Entscheidungsdatum
10.09.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L515 2291826-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, am XXXX geb., StA der Arabischen Republik Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2024, Zl. XXXX, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , am römisch 40 geb., StA der Arabischen Republik Syrien, vertreten durch Rechtsanwalt MMag. Dr. Franz Stefan PECHMANN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2024, Zl. römisch 40 , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz eins, VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), Bundesgesetzblatt Teil eins, 33 aus 2013, idgF, als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:
„Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 03.03.2023 wird in Bezug auf die beantragte Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungs-verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen.“„Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 03.03.2023 wird in Bezug auf die beantragte Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 68, Allgemeines Verwaltungs-verfahrensgesetz, Bundesgesetzblatt Nr. 51 aus 1991, idgF (AVG) zurückgewiesen.“
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrenshergangrömisch eins. Verfahrenshergang
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bezeichnet), ist ein männlicher, syrischer Staatsangehöriger und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 05.01.2021 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‚wegen des Krieges in Syrien‘ einen Antrag auf internationalen Schutz ein. römisch eins.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als „bP“ bezeichnet), ist ein männlicher, syrischer Staatsangehöriger und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 05.01.2021 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ‚wegen des Krieges in Syrien‘ einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
I.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die bP am 30.03.2021 von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Arabisch einvernommen.römisch eins.2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde die bP am 30.03.2021 von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers der Sprache Arabisch einvernommen.
I.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.07.2021, Zl. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gleichzeitig gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).römisch eins.3. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des Bundesamtes vom 14.07.2021, Zl. römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG wurde der bP der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gleichzeitig gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das Bundesamt das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung aufgrund einer Einberufung als Reservist als nicht glaubhaft. Rechtlich wurde ausgeführt, dass mangels Glaubhaftmachung kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Allerdings käme iSd § 8 Abs. 1 AsylG - aufgrund der prekären Sicherheitslage in weiten Teilen Syriens und den nach wie vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen - eine Rückkehr nicht in Betracht, weshalb der bP eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt wurde.römisch eins.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete das Bundesamt das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung aufgrund einer Einberufung als Reservist als nicht glaubhaft. Rechtlich wurde ausgeführt, dass mangels Glaubhaftmachung kein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Allerdings käme iSd Paragraph 8, Absatz eins, AsylG - aufgrund der prekären Sicherheitslage in weiten Teilen Syriens und den nach wie vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen - eine Rückkehr nicht in Betracht, weshalb der bP eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt wurde.
I.3.2. Konkret ging die bB von folgendem Sachverhalt in Bezug auf die Person der bP und den behaupteten Verlassensgrund aus (Auszug aus der behördlichen Entscheidung vom 14.07.2021, Seite 122f, wobei die Formatierung mit dem Original nicht übereinstimmt):römisch eins.3.2. Konkret ging die bB von folgendem Sachverhalt in Bezug auf die Person der bP und den behaupteten Verlassensgrund aus (Auszug aus der behördlichen Entscheidung vom 14.07.2021, Seite 122f, wobei die Formatierung mit dem Original nicht übereinstimmt):
„…
Soweit Sie also im Verfahren als XXXX , geboren am XXXX in Syrien, angesprochen werden, dient dies lediglich zur klaren Zuordnung im Verfahren, bestätigt oder belegt jedoch keinesfalls nach außen hin letztgültig Ihre Identität. Die Überprüfung Ihres Personalausweises erbrachte zwar nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Hinweise auf Verfälschungen, jedoch stellt es allgemeines Amtswissen dar, wonach auch echte Dokumente mit verfälschtem Inhalt innerhalb und außerhalb Syriens erhältlich sind. Soweit Sie also im Verfahren als römisch 40 , geboren am römisch 40 in Syrien, angesprochen werden, dient dies lediglich zur klaren Zuordnung im Verfahren, bestätigt oder belegt jedoch keinesfalls nach außen hin letztgültig Ihre Identität. Die Überprüfung Ihres Personalausweises erbrachte zwar nach dem derzeitigen Erkenntnisstand keine Hinweise auf Verfälschungen, jedoch stellt es allgemeines Amtswissen dar, wonach auch echte Dokumente mit verfälschtem Inhalt innerhalb und außerhalb Syriens erhältlich sind.
Sie sind jedenfalls volljährig. Die vorgelegten Dokumente sind mangels Überprüfbarkeit der Echtheit des Inhaltes nicht geeignet, Ihren Familienstand und Ihre Identität letztgültig nachzuweisen.
[…]
In der Erstbefragung gaben Sie als Fluchtgrund den Krieg in Syrien an. Als Rückkehrbefürchtung gaben Sie an, zum Militärdienst eingezogen zu werden.
Darüberhinausgehende und fundiert vorgebrachte Gründe für das Verlassen Syriens wurden während des gesamten Verfahrens nicht vorgebracht und liegen auch nicht offensichtlich vor. Weiters gaben Sie an, bevor Sie in irgendein anderes Land abgeschoben würden, möchten Sie nach Hause nach Syrien. (EB, 5-6)
Im Zuge der Einvernahme gaben Sie in lediglich einem Satz an, Syrien wegen des Krieges verlassen zu haben und als Rückkehrbefürchtung gaben Sie an, zu glauben, sofort zum Militärdienst eingezogen zu werden. (EV, 7)
Militärdienst:
Eine konkrete Schilderung der näheren Abläufe, welche zu einem fluchtartigen Verlassen des Herkunftsstaates geführt hätten, nahmen Sie nicht vor. Den Entschluss zur Ausreise fassten Sie im Jahr 2013. (EB, 4) Die Ausreise war im Jänner 2014 erfolgt. (EB, 4) Ein Verfolgungsmoment, welcher das fluchtartige Verlassen Ihres Herkunftsstaates annehmen ließe, wurde nicht vorgebracht. Sie gaben an, im Jahr 2014 Syrien verlassen zu haben, in der Türkei seien Sie bedroht gewesen, irgendwann nach Afrin abgeschoben zu werden. Ihre Stadt Afrin sei von den Türken besetzt, Sie hätten dadurch nicht nach Afrin gekonnt und wollten nach Europa. Hier gäbe es mehr Rechte. (EV, 7) Ihre Ausreise erfolgte bereits vor der türkischen Offensive im Jänner 2018, über konkret vorgelegene oder in Afrin drohende Verfolgungshandlungen haben Sie ebenso nicht berichtet.
