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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0788Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1) der SM
in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, und 2) des NM
in P, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 23. November 1993, jeweils Zl. 4.342.368/1-III/13/93 (hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin hg. Zl. 94/01/0623 und hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers hg. Zl. 94/01/0788), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 23. November 1993 wurden die am 21. Jänner 1993 gestellten Asylanträge der Beschwerdeführer - eines Ehepaares mit Staatsangehörigkeit "der jugoslawischen Föderation", die am
20. bzw. 21. Jänner 1993 in das Bundesgebiet eingereist sind - abgewiesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:
Die Abweisung der beiden zugrunde liegenden Asylanträge durch das Bundesasylamt mit Bescheiden vom 22. Jänner 1993 wurde lediglich damit begründet, daß den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukomme. In den angefochtenen Bescheiden finden sich nun übereinstimmend einerseits die Sätze, das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere auch die niederschriftliche Einvernahme des betreffenden Beschwerdeführers, habe "jedoch" nicht ergeben, daß er Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei, und die belangte Behörde schließe sich den Ausführungen des Bundesasylamtes sowie dessen rechtlicher Würdigung des Vorbringens des betreffenden Beschwerdeführers, das er im wesentlichen in der Berufung wiederholt bzw. auch in der Berufung vorgebracht habe, vollinhaltlich an. Andererseits heißt es jeweils abschließend, daß die Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ausgeschlossen sei, weil der betreffende Beschwerdeführer bereits in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt habe, und das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. demnach nicht mehr zu prüfen gewesen sei. Dieser unlösbare Widerspruch, der dazu führt, daß nicht eindeutig feststeht, ob die belangte Behörde ebenso wie die Erstbehörde die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer verneint hat, ist aber deshalb nicht relevant, weil eine Asylgewährung gemäß § 3 Asylgesetz 1991 (selbst bei Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft) auch dann nicht in Betracht kommt, wenn einer der Ausschließungsgründe des § 2 Abs. 2 oder 3 gegeben ist, und für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar ist, daß die Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde von der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Gebrauch gemacht hat, in ihren Rechten verletzt worden sind.
Die Auslegung des Begriffes der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle durch die belangte Behörde steht im wesentlichen im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere die grundlegenden Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Der Einwand der Beschwerdeführer, sie hätten sich - getrennt voneinander - nur wenige Stunden auf der Durchreise in Ungarn befunden, geht daher ins Leere. Wenn die Erstbeschwerdeführerin ins Treffen führt, sie sei unter Verwendung des Reisepasses der Gattin ihres Onkels, also illegal, nach Ungarn eingereist, sie habe keine andere Möglichkeit gehabt, weil sie selbst "nie einen Reisepaß oder ein Dokument, das mich zur Ausreise berechtigt hätte, besessen habe", und sie hätte daher von vornherein befürchten müssen, daß sie "nicht nach Ungarn einreisen hätte können, sofern dieser Umstand entdeckt worden wäre", so geht daraus nicht hervor, daß es ihr nach ihrem Grenzübertritt in Ungarn nicht möglich gewesen wäre, bereits dort um Asyl anzusuchen. Damit, daß der Erstbeschwerdeführerin "naturgemäß auch nicht bekannt war, ob ich in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangen könnte", weil sie "nicht wußte, ob Ungarn Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention ist", und ihr überdies "Ungarn nur als seinerzeitiger Ostblockstaat bekannt war", in dem Staatsangehörige politisch verfolgt worden seien, ihr aber "die politische Entwicklung während der letzten Jahre in Ungarn ebenfalls nicht bekannt" gewesen sei, weshalb sie "für den Fall der Stellung eines Asylantrages in Ungarn nicht wissen und auch nicht damit rechnen konnte, daß ich nicht wiederum zurück in mein Heimatland abgeschoben würde", ist für ihren Standpunkt ebenfalls nichts zu gewinnen. Für die Annahme der Verfolgungssicherheit ist nur entscheidend, ob der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr der Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor einer Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte. Bei der Beurteilung, ob dies der Fall war, ist ein objektiver Maßstab anzulegen, weshalb bloß subjektive Gründe - wie etwa die Unkenntnis des Asylwerbers über die gegenüber Flüchtlingen geltende Rechtslage im Drittstaat -, die die betreffende Person veranlaßt haben, in diesem Staat nicht länger zu bleiben und nicht dort einen Asylantrag zu stellen, ohne Bedeutung sind (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, Zl. 94/01/0360).
Gleichermaßen ist der Behauptung des Zweitbeschwerdeführers, er sei "- und das mit gutem Grunde - der Auffassung" gewesen, "daß Ungarn als osteuropäischer Staat, der bis zum Zusammenbruch des Kommunismus dem kommunistischen Ostblock angehört hatte und seine Grenze zum Westen mit Stacheldraht abzäunte, keinesfalls die Sicherheit einem Flüchtling gewähren könne und würde, um den Flüchtling insbesondere vor Abschiebung zu schützen", entgegenzuhalten, daß er auf diese Weise keine objektiven Gesichtspunkte aufzeigt, auf Grund derer ihm eine Asylantragstellung in Ungarn nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, zumal seinem Vorbringen hinsichtlich der maßgebenden Verhältnisse zum Zeitpunkt seines Aufenthaltes in diesem Land die Schlüssigkeit fehlt. Das Argument der Erstbeschwerdeführerin, daß sie im Falle der Nichtstattgebung ihres Asylantrages und der Abschiebung in ihr Heimatland mit ihrer Familie "mit Sicherheit damit zu rechnen habe, daß wir von den dortigen Polizeibehörden sofort inhaftiert und liquidiert werden", muß im gegebenen Zusammenhang unbeachtlich bleiben, könnte es doch nur bei der Anwendung fremdenpolizeilicher Vorschriften (siehe §§ 37 und 54 Fremdengesetz) Berücksichtigung finden. Schließlich geht der Zweitbeschwerdeführer mit seinem Vorwurf, "man müßte es wohl als eine Mißachtung der Menschenrechte ansehen, wenn man mich von der Familie durch einen Behördenakt trennen wollte", von der unrichtigen Prämisse aus, daß seine Gattin (die Erstbeschwerdeführerin) und ihre gemeinsamen Kinder in Österreich Asyl hätten, er aber in Ungarn wohnen müßte; träfe im übrigen diese Prämisse zu, so stünde ihm die Möglichkeit der Antragstellung auf Ausdehnung des Asyls gemäß § 4 Asylgesetz 1991 offen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0152).
Da demnach nicht davon ausgegangen werden kann, daß Ungarn die sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention (mit der für die Beschwerdeführer maßgeblichen Alternative a des Abschnittes B des Art. 1; siehe BGBl. Nr. 260/1992) ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllt hätte, vermag der Verwaltungsgerichtshof unter Berücksichtigung der genannten Rechtsprechung der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführer seien bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, nicht entgegenzutreten.
Da sich somit die Beschwerden als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Verweisung auf die Entscheidungsgründe der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010623.X00Im RIS seit
03.04.2001