Entscheidungsdatum
10.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W180 2257154-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2022, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.05.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 14.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er anlässlich seiner am gleichen Tag durchgeführten polizeilichen Erstbefragung damit begründete, dass er Syrien im Oktober 2021 verlassen habe, weil er den Militärdienst hätte ableisten müssen. Aus Angst um sein Leben und weil er keine anderen Menschen töten wolle, habe er Syrien verlassen.
Am 01.06.2022 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge auch: BFA) einvernommen.
Der Beschwerdeführer führte zusammengefasst aus, dass er aus XXXX stamme, eine zwölfjährige Schulbildung absolviert und anschließend als Tischler und Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe Syrien im Oktober 2021 illegal verlassen und sei über eine näher beschriebene Route schlepperunterstützt nach Österreich gereist, wo bereits sein asylberechtigter Zwillingsbruder lebe. Die Kosten seiner Reise in Höhe von etwa EUR 8.000,- bis EUR 10.000,- seien vom Ehemann seiner Tante finanziert worden. Zum Grund seiner Flucht gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahr 2017 sein Militärbuch erhalten habe und man innerhalb eines Jahres einberufen werde. Der Beschwerdeführer wolle dort jedoch nicht kämpfen, er wolle nicht töten oder selbst getötet werden. Er habe erfahren, dass nach ihm gesucht werde, weil er seiner Einberufung nicht nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer habe sich immer wieder versteckt und den Standort gewechselt. Die Entscheidung zur Ausreise habe der Beschwerdeführer schon Anfang des Jahre 2017 gefällt, aus finanziellen Gründen sei ihm eine Ausreise jedoch erst im Oktober 2021 möglich gewesen. Weitere Gründe habe er nicht. Er sei in Syrien nie persönlich bedroht oder verfolgt worden und habe nie Kontakt mit dem Militär gehabt. Er habe sich – ebenso wie seine Familienmitglieder – nie politisch oder religiös betätigt. Im Fall einer Rückkehr würde er mit Sicherheit verhaftet und auch misshandelt werden, möglicherweise sterbe er dann; es sei ihm nicht möglich, sich vorzustellen, was passieren werde. Der Beschwerdeführer führte zusammengefasst aus, dass er aus römisch 40 stamme, eine zwölfjährige Schulbildung absolviert und anschließend als Tischler und Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer habe Syrien im Oktober 2021 illegal verlassen und sei über eine näher beschriebene Route schlepperunterstützt nach Österreich gereist, wo bereits sein asylberechtigter Zwillingsbruder lebe. Die Kosten seiner Reise in Höhe von etwa EUR 8.000,- bis EUR 10.000,- seien vom Ehemann seiner Tante finanziert worden. Zum Grund seiner Flucht gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahr 2017 sein Militärbuch erhalten habe und man innerhalb eines Jahres einberufen werde. Der Beschwerdeführer wolle dort jedoch nicht kämpfen, er wolle nicht töten oder selbst getötet werden. Er habe erfahren, dass nach ihm gesucht werde, weil er seiner Einberufung nicht nachgekommen sei. Der Beschwerdeführer habe sich immer wieder versteckt und den Standort gewechselt. Die Entscheidung zur Ausreise habe der Beschwerdeführer schon Anfang des Jahre 2017 gefällt, aus finanziellen Gründen sei ihm eine Ausreise jedoch erst im Oktober 2021 möglich gewesen. Weitere Gründe habe er nicht. Er sei in Syrien nie persönlich bedroht oder verfolgt worden und habe nie Kontakt mit dem Militär gehabt. Er habe sich – ebenso wie seine Familienmitglieder – nie politisch oder religiös betätigt. Im Fall einer Rückkehr würde er mit Sicherheit verhaftet und auch misshandelt werden, möglicherweise sterbe er dann; es sei ihm nicht möglich, sich vorzustellen, was passieren werde.
