Entscheidungsdatum
13.09.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W191 2287806-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Farhad Paya und die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2024, Zahl 1356045608/231120572, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Farhad Paya und die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2024, Zahl 1356045608/231120572, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2024 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Asylgesetz 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt. römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, Asylgesetz 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 12.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 12.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF im Wesentlichen an, er stamme aus Thakar (Afghanistan), sei Moslem und gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an. Er habe die Grundschule besucht und zuletzt als Bauer gearbeitet. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter, seine beiden Schwestern und sein Bruder würden in Afghanistan leben.
Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er wegen der Taliban seinen Herkunftsstaat verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor den Taliban und dass er umgebracht werde.
1.3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) am 23.01.2024, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF an, dass bei seiner Erstbefragung nur wenige Teile richtig protokolliert worden und viele Fehler passiert seien.
Der BF legte eine englische Übersetzung seiner Tazkira (afghanisches Personaldokument), eine Kopie seines Reisepasses sowie Unterlagen und ein Empfehlungsschreiben betreffend seine Integrationsbemühungen vor.
Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen. Er sei väterlicherseits Paschtune und mütterlicherseits Tadschike. Er sei in XXXX , Distrikt Yange Qala, Provinz Takhar, geboren und aufgewachsen. Seine Mutter, seine beiden Schwestern und ein Bruder würden nun in Kabul bei seinem Onkel mütterlicherseits leben, sein Vater und einer seiner beiden Brüder seien getötet worden. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht, wobei er das zwölfte Schuljahr nicht abgeschlossen habe, und in seinem eigenen kleinen Geschäft gearbeitet.Der BF machte Angaben zu seinen Lebensumständen. Er sei väterlicherseits Paschtune und mütterlicherseits Tadschike. Er sei in römisch 40 , Distrikt Yange Qala, Provinz Takhar, geboren und aufgewachsen. Seine Mutter, seine beiden Schwestern und ein Bruder würden nun in Kabul bei seinem Onkel mütterlicherseits leben, sein Vater und einer seiner beiden Brüder seien getötet worden. Er habe zwölf Jahre die Schule besucht, wobei er das zwölfte Schuljahr nicht abgeschlossen habe, und in seinem eigenen kleinen Geschäft gearbeitet.
Zu seinen Fluchtgründen legte der BF ein Schreiben in der Sprache Dari, das mithilfe von einem Kollegen aus seiner Unterkunft in Österreich verfasst worden sei, vor. Der BF führte weiters im Wesentlichen aus, dass er in der Schule gewesen sei und ihm aufgrund der Tätigkeit seines Vaters und seines Bruders für die afghanische Regierung, konkret für den Geheimdienst, von den Taliban unterstellt worden sei, für die afghanische Regierung zu spionieren. Er sei deswegen zwei- bis dreimal von den Taliban verhaftet und gefoltert sowie mit dem Tod bedroht worden.
1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 02.02.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.06.2023 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 02.02.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.06.2023 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz (in der Folge BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß Paragraph 57, AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus Paragraph 55, FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Zum Fluchtvorbringen führte das BFA (zusammengefasst) beweiswürdigend aus, dass der BF sowohl zu seinen Fluchtgründen als auch zu seinen Angaben außerhalb des unmittelbaren Fluchtvorbringens widersprüchliche Angaben gemacht und im Laufe des Verfahrens die fluchtauslösenden Ereignisse unterschiedlich dargestellt habe. Es habe sich daher der Eindruck aufgedrängt, dass es sich bei der vom BF vor dem BFA vorgebrachten Fluchtgeschichte um ein rein gedankliches Konstrukt handle, welches so nie stattgefunden habe. Auch seien im durchgeführten Ermittlungsverfahren keine Umstände hervorgetreten, dass der BF aus sonstigen Gründen einer maßgeblich relevanten Bedrohung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen sei.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar sei. Er habe in Afghanistan Familienangehörige, nämlich würden seine Mutter und seine Geschwister bei seinem Onkel in Kabul leben und seien auch weitere Verwandte dort aufhältig. Der BF könnte durch diese Unterstützung erhalten. Der BF sei in Afghanistan geboren und aufgewachsen, er habe dort die Schule besucht und sei dort sozialisiert worden, er spreche mit Dari und Paschtu Sprachen seines Herkunftsstaates. Der BF habe auch keine Lebensweise angenommen, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstelle.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 29.02.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
In der Beschwerdebegründung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der BF Verfolgung durch die Taliban befürchte. Sein Bruder und sein Vater hätten für den afghanischen Geheimdienst gearbeitet und sei der BF mehrfach von den Taliban mitgenommen und misshandelt sowie beschuldigt worden, auch für die Regierung zu spionieren. Der BF habe im Verfahren einen gravierenden Fehler gemacht, und zwar habe er sein Fluchtvorbringen einem Freund diktiert und dieser habe es aufgeschrieben, ohne dass der BF es gelesen habe, weshalb sich Widersprüche zu seiner Einvernahme vor dem BFA ergeben würden. Beim BF würden aufgrund seines Aussageverhaltens Hinweise auf eine psychische Erkrankung bzw. Belastung vorliegen. Auch lebe der BF bereits seit mehr als einem Jahr in Europa und würde ihm bei einer Rückkehr eine westliche oder oppositionelle Gesinnung unterstellt werden.