Die Fragen, ob Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden festgenommen oder verhaftet worden seien, wegen Ihrer politischen Gesinnung oder Ihrer Religion, Rasse oder ethnischen Zugehörigkeit sowie Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden seien, verneinten Sie. Auf die Frage, ob Sie jemals Probleme mit den Behörden gehabt hätten, verneinten Sie (EV, 6-7) Auf Nachfrage durch den Leiter der Amtshandlung, ob Sie jemals zwangsrekrutiert worden seien oder jemand aus Ihrer Familie oder Verwandtschaft jemals auf Seiten der Regierungsgegner gekämpft habe, verneinten Sie. (EV, 7-8). Es wurde von Ihnen keine staatliche Verfolgung von Familienmitgliedern vorgebracht und ist auch nicht anzunehmen, dass Ihnen daraus eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde. Auch der lediglich aus einem längeren Satz bestehenden Schilderung des Fluchtgrundes sind weder ein chronologisch detaillierter Bericht über die Ausreisegründe noch inhaltlich relevanter Zusammenhänge erkennbar. Details waren stets nur spärlich und lediglich auf Nachfrage zu erfahren.
Hinsichtlich Einberufung als Reservist:
Hinsichtlich Ihrer befürchteten Einberufung als Reservist ist zu sagen: „Zwangsrekrutierungen, die nicht an andere Kriterien als Alter und Geschlecht geknüpft sind, kommen ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände im Sinne der GFK keine Asylrelevanz zu (VwGH 21.9.2000, 99/20/0373)“ (Filzwieser et al, Asyl- und Fremdenrecht, E198, 526) Von allgemein stattfindenden Zwangsrekrutierungen haben Sie nicht berichtet. Sie gaben lediglich an, dass alle Männer zwischen dem 18. und 42. Lebensjahr zum Militärdienst müssten. Sie würden glauben, sofort bei Rückkehr zum Militärdienst eingezogen zu werden. (EV, 7) Ganz wesentlich ist hierbei, dass bisher keine Einberufung vorlag. Nun stellt es sich nicht als denkunmöglich dar, dass Sie eine Einberufung trotz in der Vergangenheit abgeleisteten Militärdienstes erhalten könnten, wie auch die Anfragebeantwortung vom September 2019 bestätigt: „Am 2.11.2018 wird in einem Artikel berichtet, dass die syrische Armee im Verlauf der Krise einige Male Reservisten einberufen hat. Hierbei wurden grundsätzlich Männer mit besonderen militärischen Fähigkeiten im Alter zwischen 18 und 42 ausgewählt. Die Liste der gesuchten Männer wurde fast täglich an Checkpoints im Landesinneren und an den Grenzübergängen aktualisiert. Einige Syrer mussten bis zu sieben Jahre Militärdienst ableisten, bevor sie entlassen wurden. Dem syrischen Verteidigungsminister zufolge wird über eine Dienstentbindung für Reservisten in der syrischen Armee, sowie für Wehrpflichtige diskutiert, die aufgrund eines Gesetzes, welches die Dienstverlängerung bei Bedarf ermöglicht, bereits seit mehreren Jahren gedient haben. Die Zahl der für den Reservistendienst infrage kommenden Männer wird auf 800.000 geschätzt. Das Streichen ihrer Namen von den Fahndungslisten wird als wichtiger Ansporn für eine Rückkehr nach Syrien angesehen.“ (Anfragebeantwortung 11.09.2019)
Über spezifische Anordnungen an Grenzposten gibt es keine Informationen. Prinzipiell können Syrer-innen unter Verwendung ihrer Pässe (oder ID-Karten für den Libanon) das Land über jeden Grenzposten, der in Betrieb ist, verlassen. Personen, die ohne gültige Ausweise, nicht über offizielle Grenzübergänge oder ohne Genehmigung ein- oder ausreisen, können mit Haft- oder einer Geldstrafe belegt werden. Sie berichteten über keinerlei Probleme und waren in Besitz eines gültigen Personalausweises. Sie verfügen zudem über keinerlei besondere militärische Fähigkeiten. Sie berichteten auch über keinerlei Vorladung zur Rekrutierungsstelle. Wie der Anfragebeantwortung zu entnehmen ist, laufen Einberufungen als Reservisten nach demselben Vorgang ab, wie jene zur Ableistung des Wehrdienstes: „Einer der nachfolgend zitierten Quellen von Jänner 2018 ist zu entnehmen, dass Reservisten wie Rekruten einberufen werden. Entweder erhalten sie eine Benachrichtigung des Rekrutierungsbüros, oder sie werden über öffentliche Aufrufe im Fernsehen, Radio oder über die Presse einberufen. Eine Einberufung könnte z.B. so ablaufen, dass das militärische Registrierungsbüro (Idarat al-Sajalat al-Askariya) in Damaskus eine bestimmte Anzahl von Reservisten anfordert. Das Büro sendet die entsprechende Liste mit den Namen von Reservisten, die an einem spezifischen Ort leben, an das lokale Rekrutierungsbüro (Sho’bat al-Tajneed). Das lokale Rekrutierungsbüro beordert in der Folge einen lokalen Polizisten zur Adresse des Reservisten. Auf diese Weise wird die Aufforderung, sich beim Rekrutierungsbüro zu melden, direkt am Wohnort der betroffenen Person übergeben. Wird die Person dort nicht angetroffen, wird ein Familienmitglied aufgefordert, den Antrag zu unterschreiben. Laut einer Quelle aus dem Jahr 2014 wird die Einberufung als Reservist wie die Einberufung in den Militärdienst individuell ausgehändigt. An Checkpoints werden die Männer überprüft, ob sie eine Einberufung als Rekruten oder Reservisten bei sich haben. Eine Quelle von Jänner 2019 spricht von Benachrichtigungen [orig. notifications], die die Reservisten bekommen, und nach deren Erhalt sie sich in einem bestimmten Zeitraum melden müssen.“ (Anfragebeantwortung, 1.09.2019)