Der Beschwerdeführer legte seinen syrischen Personalausweis sowie sein Militärbuch im Original vor.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.06.2022 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14.06.2022 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine ihm individuell drohende asylrelevante Verfolgungsgefahr habe glaubhaft machen können. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er erfahren habe, dass nach ihm gesucht werde, er sich jedoch immer versteckt gehalten und die Standorte gewechselt habe, erscheine unglaubwürdig, zumal er gleichzeitig angegeben habe, bis zur Ausreise gearbeitet zu haben. Auch habe er nicht schlüssig darlegen können, wie sich sein Alltag in den vier Jahren vor seiner Ausreise gestaltet habe. Gesamtbetrachtend sei sein Vorbringen, seit 2017 auf (innerstaatlicher) Flucht vor der Militärbehörde gewesen zu sein, jedoch bis zur Ausreise gearbeitet zu haben und in diesen vier Jahren keinen Kontakt zum Militär gehabt zu haben, unglaubwürdig. Die allgemein schlechte Situation im Herkunftsstaat sei nicht geeignet, das Vorliegen einer begründeten Furcht vor Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Aufgrund der allgemein prekären Lage in Syrien sei dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 12.07.2022 durch seine nunmehrige Rechtsvertretung Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe, gesund sei und sich im gesetzlich vorgesehenen Wehrdienstalter befinde. Ihm drohe bei einer Rückkehr die reale Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er sei im Zusammenhang mit der Einziehung, Ableistung und Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Im vorliegenden Fall hätten sich daher ausreichende Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgung ergeben. Der Beschwerdeführer habe Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung, die sich in seiner Verweigerung des Militärdienstes manifestiert habe, verlassen. Außerdem befürchte er im Fall der Rückkehr aufgrund seines Aufenthaltes und seiner Asylantragstellung in Europa Verfolgung. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, indem sie ihre Entscheidung auf unvollständige Länderberichte gestützt bzw. die zugrunde gelegten Länderberichte unzureichend ausgewertet habe. Der Beschwerdeführer entspreche zumindest drei von UNHCR definierten Risikoprofilen. Im Fall der Rückkehr bestünde die große Gefahr, dass er vom syrischen Regime zwangsrekrutiert, festgenommen und gefoltert oder auch getötet werden könnte, zudem drohe ihm auch von Seiten der kurdischen Einheiten die Zwangsrekrutierung. Es drohe ihm daher Verfolgung aufgrund der politischen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der männlichen Syrer, die sich im wehrdienstfähigen Alter befänden und den Wehrdienst noch nicht abgeleistet hätten. 3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer am 12.07.2022 durch seine nunmehrige Rechtsvertretung Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe, gesund sei und sich im gesetzlich vorgesehenen Wehrdienstalter befinde. Ihm drohe bei einer Rückkehr die reale Gefahr, zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er sei im Zusammenhang mit der Einziehung, Ableistung und Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Im vorliegenden Fall hätten sich daher ausreichende Anhaltspunkte für eine dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat drohende asylrelevante Verfolgung ergeben. Der Beschwerdeführer habe Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung, die sich in seiner Verweigerung des Militärdienstes manifestiert habe, verlassen. Außerdem befürchte er im Fall der Rückkehr aufgrund seines Aufenthaltes und seiner Asylantragstellung in Europa Verfolgung. Die Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, indem sie ihre Entscheidung auf unvollständige Länderberichte gestützt bzw. die zugrunde gelegten Länderberichte unzureichend ausgewertet habe. Der Beschwerdeführer entspreche zumindest drei von UNHCR definierten Risikoprofilen. Im Fall der Rückkehr bestünde die große Gefahr, dass er vom syrischen Regime zwangsrekrutiert, festgenommen und gefoltert oder auch getötet werden könnte, zudem drohe ihm auch von Seiten der kurdischen Einheiten die Zwangsrekrutierung. Es drohe ihm daher Verfolgung aufgrund der politischen Gesinnung und der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der männlichen Syrer, die sich im wehrdienstfähigen Alter befänden und den Wehrdienst noch nicht abgeleistet hätten.
4. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten nach Vorlage durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.07.2022 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
5. Am 08.05.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in der der Beschwerdeführer im Beisein seiner bevollmächtigten Vertretung und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch zu seinen aktuellen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten.
Der Beschwerdeführer gab in dieser Verhandlung im Wesentlichen an, dass er in der Stadt XXXX geboren worden sei und stets dort gelebt habe. Der Beschwerdeführer habe eine zwölfjährige Schulausbildung absolviert, die mit einer Fachausbildung zum Tischler verbunden gewesen sei, und habe etwa im Jahr 2015 maturiert. An das genaue Jahr könne er sich nicht erinnern. Er sei ungefähr bis zum Jahr 2018 in XXXX im Haus seiner Familie verblieben und sei in den folgenden drei Jahren sehr oft umgesiedelt, bis er Syrien verlassen habe. Nach Abschluss der Schule habe er ungefähr fünf Jahre lang „schwarz“ in einer in seinem Wohnbezirk gelegenen Tischlerei gearbeitet. Nach Absolvierung der Schule, als er eigentlich den Militärdienst hätte leisten müssen, sei er weniger regelmäßig als während seiner Schulzeit – nämlich nur dann, wenn es viel Arbeit gegeben habe – zur Arbeit gegangen. Einer anderen Arbeit sei er in Syrien nicht nachgegangen. Sein Militärbuch habe er im Jahr 2017 in der für ihn zuständigen Rekrutierungsstelle in XXXX abgeholt, in der Folge habe er sich einer medizinischen Untersuchung in XXXX unterzogen, bei der er für tauglich befunden worden sei. Die Eltern des Beschwerdeführers hielten sich weiterhin in XXXX auf. Sein Vater arbeite als Autohändler. Seine rund ein Monat vor seiner Ausreise mit einer damals in der Türkei aufhältig gewesenen Frau geschlossene traditionelle Ehe sei im Februar 2022 wieder aufgelöst worden, weil ihm gesagt worden sei, dass eine lediglich traditionell geschlossene Ehe nicht anerkannt werde. Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers lebe in Österreich, alle weiteren Geschwister – zwei Brüder und eine Schwester – befänden sich in der Türkei; beide Brüder würden dort als Schuhmacher arbeiten. Der Beschwerdeführer gab in dieser Verhandlung im Wesentlichen an, dass er in der Stadt römisch 40 geboren worden sei und stets dort gelebt habe. Der Beschwerdeführer habe eine zwölfjährige Schulausbildung absolviert, die mit einer Fachausbildung zum Tischler verbunden gewesen sei, und habe etwa im Jahr 2015 maturiert. An das genaue Jahr könne er sich nicht erinnern. Er sei ungefähr bis zum Jahr 2018 in römisch 40 im Haus seiner Familie verblieben und sei in den folgenden drei Jahren sehr oft umgesiedelt, bis er Syrien verlassen habe. Nach Abschluss der Schule habe er ungefähr fünf Jahre lang „schwarz“ in einer in seinem Wohnbezirk gelegenen Tischlerei gearbeitet. Nach Absolvierung der Schule, als er eigentlich den Militärdienst hätte leisten müssen, sei er weniger regelmäßig als während seiner Schulzeit – nämlich nur dann, wenn es viel Arbeit gegeben habe – zur Arbeit gegangen. Einer anderen Arbeit sei er in Syrien nicht nachgegangen. Sein Militärbuch habe er im Jahr 2017 in der für ihn zuständigen Rekrutierungsstelle in römisch 40 abgeholt, in der Folge habe er sich einer medizinischen Untersuchung in römisch 40 unterzogen, bei der er für tauglich befunden worden sei. Die Eltern des Beschwerdeführers hielten sich weiterhin in römisch 40 auf. Sein Vater arbeite als Autohändler. Seine rund ein Monat vor seiner Ausreise mit einer damals in der Türkei aufhältig gewesenen Frau geschlossene traditionelle Ehe sei im Februar 2022 wieder aufgelöst worden, weil ihm gesagt worden sei, dass eine lediglich traditionell geschlossene Ehe nicht anerkannt werde. Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers lebe in Österreich, alle weiteren Geschwister – zwei Brüder und eine Schwester – befänden sich in der Türkei; beide Brüder würden dort als Schuhmacher arbeiten.
