Entscheidungsdatum
25.05.2023Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G307 218334-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mbH, gegen die Spruchpunkte II. bis V. sowie VII. und VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2019, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A)Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde der römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Kosovo, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mbH, gegen die Spruchpunkte römisch II. bis römisch fünf. sowie römisch VII. und römisch VIII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2019, Zahl römisch 40 , zu Recht erkannt:
A)
I. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird der Beschwerde führenden Partei der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo zuerkannt.römisch eins. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wird der Beschwerde führenden Partei der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird der Beschwerde führenden Partei eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.römisch II. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird der Beschwerde führenden Partei eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
III. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. bis V. und VII. bis VIII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.römisch III. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte römisch III. bis römisch fünf. und römisch VII. bis römisch VIII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 18.03.2019 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Z 13 AsylG. 1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am 18.03.2019 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß Paragraph 2, Ziffer 13, AsylG.
2. Am 19.03.2019 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die polizeiliche Erstbefragung der BF statt.
3. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 21.03.2019 wurden der BF die Länderfeststellungen übermittelt und die Möglichkeit zur Abgabe einer dahingehenden Stellungnahme eingeräumt.
4. Am 28.03.2019 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die niederschriftliche Einvernahme der BF zu ihren Fluchtgründen statt.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf Erteilung internationalen Schutzes zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), dieser kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkte IV. und V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt VI.). Ferner wurde gegen die BF ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und die Unterkunftnahme angeordnet (Spruchpunkt VIII.). 5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der BF auf Erteilung internationalen Schutzes zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte römisch eins. und römisch II.), dieser kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt römisch III.) erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkte römisch IV. und römisch fünf.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise erteilt (Spruchpunkt römisch VI.). Ferner wurde gegen die BF ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt römisch VII.) und die Unterkunftnahme angeordnet (Spruchpunkt römisch VIII.).
6. Die BF erhob dagegen fristgerecht Beschwerde. Sie brachte im Wesentlichen vor, dass sie den Kosovo aufgrund häuslicher Gewalt und Misshandlungen durch ihren Ex-Mann habe verlassen müssen. Sie könne im Fall einer Rückkehr nicht auf die Unterstützung ihrer Familie zurückgreifen.
7. Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.05.2019 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
8. Das BVwG führte am 27.10.2021 eine mündliche Verhandlung durch.
9. Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.02.2022 wies dieses die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. sowie VII. bis VIII. des Bescheides des BFA als unbegründet ab und gab der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des Bescheides mit der Maßgabe statt, dass eine 14tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.9. Mit Erkenntnis des BVwG vom 09.02.2022 wies dieses die Beschwerde gegen die Spruchpunkte römisch eins. bis römisch fünf. sowie römisch VII. bis römisch VIII. des Bescheides des BFA als unbegründet ab und gab der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch VI. des Bescheides mit der Maßgabe statt, dass eine 14tägige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde. Die Revision wurde gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG für nicht zulässig erklärt.
10. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gab der gegen diese Entscheidung erhobene Revision mit Erkenntnis vom 15.12.2022, Zahl Ra 2022/18/0059-13 insofern Folge, als sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und die darauf aufbauenden Spruchpunkte wandte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
1.1.1. Die BF führt den Namen XXXX , ist am XXXX geboren, Staatsangehörige des Kosovo, spricht Albanisch und Serbisch, ist Angehörige der albanischen Volksgruppe, bekennt sich zum Islam und ist geschieden. 1.1.1. Die BF führt den Namen römisch 40 , ist am römisch 40 geboren, Staatsangehörige des Kosovo, spricht Albanisch und Serbisch, ist Angehörige der albanischen Volksgruppe, bekennt sich zum Islam und ist geschieden.
1.1.2. Die BF wurde in XXXX , Kosovo, geboren und ist dort aufgewachsen. Sie besuchte 8 Jahre lang die Grundschule und verfügt über keine Berufsausbildung.1.1.2. Die BF wurde in römisch 40 , Kosovo, geboren und ist dort aufgewachsen. Sie besuchte 8 Jahre lang die Grundschule und verfügt über keine Berufsausbildung.
