Entscheidungsdatum
13.05.2024Index
41/02 StaatsbürgerschaftNorm
StbG §10 Abs1 Z6Anmerkung
VwGH v. 30.09.2024, Ra 2024/01/0268; ZurückweisungText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Sinai über die Beschwerde der A. B., vertreten durch Rechtsanwälte, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 31.10.2023, Zl. ..., betreffend eine Angelegenheit nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.04.2024,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
1 Mit Bescheid der Wiener Landesregierung (belangte Behörde) vom 31.10.2023 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 05.10.2021 gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen.
2 Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, im Ermittlungsverfahren sei hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum von Februar 2022 bis Jänner 2023 insgesamt fünf Geschwindigkeitsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) zu verantworten habe. Die wiederholte Nichtbeachtung von Verbotszeichen und Geschwindigkeitsbeschränkungen stelle eine durchaus gewichtige Verletzung der Rechtsordnung dar. Die Geschwindigkeitsübertretungen von 17 km/h bzw. 16 km/h im Ortsgebiet am 25.04.2022 und 17.01.2023 seien nach der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als gravierende Übertretungen gegen Schutznormen des Straßenverkehrs zu beurteilen. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin im November 2022 ihre Auskunftspflicht gemäß § 103 Abs. 2 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) verletzt und damit die effiziente Verfolgung von Verkehrsstraftätern behindert. Sie müsse sich die gegen sie rechtskräftig erlassenen Verwaltungsstrafen und die zugrundeliegenden Tathandlungen nach der (näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurechnen lassen, sodass diese in die Gesamtbetrachtung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG einzubeziehen seien. Der Antrag sei daher abzuweisen gewesen.
3 Dagegen wurde die rechtzeitige Beschwerde vom 06.12.2023 erhoben.
4 Darin brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, die Geschwindigkeitsübertretungen seien von ihrem Lebensgefährten C. D. begangen worden. Zudem lasse die bloße Tatsache der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch keine Rückschlüsse auf die Art und Schwere der Verstöße zu. Es komme vielmehr maßgeblich auf die jeweiligen Umstände der einzelnen Geschwindigkeitsübertretungen an, die jedoch von der belangten Behörde überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. In diesem Sinn habe auch der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 34 km/h, von 50 km/h um 21 km/h und von 30 km/h um 18 km/h überschritten worden seien, sowie eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 keine als besonders schwer zu qualifizierenden Verwaltungsübertretungen darstellten (Hinweis auf VwGH 14.10.1998, 97/01/0268). Außerdem sei bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auch das sonstige Verhalten der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen, die sich seit Oktober 2007 in Österreich aufhalte und ihr seither lediglich sechs Verwaltungsübertretungen in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum zur Last gelegt worden seien. Seit der letzten geringfügigen Verwaltungsübertretung seien überdies schon über zehn Monate vergangen.
5 Mit Schreiben vom 28.12.2023 legte die belangte Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der bezughabenden Akten zur Entscheidung vor. Sie erließ keine Beschwerdevorentscheidung. Die Beschwerde samt Akten langte am 29.12.2023 beim Verwaltungsgericht ein.
6 Über die Beschwerde führte das Verwaltungsgericht am 17.04.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführerin sowie ihr rechtfreundlicher Vertreter teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete bereits mit Schreiben vom 12.02.2024 auf eine Teilnahme. Im Anschluss an die Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet und der Beschwerdeführerin eine Kopie des Verhandlungsprotokolls sogleich ausgehändigt.
7 Die Beschwerdeführerin brachte daraufhin mit Schriftsatz vom 18.04.2024 einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses ein, welches hiermit ergeht.
2. Feststellungen
8 Die am …1983 in Moskau geborene Beschwerdeführerin ist israelische Staatsangehörige. Sie hält sich zumindest seit Jänner 2008 rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf und ist derzeit im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der bis zum 20.06.2025 gültig ist. Sie besitzt Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS).
9 Hinsichtlich der Beschwerdeführerin scheinen keine strafrechtlichen, finanzstrafrechtlichen und fremdenrechtlichen Vormerkungen auf.
10 Die Beschwerdeführerin war bzw. ist Zulassungsbesitzerin zweier PKW mit den behördlichen Kennzeichen W-1 (Porsche) und W-2 (BMW Mini). Den PKW mit dem Kennzeichen W-1 hat sie mittlerweile nicht mehr in ihrem Besitz.
11 Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien vom 04.08.2020, ..., wurde der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm. § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 60,00 verhängt, weil sie am 05.06.2020 um 12:59 Uhr in 1200 Wien, Wehlistraße 70, den PKW mit dem Kennzeichen W-1 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben, weshalb sie die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt hat.
12 Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien vom 15.03.2022, ..., wurde der Beschwerdeführerin abermals eine Übertretung des § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm. § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006 zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 60,00 verhängt, weil sie am 14.01.2022 um 14:56 Uhr in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 4, den PKW mit dem Kennzeichen W-2 in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben, weshalb sie die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt hat.
