TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/27 93/11/0251

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Veröffentlicht am 27.04.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §31 Abs3 idF 1987/516;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 14. Juni 1993, Zl. MA 63-W 2/93/Str, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 14. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im Juni 1990 (die letzten am 30. Juni 1993) mehrere - im Bescheid näher bezeichnete - Verwaltungsübertretungen nach §§ 3 in Verbindung mit 9 des Arbeitszeitgesetzes begangen zu haben und es wurden über ihn deshalb Geldstrafen in der Höhe von insgesamt S 20.800,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und erklärte, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer stützt sich zunächst darauf, daß die Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses rechtswirksam erst am 2. Juli 1993 erfolgt sei. Im Hinblick darauf, daß ihm die Behörde die Begehung von im Juni 1990 begangenen Straftaten zur Last lege, sei die Zustellung zu einem Zeitpunkt erfolgt, als gemäß § 31 Abs. 3 VStG bereits Strafbarkeitsverjährung eingetreten war.

Damit ist der Beschwerdeführer im Recht.

Auf Grund des Akteninhaltes ist ersichtlich, daß der Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G, gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 18. Jänner 1993 mit Schriftsatz vom 5. Feber 1993, bei der Erstbehörde eingelangt am 8. Feber 1993, Berufung erhoben hat. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 1993, bei der Erstbehörde eingelangt am 26. Mai 1993, teilte der Beschwerdeführer der Behörde mit, daß er die Dr. G erteilte Bevollmächtigung widerrufe. Mit Schriftsatz vom 7. Juni 1993, bei der Erstbehörde eingelangt am 8. Juni 1993, gab der Beschwerdeführer bekannt, daß er Rechtsanwalt Dr. N - den nunmehrigen Beschwerdevertreter - mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt habe und ersuche, alle behördlichen Zustellungen ausschließlich zu dessen Handen vorzunehmen. Dr. N berief sich im Schriftsatz ausdrücklich auf die ihm erteilte Vollmacht. Diese Bevollmächtigungsanzeige wurde von der Erstbehörde zunächst an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien übermittelt, welcher beide vorgenannten Eingaben des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 17. Juni 1993 an die belangte Behörde weiterleitete, wo sie am 24. Juni 1993 einlangten. Die belangte Behörde hatte zunächst versucht, den angefochtenen Bescheid vom 14. Juni 1993 dem Beschwerdeführer zu Handen des Rechtsanwaltes Dr. G zuzustellen, von wo der Rückscheinbrief jedoch mit dem Vermerk "Vollmacht wurde widerrufen" zurücklangte. Sodann stellte die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis dem Beschwerdeführer persönlich zu. Eine Zustellung an den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. N erfolgte bis einschließlich 30. Juni 1993 nicht.

Durch die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts zur Vertretung im Verwaltungsverfahren wird dieser auch Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 Zustellgesetz. Im Falle eines ausgewiesenen Bevollmächtigungsverhältnisses (das auch die Zustellung von Schriftstücken umfaßt) kann nur mehr dem Bevollmächtigten rechtswirksam zugestellt werden, nicht jedoch dem Vertretenen persönlich. Als maßgeblicher Zeitpunkt, ab dem dem Bevollmächtigten zuzustellen ist, gilt das Einlangen der schriftlichen Vollmacht bei der Behörde, wobei nach der ab 1. Jänner 1991 gemäß § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG in der Fassung der Novelle 1990 geltenden Rechtslage bei Einschreiten eines Rechtsanwaltes oder Notars die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis ersetzt (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seiten 1185 ff, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß an Rechtsanwalt Dr. G das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf den am 26. Mai 1993 bekanntgemachten Widerruf der Vollmacht nicht mehr zugestellt werden durfte. Aber auch die Zustellung des Straferkenntnisses an den Beschwerdeführer persönlich am 17. Juni 1993 war nicht rechtswirksam, weil die Bekanntgabe der Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. N durch den Beschwerdeführer vom 7. Juni 1993 bereits am 8. Juni 1993 bei der Behörde einlangte. Daß beide genannten Schriftsätze nach Weiterleitung durch die Erstbehörde bei der belangten Behörde erst am 24. Juni 1993 einlangten, vermag im Hinblick auf die Einheitlichkeit des Behördenapparates daran nichts zu ändern.

Nach Rechtsprechung und Lehre ist § 31 Abs. 3 VStG dahin zu verstehen, daß ein ein erstinstanzliches Straferkenntnis bestätigender Berufungsbescheid - wie im vorliegenden Fall - nicht mehr erlassen werden darf, wenn seit dem in § 31 Abs. 2 zweiter Satz VStG bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, Zl. 93/03/0144, mit weiteren Judikaturhinweisen). Im vorliegenden Fall erfolgte bis einschließlich 30. Juni 1993 keine rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Straferkenntnisses, welches dem Beschwerdeführer ausschließlich bis 30. Juni 1990 begangene Straftaten anlastet. Somit durfte nach dem 30. Juni 1993 das im Instanzenzug ergangene Straferkenntnis nach § 31 Abs. 3 VStG nicht mehr erlassen werden.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war, wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993110251.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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