Der Beschwerdeführer habe Syrien verlassen, weil er nicht eingezogen werden wollte. Er habe weder jemanden töten, noch selbst getötet werden wollen. Er habe seine Hände nicht mit Blut beschmutzen und Unschuldige töten wollen. Der Beschwerdeführer hätte sich ein Jahr nach Erhalt des Militärbuchs persönlich bei der Rekrutierungsstelle melden müssen. Sein Vater habe Einberufungsbefehle erhalten, die zu ihnen nach Hause geschickt worden seien. Die Militärpolizei übermittle das Schreiben der Zivilpolizei, die die Einberufungsbefehle dann im Normallfall an der vorgeschriebenen Adresse übergebe. Der Vater des Beschwerdeführers habe immer gesagt, dass er nicht wisse, wo der Beschwerdeführer sei. Deshalb sei die Sendung als nicht zugestellt angesehen und zurückgeschickt worden. Der Beschwerdeführer habe nur bei der Abholung des Militärbuchs und der Musterung persönlich Kontakt zur Militärbehörde gehabt. Befragt, weshalb er den Erhalt eines Einberufungsbefehls nicht schon vor dem BFA erwähnt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er während der Einvernahme vor dem BFA nicht direkt danach gefragt worden sei und nur auf die ihm gestellten Fragen geantwortet habe. Über Vorhalt, dass er vor dem BFA zur umfassenden Schilderung seiner Fluchtgründe aufgefordert worden sei und daher Gelegenheit gehabt hätte, den Erhalt eines Einberufungsbefehls anzusprechen, wiederholte der Beschwerdeführer, dass er vor dem Bundesamt – anders als in der Verhandlung – nicht nach dem Erhalt eines Einberufungsbefehls gefragt worden sei. Hätte er seinen Grundwehrdienst abgeleistet, würde es eine entsprechende Eintragung geben; im Fall einer Desertation hätte er kein Militärbuch, denn der Personalausweis und das Militärbuch müssten bei einer Einziehung abgegeben werden. Darauf angesprochen, dass seitens des Gerichts aufgrund der Einsichtnahme in das vollständig vorgelegte Militärbuch nicht von einem bereits abgeleisteten Militärdienst ausgegangen werde, sondern es um die Frage ginge, ob der Beschwerdeführer tatsächlich aufgrund der Nichtableistung des Militärdienstes in Syrien gesucht werde, erwiderte der Beschwerdeführer, dass es doch allgemein bekannt sei, dass Personen, die vom Grundwehrdienst säumig blieben, gesucht und als Verräter angesehen werden würden. Über Vorhalt, dass es einen Unterschied mache, ob seitens der Polizei eine konkrete Nachfrage bzw. ein Aufsuchen an seiner Adresse stattgefunden habe, gab der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers an, dass der Beschwerdeführer im Grundsatz vorgebracht habe, dass er erfahren habe, einberufen worden zu sein und heute den Aspekt erwähnt habe, dass der Vater einen Einberufungsbefehl von der Zivilpolizei erhalten habe. Diesen Aspekt habe er bei der Behörde deshalb nicht erwähnt, weil diese in Verletzung ihrer Ermittlungspflicht nicht genauer nachgefragt habe. Der Beschwerdeführer ergänzte, dass er mit seiner Aussage vor dem BFA, dass er „erfahren“ habe, dass nach ihm gesucht werde, gemeint habe, dass er erfahren habe, dass er zum Wehrdienst einberufen worden sei. Dies