TE Bvwg Erkenntnis 2024/8/5 W105 2290564-1

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Veröffentlicht am 05.08.2024
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Entscheidungsdatum

05.08.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art130 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8 Abs1
  1. B-VG Art. 130 heute
  2. B-VG Art. 130 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  5. B-VG Art. 130 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  6. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2015 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  7. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  8. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  9. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  10. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  11. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  12. B-VG Art. 130 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  13. B-VG Art. 130 gültig von 18.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 215/1962
  14. B-VG Art. 130 gültig von 25.12.1946 bis 17.07.1962 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  15. B-VG Art. 130 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  16. B-VG Art. 130 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W105 2290564-1/8Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 19.09.2022 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , römisch 40 geb., StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am 19.09.2022 gestellten Antrag auf internationalen Schutz, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2024 zu Recht erkannt:

A) Dem Antrag auf internationalen Schutz von XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. A) Dem Antrag auf internationalen Schutz von römisch 40 wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 19.09.2022 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich seiner Erstbefragung am selben Tag durch die zuständige Landespolizeidirektion gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt zusammenfassend an, dass zwei seiner Brüder Behördenbedienstete gewesen seien, sie seien von den Taliban getötet worden. Er habe Angst um sein Leben gehabt.

Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab er an, dass er Angst habe, von den Taliban getötet zu werden.

2. Mangels der Setzung weiterer Ermittlungsschritte durch das Bundesamt für Fremdendwesen und Asyl (im Folgenden BFA oder belangte Behörde) erhob der Beschwerdefürher am 23.01.2024 durch seinen gewillkürten Rechtsvertreter Säumnisbeschwerde. Diese wurde samt dem Verfahrensakt der belangten Behörde - am 19.04.2024 einlangend – dem Bundesverwaltungsgericht (nachfolgend BVwG) vorgelegt. Unter einem wurde unter näherem Hinweis auf die hohe Anzahl der Asylverfahren und die damit zusammenhängende Belastungssituation beim BFA darauf hingewiesen, dass die fristgerechte Erledigung der Säumnisbeschwerde nicht möglich sei.

3. Am 17.06.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des Beschwerdeführers sowie seiner gewillkürten Vertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seiner Identität, seiner Herkunft und den persönlichen Lebensumständen befragt wurde. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

5. Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer Unterlagen betreffend die berufliche Tätigkeit eines seiner beiden Brüder beim Militär vor, darunter dessen Militärausweis im Original sowie einen Antrag auf Verleihung des nächsten Dienstgrades und die Bestätigung der Übernahme einer Waffe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Säumnis der belangten Behörde

Der Beschwerdeführer stellte am 19.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

Die belangte Behörde setzte zum Antrag des Beschwerdeführers in der Folge – außer der Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte – keine weiteren Handlungen.

Mit Eingabe vom 23.01.2024 erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Säumnisbeschwerde.

Mit Schreiben vom 16.04.2024, einlangend am 19.04.2024, legte die belangte Behörde dem BVwG die Säumnisbeschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes und der Mitteilung, dass aufgrund der hohen Anzahl der Asylverfahren und die damit zusammenhängende Belastungssituation beim BFA eine fristgerechte Erledigung der Säumnisbeschwerde nicht möglich sei, vor.

