TE Bvwg Erkenntnis 2024/9/10 W292 2288925-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.09.2024
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Entscheidungsdatum

10.09.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W292 2288925-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herwig ZACZEK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, Arabische Republik, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 20.02.2024, Zl. 1319129600-222491045, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Herwig ZACZEK als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Syrien, Arabische Republik, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 20.02.2024, Zl. 1319129600-222491045, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2024 zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A)       Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (BF), syrischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, reiste spätestens am 10.08.2022 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Am darauffolgenden Tag, dem 11.08.2022, fand eine Erstbefragung durch die Sicherheitsbehörden statt; der Beschwerdeführer gab an, sein Heimatland aufgrund des Krieges verlassen zu haben. Im Falle einer Rückkehr würde sein Leben und jenes seiner Kinder in Gefahr sein.

2.       Im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA (belangte Behörde) am 20.10.2023 gab der Beschwerdeführer an, er sei seit 2014 verheiratet und habe zwei Söhne und drei Töchter; seine gesamte Familie befinde sich derzeit in der Türkei. Seine Eltern würden nach wie vor im Heimatland, in XXXX , in einem Haus leben und eine Landwirtschaft betreiben. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, ab 2003 in Aleppo aufhältig gewesen zu sein und vom dortigen Bürgermeister darüber informiert worden zu sein, dass er zum Reservedienst einberufen worden sei. Der Beschwerdeführer hätte sich binnen 15 Tagen beim Militär melden und einrücken müssen, woraufhin er Aleppo in Richtung XXXX in XXXX verlassen habe. Im Jahr 2014 habe er geheiratet und sei dann sieben bis acht Monate später dazu aufgefordert worden, bei den Kurden zu dienen. Dabei habe es sich um eine Art Zwangsrekrutierung gehandelt; von jedem Haus sollte zumindest eine Person eingezogen werden. Der Beschwerdeführer habe das nicht gewollt und habe auch erfahren, dass Beamte des syrischen Regimes in Aleppo nach ihm gesucht hätten, weshalb er sich schließlich dazu entschlossen habe, das Land in Richtung Türkei zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst von April 2009 bis Februar 2011 abgeleistet; er sei normaler Rekrut gewesen und habe keine Spezialfunktion innegehabt. Er werde nunmehr von allen drei Konfliktparteien gesucht und wolle nicht in die Heimat zurückkehren. Vom syrischen Regime werde er wegen des Reservedienstes gesucht, zudem drohe ihm eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden. Auch in jener Region, die von der freien syrischen Armee kontrolliert werde, bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer kämpfen müsse. 2.       Im Zuge seiner Einvernahme vor dem BFA (belangte Behörde) am 20.10.2023 gab der Beschwerdeführer an, er sei seit 2014 verheiratet und habe zwei Söhne und drei Töchter; seine gesamte Familie befinde sich derzeit in der Türkei. Seine Eltern würden nach wie vor im Heimatland, in römisch 40 , in einem Haus leben und eine Landwirtschaft betreiben. Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, ab 2003 in Aleppo aufhältig gewesen zu sein und vom dortigen Bürgermeister darüber informiert worden zu sein, dass er zum Reservedienst einberufen worden sei. Der Beschwerdeführer hätte sich binnen 15 Tagen beim Militär melden und einrücken müssen, woraufhin er Aleppo in Richtung römisch 40 in römisch 40 verlassen habe. Im Jahr 2014 habe er geheiratet und sei dann sieben bis acht Monate später dazu aufgefordert worden, bei den Kurden zu dienen. Dabei habe es sich um eine Art Zwangsrekrutierung gehandelt; von jedem Haus sollte zumindest eine Person eingezogen werden. Der Beschwerdeführer habe das nicht gewollt und habe auch erfahren, dass Beamte des syrischen Regimes in Aleppo nach ihm gesucht hätten, weshalb er sich schließlich dazu entschlossen habe, das Land in Richtung Türkei zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst von April 2009 bis Februar 2011 abgeleistet; er sei normaler Rekrut gewesen und habe keine Spezialfunktion innegehabt. Er werde nunmehr von allen drei Konfliktparteien gesucht und wolle nicht in die Heimat zurückkehren. Vom syrischen Regime werde er wegen des Reservedienstes gesucht, zudem drohe ihm eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden. Auch in jener Region, die von der freien syrischen Armee kontrolliert werde, bestehe die Gefahr, dass der Beschwerdeführer kämpfen müsse.