einerseits, weil er sich zu 100% sicher sei, dass dies die Grundlage in Syrien sei und andererseits, da er durch seinen Vater erfahren habe, dass er die Übernahme von Einberufungsbefehlen verweigert und ihnen gesagt habe, dass der Beschwerdeführer nicht da sei. Die Zivilpolizei sei nach Ablauf dieser Frist bei seinem Vater gewesen. Bereits 2018 hätten sie seinen Vater regelmäßig aufgesucht und ihm gesagt, dass sein Sohn seiner Verpflichtung nachkommen müsse. Wann genau die Polizei erstmals bei seinem Vater gewesen sei, könne der Beschwerdeführer nicht mehr sagen, da es schon länger her sei. Ein Schreiben sei nie zurückgelassen worden, weil dafür eine persönliche Anwesenheit und Unterschrift des Beschwerdeführers erforderlich gewesen wäre. Als der Beschwerdeführer noch in Syrien gewesen sei und sich an verschiedenen Standorten versteckt habe, habe sein Vater ihm telefonisch erzählt, dass er nicht nach Hause kommen solle, da er ja wisse, dass er gesucht werde. Erst nachdem er Syrien verlassen habe, habe sein Vater ihm erzählt, dass die Zivilpolizei öfter bei ihm gewesen sei und dem Vater mitgeteilt habe, dass der Beschwerdeführer einberufen sei. Sein Vater habe gemeint, dass er es ihm davor nicht habe erzählen wollen, um ihm keine Angst zu machen. Der Beschwerdeführer habe zuletzt Ende 2017/Anfang 2018 zuhause genächtigt, weil ihm damals schon bewusst gewesen sei, dass sie nach ihm suchen würden. Etwa einmal im Monat sei er zuhause gewesen, um seine Eltern zu sehen. Die Ausreise aus Syrien sei die Idee seiner Eltern gewesen, diese hätten aber nicht die finanziellen Mittel gehabt, ihn zu unterstützen. Schlussendlich habe ihnen der Mann seiner Tante Geld geborgt und seine Mutter habe ihr Gold verkauft. Nachdem er nicht mehr in seinem Elternhaus gewohnt habe, habe er an unterschiedlichen Orten, bei seinen Tanten und Onkeln mütterlicherseits sowie bei Freunden genächtigt. Befragt, wie er sein Leben nach 2018 in seiner Heimatstadt organisiert habe, nachdem er nicht mehr bei seinen Eltern gelebt habe, gab der Beschwerdeführer an, dass man nicht von organisieren sprechen könne, es sei unstrukturiert gewesen. Er habe extrem schlecht gelebt, habe Angst und keine fixe Unterkunft gehabt. Er habe Angst vor Patrouillen und Durchsuchungen gehabt. Der Beschwerdeführer habe sich längstens zwei bis drei Tage im gleichen Haushalt aufgehalten. Dies deshalb, da es so sicherer wäre, falls ihn jemand gesehen und dies weitergeleitet hätte. Angesprochen darauf, dass er jedoch immer beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet habe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass dies vielleicht ein- bis zweimal im Monat gewesen sei; zudem sei die Werkstatt eher unterirdisch gelegen gewesen. An den Tagen, an denen er nicht gearbeitet habe, habe er nichts gemacht und habe sich Gedanken gemacht, wie er an Geld für seine Ausreise gelangen könne. In seiner Stadt habe es anfangs sehr viele Kontrollposten gegeben, die mit der Zeit weniger geworden seien. Bei den Wechseln seines Aufenthaltsortes habe er versucht, diese zu umgehen.