13 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 18.07.2022, ..., wurde der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 52 lit. a Z 10 a StVO zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 76,00 verhängt, weil sie am 12.02.2022 um 12:23 Uhr in 1110 Wien, A4 bei Kilometer 4,464, in Fahrtrichtung stadteinwärts, als Lenkerin des PKW mit dem behördlichen Kennzeichen W-1 die außerhalb des Ortsgebiets durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 16 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden war.
14 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien) vom 20.06.2022, ..., wurde der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 80,00 verhängt, weil sie am 25.04.2022 um 17:55 Uhr in 1020 Wien, Handelskai 132A, in Fahrtrichtung Klosterneuburg, als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen W-2 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 17 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden war.
15 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 13.01.2023, ..., wurde der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 80,00 verhängt, weil sie am 05.09.2022 um 16:49 Uhr in 1020 Wien, Handelskai, gegenüber dem Radstadion in Fahrtrichtung A23 als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen W-2 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 13 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden war.
16 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 21.11.2022, ..., wurde der Beschwerdeführerin eine Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG 1967 zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 250,00 verhängt, weil sie als Zulassungsbesitzerin des PKW mit dem Kennzeichen W-1 mit Schreiben der Landespolizeidirektion Wien vom 11.10.2022 aufgefordert wurde, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekanntzugeben, wer dieses Kraftfahrzeug am 09.08.2022 um 11:21 Uhr in 1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Platz auf der Kreuzung mit dem Parkring in Fahrrichtung Schwarzenberg Platz gelenkt hat, sie diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und auch keine andere Person benannt hat, die die Auskunft hätten erteilen können.
17 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 21.04.2023, ..., wurde der Beschwerdeführerin abermals eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 80,00 verhängt, weil sie am 17.01.2023 um 16:51 Uhr in 1020 Wien, Handelskai, gegenüber dem Radstadion in Fahrtrichtung A23, diesmal als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen W-1 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 16 km/h überschritten hat, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden war.
18 Mit Strafverfügung der Landespolizeidirektion Wien vom 26.06.2023, ..., wurde der Beschwerdeführerin letztlich erneut eine Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO zur Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 80,00 verhängt, weil sie am 25.01.2023 um 11:27 Uhr in 1020 Wien, Handelskai, gegenüber dem Radstadion in Fahrtrichtung A23 abermals als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen W-1 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 13 km/h überschritten hat, wobei auch in diesem Fall die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu ihren Gunsten abgezogen worden war.
3. Beweiswürdigung
19 Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens, Einholung eines Fremden- und Strafregisterauszugs hinsichtlich der Beschwerdeführerin, Anfragen beim Magistrat der Stadt Wien, beim Verkehrsamt, bei der Landespolizeidirektion Wien (LPD Wien), beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und beim Finanzamt Wien über verwaltungsstraf- bzw. fremdenrechtliche Vormerkungen hinsichtlich der Beschwerdeführerin und beim Magistrat der Stadt Wien hinsichtlich eines allfälligen Mindestsicherungsbezugs der Beschwerdeführerin sowie Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17.04.2024.
20 Die unstrittigen Feststellungen unter Rn 8 ergeben sich aus der Geburtskunde der Beschwerdeführerin (AS 12 Behördenakt), der Kopie ihres Reisepasses (AS 30 ff Behördenakt), der behördlichen Aufstellung über ihre Aufenthaltstitel (AS 36 Behördenakt) und ihrem Deutschzertifikat (AS 172 Behördenakt). Die Feststellung unter Rn 9 ergibt sich aus den Abfragen des Verwaltungsgerichts (vgl. Fremden- und Strafregisterauszug vom 01.02.2024, Vermerk des Amtes für Betrugsbekämpfung vom 08.02.2024 [OZ 17]). Die Feststellung unter Rn 10 gründet sich auf das diesbezüglich glaubhafte Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung.
21 Die festgestellten Strafverfügungen hinsichtlich der Übertretungen der StVO und des KFG 1967 sind dem Akt der belangten Behörde zu entnehmen (AS 57, 61, 64, 68, 72 und 76). Die Tatsache, dass damit die Beschwerdeführerin als Beschuldigte rechtskräftig bestraft wurde, wurde weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde und der mündlichen Verhandlung bestritten. Die Strafverfügungen hinsichtlich der Übertretungen der Parkometerabgabeverordnung iVm. dem Parkometergesetz 2006 wurden vom Verwaltungsgericht eingeholt (vgl. OZ 20 Gerichstakt) und mit der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erörtert. Deren Bestand und die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin als Beschuldigte wurden ebenso nicht bestritten, sondern abermals vorgebracht, dass auch diese Übertretungen tatsächlich der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin, C. D., zu verantworten habe.
4. Rechtliche Beurteilung
22 Nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet.
23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG auf das Gesamtverhalten der Verleihungswerberin, insbesondere auch von ihr begangene Straftaten, Bedacht zu nehmen. Maßgebend ist, ob es sich dabei um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, die Verleihungswerberin werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung – oder anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Rechtsgüter – erlassene Vorschriften missachten. In der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die – allenfalls negative – Einstellung der Betreffenden gegen die zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetze zum Ausdruck (vgl. etwa VwGH 21.11.2013, 2012/01/0096; 13.2.2020, Fe 2019/01/0001; jeweils mwN).