3.       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.08.2022 mit im Spruch bezeichneten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Beschwerdeführer jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). 3.       Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.08.2022 mit im Spruch bezeichneten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte dem Beschwerdeführer jedoch gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend hielt die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen fest, die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Ableistung des Militärdienstes erscheine aufgrund der vorgelegten Beweismitteln in Verbindung mit dem Alter des Beschwerdeführers glaubhaft, jedoch habe sich der Beschwerdeführe den Rekrutierungsversuchen des Regimes durch den Wohnortwechsel in sein Heimatdorf erfolgreich entziehen können. Zudem bestehe für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich vom Militärdienst freizukaufen. Eine drohende Rekrutierung durch die kurdischen Einheiten habe der Beschwerdeführer aufgrund seiner vagen und oberflächlichen Angaben nicht glaubhaft gemacht. Zudem erscheine eine Einberufung durch kurdische Einheiten schon aufgrund des Lebensalters des Beschwerdeführers maßgeblich unwahrscheinlich, zumal bei den Kurden eine Wehrdienstpflicht nur im Alter zwischen 18 und 24 Jahren bestehe. Auch aus seinen sonstigen Ausführungen sei kein asylrelevanter Sachverhalt hervorgekommen. Begründend hielt die belangte Behörde zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen fest, die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Ableistung des Militärdienstes erscheine aufgrund der vorgelegten Beweismitteln in Verbindung mit dem Alter des Beschwerdeführers glaubhaft, jedoch habe sich der Beschwerdeführe den Rekrutierungsversuchen des Regimes durch den Wohnortwechsel in sein Heimatdorf erfolgreich entziehen können. Zudem bestehe für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, sich vom Militärdienst freizukaufen. Eine drohende Rekrutierung durch die kurdischen Einheiten habe der Beschwerdeführer aufgrund seiner vagen und oberflächlichen Angaben nicht glaubhaft gemacht. Zudem erscheine eine Einberufung durch kurdische Einheiten schon aufgrund des Lebensalters des Beschwerdeführers maßgeblich unwahrscheinlich, zumal bei den Kurden eine Wehrdienstpflicht nur im Alter zwischen 18 und 24 Jahren bestehe. Auch aus seinen sonstigen Ausführungen sei kein asylrelevanter Sachverhalt hervorgekommen.

4.       Gegen Spruchpunkt I des oben bezeichneten Bescheides richtet sich die gegenständliche Bescheidbeschwerde. Im Rahmen seines Beschwerdevorbringens führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei der Grundsatz des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG verletzt worden, zumal der Beschwerdeführer keine ausreichende Zeit und Gelegenheit gehabt habe, auf die Feststellungen zu seinem Heimatland, die ihm im Zuge des Verfahrens vorgehalten worden seien, zu reagieren. Zudem seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und teilweise unrichtig, zumal sich diese nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen würden. Die vom Bundesamt vorgenommene Beweiswürdigung sei unschlüssig und entspreche nicht den Anforderungen des § 60 AVG, da sie sich zu weiten Teilen aus inhaltsleeren Textbausteinen zusammensetze. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen durchgehend glaubwürdig und nachvollziehbar erstattet. Die Möglichkeit des Freikaufs existiere lediglich auf dem Papier und bestehe faktisch nicht. Aus den Länderberichten ergebe sich eindeutig, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee beziehungsweise dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen drohe. Der Beschwerdeführer verfüge auch über keine Möglichkeit, unter Umgehung der syrischen Kontrollen in seinen Herkunftsstaat einzureisen. Der Beschwerdeführer befürchte weiters von kurdischen Milizen zum „Selbstverteidigungsdienst“ rekrutiert zu werden. Hinzu komme, dass dem Beschwerdeführer schon durch seine illegale Ausreise und seine Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten sowie seiner Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle Gesinnung vom Regime unterstellt werde. 4.       Gegen Spruchpunkt römisch eins des oben bezeichneten Bescheides richtet sich die gegenständliche Bescheidbeschwerde. Im Rahmen seines Beschwerdevorbringens führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sei der Grundsatz des Parteiengehörs gemäß Paragraph 45, Absatz 3, AVG verletzt worden, zumal der Beschwerdeführer keine ausreichende Zeit und Gelegenheit gehabt habe, auf die Feststellungen zu seinem Heimatland, die ihm im Zuge des Verfahrens vorgehalten worden seien, zu reagieren. Zudem seien die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen unvollständig und teilweise unrichtig, zumal sich diese nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen würden. Die vom Bundesamt vorgenommene Beweiswürdigung sei unschlüssig und entspreche nicht den Anforderungen des Paragraph 60, AVG, da sie sich zu weiten Teilen aus inhaltsleeren Textbausteinen zusammensetze. Der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen durchgehend glaubwürdig und nachvollziehbar erstattet. Die Möglichkeit des Freikaufs existiere lediglich auf dem Papier und bestehe faktisch nicht. Aus den Länderberichten ergebe sich eindeutig, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee beziehungsweise dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen drohe. Der Beschwerdeführer verfüge auch über keine Möglichkeit, unter Umgehung der syrischen Kontrollen in seinen Herkunftsstaat einzureisen. Der Beschwerdeführer befürchte weiters von kurdischen Milizen zum „Selbstverteidigungsdienst“ rekrutiert zu werden. Hinzu komme, dass dem Beschwerdeführer schon durch seine illegale Ausreise und seine Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten sowie seiner Asylantragstellung im Ausland eine oppositionelle Gesinnung vom Regime unterstellt werde.

