war in erster Linie auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa und die damaligen Federal Administered Tribal Areas, FATA, ausgerichtet, um Terrorgruppen in Nord-Waziristan zu bekämpfen. Aus den meisten Gebieten konnten die militanten Extremisten vertrieben werden. Unter den Militäroperationen litt allerdings auch die Zivilbevölkerung vor Ort, eine hohe Anzahl an Personen wurde zu intern Vertriebenen. Die darauf folgende Operation Radd-ul-Fasaad involviert auch zivile Einsatzkräfte und konzentrierte sich auf geheimdienstliche Operationen im gesamten Land, um Schläferzellen und Verstecke militanter Extremisten auszuheben (EASO 10.2021).

Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vgl. PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vergleiche PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).

Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022; vgl. CRSS 19.5.2023).Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022; vergleiche CRSS 19.5.2023).

Trendumkehr bei den Anschlagszahlen seit 2021

Bereits das Jahr 2021 war von einem 42-prozentigen Anstieg der Zahl an Anschlägen im Vergleich zum Jahr 2020 auf 207 Terrorakte gekennzeichnet (PIPS 4.1.2022). Im Jahr 2022 stieg die Zahl der Anschläge wiederum um 27 Prozent auf 262 Terrorakte. Diese forderten zusammen 419 Menschenleben, ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ungefähr die Hälfte der Todesopfer 2022, 206, waren - laut Daten des Analyseinstituts Pak Institute for Peace Studies, PIPS, - Mitglieder der Sicherheitskräfte bzw. Exekutivbehörden, 152 waren Zivilisten und 61 Terroristen (PIPS 24.2.2023).

Das Jahr 2023 verzeichnete als drittes Jahr in Folge einen neuerlichen Anstieg in den Erhebungen von PIPS: um 17 Prozent in der Zahl der Anschläge auf 306; und um 65 Prozent in der Zahl der Todesopfer auf 693. Von den Todesopfern waren 330 - erneut beinahe die Hälfte - Sicherheitskräfte, 260 Zivilisten und 103 Terroristen (PIPS 10.1.2024).

Das Center for Research and Security Studies, CRSS, als Vergleichsquelle, verzeichnet in einer ersten Gesamtauswertung für das Jahr 2023 586 terroristische Anschläge mit 986 Toten (CRSS 31.12.2023). In der vertieften Auswertung für 2022 waren es 378 Anschläge mit 602 Todesopfern, davon 291 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 297 Zivilisten und 14 Terroristen (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 verzeichnete es 403 Terrorakte mit 555 Toten, davon 330 Zivilisten (CRSS 3.1.2022).

 

K P

Belutschistan

Punjab

Sindh

Gilgit- B

Pakistan

Quelle

Jänner

 

Anschläge

16

7

2

1

0

26

 

Todesopfer

116

6

2

0

0

124

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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