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50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung der Anträge auf Aufhebung des §8 Abs3 ÖffnungszeitenG 1991. Die in §8 Abs3 ÖffnungszeitenG 1991 verfügte Beschränkung findet in der Absicht des Gesetzgebers ihre Rechtfertigung, Wettbewerbsvorteile von Unternehmen mit Verkaufsstellen für Lebensmittel und andere Waren zu vermeiden, ohne diese Unternehmen der allgemeinen Gesamtoffenhaltezeit von 60 Stunden zu unterwerfen und ihnen solcherart Wettbewerbsnachteile gegenüber Betrieben zuzufügen, in denen nur Lebensmittel verkauft werden. Es ist Sache des Handelsgewerbetreibenden, die Offenhaltezeit zweckmäßig festzulegen und in der Kundmachung (§6a) klarzustellen, wann nur für den Kleinverkauf von Lebensmitteln offengehalten wird, und es obliegt ihm selbst, die für die Einhaltung des Gesetzes notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Abweisung der Anträge auf Aufhebung des zweiten Satzes des §8a ÖffnungszeitenG 1991. §8a ÖffnungszeitenG 1991 ist insgesamt eine arbeitszeitrechtliche Sondervorschrift und damit nur die Konsequenz der im Interesse der Erwerbsausübungsfreiheit liegenden Erweiterung der Dispositionsmöglichkeiten der Unternehmer in bezug auf die Abendsperre. Sie greift in die Erwerbsausübungsfreiheit der Unternehmer selbst nicht ein und ist durch den Schutzzweck des Frauen-Nachtarbeitsverbotes gerechtfertigt. Daß sie bei Großkaufhäusern zu anderen Vorkehrungen zwingt wie bei Kleinhandelsunternehmen, macht sie nicht unsachlich.Spruch
Die Anträge auf Aufhebung des §2 Abs1 und 5, des §8 Abs3 und des zweiten Satzes des §8a Öffnungszeitengesetz 1991 werden abgewiesen.
Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die antragstellenden Unternehmen betreiben unterschiedliche Handelsgewerbe: einen Lebensmittelgroßmarkt, den Lebensmitteleinzelhandel mittels kleiner Filialen, Großverbrauchermärkte und bloßen Lebensmitteleinzelhandel. Sie beantragen,
"das gesamte Öffnungszeitengesetz, insbesondere in der Fassung BGBl. 1991, 397, als verfassungswidrig und unzulässigen Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Erwerbsfreiheit und des Rechtes auf Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz aufzuheben, in eventu aus den gleichen Gründen §2 Abs1 des Gesetzes in eventu §2 Abs5 des Gesetzes, in eventu §2 Abs6 des Gesetzes, in eventu §6 des Gesetzes, in eventu §8 Abs3, in eventu §8a des Gesetzes (die Eventualanträge verstehen sich sowohl kumulativ als auch alternativ)".
Das angefochtene Gesetz lege sämtlichen Einzelhändlern Rechtspflichten auf und greife in ihre Rechtssphäre ein, ohne daß es einer behördlichen Entscheidung bedürfte; sich einer Bestrafung auszusetzen sei unzumutbar. Die gesetzliche Regelung sei jedoch insgesamt nicht im öffentlichen Interesse geboten, zur Zielerreichung nicht geeignet und unverhältnismäßig. §8 Abs3 sei iVm §2 Abs5 so unbestimmt, daß sein Inhalt nicht verläßlich ermittelt werden könne. Neben Zweifeln an der Rechtfertigung der Beschränkung der Ladenöffnungszeiten überhaupt äußern sie Bedenken gegen §2 Abs1, gegen §2 Abs5, gegen §6 und gegen §§8 und 8a Öffnungszeitengesetz (ÖZG).
Die Bundesregierung hält den Antrag insoweit für unzulässig, als er auf Aufhebung des ganzen Gesetzes gerichtet ist: insofern seien die Bedenken nicht im einzelnen dargelegt; die Ausführungen zur "Rechtfertigung der Beschränkung von Ladenöffnungszeiten überhaupt" stellten bloß allgemeine Überlegungen dar. Der Antrag entspreche aber §62 Abs1 VerfGG auch insofern nicht, als er alternativ die Aufhebung des ganzen Gesetzes oder die Aufhebung einzelner Bestimmungen begehre. Einen §2 Abs6 gebe es gar nicht und §6 sei als bloße Ermächtigung an den Landeshauptmann nicht unmittelbar anwendbar (Hinweis auf VfSlg. 11823/1988).
In der Sache verteidigt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes (das durch BGBl. Nr. 50/1992 als "Öffnungszeitengesetz 1991" wiederverlautbart wurde).
II. Der Antrag ist nur zulässig, soweit er sich auf §2 Abs1 und 5, §8 Abs3 und den zweiten Satz des §8a ÖZG bezieht. Im übrigen ist er zurückzuweisen.