Die belangte Behörde sei einer mit dem Jahr 2015 vergleichbaren, außergewöhnlichen Belastungssituation ausgesetzt. Im Jahr 2015 seien in Österreich rund 90.000 Anträge auf internationalen Schutz gestellt worden. Die Bearbeitung dieser Anträge hätten aufgrund dieser Anzahl der Asylverfahren innerhalb der Entscheidungsfrist von sechs Monaten nicht mehr gewährleistet werden können. Im Jahr 2021 habe Österreich rund 40.000 Anträge auf internationalen Schutz verzeichnet. Diese Anzahl sei im Jahr 2022 auf rund 112.000 Anträge gestiegen. Neben den Anträgen auf internationalen Schutz seien auch die Dublin-Out Konsultationsverfahren mit anderen Mitgliedstaaten auf 15.000 und die Dublin-In Konsultationsverfahren auf 24.000 gestiegen. Aufgrund des Ausbruch des Ukrainekrieges seien im Jahr 2022 ungefähr 90.000 Personen als Vertriebene registriert und rund 80.000 Ausweise für Vertriebene ausgestellt worden. Zusätzliches Personal sei eingesetzt worden, jedoch sei aufgrund von Schulungen der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine zeitverzögerte Wirkung eingetreten. Trotz organisatorischer Umstrukturierungen und Personalaufstockungen sei die Einhaltung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist nicht in allen Verfahren möglich gewesen.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Panjshir. Er lebte zuletzt bis zu seiner Ausreise Anfang des Jahres 2022 im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter, zwei Brüdern und einer Schwester in der Provinz Baghlan. Sein Vater ist bereits verstorben.

Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan bis zur 12. Schulstufe die Schule und war sodann als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle im Bereich des Betonierens berufstätig. Zwei Brüder des Beschwerdeführers waren beim afghanischen Militär beruflich tätig, wobei der eine den Dienstgrad eines Turan und der andere den Dienstgrad eines Offiziers innehatte. Der eine Bruder fiel im Frühjahr 2020 in der Provinz Helmland im Kampf gegen die Taliban. Der andere Bruder kam ca. drei Monate später in der Provinz Faryab durch eine Autobombe durchs Leben. Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 waren die Taliban mehrmals im Haus der Familie des Beschwerdeführers vorstellig und fragten nach dem Beschwerdeführer, sodass dieser letztlich aus Furcht vor weiterer Verfolgung Afghanistan verließ. Nach der Ausreise des Beschwerdeführers waren die Taliban zwei Mal beim Beschwerdeführer zu Hause und durchsuchten sein Elternhaus. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Angehörigeneigenschaft zu zwei ehemaligen Angehörigen der afghanischen Armee, die konkret gegen die Taliban im Kampfeinsatz waren und hierbei fielen, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund einer ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.3. Zum Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-04-05 15:33

Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen (UNGA 28.1.2022, vgl. UNAMA 27.6.2023). Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) (UNGA 28.1.2022) sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung (UNAMA 27.6.2023; vgl. UNAMA 7.2022). Die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) hat jedoch weiterhin ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs) dokumentiert (UNAMA 27.6.2023).Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen (UNGA 28.1.2022, vergleiche UNAMA 27.6.2023). Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) (UNGA 28.1.2022) sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung (UNAMA 27.6.2023; vergleiche UNAMA 7.2022). Die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) hat jedoch weiterhin ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs) dokumentiert (UNAMA 27.6.2023).

UNAMA registrierte im Zeitraum 15.08.2021 - 30.05.2023 mindestens 3.774 zivile Opfer, davon 1.095 Tote (UNAMA 27.6.2023; vgl. AA 26.6.2023) und vom 20.5.2023 bis 22.10.2023 mindestens 344 zivile Opfer, davon 96 Tote (UNGA 18.9.2023; vgl. UNGA 1.12.2023). Im Vergleich waren es in den ersten sechs Monaten nach der Machtübernahme der Taliban 1.153 zivile Opfer, davon 397 Tote, während es in der ersten Jahreshälfte 2021 (also vor der Machtübernahme der Taliban) 5.183 zivile Opfer, davon 1.659 Tote gab. In der Mehrzahl handelte es sich um Anschläge durch Selbstmordattentäter und IEDs. Bei Anschlägen auf religiöse Stätten wurden 1.218 Opfer, inkl. Frauen und Kinder, verletzt oder getötet. 345 Opfer wurden unter den mehrheitlich schiitischen Hazara gefordert. Bei Angriffen auf die Taliban wurden 426 zivile Opfer registriert (AA 26.6.2023).UNAMA registrierte im Zeitraum 15.08.2021 - 30.05.2023 mindestens 3.774 zivile Opfer, davon 1.095 Tote (UNAMA 27.6.2023; vergleiche AA 26.6.2023) und vom 20.5.2023 bis 22.10.2023 mindestens 344 zivile Opfer, davon 96 Tote (UNGA 18.9.2023; vergleiche UNGA 1.12.2023). Im Vergleich waren es in den ersten sechs Monaten nach der Machtübernahme der Taliban 1.153 zivile Opfer, davon 397 Tote, während es in der ersten Jahreshälfte 2021 (also vor der Machtübernahme der Taliban) 5.183 zivile Opfer, davon 1.659 Tote gab. In der Mehrzahl handelte es sich um Anschläge durch Selbstmordattentäter und IEDs. Bei Anschlägen auf religiöse Stätten wurden 1.218 Opfer, inkl. Frauen und Kinder, verletzt oder getötet. 345 Opfer wurden unter den mehrheitlich schiitischen Hazara gefordert. Bei Angriffen auf die Taliban wurden 426 zivile Opfer registriert (AA 26.6.2023).