5.       Am 24.07.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich das Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft und diesen ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt. Zu seiner Fluchtgeschichte gab der Beschwerdeführer an, er habe in den Jahren 2009 bis 2011 seinen Militärdienst abgeleistet und habe dann im September 2013, als er sich in Aleppo aufgehalten habe, einen Einberufungsbefehl im Wege des Bürgermeisters erhalten. Ein Nachbar habe ihn, als er in der Arbeit gewesen sei, verständigt, dass die Polizei bei ihm zu Hause nach ihm suche, weshalb der Beschwerdeführer nach XXXX zurückgereist sei. Dort habe er im Jahr 2014 geheiratet. In der Folge seien die Kurden gekommen und hätten angekündigt, dass von jedem Haus ein Mann zum Militär einrücken müssen. Da der Beschwerdeführer nicht habe einrücken wollen, habe sein Vater einen Schlepper organisiert, der den Beschwerdeführer in die Türkei gebracht habe. Nachgefragt, ob er sich in Syrien jemals politisch betätigt oder geäußert habe, brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Mitglied der XXXX gewesen und habe in Aleppo Zeitschriften verteilt; er sei damals zu Häusern gegangen und habe Menschen über die Rechte der Kurden informiert. Was die von ihm im Zuge der Verhandlung vorgelegte Urkunde betreffe, so bestätigte diese, dass er ein Parteimitglied gewesen sei. Syrien habe er im Jahr 2014 verlassen und sei seither nicht mehr dorthin zurückgekehrt. 5.       Am 24.07.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch-Kurmanji eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung hat sich das Bundesverwaltungsgericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschafft und diesen ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt. Zu seiner Fluchtgeschichte gab der Beschwerdeführer an, er habe in den Jahren 2009 bis 2011 seinen Militärdienst abgeleistet und habe dann im September 2013, als er sich in Aleppo aufgehalten habe, einen Einberufungsbefehl im Wege des Bürgermeisters erhalten. Ein Nachbar habe ihn, als er in der Arbeit gewesen sei, verständigt, dass die Polizei bei ihm zu Hause nach ihm suche, weshalb der Beschwerdeführer nach römisch 40 zurückgereist sei. Dort habe er im Jahr 2014 geheiratet. In der Folge seien die Kurden gekommen und hätten angekündigt, dass von jedem Haus ein Mann zum Militär einrücken müssen. Da der Beschwerdeführer nicht habe einrücken wollen, habe sein Vater einen Schlepper organisiert, der den Beschwerdeführer in die Türkei gebracht habe. Nachgefragt, ob er sich in Syrien jemals politisch betätigt oder geäußert habe, brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Mitglied der römisch 40 gewesen und habe in Aleppo Zeitschriften verteilt; er sei damals zu Häusern gegangen und habe Menschen über die Rechte der Kurden informiert. Was die von ihm im Zuge der Verhandlung vorgelegte Urkunde betreffe, so bestätigte diese, dass er ein Parteimitglied gewesen sei. Syrien habe er im Jahr 2014 verlassen und sei seither nicht mehr dorthin zurückgekehrt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1.  Die Identität des Beschwerdeführers steht fest; der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX . 1.1.1.  Die Identität des Beschwerdeführers steht fest; der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 .

