Entscheidungsdatum
10.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W168 2267191-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2023, Zl. 1287768809/211594588, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.06.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.01.2023, Zl. 1287768809/211594588, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.06.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, AsylG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, reiste über mehrere Länder schlepperunterstützt unberechtigt nach Österreich ein, wo er am 24.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am nächsten Tag erfolgte die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes.
Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass er Syrien verlassen habe, da sich das Land einerseits nach wie vor Bürgerkrieg befinde und andererseits, da er die Armee verlassen habe und aktuell als Deserteur gesucht werde. Es gebe in Syrien keine Sicherheit und Stabilität mehr und er wolle, dass seinen Kindern ein Schulbesuch möglich sei. Im Falle einer Rückkehr würde er vom Regime als Deserteur der Armee hingerichtet werden.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, erklärte der BF, dass er aus Rif Hama stamme und der Volksgruppe der Araber sowie der Religionsgemeinschaft des Islam angehöre. Er habe 12 Jahre die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung absolviert und sei vor seiner Einreise in Österreich als Arbeiter tätig gewesen. Die Eltern, seine Ehefrau und seine beiden Söhne sowie ein Bruder und fünf Schwestern des BF seien nach wie vor in Syrien wohnhaft. Zwei seiner Brüder seien in Saudi-Arabien wohnhaft. Seine letzte Wohnadresse sei in Rif Hama gewesen.
2. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 11.11.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF an, dass es ihm gut gehe und er keine Medikamente einnehme. Er stamme aus XXXX in der Provinz Rif Hama. Nachgefragt, ob in diesem Dorf nach wie vor noch jemand leben würde, erwiderte der BF, dass es sich um sein Elternhaus handle und in diesem nach wie vor seine Eltern sowie seine Ehefrau und seine Kinder leben würden. Seine Schwester sei nicht mehr in Syrien, sondern in Saudi-Arabien wohnhaft. Ansonsten lebe noch sein 46-jähriger Bruder in Syrien. 2. Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme am 11.11.2022 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab der BF an, dass es ihm gut gehe und er keine Medikamente einnehme. Er stamme aus römisch 40 in der Provinz Rif Hama. Nachgefragt, ob in diesem Dorf nach wie vor noch jemand leben würde, erwiderte der BF, dass es sich um sein Elternhaus handle und in diesem nach wie vor seine Eltern sowie seine Ehefrau und seine Kinder leben würden. Seine Schwester sei nicht mehr in Syrien, sondern in Saudi-Arabien wohnhaft. Ansonsten lebe noch sein 46-jähriger Bruder in Syrien.
Zu seinen persönlichen Umständen befragt, gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Araber sowie der Volksgruppe der sunnitischen Moslems angehöre. Auf Aufforderung, das Alter und den Aufenthaltsort seiner Angehörigen zu nennen, führte der BF aus, dass sein Vater als Landwirt tätig sei und sein Bruder den Militärdienst bereits abgeleistet habe. Seine Mutter sei Hausfrau und seine beiden Brüder würden in Saudi-Arabien Tätigkeiten als Hilfsarbeiter nachgehen. Zwei seiner Schwestern würden ebenfalls in Saudi-Arabien wohnen. Aktuell stehe der BF in regelmäßigen Kontakt mit seinen in Syrien lebenden Angehörigen. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Auf die Fragen, welche Bildungsschritte er gesetzt bzw. welchen Beruf er erlernt habe, entgegnete der BF, dass er 12 Jahre die Grundschule besucht und die Matura abgeschlossen habe. Von 2018 bis 2020 sei er als Staplerfahrer tätig gewesen, seine wirtschaftliche Lage sei jedoch insgesamt schlecht gewesen. Im Juni 2020 habe er Syrien illegal verlassen.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er desertiert sei, da er an dem Krieg nicht teilnehmen wolle und deshalb auch verurteilt worden sei. Er könne einen Haftbefehl in Vorlage bringen. Auf Nachfrage, wie die persönliche staatliche Verfolgung bzw. Bedrohung aussehe und auf Aufforderung, das Vorgehen des Staates zu schildern, gab der BF zu Protokoll, dass das vorgelegte Schriftstück als Beweis für seine Verfolgung herangezogen werden könne. Sein Elternhaus werde jede Woche von Sicherheitsbeamten durchsucht und es werde gleichzeitig nach ihm gefragt. Die Frage, ob er in Syrien von Sicherheitsbeamten bedroht oder verfolgt worden sei, wurde vom BF verneint. Die Frage, ob er einen Einberufungsbefehl oder ein anderes Schriftstück erhalten habe, welches ihn für den Reservedienst verpflichte, wurde vom BF verneint. Er sei als Deserteur einzustufen