1.1.3. Die BF heiratete am XXXX ihren nunmehrigen Ex-Mann. Der Ehe entstammen neun Kinder. Die Familie der BF wandte sich gegen diese Eheschließung und kam es zwischen den beiden Familien der vormaligen Eheleute derart zu Spannungen. Auch zwischen den seinerzeitigen Ehepartnern waren Streitigkeiten an der Tagesordnung, die sogar zur Anwendung häuslicher Gewalt des Exmannes gegen die BF führten. Da die die BF nicht mehr an der Ehe festhalten wollte, wandte sie sich an die Polizei und nahm in einem Frauenhaus Unterkunft. Die BF brachte mit Hilfe einer Rechtsanwältin eine Scheidungsklage ein, der Exmann beabsichtigte jedoch, die Lebensgemeinschaft mit ihr fortzusetzen. Nachdem eine Vermittlung und Mediation durch eine Betreuungsorganisation zu keinem Ergebnis geführt hatte, wurde die Ehe mit Gerichtsurteil vom XXXX geschieden. Die Pflege und Erziehung für die zwei noch minderjährigen Kinder wurde entsprechend einer diesbezüglichen Empfehlung eines Betreuungsorgans dem Exmann übertragen. Die BF reiste im März 2019 aus dem Kosovo aus.1.1.3. Die BF heiratete am römisch 40 ihren nunmehrigen Ex-Mann. Der Ehe entstammen neun Kinder. Die Familie der BF wandte sich gegen diese Eheschließung und kam es zwischen den beiden Familien der vormaligen Eheleute derart zu Spannungen. Auch zwischen den seinerzeitigen Ehepartnern waren Streitigkeiten an der Tagesordnung, die sogar zur Anwendung häuslicher Gewalt des Exmannes gegen die BF führten. Da die die BF nicht mehr an der Ehe festhalten wollte, wandte sie sich an die Polizei und nahm in einem Frauenhaus Unterkunft. Die BF brachte mit Hilfe einer Rechtsanwältin eine Scheidungsklage ein, der Exmann beabsichtigte jedoch, die Lebensgemeinschaft mit ihr fortzusetzen. Nachdem eine Vermittlung und Mediation durch eine Betreuungsorganisation zu keinem Ergebnis geführt hatte, wurde die Ehe mit Gerichtsurteil vom römisch 40 geschieden. Die Pflege und Erziehung für die zwei noch minderjährigen Kinder wurde entsprechend einer diesbezüglichen Empfehlung eines Betreuungsorgans dem Exmann übertragen. Die BF reiste im März 2019 aus dem Kosovo aus.
1.1.4. Die Eltern der BF sind bereits verstorben. Zwei Schwestern der BF leben in Österreich, eine in Deutschland. Auch der Bruder der BF ist in Deutschland wohnhaft. Die BF hat regelmäßigen Kontakt zu ihren in Österreich lebenden Schwestern, seit sie selbst in Österreich lebt.
1.1.5. Die BF leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten und ist arbeitsfähig.
1.2. Zur Lage von Frauen im Kosovo wird festgestellt:
Letzte Änderung: 17.02.2023
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts sind in Art. 22 und 24 der kosovarischen Verfassung verankert. Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) ist unmittelbar anwendbar. Die Agentur für Gleichberechtigung im Büro des Ministerpräsidenten soll die Umsetzung der Gleichstellungsmaßnahmen steuern und überwachen. Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch das Gesetz für Gleichberechtigung der Geschlechter am 7.6.2004 in Kraft gesetzt worden. Nach Art. 6 dieses Gesetzes ist die Ombudsperson zuständig für Beschwerden mit Bezug auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Beamte des Büros für die Einhaltung des Diskriminierungsverbots werden in jedem Ministerium und in jeder Kommunalverwaltung eingesetzt (AA 18.10.2021).Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie das Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts sind in Artikel 22 und 24 der kosovarischen Verfassung verankert. Die UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) ist unmittelbar anwendbar. Die Agentur für Gleichberechtigung im Büro des Ministerpräsidenten soll die Umsetzung der Gleichstellungsmaßnahmen steuern und überwachen. Im Familienrecht ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch das Gesetz für Gleichberechtigung der Geschlechter am 7.6.2004 in Kraft gesetzt worden. Nach Artikel 6, dieses Gesetzes ist die Ombudsperson zuständig für Beschwerden mit Bezug auf geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Beamte des Büros für die Einhaltung des Diskriminierungsverbots werden in jedem Ministerium und in jeder Kommunalverwaltung eingesetzt (AA 18.10.2021).