1.1.2.  Der Beschwerdeführer wurde am XXXX geboren, Ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich islamischen Glaubensrichtung mit sunnitischer Ausrichtung. 1.1.2.  Der Beschwerdeführer wurde am römisch 40 geboren, Ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich islamischen Glaubensrichtung mit sunnitischer Ausrichtung.

1.1.3.  Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf XXXX , Syrien; er hat dort bis zum Alter von XXXX Jahren gelebt. Ab dem Jahr 2003 hat er sich in Aleppo aufgehalten und dort gearbeitet. Von September 2013 bis August 2014 war der Beschwerdeführer wieder in seinem Heimatdorf XXXX aufhältig. Im August 2014 verließ er sein Heimatland und lebte anschließend bis zum Jahr 2022 in der Türkei. 1.1.3.  Der Beschwerdeführer stammt aus dem Dorf römisch 40 , Syrien; er hat dort bis zum Alter von römisch 40 Jahren gelebt. Ab dem Jahr 2003 hat er sich in Aleppo aufgehalten und dort gearbeitet. Von September 2013 bis August 2014 war der Beschwerdeführer wieder in seinem Heimatdorf römisch 40 aufhältig. Im August 2014 verließ er sein Heimatland und lebte anschließend bis zum Jahr 2022 in der Türkei.

1.1.4.  Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei minderjährige Söhne und drei minderjährige Töchter. Seine Ehefrau und seine Kinder halten sich derzeit in der Türkei auf.

1.1.5.  Die Eltern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXX , Syrien und betreiben dort eine Landwirtschaft. 1.1.5.  Die Eltern des Beschwerdeführers leben nach wie vor in römisch 40 , Syrien und betreiben dort eine Landwirtschaft.

1.1.6.  Der Beschwerdeführer hat in Syrien für neun Jahre die Grundschule besucht und ist anschließend als Maler und Maurer tätig gewesen.

1.1.7.  Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2014 nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt.

1.1.8.  Der Beschwerdeführer ist gesund, nimmt keine Medikamente ein und steht nicht in ärztlicher Behandlung.

1.1.9.  Der Beschwerdeführer wurde bislang in Österreich nicht straffällig.

1.1.10. Der Beschwerdeführer geht im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit nach, er bezieht staatliche Grundversorgungsleistungen und zusätzlich Geldleistungen der Caritas.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1.  Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, XXXX , steht zum Entscheidungszeitpunkt nicht unter syrischer Kontrolle, sondern unter Kontrolle der Kurden.1.2.1.  Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers, römisch 40 , steht zum Entscheidungszeitpunkt nicht unter syrischer Kontrolle, sondern unter Kontrolle der Kurden.

1.2.2.  Die Einreise in dieses Gebiet ist über einen nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang auf dem Landweg möglich, da der Herkunftsort des Beschwerdeführers XXXX im kurdisch kontrollierten Gebiet (AANES) – relativ nahe an der türkisch – syrischen Grenze – liegt und bspw. über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur erreichbar wäre (siehe hierzu die nachfolgende Karte): 1.2.2.  Die Einreise in dieses Gebiet ist über einen nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang auf dem Landweg möglich, da der Herkunftsort des Beschwerdeführers römisch 40 im kurdisch kontrollierten Gebiet (AANES) – relativ nahe an der türkisch – syrischen Grenze – liegt und bspw. über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur erreichbar wäre (siehe hierzu die nachfolgende Karte):

Zudem wäre es dem Beschwerdeführer möglich, über die Türkei, konkret über den Grenzübergang Bab al-Hawa, welcher von syrischen Rebellen und somit nicht von der syrischen Armee kontrolliert wird, einzureisen (siehe nachfolgende Karten):

1.2.3.  In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer ist XXXX Jahre alt. 1.2.3.  In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer ist römisch 40 Jahre alt.

1.2.4.  Der Beschwerdeführer hat seinen verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee bereits von 2009 bis 2011 abgeleistet. Er war einfacher Rekrut und hatte keine Spezialfunktion inne. Er ist somit Reservist.

1.2.5.  Die syrische Regierung ist in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers XXXX , nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee zwangsweise einzuberufen. 1.2.5.  Die syrische Regierung ist in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers römisch 40 , nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee zwangsweise einzuberufen.

1.2.6.  Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen und haben sich auch im Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.