und das Militär ziehe auch das Wehrdienstbuch ein. Nachgefragt, wann und wie lange er im Militär gewesen sei, antwortete der BF, dass er 2010 bis 2012 als Unteroffizier tätig gewesen sei und sechs Soldaten unter sich gehabt habe, die Wächter gewesen seien. Die Frage, ob seine Familie bedroht worden sei, wurde vom BF bejaht. Er habe über seine Mutter einen Rechtsanwalt beauftragt, der ihm den erwähnten Haftbefehl übermittelt habe. Die Fragen, ob er jemals persönlich bedroht oder angegriffen worden sei oder an Kampfhandlungen teilgenommen habe, wurden vom BF verneint. Er habe keine Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt und habe sich niemals in Haft befunden. Die Fragen, ob er politisch tätig gewesen sei oder an Demonstrationen teilgenommen habe, wurde ebenfalls verneint. Er sei auch wegen seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit nie persönlich bedroht worden und habe Syrien wegen einer Verfolgung und dem herrschenden Krieg verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Assad Regime.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde vom BF ein syrischer Reisepass, ein Auszug aus dem Familienregister, eine Bescheinigung über die Bestätigung der Eheschließung vom 15.02.2016, ein syrischer Führerschein, Auszüge aus dem Personenregister, ein Haftbefehl vom 08.11.2022, sowie eine Eheschließungsurkunde in Vorlage gebracht.
3. Mit Bescheid des BFA vom 13.01.2023, Zl. 1287768809/211594588, wurde der Antrag des BF vom 24.10.2021 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 3. Mit Bescheid des BFA vom 13.01.2023, Zl. 1287768809/211594588, wurde der Antrag des BF vom 24.10.2021 auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wurde dem BF für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass der BF im Wesentlichen angegeben habe, dass in seinem Herkunftsland ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei und er aufgrund dessen nach Syrien nicht zurückkehren könne, da er vom syrischen Regime gesucht werde. Es müsse festgehalten werden, dass dieser Zettel ausschließlich eine Kopie in Farbe sei. Der vorgelegten Kopie dieses Haftbefehls komme keine Beweiskraft zu, da Kopien jeglicher Art von Manipulation unterliegen könnten und daher auch keiner Echtheitsprüfung unterzogen werden könne. Die Angaben des BF seien sehr vage, unkonkret und nicht detailreich gewesen. Es müsse darauf hingewiesen werden, dass der Haftbefehl „nur für drei Monate gültig“ und diese drei Monate längst verstrichen seien, was bedeute, dass der Haftbefehl somit seit 22.05.2016 keine Gültigkeit mehr besitze. Der BF habe trotz der akuten Bedrohung und Verfolgung bis zu seiner Ausreise im Jahr 2020 einer Beschäftigung in Syrien nachgehen können und seine Familie ernähren können. Der BF habe während der asylrechtlichen Einvernahme mitgeteilt, dass er den Wehrdienst von 2010 bis 2012 geleistet habe. Einen Einberufungsbefehl zum Reservedienst habe er nicht erhalten. Der BF sei nicht in der Lage gewesen, eine Präsentation mit spezifischen Angaben zu liefern. Er sei zu keiner Zeit persönlich bedroht worden und habe sich nie politisch engagiert und habe auch nicht an Demonstrationen teilgenommen. Es sei für die Behörde nicht plausibel, dass er sein Heimatland Syrien wegen der Gefahr eines potentiellen Haftbefehls verlassen habe, zumal feststehe, dass dieses Gerichtsurteilsdatum seit 22.05.2016 nicht mehr bestehe.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 13.02.2023 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und führte aus, dass er richtigstellen wolle, dass seine Frau und seine Kinder im Frühjahr 2022 in den Libanon geflüchtet seien, nachdem mehrfach Sicherheitskräfte zur Familie in Syrien gekommen seien und nach dem BF gefragt hätten. Auch wolle der BF richtigstellen, dass er zwischen 2018 und 2020 kaum arbeiten habe können, weil er keinen festen Wohnsitz in der Region Idlib gehabt habe und es aufgrund regelmäßiger Bombardierungen sehr gefährlich gewesen sei. Dem BF könne keinesfalls eine Missbrauchsabsicht unterstellt werden, da es sich bei den Richtigstellungen teilweise um Protokollierungsfehler handle, die dem BF nicht aufgefallen seien. Das BFA habe nicht näher zum Herkunftsort des BF ermittelt. Weiters habe das BFA nicht zu einer möglichen Spezialausbildung des BF beim Militär ermittelt. Die von der Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die aktualisierten UNHCR Erwägungen heranzuziehen, wonach der BF das Risikoprofil von Personen erfülle, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner der Regierung und/oder Wehrdienstentzieher und Deserteure der syrischen Streitkräfte seien. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des VwGH sei in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids ein Abgleich mit den einschlägigen Länderberichten überhaupt nicht zu entnehmen. Aufgrund der Verfahrensfehler, die der belangten Behörde unterlaufen seien, gehe die belangte Behörde nicht vom vollständig richtigen Sachverhalt aus bzw. spreche die belangte Behörde dem BF aufgrund einer mangelhaften Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit ab. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. 4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 13.02.2023 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. und führte aus, dass er richtigstellen wolle, dass seine Frau und seine Kinder im Frühjahr 2022 in den Libanon geflüchtet seien, nachdem mehrfach Sicherheitskräfte zur Familie in Syrien gekommen seien und nach dem BF gefragt hätten. Auch wolle der BF richtigstellen, dass er zwischen 2018 und 2020 kaum arbeiten habe können, weil er keinen festen Wohnsitz in der Region Idlib gehabt habe und es aufgrund regelmäßiger Bombardierungen sehr gefährlich gewesen sei. Dem BF könne keinesfalls eine Missbrauchsabsicht unterstellt werden, da es sich bei den Richtigstellungen teilweise um Protokollierungsfehler handle, die dem BF nicht aufgefallen seien. Das BFA habe nicht näher zum Herkunftsort des BF ermittelt. Weiters habe das BFA nicht zu einer möglichen Spezialausbildung des BF beim Militär ermittelt. Die von der Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen seien unvollständig. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, die aktualisierten UNHCR Erwägungen heranzuziehen, wonach der BF das Risikoprofil von Personen erfülle, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner der Regierung und/oder Wehrdienstentzieher und Deserteure der syrischen Streitkräfte seien. Entgegen der ständigen Rechtsprechung des VwGH sei in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids ein Abgleich mit den einschlägigen Länderberichten überhaupt nicht zu entnehmen. Aufgrund der Verfahrensfehler, die der belangten Behörde unterlaufen seien, gehe die belangte Behörde nicht vom vollständig richtigen Sachverhalt aus bzw. spreche die belangte Behörde dem BF aufgrund einer mangelhaften Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit ab. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.06.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde hierbei umfassend zu seinen Fluchtgründen befragt, bzw. wurde ihm ausführlich Gelegenheit gegeben, alle Gründe für die Antragstellung auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, seine konkreten Rückkehrbefürchtungen, als auch die Gründe für die Erhebung der gegenständlichen Beschwerde konkret und detailliert darzulegen und diese glaubhaft zu machen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des BF und zu dessen Fluchtvorbringen:
Der BF stammt aus dem Ort XXXX , in der Provinz Hama. Der BF hat sich 2017 nach XXXX begeben und dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2020 in einem Flüchtlingslager gelebt. Der BF stammt aus dem Ort römisch 40 , in der Provinz Hama. Der BF hat sich 2017 nach römisch 40 begeben und dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2020 in einem Flüchtlingslager gelebt.
Der BF hat 12 Jahre die Grundschule besucht und war in Syrien als Staplerfahrer in einem Lager, sowie in der Landwirtschaft tätig. Im Jahr 2020 war er ungefähr sieben Monate in der Türkei aufhältig. Die Identität des BF steht fest.
Er ist Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der BF ist verheiratet und hat zwei Kinder, er steht mit seinen Angehörigen in regelmäßigen Kontakt. Die gesamte Familie des BF ist nach wie vor in Syrien wohnhaft.
Der verfahrensrelevante Herkunftsort, bzw. die Herkunftsregion des BF, die Provinz Hama, stehen derzeit unter der Kontrolle syrischer Streitkräfte.
Der BF leidet an keinen lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen und nimmt keine Medikamente ein.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF verließ Syrien im Jahr 2020 wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Der BF hat seit diesem Zeitpunkt keinerlei ausreichend valide Informationen hinsichtlich ihm ihn Syrien persönlich betreffender Bedrohungen oder Gefährdungen in Vorlage bringen oder ausführen können. Sämtliche Ausführungen des BF bezogen auf das Vorliegen einer ihn unmittelbar konkret bezogenen aktuellen persönlich Bedrohung oder Gefährdung werden ausnahmslos allgemein, unkonkret, bzw. spekulativ angeführt.
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der BF befindet sich mit 37 Jahren zwar nach wie vor in wehrfähigen Altern, es haben sich keine ausreichenden Hinweise oder Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der BF in Syrien in den Fokus der syrischen Militärbehörden geraten wäre und dass ihm tatsächlich die unmittelbare Gefahr droht, zur syrischen Armee eingezogen zu werden.