Im Jahr 2023 war ein Rückgang der von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) und UCDP (Uppsala Conflict Data Program) erfassten sicherheitsrelevanten Vorfälle zu verzeichnen. Die Zahl der von ACLED bis September 2023 erfassten Ereignisse ging im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2022 um 34,8 % zurück (1.979 gegenüber 689 Ereignissen), während die UCDP-Daten für denselben Zeitraum einen Rückgang um 48,2 % anzeigten (720 gegenüber 347 Ereignissen) (EUAA 12.2023; vgl. ACLED 17.10.2023); vgl. ACLED 17.10.2023Im Jahr 2023 war ein Rückgang der von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) und UCDP (Uppsala Conflict Data Program) erfassten sicherheitsrelevanten Vorfälle zu verzeichnen. Die Zahl der von ACLED bis September 2023 erfassten Ereignisse ging im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2022 um 34,8 % zurück (1.979 gegenüber 689 Ereignissen), während die UCDP-Daten für denselben Zeitraum einen Rückgang um 48,2 % anzeigten (720 gegenüber 347 Ereignissen) (EUAA 12.2023; vergleiche ACLED 17.10.2023); vergleiche ACLED 17.10.2023

Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgend:

19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)

1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)

22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)

17.8.2022 - 13.11.2022: 1.587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)

14.11.2022 - 31.1.2023: 1.088 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 10 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 27.2.2023)

1.2.2023 - 20.5.2023: 1.650 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 20.6.2023)

25.5.2023 - 31.7.2023: 1.259 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 18.9.2023)

1.8.2023 - 21.10.2023: 1.414 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 1.12.2023)

Ende 2022 und während des Jahres 2023 nehmen die Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppierungen und den Taliban weiter ab (UNGA 27.2.2023; vgl. UNGA 20.6.2023, UNGA 18.9.2023, UNGA 20.6.2023), wobei diese nach Einschätzung der Vereinten Nationen den Taliban die Kontrolle über ihr Gebiet nicht streitig machen können (UNGA 1.12.2023). Die dem Taliban-Verteidigungsministerium unterstehenden Sicherheitskräfte führten weiterhin Operationen gegen Oppositionskämpfer durch, darunter am 11.4.2023 eine Operation gegen die Afghanische Freiheitsfront (AFF) im Distrikt Salang in der Provinz Parwan, bei der Berichten zufolge acht Oppositionskämpfer getötet wurden (UNGA 20.6.2023).Ende 2022 und während des Jahres 2023 nehmen die Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppierungen und den Taliban weiter ab (UNGA 27.2.2023; vergleiche UNGA 20.6.2023, UNGA 18.9.2023, UNGA 20.6.2023), wobei diese nach Einschätzung der Vereinten Nationen den Taliban die Kontrolle über ihr Gebiet nicht streitig machen können (UNGA 1.12.2023). Die dem Taliban-Verteidigungsministerium unterstehenden Sicherheitskräfte führten weiterhin Operationen gegen Oppositionskämpfer durch, darunter am 11.4.2023 eine Operation gegen die Afghanische Freiheitsfront (AFF) im Distrikt Salang in der Provinz Parwan, bei der Berichten zufolge acht Oppositionskämpfer getötet wurden (UNGA 20.6.2023).