Daß die Vorschriften über die allgemeinen Öffnungszeiten an Werktagen (§2 Abs1 und 5) - und zwar einschließlich des Kleinverkaufs von Lebensmitteln - auf die Antragsteller Anwendung finden, ergibt sich aus den Angaben über ihre Geschäftstätigkeit. Danach ist auch anzunehmen, daß sie Waren feilhalten, für deren Verkauf verschiedene Öffnungszeiten gelten (§8 Abs3). Es werden ferner zumindest dann, wenn die Antragsteller von der Möglichkeit des einmaligen Offenhaltens bis 21 Uhr im Laufe einer Woche (§2 Abs4) Gebrauch machen, auch Abschlußarbeiten nach 20 Uhr anfallen (§8a).
Aber es gibt keinen Abs6 in §2, und die in §6 enthaltenen Ermächtigungen an den Landeshauptmann können - wie in der von der Bundesregierung zutreffend angezogenen Vorjudikatur dargelegt wird - in ihre Rechtssphäre nicht unmittelbar eingreifen. §8 Abs1 enthält lediglich die (uneingeschränkte) Erlaubnis, die am Ende der Ladenöffnungszeit im Laden anwesenden Kunden noch zu bedienen, und kann die Antragsteller ebensowenig beschweren wie der erste Satz des §8a, der die (nach §3 Frauen-Nachtarbeitsgesetz verbotene) Beschäftigung von Dienstnehmerinnen (ausnahmsweise) auch nach 20 Uhr zuläßt. Schließlich ist es auch nicht Sache des Gerichtshofs herauszufinden, welche der nicht namentlich angefochtenen Bestimmungen des Gesetzes welche Antragsteller wodurch in ihren Rechten berühren. Die von der Bundesregierung aufgeworfene Frage nach der Darlegung der Bedenken gegen solche Bestimmungen im einzelnen kann daher auf sich beruhen.
Unterstellt man den Eventualbegehren, daß sie (auch) für den Fall der Unzulässigkeit des Hauptbegehrens gestellt sind und jedes einzelne auch für sich allein erfüllt werden soll, erweist sich nur die Anfechtung der §§2 Abs1 und 5 und 8 Abs3 sowie des zweiten Satzes in §8a als zulässig.
III. In der Sache sind die vorgebrachten Bedenken insgesamt nicht stichhältig:
1. Was §2 Abs1 und 5 ÖZG betrifft, wonach die Verkaufsstellen an Werktagen - außer Samstag - von 6 Uhr bis 19.30 Uhr offengehalten werden dürfen, die Gesamtoffenhaltezeit innerhalb einer Kalenderwoche aber 60 Stunden, beim Kleinverkauf von Lebensmitteln 66 Stunden nicht überschreiten darf, enthält das Vorbringen der Antragsteller, soweit es nicht ohnedies schon durch die bisherige Rechtsprechung zum Ladenschlußrecht widerlegt ist, nichts, was über das Vorbringen der Antragsteller zu G308/91, 319/91 hinausginge. Daß dieses Vorbringen eine Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Bestimmungen nicht dartut, ist in dem jenes Gesetzesprüfungsverfahren abschließenden Erkenntnis vom 17. Dezember 1992 (ungeachtet der formalen Beschränkung auf einen Teil des Abs5) hinreichend dargetan. Es genügt, auf dieses Erkenntnis zu verweisen.
2. §8 ÖZG enthält in Abs2 und 3 folgende Bestimmungen über Verkaufsstellen mit verschiedenen Ladenöffnungszeiten:
"(2) Werden in einer Verkaufsstelle Waren feilgehalten, für deren Verkauf verschiedene Öffnungszeiten gelten, so sind die für solche Waren bestimmten Verkaufseinrichtungen räumlich zu trennen. Für diese Verkaufseinrichtungen gelten die für die entsprechenden Verkaufsstellen jeweils festgelegten Öffnungszeiten.
(3) Ist eine räumliche Trennung der im Abs2 erwähnten Verkaufseinrichtungen nicht möglich oder nicht zumutbar, so dürfen diese Verkaufsstellen nach Maßgabe der jeweils warenmäßig bestimmten Öffnungszeiten offengehalten werden; es dürfen jedoch nur die diesen Öffnungszeiten entsprechenden Waren verkauft werden."
Der Vorwurf gegen Abs3 geht dahin, daß die Bestimmung unanwendbar sei, weil das Gesetz zwischen Lebensmitteln und anderen Produkten nur in der Gesamtoffenhaltezeit, nicht aber bezüglich der "Sperrstunden" differenziere. Niemand könne daher feststellen, "wann sechs Stunden in der Woche (völlig sinnlos) nur Lebensmittel ... verkauft werden dürfen und Kunden gebeten werden müßten, aus dem Einkaufskorb z.B. die Rasierartikel und Deodorants zu entfernen".