Die Behörde verkennt nicht, dass die Erstbefragung nicht zur detaillierten Schilderung der Fluchtgründe dient (zu deren Beweiswert bzw. Verwertbarkeit vgl. etwa VfGH 20.02.2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, Punkt 6.3. der Erwägungen), aber es wäre zu erwarten gewesen, dass Sie Ihre persönliche Betroffenheit hinsichtlich der drohenden oder erfolgten Einberufung schlüssig, gleichlautend und ausführlich dargelegt hätten. Dieser grundlegende Widerspruch steht einer Glaubhaftmachung entgegen (siehe zum Beweiswert der Erstbefragung auch VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0546). So ist der Behörde nicht erklärlich, warum nicht spätestens vor dem Bundesamt präzise Angaben etwa über eine möglicherweise konkret drohende Einberufung als Reservist nur angedeutet wurden. Auch gegen ein echtes Interesse an Ihrer Person spricht, dass Sie in Besitz Personalausweises blieben und sich Ihre Frau und Kinder im von Oppositionellen und kurdischen Kämpfern kontrollierten Gebiet bis 2014 aufhalten konnten, ohne Probleme zu haben. Das Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Einberufung als Reservist in die syrische Armee ist daher nicht glaubhaft gemacht worden.Die Behörde verkennt nicht, dass die Erstbefragung nicht zur detaillierten Schilderung der Fluchtgründe dient (zu deren Beweiswert bzw. Verwertbarkeit vergleiche etwa VfGH 20.02.2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, 0018, Punkt 6.3. der Erwägungen), aber es wäre zu erwarten gewesen, dass Sie Ihre persönliche Betroffenheit hinsichtlich der drohenden oder erfolgten Einberufung schlüssig, gleichlautend und ausführlich dargelegt hätten. Dieser grundlegende Widerspruch steht einer Glaubhaftmachung entgegen (siehe zum Beweiswert der Erstbefragung auch VwGH 25.06.2019, Ra 2018/19/0546). So ist der Behörde nicht erklärlich, warum nicht spätestens vor dem Bundesamt präzise Angaben etwa über eine möglicherweise konkret drohende Einberufung als Reservist nur angedeutet wurden. Auch gegen ein echtes Interesse an Ihrer Person spricht, dass Sie in Besitz Personalausweises blieben und sich Ihre Frau und Kinder im von Oppositionellen und kurdischen Kämpfern kontrollierten Gebiet bis 2014 aufhalten konnten, ohne Probleme zu haben. Das Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Einberufung als Reservist in die syrische Armee ist daher nicht glaubhaft gemacht worden.
Weiters ist zu beachten, dass Sie sich bereits im fortgeschrittenen Alter befinden und über Familie verfügen. Aus militärischer Sicht stellt dies durchaus ein nicht unbedeutendes Problem dar, welches die Kampfmoral und damit auch den Kampfwert erheblich beeinflusst. Zudem liegt Ihr Wehrdienst als einfacher Wachsoldat bereits zwölf Jahre zurück. Bedenkt man die Fortschritte, welche seit dieser Zeit und insbesondere in Kriegszeiten gemacht wurden, so ist auch diesbezüglich wohl kaum an die ursprüngliche waffengattungsspezifische Verwendung Ihrer Person zu denken. Wie in der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation dargelegt, „wurden grundsätzlich Männer mit besonderen militärischen Fähigkeiten im Alter zwischen 18 und 42 ausgewählt.“ Über aktuell vorliegende besondere militärische Fähigkeiten haben Sie jedoch nicht berichtet. Auch das aktuelle Länderinformationsblatt weist darauf hin, wonach nur diensttaugliche Personen einberufen werden: „Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt.“ Sie haben zum einen bereits den Wehrdienst vollständig abgeleistet und brachten als bisherige Berufstätigkeit ungelernter Bauarbeiter vor, wodurch aufgrund Ihrer beruflichen Vergangenheit kein besonderer militärisch interessanter Einsatz als nunmehriger einberufener Reservist erkannt werden kann. Die Tätigkeit als Soldat erfordert ein hohes Maß an psychischer und physischer Belastbarkeit, die infolge Ihres immerhin bereits fortgeschrittenen Alters nicht gegeben ist.
Dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien mit keiner Einberufung in die syrische Armee zu rechnen hätten, ergibt sich damit vor allem aus Ihrem Alter und einem geringen militärischen Wissensstand. Da Ihre Dienstzeit schon so lange zurückliegt und gerade im Bereich, den Sie wahrgenommen haben – nämlich einfacher Wachdienst –wäre wohl kaum mehr einen Nutzen aus Ihrem vor langer Zeit erworbenen Wissen zu ziehen. Dies ist auch der syrischen Armee klar; sonstige besondere militärische Qualifikationen oder Ausbildungen haben Sie nicht vorgebracht, daher besteht kein reales Risiko, dass diese von der syrischen Armee eingezogen werden würde.