Das bestehende gesetzliche Regelwerk garantiert den Schutz der Grundrechte und steht im Einklang mit den europäischen Standards, auch jenes bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter. Der Kosovo hat sein Engagement für die Gleichstellung der Geschlechter unter Beweis gestellt, indem es das Gesetz über die Gleichstellung der Geschlechter im Einstellungsverfahren der öffentlichen Verwaltung weiter umgesetzt und die interinstitutionelle Koordinierung bei der Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt verbessert hat, u. a. durch die Verabschiedung einer neuen Strategie und eines Aktionsplans gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen (EC 19.10.2021).
Gleichwohl ist die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht durchgehend verwirklicht (AA 18.10.2021), auch wenn sich die gesellschaftliche, ökonomische und politische Position der Frauen langsam, aber stetig verbessert. Einen besonderen Schub bekam die Gleichberechtigung in der Politik mit der neuen Regierung im Februar 2020: Erstmals waren 5 der insgesamt 15 Minister/innen Frauen, während Vjosa Osmani von der LDK als erste Frau zur Parlamentspräsidentin gewählt wurde (GIZ 3.2020b). Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist jedoch im beruflichen Bereich, bei Einstellung, Beförderung, Entlohnung und Vertragsdauer nach wie vor weit verbreitet (EC 12.10.2022).
Häusliche Gewalt (GIZ 3.2020b; vgl. EC 12.10.2022) und sexuelle Belästigungen stellen ein verbreitetes Phänomen dar (GIZ 3.2020b). (Häusliche) Misshandlungen und sexuelle Gewalt sind verbreitet, werden aber gesellschaftlich tabuisiert und von den Betroffenen aus Angst vor Repressalien und fehlender sozialer Unterstützung durch Familie und Gesellschaft nur selten zur Anzeige gebracht. Soweit Fälle von Gewalt gegen Frauen überhaupt vor die kosovarischen Gerichte gelangen, dauern die Verfahren oft sehr lange. Die rechtliche Stellung betroffener Frauen wurde z.B. durch das Gesetz Law No.03/L –182 „On Protection against Domestic Violence“ sowie durch das Strafgesetzbuch verbessert. Daneben wurden Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache sowie Anlaufstellen bei Gericht und bei Nichtregierungsorganisationen eingerichtet (AA 18.10.2021).Häusliche Gewalt (GIZ 3.2020b; vergleiche EC 12.10.2022) und sexuelle Belästigungen stellen ein verbreitetes Phänomen dar (GIZ 3.2020b). (Häusliche) Misshandlungen und sexuelle Gewalt sind verbreitet, werden aber gesellschaftlich tabuisiert und von den Betroffenen aus Angst vor Repressalien und fehlender sozialer Unterstützung durch Familie und Gesellschaft nur selten zur Anzeige gebracht. Soweit Fälle von Gewalt gegen Frauen überhaupt vor die kosovarischen Gerichte gelangen, dauern die Verfahren oft sehr lange. Die rechtliche Stellung betroffener Frauen wurde z.B. durch das Gesetz Law No.03/L –182 „On Protection against Domestic Violence“ sowie durch das Strafgesetzbuch verbessert. Daneben wurden Spezialeinheiten gegen Missbrauch und Misshandlungen in jeder größeren Polizeiwache sowie Anlaufstellen bei Gericht und bei Nichtregierungsorganisationen eingerichtet (AA 18.10.2021).
Nach Angaben des Kosovo-Frauennetzwerks sehen sich Überlebende häuslicher Gewalt weiterhin mit Hindernissen konfrontiert, um Schutz zu erlangen, wie z. B. kaum Strafverfolgungen und das Versäumnis von Richtern, einstweilige Verfügungen gegen Missbrauchstäter zu erlassen, sowie reduzierte Strafen in Fällen der Ermordung von Frauen durch ihre Ehemänner (HRW 12.1.2023).
Verteilt auf die kosovarischen Regionen bestehen derzeit in Pec/Peja, Gjakova/Djakovica, Prizren, Gjilan/Gnjilane, (Süd-)Mitrovica und Nord-Mitrovica zehn Frauenhäuser, die als "sichere Häuser" bezeichnet werden. Die Betreiber berichten, dass die Finanzierung durch staatliche Stellen zwar grundsätzlich sichergestellt