Bezüglich des beantragten subsidiären Schutzes wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan volatil sei. Auch wäre es für den BF aufgrund der katastrophalen Versorgungslage in Afghanistan bei einer Rückkehr nicht möglich, ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, er würde in eine aussichtslose und existenzbedrohende Lage geraten.
Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.
1.5. Mit Schreiben vom 10.04.2024 zeigte seine anwaltliche Vertretung einen Vollmachtswechsel an und ersuchte um Übermittlung einer Beschwerdeausfertigung.
1.6. Mit Schreiben seines Vertreters vom 24.04.2024 brachte der BF eine Stellungnahme ein, worin ausgeführt wurde, dass – wie bereits in der Beschwerde dargelegt – das vom BFA durchgeführte Verfahren mit wesentlichen Mängeln belastet sei. Die asylrelevanten Vorfälle hätten mit der Tötung seines Vaters und seines Bruders XXXX im August 2019 im Zuge eines Anschlages mit Granaten und Raketen begonnen. Danach sei auch der BF ins Fadenkreuz der Taliban geraten und sei insgesamt dreimal festgenommen und während dieser Zeit misshandelt worden. In Folge dieser Erlebnisse sei der BF traumatisiert und er würde sich deswegen in Österreich in psychologischer Behandlung befinden. Auch sei in Afghanistan die Sicherheitslage als nicht ausreichend sicher und die wirtschaftliche und humanitäre Situation als ernst anzusehen. 1.6. Mit Schreiben seines Vertreters vom 24.04.2024 brachte der BF eine Stellungnahme ein, worin ausgeführt wurde, dass – wie bereits in der Beschwerde dargelegt – das vom BFA durchgeführte Verfahren mit wesentlichen Mängeln belastet sei. Die asylrelevanten Vorfälle hätten mit der Tötung seines Vaters und seines Bruders römisch 40 im August 2019 im Zuge eines Anschlages mit Granaten und Raketen begonnen. Danach sei auch der BF ins Fadenkreuz der Taliban geraten und sei insgesamt dreimal festgenommen und während dieser Zeit misshandelt worden. In Folge dieser Erlebnisse sei der BF traumatisiert und er würde sich deswegen in Österreich in psychologischer Behandlung befinden. Auch sei in Afghanistan die Sicherheitslage als nicht ausreichend sicher und die wirtschaftliche und humanitäre Situation als ernst anzusehen.
Der BF legte dieser Stellungnahme ein Foto eines Schriftstückes betreffend seinen Bruder sowie erneut ein Empfehlungsschreiben und eine Kursbestätigung zu seiner Integration bei.
1.7. Das BVwG führte am 07.06.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich und in Begleitung seiner Vertreterin erschien. Das BFA ist unentschuldigt nicht erschienen und stellte schriftlich den Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der BF machte dabei auf richterliche Befragung Angaben, die im Wesentlichen mit seinen bisher im Verfahren gemachten Angaben über seine Herkunft und seine Lebensverhältnisse übereinstimmten.