1.2.7.  Dem Beschwerdeführer drohen in Syrien als Kurde keine Konsequenzen wie Folter, unmenschliche Strafe oder Behandlung bei Verweigerung des Dienstes in den kurdischen Selbstverteidigungskräften. Eine Verweigerung des Dienstes bei den kurdischen Selbstverteidigungskräften führt im Fall des Beschwerdeführers nicht zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung seitens der Kurden als Konfliktpartei.

1.2.8.  Der Beschwerdeführer wurde bislang nicht von einer anderen Bürgerkriegspartei zur Teilnahme an Kampfhandlungen oder der Ableistung eines Militärdienstes aufgefordert oder sonst dazu verhalten.

1.2.9.  Der Beschwerdeführer war nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung oder anderer Konfliktparteien wegen einer (unterstellten) oppositionellen Haltung geraten.

1.2.10. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

1.2.11. Seitens österreichischer Behörden sind zur Asylantragstellung des Beschwerdeführers an dessen Herkunftsstaat keinerlei Informationen übermittelt worden.

1.3.    Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen (z.T. bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation SYRIEN vom 27.03.2024 (Version 11)

-        EUAA: Country Guidance Syria, Februar 2023

-        ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197], 24.08.2023

-        Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188]

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, SYRIEN, Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung (ergänzende AFB), 14.10.2022

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, TÜRKEI / SYRIEN, Einreise türkisch-syrische Grenze, Weiterreise in AANES-Gebiete, besonders Tal Rifaat, 29.03.2023

-        Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 16.9.2022: SYRIEN - Fragen des BVwG zu syrischen Wehrdienstgesetzen

-        Themenbericht der Staatendokumentation Syrien – Grenzübergänge aus dem COI-CMS Country of Origin Information – Content Management System, Version 1, 25.10.2023

1.3.1.  Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 11:12

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Letzte Änderung 2024-03-11 06:50

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022). Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge sollen Männer auch unabhängig ihres Gesundheitszustandes eingezogen und in der Verwaltung eingesetzt worden sein (NMFA 8.2023).

Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vgl. ICWA 24.5.2022).Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vergleiche ICWA 24.5.2022).

Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vgl. Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vgl. ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vgl. BAMF 2.2023).Männliche Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge, die zwischen 1948 und 1956 nach Syrien kamen und als solche bei der General Administration for Palestinian Arab Refugees (GAPAR) registriert sind (NMFA 5.2022), bzw. palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht (AA 13.11.2018; vergleiche Action PAL 3.1.2023, ACCORD 21.9.2022). Ihren Wehrdienst leisten sie für gewöhnlich in einer Unterabteilung der syrischen Armee, die den Namen Palästinensische Befreiungsarmee trägt: Palestinian Liberation Army (PLA) (BAMF 2.2023, (AA 13.11.2018; vergleiche ACCORD 21.9.2022). Es konnten keine Quellen gefunden werden, die angeben, dass Palästinenser vom Reservedienst ausgeschlossen seien (ACCORD 21.9.2022; vergleiche BAMF 2.2023).

Frauen können als Berufssoldatinnen dem syrischen Militär beitreten. Dies kommt in der Praxis tatsächlich vor, doch stoßen die Familien oft auf kulturelle Hindernisse, wenn sie ihren weiblichen Verwandten erlauben, in einem so männlichen Umfeld zu arbeiten. Dem Vernehmen nach ist es in der Praxis häufiger, dass Frauen in niedrigeren Büropositionen arbeiten als in bewaffneten oder leitenden Funktionen. Eine Quelle erklärt dies damit, dass Syrien eine männlich geprägte Gesellschaft ist, in der Männer nicht gerne Befehle von Frauen befolgen (NMFA 5.2022).

Mit Stand Mai 2023 werden die regulären syrischen Streitkräfte immer noch von zahlreichen regierungsfreundlichen Milizen unterstützt (CIA 9.5.2023). Frauen sind auch regierungsfreundlichen Milizen beigetreten. In den Reihen der National Defence Forces (NDF) dienen ca. 1.000 bis 1.500 Frauen, eine vergleichsweise geringe Anzahl. Die Frauen sind an bestimmten Kontrollpunkten der Regierung präsent, insbesondere in konservativen Gebieten, um Durchsuchungen von Frauen durchzuführen (FIS 14.12.2018).

Die Umsetzung

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vgl. DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vergleiche DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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