Zu seinen Befürchtungen im Fall einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien gab der Beschwerdeführer an, dass er die Inhaftierung befürchte, da sie ihn sicher als Verräter ansehen würden. Schließlich habe er seinen Grundwehrdienst nicht abgeleistet und an keinen Kampfhandlungen teilgenommen. Dies werde als Staatsverrat angesehen und sei zu bestrafen. Er habe von vielen Fällen gehört, in denen Personen zurückgekehrt seien, nachdem es ein Nachsehen des Al Assad gegeben habe. Diese seien dann inhaftiert und getötet worden. Befragt, wie er sich im Fall einer bloßen Einziehung zum Militärdienst verhalten würde, gab der Beschwerdeführer an, dass er hoffe, nicht in eine solche Situation zu kommen. Er wisse nicht, was passieren werde. Er werde aber sicher nicht an Kampf- oder Kriegshandlungen teilnehmen oder Personen töten. Ihm wäre lieber, er werde zu Unrecht behandelt, als dass er selbst jemanden zu Unrecht behandle. Auf Nachfrage bejahte der Beschwerdeführer, dass er jeden Dienst an der Waffe ablehne. Befragt, woran dies ein Außenstehender erkennen könne, gab der Beschwerdeführer an, dass er glaube, dass der gestellte Asylantrag Grund genug sei, um dies zu zeigen. Andernfalls wäre er dort geblieben. Befragt, ob er unter der Annahme, Syrien wäre ein demokratischer Staat, der von Kräften von außen bedroht werde, zur Waffe greifen würde, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er dies nicht sagen könne, weil er nicht in dieser Situation sei. Er habe jedoch Angst vor Waffen. Er lehne den Militärdienst nicht grundsätzlich ab, sondern einen Kriegseinsatz.
Darauf angesprochen, dass er sich vom Grundwehrdienst durch die Zahlung einer Gebühr freikaufen könnte, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies sicher nicht tun würde, da dies bedeuten würde, dass er das Regime finanziere, damit es Personen töte.
Anschließend wurden dem Beschwerdeführer die für das Verfahren relevanten Länderberichte zur Kenntnis gebracht.
Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers brachte abschließend vor, dass die Fluchtgefahr nach der aktuellen Lage in Syrien, unabhängig davon, wie sich das Leben des Beschwerdeführers in den letzten Jahren in Syrien gestaltet habe, zu beurteilen sei. Der Beschwerdeführer sei illegal aus Syrien ausgereist, ohne den Wehrdienst abzuleisten, zu dem er verpflichtet sei. Sein Herkunftsort befinde sich unter Kontrolle des syrischen Regimes. Das aktuelle Länderinformationsblatt thematisiere an unterschiedlichen Stellen die oppositionelle Wahrnehmung von Personen, die illegal aus Syrien ausgereist seien, im Ausland einen Asylantrag gestellt oder sich dem Wehrdienst entzogen hätten. Im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 iVm Art. 15 der EU-VO 36/2012, die das Verbot beinhalte, dem Assad-Regime unmittelbar oder mittelbar Geld zur Verfügung zu stellen, erscheine die Bezahlung einer Befreiungsgebühr für den Beschwerdeführer gegenwärtig unzumutbar. Zudem werde die Berichtslage, ob die Zahlung einer Befreiungsgebühr tatsächlich anerkannt werde, in den Richtlinien der EUAA aus April 2024 als uneinheitlich beschrieben. Der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers brachte abschließend vor, dass die Fluchtgefahr nach der aktuellen Lage in Syrien, unabhängig davon, wie sich das Leben des Beschwerdeführers in den letzten Jahren in Syrien gestaltet habe, zu beurteilen sei. Der Beschwerdeführer sei illegal aus Syrien ausgereist, ohne den Wehrdienst abzuleisten, zu dem er verpflichtet sei. Sein Herkunftsort befinde sich unter