Ca. 50 % der sicherheitsrelevanten Vorfälle des Jahres 2023 entfielen auf die Regionen im Norden, Osten und Westen wobei die Provinzen Nangarhar, Kunduz, Herat (UNGA 20.6.2023), Takhar (UNGA 18.9.2023) und Kabul am stärksten betroffen waren (UNGA 1.12.2023).

Die Vereinten Nationen berichten, dass Afghanistan nach wie vor ein Ort von globaler Bedeutung für den Terrorismus ist, da etwa 20 terroristische Gruppen in dem Land operieren. Es wird vermutet, dass das Ziel dieser Terrorgruppen darin besteht, ihren jeweiligen Einfluss in der Region zu verbreiten und theokratische Quasi-Staatsgebilde zu errichten (UNSC 25.7.2023). Die Grenzen zwischen Mitgliedern von Al-Qaida und mit ihr verbundenen Gruppen, einschließlich TTP (Tehreek-e Taliban Pakistan), und der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) sind zuweilen fließend, wobei sich Einzelpersonen manchmal mit mehr als einer Gruppe identifizieren und die Tendenz besteht, sich der dominierenden oder aufsteigenden Macht zuzuwenden (UNSC 25.7.2023).

Hatten sich die Aktivitäten des ISKP nach der Machtübernahme der Taliban zunächst verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022), so nahmen auch diese im Lauf der Jahre 2022 (UNGA 7.12.2022; vgl. UNGA 27.2.2023) und in 2023 wieder ab (UNGA 20.6.2023; vgl. UNGA 18.9.2023, UNGA 1.12.2023). Die Gruppe verübte weiterhin Anschläge auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die schiitischen Hazara (HRW 12.1.2023; vgl. UNAMA 22.1.2024). Die Taliban-Sicherheitskräfte führten Operationen zur Bekämpfung des ISKP durch, unter anderem in den Provinzen Kabul, Herat, Balkh, Faryab, Jawzjan, Nimroz, Parwan, Kunduz und Takhar (UNGA 20.6.2023).Hatten sich die Aktivitäten des ISKP nach der Machtübernahme der Taliban zunächst verstärkt (UNGA 28.1.2022; vergleiche UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022), so nahmen auch diese im Lauf der Jahre 2022 (UNGA 7.12.2022; vergleiche UNGA 27.2.2023) und in 2023 wieder ab (UNGA 20.6.2023; vergleiche UNGA 18.9.2023, UNGA 1.12.2023). Die Gruppe verübte weiterhin Anschläge auf die Zivilbevölkerung, insbesondere auf die schiitischen Hazara (HRW 12.1.2023; vergleiche UNAMA 22.1.2024). Die Taliban-Sicherheitskräfte führten Operationen zur Bekämpfung des ISKP durch, unter anderem in den Provinzen Kabul, Herat, Balkh, Faryab, Jawzjan, Nimroz, Parwan, Kunduz und Takhar (UNGA 20.6.2023).