Dass darüberhinausgehende substantiiert vorgebrachte Gründe für das Verlassen Syriens während des gesamten Verfahrens nicht vorgebracht wurden, ergibt sich aus der Aktenlage ebenso wie, dass solche auch nicht offensichtlich vorliegen.
Bei Wahrunterstellung Ihrer in Erstbefragung und Einvernahme wenig substantiierten Darstellungen ist darauf zu verweisen, dass Sie auch nicht von Zwangsrekrutierungen Ihrer Person, verwandten oder Ihnen bekannten Kämpfern aufseiten der Regierungsgegner berichtet haben. (EV, 7-8) Bereits ab etwa dem Jahr 2012 existierte keine einheitlich operierende syrische Nationalarmee mehr,
[…]
Da Sie Ihren Wehrdienst vor mindestens zwölf Jahren bereits vollständig abgeleistet hatten und eine aktuelle Einberufung zum Reservedienst nie vorlag und Sie auch nicht im aktiven Militärdienst standen, liegt auch keine Desertion vor. Sie befinden sich bei Wahrunterstellung Ihres Geburtsdatums 23.01.1988 im 34. Lebensjahr, also bereits über dem üblichen Lebensalter für Einberufungen, welche meist bis zum 27. Lebensjahr vorgenommen werden. Sie wurden nie im Rahmen von Übungen oder Einsätzen als Reservist militärisch verwendet, wodurch eine zukünftige Verwendung auch aufgrund der geringen Bedeutung des Wehr- und Reservedienstes und der stark abgenommenen Kampfhandlungen nicht mehr zu erwarten ist. Sie haben nicht nachvollziehbar dargelegt, dass Sie tatsächlich für den Reservedienst vorgesehen waren, im Gegenteil, Sie wurden bereits vor Kriegsausbruch nie zu Übungen oder Einsätzen einberufen. Konkrete Angaben konnten Sie nicht machen, eine Einberufung oder Hinweise bzgl. einer Suchmeldung zu Ihrer Person wurden nicht vorgebracht. Seit dem Verlassen Syriens im Jahr 2014 hat die militärische Bedeutung von Wehrpflicht und Reserve erheblich abgenommen. Von einer Verfolgung oder einem Leben im Versteck haben Sie ebenso nicht berichtet. Menschlich zwar verständlich, verließen Sie Ihren Herkunftsstaat also aus wirtschaftlichen Gründen und der aus dem Bürgerkrieg resultierenden ungewissen Umständen. Dies brachten Sie in der Erstbefragung in der Schilderung des Fluchtgrundes deutlich vor.
Einsatz Reservisten und Wehrpflichtige
Selbst für den Fall einer Einberufung zum Reservedienst konnten bisher keine Informationen dazu gefunden werden, für welche Zwecke Rekruten in der syrischen Armee derzeit eingesetzt werden. Gesucht wurde mittels ecoi.net, Refworld, Factiva, und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Rekrut, syrische Armee, Einsatz, Aufgaben, Kampf, Idlib, recruit; cosncript, syrian, army, deployment, duties, assignments, (https://www.ecoi.net/de/dokument/2014732.html, 27.04.2021) Die dargelegten Quellen beschreiben lediglich den derzeitigen Zustand der syrischen Armee und erwähnen den Einsatz von ehemaligen Oppositionskämpfern, also kampferprobten Soldaten, als Rekruten bei der Offensive in Idlib und Hama, Hinweise über erzwungene Menschenrechtsverletzungen durch einberufene Wehrpflichtige oder Reservisten liegen nicht vor, obwohl es sich beim syrischen Bürgerkrieg um den bisher am besten dokumentierten Bürgerkrieg handelt.
Wie neben dem LIB Syrien auch dem Asylländerbericht der ÖB Damaskus vom 29. September 2020 zu entnehmen ist, unterliegen männliche Staatsbürger Syriens grundsätzlich ab dem Alter von 18 (bis 42) Jahren dem verpflichtenden 2-jährigen Wehrdienst. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können. In Ihrem Fall ist daher nochmals hervorzuheben, dass Sie Ihren Wehrdienst bereits vor zwölf Jahren vollständig abgeleistet haben, von besonderer militärischer Verwendung haben Sie nicht berichtet, eine besondere Spezialausbildung ist nicht hervorgetreten. Da Sie das 33. Lebensjahr bereits vollendeten, keine besondere militärische Funktion ausübten und der Konflikt insgesamt an Intensität erheblich abgenommen hat, sodass der Bedarf an nicht kampferprobten Soldaten und insbesondere bereits im Alter fortgeschrittenen Reservisten ohnehin gesunken ist, ist diesbezüglich nicht anzunehmen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit bestehen würde, Sie zum Militärdienst einzuberufen. Der Asylländerbericht der ÖB Damaskus führt weiter aus, wonach die im März 2020 vom Präsidenten erlassene Generalamnestie auch einen Straferlass für Vergehen des Militärstrafgesetzbuchs umfasste, darunter für Fahnenflucht; die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt. Da Sie zum Ausreisezeitpunkt keinen aktiven Militärdienst leisteten und keine Angaben über eine konkrete Einberufung zum Reservedienst machten, liegt in Ihrem Fall auch keine Desertion vor.