Zu seinem Gesundheitszustand führte der BF aus, dass er psychische Probleme habe. Sein Arzt habe ihm vor Kurzem ein neues Medikament verschrieben, da das vorherige Medikament nicht gut gewirkt habe. Er habe oft Augenschmerzen und Kopfschmerzen und werde ihm auch schwindelig, manchmal werde er zornig. Hierzu legte der BF Rezepte zu Medikamenten vor. Weiters habe er auch Verletzungen an der linken Hand und an den Zähnen, die ihm von den Taliban zugefügt worden seien.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er im Verfahren die Wahrheit gesagt und alles erzählt habe. Er habe seiner Vertreterin vor der Verhandlung auch Videos zu seinem Fluchtvorbringen gesendet. Auf entsprechende Nachfragen machte der BF jedoch erneut vage und zum Teil unplausible Angaben. Zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt gab der BF an, er habe Angst vor den Taliban, sie hätten mehrmals von seinem Bruder, der sich nun auch verstecke, die Bekanntgabe seines Aufenthaltsortes verlangt.
Das erkennende Gericht brachte aktuelle Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu keine Stellungnahme abgegeben.
1.8. Mit Schreiben der Vertretung des BF vom 19.06.2024 wurden vier Videos zum Fluchtvorbringen des BF übermittelt. Hierzu wurde ausgeführt, dass die Videos, die den Angriff der Taliban im Heimatort des BF zeigen würden, von einem befreundeten Journalisten aufgenommen worden seien.
1.9. Mit Schreiben der Vertretung des BF vom 17.07.2024 legte der BF ein Schreiben eines Freundes aus Afghanistan, das er über WhatsApp übermittelt bekommen hätte, vor und verwies weiters auf das bisherige Vorbringen.
Auch diese Stellungnahmen wurden dem BFA übermittelt.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
? Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 12.06.2023 und der Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2024, die vorgelegten Belege zu seiner Identität, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde
? Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA, Aktenseiten 206 bis 260)
? Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 07.06.2024
? Einsicht in die vom BF übermittelten Videos
? Einsicht in die im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BF vorgelegten Rezepte für Medikamente
? Einsicht in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, in der Stadt Kabul sowie in Nord-Afghanistan, über die medizinische Versorgung und zur Lage von Personen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen (Auszüge aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA)
o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update I, von Februar 2023o UNHCR-Leitlinien zum internationalen Schutzbedarf von Personen, die aus Afghanistan fliehen – Update römisch eins, von Februar 2023
? Einsicht in die vom BF im Verfahren vorgelegten Unterlagen betreffend seine Identität, seine Integrationsbemühungen und sein Fluchtvorbringen
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppen der Paschtunen (väterlicherseits) sowie der Tadschiken (mütterlicherseits), sunnitischer Moslem, ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Dari, weiters spricht er die Verkehrssprache Paschtu sowie Farsi und etwas Türkisch. 3.1.1. Der BF führt den Namen römisch 40 , geboren am römisch 40 , ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppen der Paschtunen (väterlicherseits) sowie der Tadschiken (mütterlicherseits), sunnitischer Moslem, ledig und kinderlos. Die Muttersprache des BF ist Dari, weiters spricht er die Verkehrssprache Paschtu sowie Farsi und etwas Türkisch.
3.2. Zu den Lebensumständen des BF
3.2.1. Der BF ist in XXXX , Distrikt Yange Qala, Provinz Takhar, Afghanistan, geboren und aufgewachsen. Er besuchte elf Klassen die Schule und hat zuletzt im Lebensmittelgeschäft seines Bruders gearbeitet. Seine Mutter, seine zwei Schwestern und ein Bruder leben derzeit bei seinem Onkel mütterlicherseits in Kabul. Weitere Verwandte des BF leben in Takhar und in Kabul. Der BF steht in telefonischen Kontakt zu seiner Mutter. 3.2.1. Der BF ist in römisch 40 , Distrikt Yange Qala, Provinz Takhar, Afghanistan, geboren und aufgewachsen. Er besuchte elf Klassen die Schule und hat zuletzt im Lebensmittelgeschäft seines Bruders gearbeitet. Seine Mutter, seine zwei Schwestern und ein Bruder leben derzeit bei seinem Onkel mütterlicherseits in Kabul. Weitere Verwandte des BF leben in Takhar und in Kabul. Der BF steht in telefonischen Kontakt zu seiner Mutter.