Kontrolle des syrischen Regimes. Das aktuelle Länderinformationsblatt thematisiere an unterschiedlichen Stellen die oppositionelle Wahrnehmung von Personen, die illegal aus Syrien ausgereist seien, im Ausland einen Asylantrag gestellt oder sich dem Wehrdienst entzogen hätten. Im Hinblick auf Artikel 14, Absatz 2, in Verbindung mit Artikel 15, der EU-VO 36/2012, die das Verbot beinhalte, dem Assad-Regime unmittelbar oder mittelbar Geld zur Verfügung zu stellen, erscheine die Bezahlung einer Befreiungsgebühr für den Beschwerdeführer gegenwärtig unzumutbar. Zudem werde die Berichtslage, ob die Zahlung einer Befreiungsgebühr tatsächlich anerkannt werde, in den Richtlinien der EUAA aus April 2024 als uneinheitlich beschrieben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der 25-jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Identität steht fest. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement geboren und wuchs dort im Familienverband mit seinen Eltern und Geschwistern (eine Schwester und drei Brüder) auf. Der Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsort zwölf Jahre eine Schule, die eine Fachausbildung zum Tischler beinhaltete. Nach seinem Schulabschluss im Jahr 2016 arbeitete in einem nicht näher feststehenden zeitlichen Ausmaß in einem – etwa einen fünfminütigen Fußweg von einem Elternhaus entfernten – Tischlereibetrieb.Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt römisch 40 im gleichnamigen Gouvernement geboren und wuchs dort im Familienverband mit seinen Eltern und Geschwistern (eine Schwester und drei Brüder) auf. Der Beschwerdeführer besuchte im Herkunftsort zwölf Jahre eine Schule, die eine Fachausbildung zum Tischler beinhaltete. Nach seinem Schulabschluss im Jahr 2016 arbeitete in einem nicht näher feststehenden zeitlichen Ausmaß in einem – etwa einen fünfminütigen Fußweg von einem Elternhaus entfernten – Tischlereibetrieb.
Der Beschwerdeführer schloss rund einen Monat vor seiner Ausreise eine traditionelle Ehe mit einer Frau, die sich zu diesem Zeitpunkt in der Türkei aufhielt. Infolge seiner Einreise nach Österreich wurde die traditionelle Ehe im Februar 2022 wieder aufgelöst.
Etwa im Oktober 2021 verließ der Beschwerdeführer Syrien und reiste auf illegalem Weg zunächst in die Türkei. Nach einem zweitmonatigen Aufenthalt in der Türkei reiste er schlepperunterstützt über Griechenland, Albanien, den Kosovo, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er am 14.02.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die Kosten seiner Ausreise betrugen etwa EUR 9.000,- und wurden durch den Ehemann einer Tante des Beschwerdeführers sowie seine Mutter finanziert, die ihr Gold verkaufte.
Die Eltern und sowie mehrere Tanten und Onkeln des Beschwerdeführers leben nach wie vor in XXXX . Der Vater des Beschwerdeführers geht einer beruflichen Tätigkeit als Autohändler nach. Die Eltern und sowie mehrere Tanten und Onkeln des Beschwerdeführers leben nach wie vor in römisch 40 . Der Vater des Beschwerdeführers geht einer beruflichen Tätigkeit als Autohändler nach.
Die in Syrien lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers sind von keinen individuellen Problemen, insbesondere mit den syrischen Behörden betroffen.
Eine volljährige Schwester und zwei volljährige Brüder des Beschwerdeführers leben in der Türkei. Die Brüder des Beschwerdeführers üben dort eine berufliche Tätigkeit als Schuhmacher aus. Eine Tante und eine Cousine des Beschwerdeführers lebt in Schweden, Cousins und Cousinen des Beschwerdeführers leben in Deutschland.
Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers, XXXX , geboren am XXXX , hat Syrien im Jahr 2020 verlassen und stellte am 06.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er damit begründete, dass er den Militärdienst nicht ableisten und nicht am Bürgerkrieg habe teilnehmen wollen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2021 wurde dem Bruder des Beschwerdeführers der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Dies stützte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf eine dem Genannten drohende Einberufung zum Militärdienst durch das syrische Regime. Darüberhinausgehende individuelle Gefährdungspotentiale wurden im Verfahren des Bruders nicht festgestellt bzw. vorgebracht.Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers, römisch 40 , geboren am römisch 40 , hat Syrien im Jahr 2020 verlassen und stellte am 06.12.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er damit begründete, dass er den Militärdienst nicht ableisten und nicht am Bürgerkrieg habe teilnehmen wollen. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.04.2021 wurde dem Bruder des Beschwerdeführers der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Dies stützte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf eine dem Genannten drohende Einberufung zum Militärdienst durch das syrische Regime. Darüberhinausgehende individuelle Gefährdungspotentiale wurden im Verfahren des Bruders nicht festgestellt bzw. vorgebracht.
Der Beschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.
XXXX steht unter Kontrolle des syrischen Regimes. römisch 40 steht unter Kontrolle des syrischen Regimes.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer verließ Syrien vorwiegend wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges sowie der Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes. Der Beschwerdeführer war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Der Beschwerdeführer ist 25 Jahre alt. Er hat seinen verpflichtenden Wehrdienst bei der syrischen Armee bisher noch nicht abgeleistet. Er hat im Alter von 18 Jahren sein Militärbuch abgeholt und wurde für tauglich befunden. Der Beschwerdeführer hat bislang keinen schriftlichen Einberufungsbefehl erhalten. Sein Vorbringen, dass Mitarbeiter des syrischen Sicherheitsapparats in seinem Elternhaus aufgrund des Nichtantretens des Wehrdienstes nach ihm gesucht haben, ist nicht glaubwürdig.
Er ist im Fall einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung oder Repression ausgesetzt, die aufgrund einer Wehrdienstverweigerung drohen würde. Als im Ausland lebender Syrer hat er die Möglichkeit, sich durch Leistung einer Wehrersatzgebühr dauerhaft von der Ableistung des Wehrdienstes befreien zu lassen.
Der Beschwerdeführer fürchtet die Teilnahme an Kriegshandlungen. Er möchte weder andere Menschen töten, noch selbst getötet werden. Der Beschwerdeführer lehnt die Ableistung des Wehrdienstes in der syrischen Armee nicht aus politischen oder religiösen Gründen ab.
Das syrische Regime unterstellt dem Beschwerdeführer wegen einer mit seiner Flucht verbundenen Entziehung vom Wehrdienst, seiner Asylantragstellung und seinem Aufenthalt im Ausland keine oppositionelle politische Gesinnung.
Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung oder anderer Konfliktparteien geraten. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024:
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
[…]
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).
Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 2.2.2024). Die Opposition konnte eingeschränkt die Kontrolle über Idlib und entlang der irakisch-syrischen Grenze behalten. Das Erdbeben 2023 in der Türkei und Nordsyrien machte die tatsächliche Regierung fast unmöglich, weil die Opposition Schwierigkeiten hatte, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen (CFR 24.1.2024).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Iran unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah (AA 2.2.2024). Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Die folgende Karte zeigt die verschiedenen internationalen Akteure und deren militärische Interessenschwerpunkte in Syrien: […]
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der SDF und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022). Die Türkei bombardierte auch im Oktober 2023 kurdische Ziele in Syrien als Reaktion auf einen Bombenangriff in Ankara durch die PKK (Reuters 7.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023). In Suweida kam es 2020 und 2022 ebenfalls zu Aufständen, immer wieder auch zu Sicherheitsvorfällen mit Milizen, kriminellen Banden und Drogenhändlern. Dies führte immer wieder zu Militäroperationen und schließlich im August 2023 zu größeren Protesten (CC 13.12.2023). Die Proteste weiteten sich nach Daraa aus. Die Demonstranten in beiden Provinzen forderten bessere Lebensbedingungen und den Sturz Assads (Enab 20.8.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waf