Eine beigezogene Kurzanalyse der Landesverteidigungsakademie des Österreichischen Bundesheeres vom 18.11.2020 zum aktuellen Zustand der Landstreitkräfte und herrschender Rekrutierungspraxis verweist auf die für die Kriegsführung untergeordnete Rolle Wehrpflichtiger. Es wird dabei hervorgehoben, dass Kampfkraft und Kampfwert der rekrutierten Soldaten im Rahmen der noch immer geltenden allgemeinen Wehrpflicht seit 2018 eine untergeordnete Rolle spielen und als gering bewertet werden können. Die Ausbildung ist rudimentär und zielt auf Hilfstätigkeiten in der Kampfunterstützung und Führungsunterstützung ab. Beachtlich ist hierbei, dass der syrische Staat in der ersten Phase des Bürgerkriegs die Kontrolle über weite Teile des Staatsgebiets verloren hatte und das Regime um sein Überleben kämpfte. Der hohe Bedarf an Soldaten schlug sich nicht nur in starken Rekrutierungsbemühungen nieder, sondern auch darin, dass Wehrpflichtige über die normale Wehrdienstzeit hinaus in der Armee weiterdienen mussten und nicht entlassen wurden. Erst mit der Stabilisierung der militärischen Situation zugunsten des syrischen Staates mit Hilfe seiner russischen und iranischen Unterstützer begann Syrien 2018 mit Entlassungen der länger dienenden Rekrutenklassen. Nach wie vor besteht zwar ein hoher Personalbedarf der Armee, namentlich wegen der noch nicht eroberten Enklave um Idlib, so dass weiter rekrutiert wird. Die Rekrutierungsbemühungen konzentrieren sich auf die zurückeroberten ehemaligen Rebellengebiete, in denen eine besonders hohe Zahl von ungedienten Wehrpflichtigen zu erwarten ist. Der syrische Staat hat dort Rekrutierungszentralen eingerichtet, bei denen sich Wehrdienstentzieher und Deserteure melden können, um so eine Suche der Sicherheitskräfte nach ihnen zu beenden. Da Ihr vollständig abgeleisteter Wehrdienst bereits zwölf Jahre zurückliegt und sich hinsichtlich Taktik, Ausbildung etc. im Kriegsverlauf erhebliche Veränderungen ergaben, ist nicht anzunehmen, dass Sie aus militärischem Blickwinkel betrachtet von erheblichem Interesse für die syrischen Streitkräfte sind.
[…]
Es besteht also eine gewandelte Relevanz der Wehrdienstentziehung aus Sicht des syrischen Staates: In den Zeiten, in denen die militärische Situation prekär war, bedeutete Wehrdienstentziehung nicht nur Vorenthaltung der geforderten militärischen Dienstleistung, sondern auch Gefährdung der Existenz des Regimes. Die Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin erforderte damit eine harsche Reaktion auf Wehrdienstentziehung. Es bestand daher eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass die für Wehrdienstentziehung angedrohte Strafe auch durchgesetzt würde, ja dass sogar mit extralegaler Bestrafung zu rechnen sei. Nachdem sich die Lage zugunsten des syrischen Staates stabilisiert hat, stellt Wehrdienstentziehung für das Regime keine existenzgefährdende Bedrohung mehr dar, sondern erschöpft sich in der Vorenthaltung der geforderten militärischen Dienstleistung und damit der Erschwerung der Entlassung länger dienender Rekruten. Angesichts dessen ist eine abschreckende Bestrafung nicht mehr vordringlich, vielmehr kommt es nunmehr auf den möglichst reibungslos nachzuholenden militärischen Einsatz ehemaliger Wehrdienstentzieher an. Diese aus Sicht des syrischen Staates naheliegende Konsequenz lässt sich nach neueren Erkenntnissen tatsächlich beobachten. Die Quellen ergeben, dass die Reaktion auf einfache Wehrdienstentziehung nunmehr regelmäßig darin besteht, solche Personen unverzüglich einzuziehen und militärisch einzusetzen. Die Dienststelle Herkunftslandinformation des dänischen Einwanderungsdienstes hat vom 17. bis 25. Februar 2020 im Rahmen einer "factfinding mission" verschiedene Quellen zum Komplex des syrischen Militärdienstes befragt. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die syrische Armee nach wie vor einen hohen Rekrutierungsbedarf hat, der auf anhaltende Kämpfe, insbesondere um die Enklave Idlib, zurückzuführen ist, aber auch darauf, dass abgekämpfte Truppen durch frische ersetzt werden. Als Rekrutierungsfeld werden im Schwerpunkt Gebiete genutzt, die seit Sommer 2018 wiedererobert wurden und in denen auf ein ungenutztes Reservoir von Wehrpflichtigen zurückgegriffen werden kann. Zur Behandlung von Wehrdienstentziehern wurde ermittelt, dass sie regelmäßig sofort rekrutiert werden. Demgegenüber sollen Deserteure dem Risiko ausgesetzt sein, zuvor inhaftiert zu werden. Während des Bürgerkriegs seien Deserteure hingerichtet worden, diese Praxis habe der syrische Staat aber - von Einzelfällen abgesehen - seit einigen Jahren aufgegeben. Es gebe Beispiele von desertierten Offizieren, die in ihre alten Positionen wiedereingerückt seien. Demgegenüber werde von Todesurteilen gegen Überläufer wegen Verrats berichtet, so etwa am 25.7.2019 durch das Militärgericht Damaskus. Von einem erkennbaren System der Bestrafung von Wehrdienstentziehern durch "Frontbewährung" kann keine Rede sein.