Mit Verweis auf das United Nations Department of Safety and Security (UNDSS) berichtet IOM (International Organization for Migration), dass organisierte Verbrechergruppen in ganz Afghanistan an Entführungen zur Erlangung von Lösegeld beteiligt sind. 2023 wurden 21 Entführungen dokumentiert, 2024 waren es, mit Stand Februar 2024, zwei. Anscheinend werden nicht alle Entführungen gemeldet, und oft zahlen die Familien das Lösegeld. Die meisten Entführungen (soweit Informationen verfügbar waren) fanden in oder in der Nähe von Wohnhäusern statt und nicht auf der Straße. Von den 21 im Jahr 2023 gemeldeten Entführungen ereigneten sich vier in Kabul. Zwei der Vorfälle in Kabul betrafen die Entführung ausländischer Staatsangehöriger, wobei nur wenige Einzelheiten über die Umstände der Entführungen bekannt wurden. Die Taliban-Sicherheitskräfte reagierten aktiv auf Entführungsfälle. Im Juni 2023 leiteten die Taliban beispielsweise in Kabul eine erfolgreiche Rettungsaktion eines entführten ausländischen Staatsangehörigen. In der Provinz Balkh führte eine Reaktion der Taliban gegen die Entführer im Februar 2023 zum Tod eines Entführers und zur Festnahme von zwei weiteren Personen (IOM 22.2.2024).

Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul-Stadt, Herat-Stadt und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 70,7 % bzw. 79,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).

Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul-Stadt. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).

Verfolgungungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten

Letzte Änderung 2024-04-03 14:28

Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen (AA 26.6.2023; vgl. USDOS 20.3.2023), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021a; vgl. DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vgl. NYT 29.8.2021), unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022). So wurde beispielsweise berichtet, dass ein ehemaliger Militäroffizier nach seiner Abschiebung von Iran nach Afghanistan durch ein biometrisches Gerät identifiziert wurde und danach von den Taliban gewaltsam zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer Rückkehrer aus Iran berichtet, dass im Zuge der Abschiebung aus Iran Daten der Rückkehrer vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben werden (KaN 18.10.2023).Trotz mehrfacher Versicherungen der Taliban, von Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Angehörigen der ehemaligen Regierung und Sicherheitsbehörden abzusehen (AA 26.6.2023; vergleiche USDOS 20.3.2023), wurde nach der Machtübernahme der Taliban berichtet, dass diese auf der Suche nach ehemaligen Mitarbeitern der internationalen Streitkräfte oder der afghanischen Regierung von Tür zu Tür gingen und deren Angehörige bedrohten. Ein Mitglied einer Rechercheorganisation, welche einen (nicht öffentlich zugänglichen) Bericht zu diesem Thema für die Vereinten Nationen verfasste, sprach von einer "schwarzen Liste" der Taliban und großer Gefahr für jeden, der sich auf dieser Liste befände (BBC 20.8.2021a; vergleiche DW 20.8.2021). Im Zuge der Machtübernahme im August 2021 hatten die Taliban Zugriff auf Mitarbeiterlisten der Behörden (HRW 1.11.2021; vergleiche NYT 29.8.2021), unter anderem auf eine biometrische Datenbank mit Angaben zu aktuellen und ehemaligen Angehörigen der Armee und Polizei bzw. zu Afghanen, die den internationalen Truppen geholfen haben (Intercept 17.8.2021). Auch Human Rights Watch (HRW) zufolge kontrollieren die Taliban Systeme mit sensiblen biometrischen Daten, die westliche Geberregierungen im August 2021 in Afghanistan zurückgelassen haben. Diese digitalen Identitäts- und Gehaltsabrechnungssysteme enthalten persönliche und biometrische Daten von Afghanen, darunter Irisscans, Fingerabdrücke, Fotos, Beruf, Wohnadressen und Namen von Verwandten. Die Taliban könnten diese Daten nutzen, um vermeintliche Gegner ins Visier zu nehmen, und Untersuchungen von Human Rights Watch deuten darauf hin, dass sie die Daten in einigen Fällen bereits genutzt haben könnten (HRW 30.3.2022). So wurde beispielsweise berichtet, dass ein ehemaliger Militäroffizier nach seiner Abschiebung von Iran nach Afghanistan durch ein biometrisches Gerät identifiziert wurde und danach von den Taliban gewaltsam zum Verschwinden gebracht wurde. Ein weiterer Rückkehrer aus Iran berichtet, dass im Zuge der Abschiebung aus Iran Daten der Rückkehrer vom iranischen Geheimdienst an die Taliban weitergegeben werden (KaN 18.10.2023).

Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung nutzt soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a, 8am 14.11.2022), was dazu führt, dass Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in den sozialen Medien Selbstzensur verüben, aus Angst und Unsicherheit (Internews 12.2023). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Streitkräfte berichtet, dass ihm vor seiner Rückkehr verschiedene Versprechen gemacht wurden, er bei Ankunft auf dem Flughafen in Kabul jedoch wie ein Feind behandelt wurde. Er wurde sofort erkannt, da die Taliban sein Bild und weitere Informationen zu seiner Person über die sozialen Medien verbreiteten. Mit Stand Oktober 2023 lebt er in Kabul, sein Haus wurde mehrfach durch die Taliban durchsucht und sein Bankkonto gesperrt. Ein anderes Mitglied der ehemaligen Streitkräfte gab an, dass seine Informationen vor seiner Rückkehr auf Twitter [Anm.: jetzt X] verbreitet wurden und ein weiterer Rückkehrer berichtete, dass er eine biometrische Registrierung durchlaufen musste (KaN 18.10.2023).Die Taliban sind in den sozialen Medien aktiv, unter anderem zu Propagandazwecken. Die Gruppierung nutzt soziale Medien und Internettechnik jedoch nicht nur für Propagandazwecke und ihre eigene Kommunikation, sondern auch, um Gegner des Taliban-Regimes aufzuspüren (Golem 20.8.2021; vergleiche BBC 20.8.2021a, 8am 14.11.2022), was dazu führt, dass Afghanen seit der Machtübernahme der Taliban in den sozialen Medien Selbstzensur verüben, aus Angst und Unsicherheit (Internews 12.2023). So wurde beispielsweise ein afghanischer Professor verhaftet, nachdem er die Taliban via Social Media kritisierte (FR24 9.1.2022), während ein junger Mann in der Provinz Ghor Berichten zufolge nach einer Onlinekritik an den Taliban verhaftet wurde (8am 14.11.2022). Einem afghanischen Journalisten zufolge verwenden die Taliban soziale Netzwerke wie Facebook und LinkedIn, um jene Afghanen zu identifizieren, die mit westlichen Gruppen und der US-amerikanischen Hilfsagentur USAID zusammengearbeitet haben (ROW 20.8.2021). Ein hochrangiges Mitglied der ehemaligen Streitkräfte berichtet, dass ihm vor seiner Rückkehr verschiedene Versprechen gemacht wurden, er bei Ankunft auf dem Flughafen in Kabul jedoch wie ein Feind behandelt wurde. Er wurde sofort erkannt, da die Taliban sein Bild und weitere Informationen zu seiner Person über die sozialen Medien verbreiteten. Mit Stand Oktober 2023 lebt er in Kabul, sein Haus wurde mehrfach durch die Taliban durchsucht und sein Bankkonto gesperrt. Ein anderes Mitglied der ehemaligen Streitkräfte gab an, dass seine Informationen vor seiner Rückkehr auf Twitter [Anm.: jetzt X] verbreitet wurden und ein weiterer Rückkehrer berichtete, dass er eine biometrische Registrierung durchlaufen musste (KaN 18.10.2023).