3.2.2. Der BF verließ seine Heimat aus angegebenen Gründen und reiste nach Europa, wo er am 12.06.2023 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
3.2.3. Der BF bemüht sich um seine Integration in Österreich. Er besucht einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 und absolvierte einen Basisbildungskurs. Er verrichtet in seiner Unterkunft Tätigkeiten in der Küche und betreibt in seiner Freizeit Sport.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3.3. Zu den Fluchtgründen des BF:
3.3.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er aufgrund der Tätigkeit seines Vaters und seines Bruders XXXX für den Geheimdienst der afghanischen Regierung von den Taliban als Spion beschuldigt und deshalb von den Taliban festgenommen und misshandelt worden sei, nicht glaubhaft gemacht. 3.3.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er aufgrund der Tätigkeit seines Vaters und seines Bruders römisch 40 für den Geheimdienst der afghanischen Regierung von den Taliban als Spion beschuldigt und deshalb von den Taliban festgenommen und misshandelt worden sei, nicht glaubhaft gemacht.
3.4. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
3.4.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus den oben angeführten asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.
3.4.2. Aufgrund der mit der Machtübernahme der Taliban verbundenen, volatilen allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan und der aktuell schlechten, ungewissen weiteren Versorgungslage kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht und er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
Zwar befinden sich Familienangehörige des BF nach wie vor in Afghanistan, jedoch ist im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage nicht davon auszugehen, dass er von ihnen ausreichend Unterstützung erhält, um seine Lebensbedürfnisse befriedigen zu können.
Der BF verfügt über elementare Schulbildung und arbeitete in einem Lebensmittelgeschäft, weist aber keine besonderen beruflichen Fähigkeiten oder Kenntnisse auf, sodass angesichts der angespannten wirtschaftlichen Situation nicht anzunehmen ist, dass es ihm derzeit gelingen würde, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Auch verfügt der BF bzw. seine Familie über keine Besitztümer oder finanziellen Ersparnisse, die ihm einen Existenzaufbau ermöglichen würden.
Der BF hat im Verfahren angegeben, an psychischen Problemen zu leiden, sodass es umso schwieriger für ihn sein würde, sich in Afghanistan eine Lebensgrundlage aufzubauen. Allfällige Unterlagen zu einer ärztlichen Diagnose konnte er aber nicht in Vorlage bringen.
Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK).Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem ein reales Risiko einer Verletzung der Artikel 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Bundesgesetzblatt Nr. 210 aus 1958, (in der Folge EMRK).
3.4.3. Dem BF steht eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Die volatile allgemeine Sicherheitslage sowie die aktuell schlechte, ungewisse Versorgungslage sind im ganzen Land gegeben.
3.4.4. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der BF von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auszuschließen wäre.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
3.5.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan (Stand 10.04.2024, Schreibfehler teilweise korrigiert):
„[…] 3 Politische Lage
Letzte Änderung 2024-04-05 15:33
Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vgl. VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).Die politischen Rahmenbedingungen in Afghanistan haben sich mit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 grundlegend verändert (AA 26.6.2023). Die Taliban sind zu der ausgrenzenden, auf die Paschtunen ausgerichteten, autokratischen Politik der Taliban-Regierung der späten 1990er-Jahre zurückgekehrt (UNSC 01.06.2023a). Sie bezeichnen ihre Regierung als das „Islamische Emirat Afghanistan“ (USIP 17.08.2022; vergleiche VOA 01.10.2021), den Titel des ersten Regimes, das sie in den 1990er-Jahren errichteten, und den sie während ihres zwei Jahrzehnte andauernden Aufstands auch für sich selbst verwendeten. Das Emirat ist um einen obersten Führer, den Emir, herum organisiert, von dem man glaubt, dass er von Gott mit der Autorität ausgestattet ist, alle Angelegenheiten des Staates und der Gesellschaft zu beaufsichtigen. Seit ihrer Machtübernahme hat die Gruppe jedoch nur vage erklärt, dass sie im Einklang mit dem „islamischen Recht und den afghanischen Werten“ regieren wird, und hat nur selten die rechtlichen oder politischen Grundsätze dargelegt, die ihre Regeln und Verhaltensweise bestimmen (USIP 17.08.2022). Die Verfassung von 2004 ist de facto ausgehebelt. Ankündigungen über die Erarbeitung einer neuen Verfassung sind bislang ohne sichtbare Folgen geblieben. Die Taliban haben begonnen, staatliche und institutionelle Strukturen an ihre religiösen und politischen Vorstellungen anzupassen. Im September 2022 betonte der Justizminister der Taliban, dass eine Verfassung für Afghanistan nicht notwendig sei (AA 26.06.2023).
Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vgl. REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vgl. DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vgl. HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vgl. USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vgl. Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).Nach ihrer Machtübernahme in Afghanistan übernahmen die Taliban auch schnell staatliche Institutionen (USIP 17.08.2022) und erklärten Haibatullah Akhundzada zu ihrem obersten Führer (Afghan Bios 07.07.2022a; vergleiche REU 07.09.2021a, VOA 19.08.2021). Er kündigte an, dass alle Regierungsangelegenheiten und das Leben in Afghanistan den Gesetzen der Scharia unterworfen werden (ORF 08.09.2021; vergleiche DIP 04.01.2023). Haibatullah hat sich dem Druck von außen, seine Politik zu mäßigen, widersetzt (UNSC 01.06.2023a) und baut seinen Einfluss auf Regierungsentscheidungen auf nationaler und subnationaler Ebene auch im Jahr 2023 weiter aus (UNGA 20.06.2023). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass andere in Kabul ansäßige Taliban-Führer die Politik wesentlich beeinflussen können. Kurz- bis mittelfristig bestehen kaum Aussichten auf eine Änderung (UNSC 01.06.2023a). Innerhalb weniger Wochen nach der Machtübernahme kündigten die Taliban „Interims“-Besetzungen für alle Ministerien bis auf ein einziges an, wobei die Organisationsstruktur der vorherigen Regierung beibehalten wurde (USIP 17.08.2022) - das Ministerium für Frauenangelegenheiten blieb unbesetzt und wurde später aufgelöst (USIP 17.08.2022; vergleiche HRW 04.10.2021). Alle amtierenden Minister waren hochrangige Taliban-Führer; es wurden keine externen politischen Persönlichkeiten ernannt, die überwältigende Mehrheit war paschtunisch, und alle waren Männer. Seitdem haben die Taliban die interne Struktur verschiedener Ministerien mehrfach geändert und das Ministerium für die Verbreitung der Tugend und die Verhütung des Lasters wiederbelebt, das in den 1990er-Jahren als strenge „Sittenpolizei“ berüchtigt war, die strenge Vorschriften für das soziale Verhalten durchsetzte (USIP 17.08.2022). Bezüglich der Verwaltung haben die Taliban Mitte August 2021 nach und nach die Behörden und Ministerien übernommen. Sie riefen die bisherigen Beamten und Regierungsmitarbeiter dazu auf, wieder in den Dienst zurückzukehren, ein Aufruf, dem manche von ihnen auch folgten (ICG 24.08.2021; vergleiche USDOS 12.04.2022a), wobei weibliche Angestellte aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben (BBC 19.09.2021; vergleiche Guardian 20.09.2021). Die für die Wahlen zuständigen Institutionen, sowie die Unabhängige Menschenrechtskommission, der Nationale Sicherheitsrat und die Sekretariate der Parlamentskammern wurden abgeschafft (AA 26.06.2023).
Der Ernennung einer aus 33 Mitgliedern bestehenden geschäftsführenden Übergangsregierung im September 2021 folgten zahlreiche Neuernennungen und Umbesetzungen auf nationaler, Provinz- und Distriktebene in den folgenden Monaten, wobei Frauen weiterhin gar nicht und nicht-paschtunische Bevölkerungsgruppen nur in geringem Umfang berücksichtigt wurden (AA 26.06.2023). [...]
Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023). Die Regierung der Taliban wird von Mohammad Hassan Akhund geführt. Er ist Vorsitzender der Minister, eine Art Premierminister. Akhund ist ein wenig bekanntes Mitglied des höchsten Führungszirkels der Taliban, der sogenannten Rahbari-Schura, besser bekannt als Quetta-Schura (NZZ 08.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 18.07.2023).
Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vgl. REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vgl. VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vgl. UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vgl. 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).Stellvertretende vorläufige Premierminister sind Abdul Ghani Baradar (AJ 07.09.2021; vergleiche REU 07.09.2021b, Afghan Bios 16.02.2022), der die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten in Doha vertrat und das Abkommen mit ihnen am 29.02.2021 unterzeichnete (AJ 07.09.2021; vergleiche VOA 29.02.2020), und Abdul Salam Hanafi (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 07.07.2022b), der unter dem ersten Taliban-Regime Bildungsminister war (Afghan Bios 07.07.2022b; vergleiche UNSC o. D.a). Im Oktober 2021 wurde Maulvi Abdul Kabir zum dritten stellvertretenden Premierminister ernannt (Afghan Bios 27.11.2023; vergleiche 8am 05.10.2021, UNGA 28.01.2022).
Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vgl. JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vgl. UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vgl. Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vgl. RFE/RL 29.08.2020).Weitere Mitglieder der vorläufigen Taliban-Regierung sind unter anderem Sirajuddin Haqqani, der Leiter des Haqqani-Netzwerkes (Afghan Bios 04.03.2023; vergleiche JF 05.11.2021) als Innenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 04.03.2023) und Amir Khan Mattaqi als Außenminister (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 14.12.2023), welcher die Taliban bei den Verhandlungen mit den Vereinten Nationen vertrat und im ersten Taliban-Regime unter anderem den Posten des Kulturministers innehatte (Afghan Bios 14.12.2023; vergleiche UNSC o.D.b). Der Verteidigungsminister der vorläufigen Taliban-Regierung ist Mohammed Yaqoob (REU 07.09.2021b; vergleiche Afghan Bios 06.09.2023), dem 2020 der Posten des militärischen Leiters der Taliban verliehen wurde (Afghan Bios 06.09.2023; vergleiche RFE/RL 29.08.2020).
Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vgl. RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).Sah es in den ersten sechs Monaten ihrer Herrschaft so aus, als ob das Kabinett unter dem Vorsitz des Premierministers die Regierungspolitik bestimmen würde, wurden die Minister in großen und kleinen Fragen zunehmend vom Emir, Haibatullah Akhundzada, überstimmt (USIP 17.08.2022). Diese Dynamik wurde am 23.03.2022 öffentlich sichtbar, als der Emir in letzter Minute die lange versprochene Rückkehr der Mädchen in die Oberschule kippte (USIP 17.08.2022; vergleiche RFE/RL 24.03.2022, UNGA 15.06.2022). Seitdem sind die Bildung von Mädchen und Frauen und andere umstrittene Themen ins Stocken geraten, da pragmatische Taliban-Führer dem Emir nachgeben, der sich von ultrakonservativen Taliban-Klerikern beraten lässt. Ausländische Diplomaten haben begonnen, von „duellierenden Machtzentren“ zwischen den in Kabul und Kandahar ansäßigen Taliban zu sprechen (USIP 17.08.2022), und es gibt auch Kritik innerhalb der Taliban, beispielsweise als im Mai 2022 ein hochrangiger Taliban-Beamter als erster die Taliban-Führung offen für ihre repressive Politik in Afghanistan kritisierte (RFE/RL 03.06.2022a).
Doch der Emir und sein Kreis von Beratern und Vertrauten in Kandahar kontrollieren nicht jeden Aspekt der Regierungsführung. Mehrere Ad-hoc-Ausschüsse wurden ernannt, um die Politik zu untersuchen und einen Konsens zu finden, während andere Ausschüsse Prozesse wie die Versöhnung und die Rückkehr politischer Persönlichkeiten nach Afghanistan umsetzen. Viele politische Maßnahmen unterscheiden sich immer noch stark von einer Provinz zur anderen des Landes. Die Taliban-Beamten haben sich, wie schon während ihres Aufstands, als flexibel erwiesen, je nach den Erwartungen der lokalen Gemeinschaften. Darüber hinaus werden viele Probleme nach wie vor über persönliche Beziehungen zu einflussreichen Taliban-Figuren gelöst, unabhängig davon, ob deren offizielle Position in der Regierung für das Problem verantwortlich ist (USIP 17.08.2022).
In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).In seiner traditionellen jährlichen Botschaft zum muslimischen Feiertag Eid al-Fitr im Jahr 2023 sagte Haibatullah Akhundzada, sein Land wünsche sich positive Beziehungen zu seinen Nachbarn, den islamischen Ländern und der Welt, doch dürfe sich kein Land in deren innere Angelegenheiten einmischen. Er vermied es, direkt auf das Bildungsverbot von Mädchen und die Beschäftigungseinschränkungen von Frauen einzugehen, sagte jedoch, dass die Taliban-Regierung bedeutende Reformen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wirtschaft, Medien und anderen Bereichen eingeleitet hat, und „die schlechten intellektuellen und moralischen Auswirkungen der 20-jährigen Besatzung“ dabei seien, zu Ende zu gehen (AnA 18.04.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).
Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vgl. BAMF 30.06.2023).Anfang Juni 2023 wurde berichtet, dass es Anzeichen dafür gibt, dass die Taliban die Stadt Kandahar zu ihrem Stützpunkt machen würden. Dies wird als ein Zeichen für den schwindenden Einfluss der gemäßigteren Taliban-Mitglieder in der Hauptstadt Kabul gesehen, während das Regime seine repressive Politik weiter verschärft. In den letzten Monaten haben Vertreter des Regimes Delegationen aus Japan und Katar nach Kandahar eingeladen, anstatt sich mit anderen Beamten in Kabul zu treffen. Der oberste Sprecher der Taliban, Zabihullah Mujahid, und ein zweiter Informationsbeauftragter aus Nordafghanistan, Inamullah Samangani, wurden von ihren Büros in Kabul nach Kandahar verlegt (WP 05.06.2023; vergleiche BAMF 30.06.2023).
Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vgl. VOA 06.05.2023).Im Mai 2023 traf sich der Außenminister der Taliban mit seinen Amtskollegen aus Pakistan und China in Islamabad. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Einbeziehung Afghanistans in den chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridor (CPEC) sowie die Situation von Frauen in Afghanistan (AnA 05.05.2023; vergleiche VOA 06.05.2023).
Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vgl. AMU 22.11.2023).Am 22.11.2023 verkündeten die Taliban den Abschluss einer zweitägigen Kabinettssitzung in der Provinz Kandahar unter der Leitung von Hebatullah Akhundzada. Auffallend war, dass Themen wie das Recht der Frauen auf Arbeit und Zugang zu Bildung sowie ihre Teilhabe an der Gesellschaft nicht Gegenstand der Beratungen waren. Es wurden Gespräche über Themen wie die Rückführung von Migranten, die Entwicklung diplomatischer Beziehungen zur Bewältigung bestehender Probleme, Import-Export- und Transitfragen sowie die Beibehaltung der Geldpolitik der Taliban geführt (AT 22.11.2023; vergleiche AMU 22.11.2023).
Internationale Anerkennung der Taliban
Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vgl. VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vgl. OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich der afghanischen Botschaft in Teheran (TN 27.02.2023) und des strategisch wichtigen Generalkonsulats in Istanbul (Afintl 27.02.2023; vgl. KP 23.02.2023a). Berichten zufolge nahm auch die Türkei im Oktober 2023 einen neuen von den Taliban ernannten Diplomaten in der afghanischen Botschaft in Ankara auf (Afintl 14.02.2024). Eine Reihe von Ländern verfügt auch weiterhin über offizielle Botschafter in Afghanistan. Dazu gehören China und andere Nachbarländer wie Pakistan, Iran und die meisten zentralasiatischen Republiken, aber auch Russland, Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Japan (AAN/Ruttig 07.12.2023). Aber auch westliche Länder (mit Ausnahme Australiens) haben weder ihre Botschaften in Kabul offiziell geschlossen noch die diplomatischen Beziehungen offiziell abgebrochen. Vielmehr unterhalten sie kein diplomatisches Personal im Land. Einige Länder haben immer noch amtierende Botschafter oder nachrangige Diplomaten, die nicht in Kabul ansäßig sind, und es gibt auch eine (schrumpfende) Anzahl von Sonderbeauftragten für Afghanistan (im Rang eines Botschafters).Mit Anfang 2024 hat noch kein Land die Regierung der Taliban anerkannt (TN 09.01.2024; vergleiche VOA 10.12.2023), dennoch sind Vertreter aus Indien, China, Usbekistan, der Europäischen Union, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Kabul präsent (TN 30.10.2022). Im März 2023 gab der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid bekannt, dass Diplomaten in mehr als 14 Länder entsandt wurden, um die diplomatischen Vertretungen im Ausland zu übernehmen (PBS 25.03.2023; vergleiche OI 25.03.2023). Im November 2023 sagte der stellvertretende Taliban-Außenminister, dass derzeit 20 Botschaften in Nachbarländern aktiv wären (TN 29.11.2023), einschließlich