In Zusammenschau hinsichtlich der Widersprüche und der oberflächlichen Information zu Ihrem Armeedienst und befürchteten Reservedienst kann eine bereits erfolgte oder bevorstehende Einberufung als Reservist nicht festgestellt werden. Aus den Länderberichten geht hervor, dass in Syrien Reservisten bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden können, wobei einzelne Berichte vorliegen, denen zufolge der Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis 27 ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Die aktuelle Kurzanalyse der Landesverteidigungsakademie verweist auf die untergeordnete Rolle der Wehrpflichtigen im Kampfgeschehen insgesamt. Zudem sind die Kämpfe in Syrien im Jahr 2020 erheblich abgeflaut. Aus Ihrer Funktion im einstigen Militärdienst oder Ihrer Berufstätigkeit kann weder abgelesen werden, dass Sie früher bei Ihrem regulären Militärdienst eine besondere Fähigkeit erworben oder eine besondere Position eingenommen hätten, noch lässt sich aus Ihrer (Berufs)tätigkeit als Bauhilfsarbeiter nicht ableiten, dass sie heute über wesentliche Fähigkeiten verfügen, die sie für die abermalige Musterung besonders attraktiv machen. Ihr Wehrdienst liegt zeitlich bereits lange, über zwölf Jahre, zurück. Im Lichte der individuellen Eigenschaften (Beruf, familiäre Situation, Rang und Funktion beim Militärdienst) sowie der Länderberichte, die eine entsprechend systematische und generelle Einberufung von Reservisten nicht dokumentieren bzw. von einem hohen Maß an Willkür dabei ausgehen, wird daher auch keine Feststellung zu einer entsprechend wahrscheinlich drohenden Einberufung als Reservist getroffen.
Zwar ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren, jedoch ist nicht anzunehmen, dass Sie davon betroffen sind. Diesbezüglich brachten Sie nichts vor. Aus den Länderberichten ist nämlich ebenfalls abzulesen, dass dies insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein kann, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben. Hinweise hierzu, dass diese Situation auf Ihre Familie zutreffen würde, ergaben sich während des Verfahrens jedoch nicht. Zudem muss nochmals darauf verwiesen werden, dass Sie angaben, weder aufgrund politischer, religiöser, ethnischer Tätigkeit/Gesinnung, Volksgruppenzugehörigkeit, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt worden zu sein, noch von Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder sonstigen Behörden aktuell gesucht zu werden.
Die Behörde übersieht die Länderinformationen zur Situation in Syrien nicht, auch, dass ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt. In Bezug auf Ihre Person ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass diese allgemeinen Berichte und die darauf fußenden Möglichkeiten einer asylrelevanten Behandlung im gegenständlichen Falle auf die konkrete Situation Ihrer Person anzunehmen sind und wurde von Ihnen auch nicht substanziiert vorgebracht. Damit kann in Zusammenschau keine Verfolgung in Ihrem Herkunftsstaat Syrien im Sinne der GFK erkannt werden. Eine individuell gegen Sie gerichtete Bedrohung ist nicht auszumachen, da es sich bei Ihren zum Teil widersprüchlichen Angaben um keine asylrelevanten Fluchtgründe handelt. Eine konkrete Verfolgung gegen Ihre Person verneinten Sie vor dem Bundesamt.
Volksgruppe:
Auch findet sich in den in das Verfahren eingeführten Berichten kein Hinweis, dass Kurden und/oder Sunniten alleine auf Grund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit in Syrien Verfolgung zu erleiden bzw. zu befürchten haben. Schließlich besteht im Lichte des § 33 Abs. 4 BFA-VG kein reales Risiko, dass Ihre Asylantragstellung in Österreich dem syrischen Regime bekannt wird, wenn diese nicht von Ihnen selbst vorgebracht werden würde; daher droht Ihnen auch diesbezüglich kein reales Risiko einer Verfolgung.Auch findet sich in den in das Verfahren eingeführten Berichten kein Hinweis, dass Kurden und/oder Sunniten alleine auf Grund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit in Syrien Verfolgung zu erleiden bzw. zu befürchten haben. Schließlich besteht im Lichte des Paragraph 33, Absatz 4, BFA-VG kein reales Risiko, dass Ihre Asylantragstellung in Österreich dem syrischen Regime bekannt wird, wenn diese nicht von Ihnen selbst vorgebracht werden würde; daher droht Ihnen auch diesbezüglich kein reales Risiko einer Verfolgung.
Umstände, die individuell und konkret Ihre Person betreffen und auf eine konkrete Verfolgung Ihrer Person hindeuten könnten, können daher nicht festgestellt werden. Demzufolge ergibt sich aus Ihrem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgungsgefahr. So kommt es aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse an. Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für Sie gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass Sie schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten hätten.
Aus Ihrem Vorbringen haben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es eine konkret gegen Sie gerichtete asylrelevante Verfolgung gegeben habe, die Ihre Flucht begründet hätte. In allgemein schlechten Verhältnissen oder bürgerkriegsähnlichen Zuständen liegt für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Flüchtlingskonvention. Ihre Begründung beruht daher lediglich in einer menschlich durchaus nachvollziehbaren Furcht vor einem möglichen, jedoch nicht konkret bevorstehenden Kriegseinsatz und nicht in einer politisch oppositionellen Gesinnung gegenüber dem syrischen Regime oder aufständischer Gruppierungen. Ihre Angaben dahingehend waren äußerst widersprüchlich und oberflächlich.
[…]
I.3.3. Der og. Bescheid vom 14.07.2021 erwuchs in Rechtskraft.römisch eins.3.3. Der og. Bescheid vom 14.07.2021 erwuchs in Rechtskraft.
I.4. Am 03.03.2023 stellte die bP vor einem Sicherheitsorgan im Bundesgebiet gegenständlichen Folgeantrag mit der Begründung, dass ihrem in Syrien lebenden Vater von der syrischen Polizei mitgeteilt worden sei, dass die bP und er selber gesucht werden würden, da die bP in Wien gegen das Assad Regime demonstriert habe. Außerdem sei die Heimatstadt Afrin vom türkischen Militär attackiert und besetzt worden. römisch eins.4. Am 03.03.2023 stellte die bP vor einem Sicherheitsorgan im Bundesgebiet gegenständlichen Folgeantrag mit der Begründung, dass ihrem in Syrien lebenden Vater von der syrischen Polizei mitgeteilt worden sei, dass die bP und er selber gesucht werden würden, da die bP in Wien gegen das Assad Regime demonstriert habe. Außerdem sei die Heimatstadt Afrin vom türkischen Militär attackiert und besetzt worden.