Im Sommer 2023 wurde berichtet, dass die Taliban ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz für afghanische Städte aufbauen (AI 5.9.2023; vgl. VOA 25.9.2023), das die Wiederverwendung eines Plans beinhalten könnte, der von den Amerikanern vor ihrem Abzug 2021 ausgearbeitet wurde, so ein Sprecher des Taliban-Innenministeriums. Die Taliban-Regierung hat sich auch mit dem chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei über eine mögliche Zusammenarbeit beraten, sagte der Sprecher (VOA 25.9.2023; vgl. RFE/RL 1.9.2023), wobei Huawei bestritt, beteiligt zu sein (RFE/RL 1.9.2023). Beobachter befürchten jedoch, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen (RFE/RL 1.9.2023), einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen (RFE/RL 1.9.2023).Im Sommer 2023 wurde berichtet, dass die Taliban ein groß angelegtes Kameraüberwachungsnetz für afghanische Städte aufbauen (AI 5.9.2023; vergleiche VOA 25.9.2023), das die Wiederverwendung eines Plans beinhalten könnte, der von den Amerikanern vor ihrem Abzug 2021 ausgearbeitet wurde, so ein Sprecher des Taliban-Innenministeriums. Die Taliban-Regierung hat sich auch mit dem chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei über eine mögliche Zusammenarbeit beraten, sagte der Sprecher (VOA 25.9.2023; vergleiche RFE/RL 1.9.2023), wobei Huawei bestritt, beteiligt zu sein (RFE/RL 1.9.2023). Beobachter befürchten jedoch, dass die Taliban ihr Netz von Überwachungskameras auch dazu nutzen werden, abweichende Meinungen zu unterdrücken und ihre repressive Politik durchzusetzen (RFE/RL 1.9.2023), einschließlich der Einschränkung des Erscheinungsbildes der Afghanen, der Bewegungsfreiheit, des Rechts zu arbeiten oder zu studieren und des Zugangs zu Unterhaltung und unzensierten Informationen (RFE/RL 1.9.2023).

Zentrale Akteure

Taliban

Letzte Änderung 2024-04-05 15:33

Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe (CFR 17.8.2022), die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USDOS 20.3.2023; vgl. VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).Die Taliban sind eine überwiegend paschtunische, islamisch-fundamentalistische Gruppe (CFR 17.8.2022), die 2021 nach einem zwanzigjährigen Aufstand wieder an die Macht in Afghanistan kam (CFR 17.8.2022; vergleiche USDOS 20.3.2023). Die Taliban bezeichnen ihre Regierung als das "Islamische Emirat Afghanistan" (USDOS 20.3.2023; vergleiche VOA 1.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen (USIP 17.8.2022).

Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vgl. Rehman A./PJIA 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vgl. CFR 17.8.2022, Rehman A./PJIA 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022; vgl. Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).Die Taliban-Regierung weist eine starre hierarchische Struktur auf, deren oberstes Gremium die Quetta-Shura ist (EER 10.2022), benannt nach der Stadt in Pakistan, in der Mullah Mohammed Omar, der erste Anführer der Taliban, und seine wichtigsten Helfer nach der US-Invasion Zuflucht gesucht haben sollen. Sie wird von Mawlawi Hibatullah Akhundzada geleitet (CFR 17.8.2022; vergleiche Rehman A./PJIA 6.2022), dem obersten Führer der Taliban (Afghan Bios 7.7.2022a; vergleiche CFR 17.8.2022, Rehman A./PJIA 6.2022). Er gilt als die ultimative Autorität in allen religiösen, politischen und militärischen Angelegenheiten (EUAA 8.2022; vergleiche Afghan Bios 7.7.2022a, REU 7.9.2021a).

Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022; vgl. NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022; vgl. REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022; vgl. DW 11.10.2021).Nach der Machtübernahme versuchten die Taliban sich von "einem dezentralisierten, flexiblen Aufstand zu einer staatlichen Autorität" zu entwickeln (EUAA 8.2022; vergleiche NI 24.11.2021). Im Zuge dessen herrschten Berichten zufolge zunächst Unklarheiten unter den Taliban über die militärischen Strukturen der Bewegung (EUAA 8.2022; vergleiche DW 11.10.2021) und es gab in vielen Fällen keine erkennbare Befehlskette (EUAA 8.2022; vergleiche REU 10.9.2021). Dies zeigte sich beispielsweise in Kabul, wo mehrere Taliban-Kommandeure behaupteten, für dasselbe Gebiet oder dieselbe Angelegenheit zuständig zu sein. Während die frühere Taliban-Kommission für militärische Angelegenheiten das Kommando über alle Taliban-Kämpfer hatte, herrschte Berichten zufolge nach der Übernahme der Kontrolle über das Land unter den Kämpfern vor Ort Unsicherheit darüber, ob sie dem Verteidigungsministerium oder dem Innenministerium unterstellt sind (EUAA 8.2022; vergleiche DW 11.10.2021).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks (GSSR 12.11.2023), eine Beziehung zum Führer von al-Qaida, Osama bin Laden (UNSC o.D.c; vgl. FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vgl. ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Der Kern der Ideologie der Gruppe ist eine antiwestliche, regierungsfeindliche und "sunnitisch-islamische Deobandi"-Haltung, die an die Einhaltung orthodoxer islamischer Prinzipien glaubt, die durch die Scharia geregelt werden, und die den Einsatz des Dschihad zur Erreichung der Ziele der Gruppe befürwortet. Die Haqqanis lehnen äußere Einflüsse innerhalb des Islams strikt ab und fordern, dass die Scharia das Gesetz des Landes ist (GSSR 12.11.2023). Das Haqqani-Netzwerk hat seine Wurzeln im Afghanistan-Konflikt der späten 1970er-Jahre. Mitte der 1980er-Jahre knüpfte Jalaluddin Haqqani, der Gründer des Haqqani-Netzwerks (GSSR 12.11.2023), eine Beziehung zum Führer von al-Qaida, Osama bin Laden (UNSC o.D.c; vergleiche FR24 21.8.2021). Jalaluddin schloss sich 1995 der Taliban-Bewegung an (UNSC o.D.c; vergleiche ASP 1.9.2020), behielt aber seine eigene Machtbasis an der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan (UNSC o.D.c). Der Kern der Ideologie der Gruppe ist eine antiwestliche, regierungsfeindliche und "sunnitisch-islamische Deobandi"-Haltung, die an die Einhaltung orthodoxer islamischer Prinzipien glaubt, die durch die Scharia geregelt werden, und die den Einsatz des Dschihad zur Erreichung der Ziele der Gruppe befürwortet. Die Haqqanis lehnen äußere Einflüsse innerhalb des Islams strikt ab und fordern, dass die Scharia das Gesetz des Landes ist (GSSR 12.11.2023).

Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vgl. VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vgl. UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom (FR24 21.8.2021), auch wenn es den Taliban angehört (UNSC 21.11.2023; vgl. FR24 21.8.2021).Nach dem Sturz der Taliban im Jahr 2001 übernahm Jalaluddins Sohn, Sirajuddin Haqqani, die Kontrolle über das Netzwerk (UNSC o.D.c, vergleiche VOA 4.8.2022). Er ist seit 2015 auch einer der Stellvertreter des Taliban-Anführers Haibatullah Akhundzada (FR24 21.8.2021; vergleiche UNSC o.D.c). Das Haqqani-Netzwerk gilt dank seiner finanziellen und militärischen Stärke - und seines Rufs als skrupelloses Netzwerk - als halbautonom (FR24 21.8.2021), auch wenn es den Taliban angehört (UNSC 21.11.2023; vergleiche FR24 21.8.2021).

Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vgl. UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vgl. DT 7.5.2022) und den Tehreek-e-Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).Das Netzwerk unterhält Verbindungen zu al-Qaida und, zumindest zeitweise bis zur Machtübernahme der Taliban, der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) (VOA 30.8.2022; vergleiche UNSC 26.5.2022). Es wird angemerkt, dass nach der Machtübernahme und der Eskalation der ISKP-Angriffe kein Raum mehr für Unklarheiten in der strategischen Konfrontation der Taliban mit ISKP bestand und es daher nicht im Interesse der Haqqanis lag, solche Verbindungen zu pflegen (UNSC 26.5.2022). Zudem wird vermutet, dass auch enge Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst (VOA 30.8.2022; vergleiche DT 7.5.2022) und den Tehreek-e-Taliban (TTP), den pakistanischen Taliban, bestehen (UNSC 26.5.2022).

Ethnische Gruppen

Letzte Änderung 2024-03-28 12:04

In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vergleiche CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vergleiche CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).

Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023).

Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023).

Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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