Der Gerichtshof geht davon aus, daß die in §8 Abs3 verfügte Beschränkung in der Absicht des Gesetzgebers ihre Rechtfertigung findet, Wettbewerbsvorteile von Unternehmen mit Verkaufsstellen für Lebensmittel und andere Waren zu vermeiden, ohne diese Unternehmen der allgemeinen Gesamtoffenhaltezeit von 60 Stunden zu unterwerfen und ihnen solcherart Wettbewerbsnachteile gegenüber Betrieben zuzufügen, in denen nur Lebensmittel verkauft werden. Der Vorwurf, daß die Zeiten, für welche diese Beschränkung gilt, nicht festgelegt seien, übersieht die Bestimmung des §6a, wonach die für eine Verkaufsstelle geltenden - vom Handelsgewerbetreibenden innerhalb des gesetzlichen Rahmens eben selbst festzulegenden - Ladenöffnungszeiten sowie der Zeitpunkt, ab welchem diese Ladenöffnungszeiten gelten, an der Verkaufsstelle so kundzumachen sind, daß sie sowohl während als auch außerhalb der Öffnungszeiten der Verkaufsstelle ersichtlich sind. Es ist daher Sache des Handelsgewerbetreibenden, die Offenhaltezeit zweckmäßig festzulegen und in der Kundmachung klarzustellen, wann nur für den Kleinverkauf von Lebensmitteln offengehalten wird, und es obliegt ihm selbst, die für die Einhaltung des Gesetzes notwendigen Vorkehrungen zu treffen.
3. §8a ÖZG bestimmt unter der Rubrik "Abschlußarbeiten":
"§8a. Dienstnehmerinnen dürfen nach 20 Uhr für Abschlußarbeiten herangezogen werden, wenn die Verkaufsstelle zulässigerweise erst ab 20 Uhr oder zu einem späteren Zeitpunkt schließt. Die zulässige Dauer dieser durch Dienstnehmerinnen durchzuführenden Abschlußarbeiten endet spätestens 15 Minuten nach dem Schließen der Verkaufsstelle."
An dieser Bestimmung bemängeln die Antragsteller, daß die vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausnahme vom Verbot der Nachtarbeit für Frauen (das nach §3 Abs2 Frauen-Nachtarbeitsgesetz jedenfalls die Zeit zwischen 20 Uhr und 6 Uhr einschließt) nicht erreicht werde, weil das Gesetz nicht auf das Ende der zulässigen Beschäftigungszeit der Dienstnehmerin abstelle, sondern auf die davon unabhängige Sperrzeit. Damit würde Arbeitnehmern und Arbeitgebern "ein Lotteriespiel zwischen Kundenverärgerung und Gesetzesbruch" aufgebürdet. Bei großen Verkaufsstellen sei die Fertigbedienung in 15 Minuten nicht möglich. Die Regelung sei folglich ein unzulässiger Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit und differenziere unsachlich zwischen Kleinunternehmen und Großverbrauchermärkten.
Das Verbot der Beschäftigung von Frauen nach 20 Uhr ergibt sich indessen nicht aus §8a ÖZG. Ohne diese Bestimmung dürften Frauen nach 20 Uhr aufgrund des §3 Frauen-Nachtarbeitsgesetz überhaupt nicht mehr beschäftigt werden. Das Arbeitszeitrecht nimmt auf die Ladenöffnungszeiten nämlich nur insofern bezug, als es (ausnahmsweise) die Beschäftigung in (zulässigerweise) offenen Verkaufstellen bis 23 Uhr gestattet (§4 Abs6 FrNArbG). §8a ÖZG fügt dem für Abschlußarbeiten noch eine weitere Ausnahme hinzu. Die Rüge kann also nur dahin verstanden werden, daß die zusätzliche Ausnahme vom Nachtarbeitsverbot zu wenig weit gehe. Diese Ausnahme würde in der Tat durch Aufhebung des zweiten Satzes erweitert.
Der Verfassungsgerichtshof teilt jedoch die Bedenken der Antragsteller nicht. §8a ÖZG ist insgesamt eine arbeitszeitrechtliche Sondervorschrift und damit nur die Konsequenz der im Interesse der Erwerbsausübungsfreiheit liegenden Erweiterung der Dispositionsmöglichkeiten der Unternehmer in bezug auf die Abendsperre. Sie greift in die Erwerbsausübungsfreiheit der Unternehmer selbst nicht ein und ist durch den Schutzzweck des Frauen-Nachtarbeitsverbotes gerechtfertigt. Daß sie bei Großkaufhäusern zu anderen Vorkehrungen zwingt wie bei Kleinhandelsunternehmen, macht sie nicht unsachlich.
Damit erweisen sich die Anträge insgesamt als unbegründet. Sie sind abzuweisen.
Da von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war, wurde von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs4 VerfGG).
Schlagworte
Gewerberecht, Ladenschluß, Erwerbsausübungsfreiheit, Arbeitnehmerschutz, Nachtarbeit, FrauennachtarbeitsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G329.1991Dokumentnummer
JFT_10078782_91G00329_00