I.5. In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das weitere Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (auszugsweise Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid, wobei die Formatierungen, Gliederungen und Hervorhebungen nicht dem Original entsprechen):römisch eins.5. In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das weitere Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (auszugsweise Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid, wobei die Formatierungen, Gliederungen und Hervorhebungen nicht dem Original entsprechen):
„…
LA: Welche Sprache ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie noch?
VP: Meine Muttersprache ist Kurdisch. Ich spreche auch ein bisschen Arabisch und ich kann auch ein bisschen Deutsch.
LA: Wie ist die Verständigung mit dem Dolmetscher, haben Sie dazu Einwände?
VP: Ich habe keinen Einwand, die Verständigung ist sehr gut.
LA: Sind einverstanden die heutige Einvernahme in kurdisch durchzuführen?
VP: Ja, danke.
Belehrung: […]
LA: Werden Sie im Verfahren von jemanden vertreten oder besteht für jemanden eine Zustellvollmacht? Haben Sie einen Anwalt?
VP: Ja, meine Rechtsvertretung XXXX ist heute mit mir da.VP: Ja, meine Rechtsvertretung römisch 40 ist heute mit mir da.
Anmerkung: Rechtsvertretung weißt sich mit Ausweis der Rechtsanwaltskammer Wien, ausgestellt am XXXX, Code: XXXX aus. Rechtsanwaltskanzlei MMag. Dr. Franz Stefan PechmannAnmerkung: Rechtsvertretung weißt sich mit Ausweis der Rechtsanwaltskammer Wien, ausgestellt am römisch 40 , Code: römisch 40 aus. Rechtsanwaltskanzlei MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann
LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich, nehmen Sie Medikamente, sind Sie in ärztlicher Behandlung oder haben Sie Beschwerden?
VP: Ich bin gesund und nehme keine Medikamente.
LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?
VP: Ja.
LA: Gibt es Gründe, die gegen eine Befragung am heutigen Tage sprechen. Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?
VP: Nein
LA: Haben Sie in der Erstbefragung vom 03.03.2023 die Wahrheit gesagt und stimmen diese Angaben? Können wir die Erstbefragung als Basis für die jetzige Einvernahme heranziehen?
VP: Ich habe die Wahrheit gesagt. Die Angaben stimmen.
LA: Wie heißen Sie, bitte nennen Sie wahrheitsgemäß Ihren vollständigen richtigen Familiennamen und Vornamen sowie etwaige frühere Namen auch Aliasnamen etc.?
VP: Familienname: XXXX, Vorname: AliVP: Familienname: römisch 40 , Vorname: Ali
LA: Ist die Schreibweise Ihres Namens auf der grauen Karte richtig?
VP: Ja, stimmt.
LA: Wann und wo sind Sie geboren?
VP: Ich bin am XXXX in XXXX, Syrien.VP: Ich bin am römisch 40 in römisch 40 , Syrien.
LA: Können Sie entsprechende identitätsbezeugende Dokumente vorlegen wie z.B. Reisepass, Personalausweis oder sonstige ID-Ausweise? Bzw. haben Sie bereits entsprechende Dokumente vorgelegt?
VP:
- Gehaltszettel
- Alter und aktueller Arbeiterdienstvertrag
- Bilder von Teilnahme an Demos in Österreich
LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie:
VP: Ich bin syrischer Staatsangehöriger.
LA: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
VP: Ich bin Kurde.
LA: Welche Religionszugehörigkeit haben Sie?
VP: Ich bin Moslem Sunnit.
LA: Haben Sie je wegen Ihrer Religion oder Volksgruppe in Syrien Probleme gehabt?
VP: Wir Kurden werden im Allgemeinen in Syrien bedroht. In Afrin wurden wir angegriffen von der Al-Nusra-Front und von den Türken.
LA: Wurden Sie einmal individuell und unmittelbar bedroht oder angegriffen?
VP: 2012 habe ich an einer Demonstration in Damakskus teilgenommen. Die Polizei stürmte auf die Demonstranten und haben geschossen und viele mitgenommen. Ich konnte jedoch fliehen und bin wieder zurück nach Afrin.
LA: Waren Sie einfacher Demomstrant oder haben Sie die Demo organisiert?
VP: Ich war ein einfacher Demonstrant und wir haben gegen da syrische Regime demonstriert.
LA: Wann sind Sie genau aus Syrien ausgereist?
VP: Im März oder April 2014.
LA: Welche Ausbildungen haben Sie absolviert?
VP: 9 Jahre Schule. Ich habe in Syrien am Bau gearbeitet.
LA: Wie lautet Ihr Familienstand? Hat sich etwas geändert seit dem letzten Verfahren?
VP: Nein, ich bin nach wie vor verheiratet. Befragt gebe ich an, dass meine Ehefrau mit meinen zwei Töchter und einen Sohn in der Türkei lebt. Es geht ihnen gut.
LA: Haben Sie noch weitere Angehörige oder Verwandte in Syrien?
VP: Mein Vater lebt in Syrien und hat zwei Frau. Meine Stiefmutter lebt in Syrien, Damaskus und meine Mutter lebt in Schweden. Ich habe einen leiblichen Bruder und eine leibliche Schwester, sowie zwei Halbbrüder und eine Halbschwester. Ein Halbbruder lebt in Syrien, er ist klein. Mein leiblicher Bruder und ein Halbbruder leben in der Türkei. Meine leibliche Schwester lebt in Libanon und meine Halbschwester ist in der Türkei.
LA: Wie geht’s der Familie in Syrien und in der Türkei? Haben Sie regelmäßigen Kontakt?
VP: Ja, mit meiner Frau und meinen Kindern. Wir haben regelmäßigen Kontakt und es geht ihnen gut. Mit meiner restlichen Familie habe ich manchmal Kontakt.
