TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/27 95/11/0015

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Veröffentlicht am 27.04.1995
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des A in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 25. November 1994, Zl. 757.008/1-2.7/94, betreffend befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27. Mai 1994 auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes in der Dauer von zwei Jahren gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 690/1992 (WG), abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß zwar wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers an der Befreiung gegeben seien, weil er geschäftsführender Gesellschafter eines namentlich bezeichneten Unternehmens sei. Das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers sei jedoch nicht rücksichtswürdig im Sinne des Wehrgesetzes, weil der Beschwerdeführer, der am 9. Dezember 1993 die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt habe (die Zusicherung sei bereits am 27. April 1993 erfolgt), das Unternehmen gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern am 22. April 1994 gegründet habe, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem er von der bevorstehenden Ableistung des Grundwehrdienstes Kenntnis hätte haben müssen. Er habe daher die ihn treffende Harmonisierungspflicht zur Planung und Gestaltung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten in der Weise, daß er auch in der Lage ist, den Präsenzdienst zu leisten, verletzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer erklärt, in seinem Recht auf vorübergehende Befreiung für die Dauer von zumindest zwei Jahren von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes auf Grund besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG verletzt zu sein, und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, daß er der einzige gewerberechtliche Geschäftsführer des Unternehmens sei, welches nur betrieben werden könne, wenn er im Betrieb tatsächlich tätig sei. Würde er den ordentlichen Präsenzdienst ableisten, wäre er gehindert, die erforderliche Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit, also mindestens 20 Stunden, im Unternehmen tätig zu sein, es müsse daher der Betrieb eingestellt werden und es könnten so keine Gewinne mehr erwirtschaftet werden. Im Unternehmen sei ein Lehrling beschäftigt, der Beschwerdeführer sei der einzige Ausbildungsberechtigte. Darüber hinaus hafte der Beschwerdeführer für Verbindlichkeiten von ca. S 350.000,--, seine Einberufung hätte zur Folge, daß die Verbindlichkeiten nicht mehr befriedigt werden könnten. Schließlich habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, so rasch nach der Erteilung der österreichischen Staatsbürgerschaft den Präsenzdienst ableisten zu müssen.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0252 u.v.a.) hat ein Wehrpflichtiger die Planung und Gestaltung seiner privaten und wirtschaftlichen (beruflichen) Angelegenheiten im Interesse einer Harmonisierung mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes so vorzunehmen, daß für den Fall seiner Einberufung vorhersehbare Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert, nicht aber vergrößert oder gar erst geschaffen werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - von der Beschwerde unbestritten - festgestellt, daß der Beschwerdeführer seit 9. Dezember 1993 im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ist. Am 1. Oktober 1993 legte der Beschwerdeführer die Meisterprüfung für das Handwerk Tapezierer und Dekorateure ab. Mit Gesellschaftsvertrag vom 22. April 1994 gründete der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei anderen Gesellschaftern das gegenständliche Unternehmen, an dem er zu 25 % beteiligt ist. Gemeinsam mit einem der übrigen Mitgesellschafter sei der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer des Unternehmens, welches sich mit Raumausstattung befasse und im Aufbau begriffen sei. Aus dem Akteninhalt ist ferner ersichtlich, daß im Oktober 1994 für das Unternehmen ein Abstattungskredit zum Zwecke der Betriebsneugründung über die Kreditsumme von S 350.000,-- aufgenommen wurde, für den in zehn Raten, jeweils am 31. Dezember und 30. Juni, erstmals per 31. Dezember 1994, je S 35.000,-- zurückzuzahlen sind. Der Beschwerdeführer haftet hiefür laut Bürgschaftsvertrag vom 20. Oktober 1994 als Bürge und Zahler.

Bei der Neugründung des Unternehmens und der in Rede stehenden wirtschaftlichen Dispositionen mußte dem Beschwerdeführer jedenfalls bekannt und bewußt sein, daß er seiner Präsenzdienstpflicht als österreichischer Staatsbürger werde nachkommen müssen. Dies wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Aus dem von ihm ins Treffen geführten Argument, er habe nicht damit rechnen müssen, daß er unmittelbar zur Leistung des Präsenzdienstes einberufen werden sollte, ist für ihn schon deshalb nichts gewonnen, weil für die Militärbehörde keine gesetzliche Veranlassung besteht, mit der Heranziehung des Wehrpflichtigen zur Ableistung des Grundwehrdienstes bis knapp vor die Vollendung des 35. Lebensjahres zuzuwarten.

Der Beschwerdeführer war daher verhalten, die Vereinbarkeit der ihn treffenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtung mit der Aufnahme seiner Gewerbetätigkeit zu prüfen. Der Beschwerdeführer wäre daher verpflichtet gewesen, entweder seine wirtschaftlichen Dispositionen, insbesondere auch das Eingehen von Kreditbelastungen (mit erheblichen Zahlungsverpflichtungen) so zu gestalten, daß er in der Lage gewesen wäre, seiner Präsenzdienstpflicht nachzukommen oder aber, wenn er zu dem Schluß gekommen wäre, dessen Ableistung würde eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit unmöglich machen, von der sich ihm bietenden Möglichkeit auf Gesellschaftsgründung und Aufnahme der Tätigkeit im Unternehmen Abstand zu nehmen.

Die belangte Behörde ist somit im Recht, wenn sie die besondere Rücksichtswürdigkeit der wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers im Sinne des Wehrgesetzes deshalb verneint hat, weil er die in Rede stehenden wirtschaftlichen Dispositionen nicht so getroffen hat, daß ihm die bevorstehende Präsenzdienstleistung möglich ist. Da der Beschwerdeführer wissen mußte, daß er seinen ordentlichen Präsenzdienst zu leisten hat, sind ihm die genannten Grundsätze auch dann entgegenzuhalten, wenn er sich auf eine angebliche Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz und die damit verbundene finanzielle Benachteiligung beruft (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0252).

Insoweit sich der Beschwerdeführer darauf bezieht, daß er der einzige Ausbildungsberechtigte für den aufgenommenen Lehrling ist, ist ihm zu entgegnen, daß es bei der Befreiung von der Präsenzdienstpflicht nur auf die eigenen rücksichtswürdigen Interessen des Beschwerdeführers ankommt. Schließlich ist auch aus dem Argument, der Mitgesellschafter des Beschwerdeführers wäre in der Lage, innerhalb der nächsten zwei Jahre eine gewerberechtliche Befugnis zu erlangen, um den Beschwerdeführer als gewerberechtlichen Geschäftsführer vertreten zu können, nichts gewonnen. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß er in Erfüllung der ihn treffenden Harmonisierungspflicht in Kenntnis der bevorstehenden Präsenzdienstleistung schon anläßlich der Gründung des Unternehmens gemeinsam mit seinen Mitgesellschaftern dafür hätte Sorge tragen müssen, daß eine diesbezügliche Vertretung gewährleistet ist, auch wenn der Beschwerdeführer alsbald einberufen werden würde. Hier hätte - ebenso wie in Bezug auf die Darlehensrückzahlung - in geeigneter Weise rechtzeitig Vorsorge getroffen werden müssen, um den Bestand des Unternehmens während der Abwesenheit des Beschwerdeführers zur Ableistung des Grundwehrdienstes zu sichern.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995110015.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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