24 So ist etwa die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als gravierender Verstoß gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, zu werten (vgl. VwGH 21.11.2013, 2013/01/0002, mwN).
25 Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach nicht sie, sondern ihr Lebensgefährte die festgestellten Geschwindigkeitsübertretungen sowie die Nichtentrichtung der Parkometerabgabe begangen habe, ist zunächst zu entgegnen, dass das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft keinen Raum bietet, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (vgl. etwa VwGH 19.5.2021, Ra 2021/01/0058, mwN). Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht sind, wenn eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, daher jedenfalls in Ansehung des Umstands, dass die Betreffende die in der Strafverfügung genannte Tat begangen hat, gebunden (vgl. etwa zur Bindung der Führerscheinbehörde VwGH 30.10.2018, Ra 2018/11/0213; sowie allgemein VwGH 24.9.2015, Ra 2015/02/0132; 13.6.2019, Ra 2019/02/0015, jeweils mwN).
26 Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass das Verwaltungsgericht in Bindung an die festgestellten rechtskräftigen Strafverfügungen und den diesen zu Grunde liegenden Tathandlungen davon auszugehen hatte, dass diese von der Beschwerdeführerin begangen wurden. Eigene Feststellungen zur Identität des Täters waren dem Verwaltungsgericht infolge dieser Bindungswirkung verwehrt (vgl. VwGH 21.8.2014, Ra 2014/11/0027)
27 Aus diesem Grund war auch dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einvernahme des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin als Zeuge zum Beweis dafür, dass tatsächlich er die Geschwindigkeitsübertretungen (bzw. die Nichtentrichtung der Parkometerabgabe) zu verantworten habe, mangels Relevanz nicht zu entsprechen.
28 Die Beschwerdeführerin hat demnach in den vergangenen vier Jahren acht Verwaltungsübertretungen begangen. Dass es sich dabei insgesamt um gravierende Verstöße handelt, ergibt sich schon daraus, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der letzten zwei Jahre ihres Aufenthalts innerhalb weniger Monate vier Mal die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Wiener Ortsgebiet von 50 km/h um 13 km/h (zwei Mal) sowie erheblich um 16 km/h und 17 km/h überschritten hat, wobei die beiden zuletzt genannten Überschreitungen auf einer gerichtsnotorisch viel befahrenen Straße (Handelskai) zur Zeiten hohen Verkehrsaufkommens („Stoßzeit“) begangen wurden. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Ortsgebiet von 80 km/h um 16 km/h vor etwas mehr als zwei Jahren, die Nichterteilung der Lenkerauskunft vor etwa eineinhalb Jahren sowie die nicht länger als vier Jahre zurückliegenden Parkstrafen treten dazu und waren daher nicht einer isolierten Prüfung zu unterziehen. Der Umstand, dass – bis auf eine Parkstrafe – sämtliche Verwaltungsübertretungen aus der Zeit nach Stellung des Antrags auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft resultieren, spricht gegen ein künftigen Wohlverhalten der Beschwerdeführerin (vgl. dazu VwGH 3.9.1997, 96/01/0810).
29 Ihr Vorbringen vermochte dieses Ergebnis nicht zu erschüttern, nicht zuletzt deshalb, weil die Begehung von Straftaten gegen Ende des Aufenthaltes in Österreich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten indiziert, dass sich die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin, die sich zumindest seit dem Jahr 2008 rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhält, gegen Ende ihres Aufenthaltes zum Schlechteren entwickelt hat (vgl. VwGH 24.6.2010, 2008/01/0230, mwN).
30 Auch die in der Beschwerde zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.10.1988, 97/01/0268) kann an diesem Ergebnis nichts ändern. Der dieser zu Grunde liegende Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil dort die belangte Behörde – anders als das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall – ihre Entscheidung im Rahmen des von ihr auszuübenden freien Ermessens nach § 11 StbG aufgrund vorliegender Geschwindigkeitsübertretungen zu Ungunsten des Beschwerdeführers getroffen hat, obwohl sie bereits zu dem Ergebnis gelangt war, dass er sämtliche Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG erfülle.
31 Die Beschwerdeführerin erfüllt nach Ansicht des Verwaltungsgerichts aber bereits die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Vorliegen eines Verleihungshindernisses nach der genannten Bestimmung die in § 11 StbG normierte Orientierung der Fremden zwingend verneint werden muss (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/01/0095; 2.4.2021, Ro 2021/01/0010; jeweils mwN).
32 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
33 Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der zitierten (einheitlichen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den hier maßgeblichen Rechtsfragen. Bei der vorliegenden Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die vom Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell nur aufzugreifen ist, wenn das Verwaltungsgericht seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. VwGH 21.2.2024, Ra 2024/01/0032 bis 0034, mwN). Darüber hinaus kommt der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 19.1.2024, Ra 2023/01/0369, mwN).
Schlagworte
Verleihungsvoraussetzung, Gesamtverhalten, Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, Bindungswirkung, Nichterteilung der Lenkerauskunft, WohlverhaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2024:VGW.152.005.14.2024Zuletzt aktualisiert am
09.10.2024