LA: Haben Sie Angehörige oder Verwandte in Europa bzw. Österreich?
VP: Abgesehen von den Genannten, habe ich noch einen Cousin in Österreich, Voralberg. Ich habe noch einen Onkel in Schweden.
LA: Haben Sie Kinder?
VP: Ja ich habe zwei Töchter und einen Sohn. Meine Töchter sind 12 und 10 Jahre alt, mein Sohn ist 5 Jahre alt.
LA: Wie heißt Ihre Ehefrau? Wann und wo haben Sie geheiratet?
VP: Sie heißt XXXX, wir haben die Ehe am XXXX.2010 in XXXX standesamtlich registriert, die traditionelle Eheschließung war am XXXX.2009. Befragt gebe ich an, dass ich in Syrien mit meiner Frau gemeinsam einen Haushalt hatte für 4 Jahre, danach sindVP: Sie heißt römisch 40 , wir haben die Ehe am römisch 40 .2010 in römisch 40 standesamtlich registriert, die traditionelle Eheschließung war am römisch 40 .2009. Befragt gebe ich an, dass ich in Syrien mit meiner Frau gemeinsam einen Haushalt hatte für 4 Jahre, danach sind
wir in die Türkei gegangen.
LA: Wie lange war Ihr Aufenthalt in der Türkei?
VP: Bis September 2020. Befragt gebe ich an, dass ich in der Türkei den XXXX hatte.VP: Bis September 2020. Befragt gebe ich an, dass ich in der Türkei den römisch 40 hatte.
LA: Waren Sie in der Türkei berufstätig?
VP: Ja, an der Baustelle.
LA: Warum haben Sie die Türkei verlassen?
VP: Ich war mit der Abschiebung nach Syrien bedroht und die Türken sind gegen Kurden und sind Faschisten.
LA: Können Sie sich auf die gestellten Fragen konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher?
VP: Ja ich verstehe sie gut.
LA: Wie viele Anträge auf internationalen Schutz habe Sie bisher eingebracht?
VP: Zwei.
LA: Haben Sie einen gültigen Aufenthaltstitel hier in Österreich?
VP: Ich habe einen befristeten subsidiären Schutz.
LA: Ihr erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 14.07.2021 in Bezug auf Asyl negativ entschieden und Ihnen subsidiärer Schutz zuerkannt. Dagegen haben Sie keine Beschwerde eingebracht. Sie werden über das Neuerungsverbot belehrt. Können Sie mir sagen, warum Sie in Österreich einen neuerlichen Asylantrag stellen? Nennen Sie ihre konkreten und ihre individuellen Fluchtgründe dafür? Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe in freier Erzählung. Nehmen Sie sich ruhig Zeit dafür. Erzählen Sie so viele Details wie möglich. Sprechen Sie bitte auch über Ihre Emotionen Gefühle usw.?
VP: Ich war in XXXX und bin dann nach XXXX, da mein Cousin dort lebt und ich dort auch arbeiten wollte. Ich wollte eine Beschwerde erheben, was ich auch mithilfe der BBU gemacht habe, jedoch wurde sie nicht rechtzeitig. Ich habe circa ein Jahr gewartet und dann haben Freunde von mir nach den Stand meiner Beschwerde gefragt. Ich habe gesagt, dass ich noch immer auf eine Entscheidung warte. Als ich bei BBU war, wurde mir mitgeteilt, dass die Beschwerde nicht rechtzeitig eingebracht wurde. Ich war früher Mitglied der kurdischen Partei Azadi und habe auch an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen und nehme aktuell auch an Demos teil. Im März oder April 2023 habe ich eine Sprachnotiz von meinem Vater erhalten, wo er sagt, dass der syrische Geheimdienst, eine Gruppe von Männer bei ihm zu Hause war und nach mir gefragt haben. Mein Vater sagte ihnen, dass ich nicht da sei und in Österreich bin. Sie sagten zu meinem Vater, er soll nicht mehr an Demos gegen das Regime teilnehmen und wenn wir ihn in Syrien sehen, wird er sofort festgenommen.VP: Ich war in römisch 40 und bin dann nach römisch 40 , da mein Cousin dort lebt und ich dort auch arbeiten wollte. Ich wollte eine Beschwerde erheben, was ich auch mithilfe der BBU gemacht habe, jedoch wurde sie nicht rechtzeitig. Ich habe circa ein Jahr gewartet und dann haben Freunde von mir nach den Stand meiner Beschwerde gefragt. Ich habe gesagt, dass ich noch immer auf eine Entscheidung warte. Als ich bei BBU war, wurde mir mitgeteilt, dass die Beschwerde nicht rechtzeitig eingebracht wurde. Ich war früher Mitglied der kurdischen Partei Azadi und habe auch an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen und nehme aktuell auch an Demos teil. Im März oder April 2023 habe ich eine Sprachnotiz von meinem Vater erhalten, wo er sagt, dass der syrische Geheimdienst, eine Gruppe von Männer bei ihm zu Hause war und nach mir gefragt haben. Mein Vater sagte ihnen, dass ich nicht da sei und in Österreich bin. Sie sagten zu meinem Vater, er soll nicht mehr an Demos gegen das Regime teilnehmen und wenn wir ihn in Syrien sehen, wird er sofort festgenommen.
Anmerkung: Die rechtliche Vertretung gibt an, dass die Sprachnotiz vom Februar 2023 ist.
LA: Haben Sie noch weitere Fluchtgründe?
VP: Nein.
Rechtliche Vertretung: Die alten Asylgründe meines Mandanten halten wir aufrecht.
Anmerkung: Die Sprachnotitz wird vorgespielt und stammt vom 23.02.2023.
LA: Wann haben Sie demonstriert und wie oft?
VP: Circa 5-6