Der BF hat den Militärdienst in Syrien im Zeitraum von 2010 bis 2012 als Unteroffizier abgeleistet.
Es kann nicht festgestellt werden, bzw. hat der BF es nicht glaubhaft machen können, dass dieser unmittelbar nach dem Ende der Wehrpflicht weiter bei der syrischen Armee einen Militärdienst leisten musste oder zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den aktiven Dienst bzw. zu einem Reservedienst einberufen wurde.
Der BF hat ausreichend detailliert, konkret und nachvollziehbar nicht darlegen können, bzw. insgesamt nicht glaubhaft machen können, dass dieser von einem Militärdienst bei dem syrischen Regime desertiert wäre, dieser deshalb gesucht, bzw. dass dieser deshalb asylrelevant bedroht würde.
Ebenso konnte der BF es insgesamt nicht glaubhaft machen, dass diesen eine unmittelbar konkrete Einberufung oder Einziehung zum Reservedienst im Fall seiner Rückkehr an seinen Herkunftsort drohen würde und dieser aufgrund einer solchen einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt wäre.
Nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Zuge des Wehrdienstes eine besondere militärische Ausbildung erhalten hat oder dieser spezielle militärische Kenntnisse oder Fähigkeiten aufweist.
Der BF war in Syrien in der Vergangenheit insgesamt keiner glaubwürdigen individuellen konkreten Bedrohung bzw. Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt.
Der BF war in Syrien nicht politisch tätig und kein Mitglied einer oppositionellen Gruppierung.
Der BF hat sich somit weder vor seiner Ausreise aus Syrien, noch während seines Aufenthalts in Österreich politisch besonders betätigt oder ist in oppositioneller Weise besonders öffentlich in Erscheinung getreten, sodass dieser hierdurch mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit glaubhaft in den Fokus des syrischen Regimes geraten sein könnte, ihm allenfalls eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden würde und ihm deswegen eine asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gegenwärtig oder auch zukünftig drohen würde.
Der BF hat zudem ausreichend konkret nicht darlegen und insgesamt nicht glaubhaft machen können, dass dieser die Ableistung eines Wehrdienstes bzw. Reservedienstes bei der syrischen Armee aus nachvollziehbar glaubhaft verinnerlichten politischen oder religiösen Überzeugungen ablehnt, bzw. die Ableistung Militärdienstes bei einer Einziehung tatsächlich verweigern würde, bzw. von der syrischen Armee desertiert ist, oder dieser bei der Ableistung eines Militärdienstes einer ihn unmittelbar konkret persönlich betreffenden asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt war oder hinkünftig wäre.
Er hat in Syrien glaubhaft keine Straftaten begangen und er wurde nie verhaftet.
Es konnte nicht festgestellt werden, bzw. hat der BF durch sämtliche Ausführungen, wie auch durch die Vorlage von einzelnen nicht verifizierbaren Bescheinigungsmitteln wie einen nicht verifizierbaren syrischen Haftbefehl mit Ausstellungsdatum 08.11.2022, zu diesem Zeitpunkt hat sich der BF bereits seit rund einem Jahr im Bundesgebiet befunden, es insgesamt nicht glaubhaft machen können, dass dieser tatsächlich insbesondere wegen einer angegebenen Desertation seitens des syrischen Regimes gesucht wird oder diesem bei einer hypothetischen Rückkehr eine unmittelbar konkrete asylrelevanten Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der angegebenen Desertion oder einer (ihm seitens des syrischen Regimes auch nur unterstellten) oppositionellen Gesinnung, bzw. aus sonstigen Gründen droht.
Im Falle seiner Rückkehr nach Syrien ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt asylrelevant unmittelbar konkret persönlich bedroht zu werden.
Auch aufgrund seiner Herkunft, seiner Ausreise, seines Aufenthaltes in der Türkei, seiner Teilnahme an Demonstrationen und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Inhaftierung und Folter aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.
Dem BF wurde bereits durch das BFA aufgrund der allgemein prekären Sicherheits – und Versorgungslage im Herkunftsstaat ein subsidiärer Schutz gem. §8 AsylG zuerkannt.
Auch im Beschwerdeverfahren und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG konnte der BF es ausreichend konkret nicht aufzeigen und insgesamt nicht glaubhaft machen, dass dieser im Herkunftssaat Syrien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt gegenwärtig oder auch zukünftig mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit unmittelbar konkret persönlich asylrelevant iSd. §3 AsylG bedroht ist.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Politische Lage Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).
Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperatione