Entscheidungsdatum
27.02.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W294 2278015-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.8.2023, Zl. 1316217503/222259342, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.2.2024, wie folgt zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. am römisch 40 StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.8.2023, Zl. 1316217503/222259342, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.2.2024, wie folgt zu Recht:
A)
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: „BF“), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 20.7.2022 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit und Zukunft gebe. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Krieg.
Zu seinen persönlichen Umständen führte der BF an, dass er der Volksgruppe der Araber angehöre. Im Herkunftsstaat habe er 12 Jahre die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung absolviert und sei vor seiner Ausreise als Mechaniker tätig gewesen. Sein Vater sei bereits verstorben und seine Mutter, seine sechs Schwestern und ein Bruder seien alle im Libanon wohnhaft.
Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 3.5.2023 brachte der BF vor, dass er seinen Reisepass in Serbien verloren habe und auch keinen Personalausweis. Zur Frage, wann er sich entschieden habe, Syrien zu verlassen, entgegnete der BF, dass seine Mutter entschieden habe, Syrien zu verlassen, als sein Vater gestorben sei. Er habe Syrien im Alter von 11 oder 12 Jahren mit seiner Mutter sowie seinen Geschwistern verlassen und seine Ausreise mit ersparten Geldmittel in Höhe von 4000,- Euro finanziert. Die Frage, ob er bereits in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt habe, wurde vom BF verneint.
Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass er Syrien wegen Krieg und Militärdienst verlassen habe und nicht zum Militär gehen wolle. Sein Vater sei durch einen Luftangriff umgekommen. Die Fragen, ob es noch weitere Gründe gebe, warum er Syrien verlassen habe, wurde vom BF verneint. Er habe auch nicht den Grundwehrdienst abgeleistet. Es sei bekannt, dass man ab dem 18. Lebensjahr zum syrischen Militär einrücken müsse. Die Frage, ob er bereits einen Einberufungsbefehl erhalten habe, wurde vom BF verneint. Er sei in diesem Zeitraum im Libanon gewesen. Die Frage, ob er bei einer Militärdienstuntersuchung gewesen sei, wurde vom BF ebenfalls verneint. Er wäre tauglich, falls er zur Militärdienstuntersuchung gegangen wäre. Nachgefragt, aus welchem Grund er sich nicht der syrischen Armee anschließen habe wollen, replizierte der BF, dass er aufgrund der Kriegsgeschehnisse nicht zum Militärdienst einrücken habe wollen. Die Frage, ob jemals von der syrischen Armee bei ihm zu Hause gewesen sei und nach ihm gefragt habe, wurde vom BF verneint. Er sei noch zu jung gewesen, als er Syrien verlassen habe. Auf Aufforderung, zu erläutern, wie sich die Machtverhältnisse in seinem Herkunftsort entwickelt hätten, gab der BF an, dass aktuell die syrische Regierung an der Macht sei. Er habe in Syrien keine Probleme gehabt, weil er sich nicht der syrischen Armee angeschlossen habe, da er sich im Libanon befunden habe. Seit seiner Ausreise hätten auch die Behörden auch nicht bei seinen Eltern nach ihm gefragt. Die weiteren Fragen, ob er je Kontakt zu extremistischen, terroristischen Gruppierungen gehabt habe oder in Syrien Kontakt mit den IS gehabt habe, wurden vom BF verneint. Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst vor dem Gefängnis oder Militär. Die Frage, ob er in seiner Heimat irgendwelchen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, wurde vom BF verneint. Der Vorhalt, dass der Behörde bekannt sei, dass sich Männer, die länger als zwei Jahre im Ausland gelebt hätten, vom Militärdienst freikaufen könnten, wurde vom BF bestätigt. Es gebe in Syrien zudem Krieg und keine Sicherheit. Nachgefragt, wo er in Syrien zuletzt gewohnt habe, replizierte der BF, dass er in der Stadt Rif Damaskus im Bezirk XXXX mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt habe. Derzeit würden in Syrien noch sein Großvater und weitschichtige Verwandte wohnen. Die Frage, ob er Kontakt zu seinen Angehörigen oder Verwandten in Syrien habe, wurde vom BF verneint. Nachgefragt, wie er bis zur Ausreise aus Syrien gelebt habe, erklärte der BF, dass sein Vater Taxifahrer gewesen sei und sein Leben finanziert habe. Er habe sechs Jahre die Schule in Rif Damaskus besucht. Nachgefragt, wovon seine Angehörigen derzeit in Syrien leben würden, replizierte der BF, dass sein Großvater als Schafhändler tätig sei. Im Libanon sei er von 2014 bis 2021 wohnhaft gewesen. Er habe dort keinen Asylantrag gestellt und habe im Libanon auch keinen Aufenthaltstitel gehabt. Es gebe im Libanon keine Meldepflicht und der BF habe in einem Mietshaus gewohnt. Auf die Frage, wie er seinen Lebensunterhalt verdient habe, brachte der BF vor, dass er als KFZ Mechaniker beschäftigt gewesen sei. Er habe den Libanon jedoch verlassen, da die Wirtschaftslage sehr schlecht gewesen sei und Syrer nach Syrien abgeschoben werden würden. Die Fragen, ob er in seiner Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft sei, in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde oder in seiner Heimat von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet worden sei, wurden vom BF allesamt verneint. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden gehabt und sei in seiner Heimat nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen. Zudem sei er in seiner Heimat von staatlicher Seite nie wegen seiner politischen Gesinnung, Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt worden. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Militär oder vor dem Gefängnis. Die Frage, ob er im Falle einer Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätten, wurde vom BF verneint. Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass er Syrien wegen Krieg und Militärdienst verlassen habe und nicht zum Militär gehen wolle. Sein Vater sei durch einen Luftangriff umgekommen. Die Fragen, ob es noch weitere Gründe gebe, warum er Syrien verlassen habe, wurde vom BF verneint. Er habe auch nicht den Grundwehrdienst abgeleistet. Es sei bekannt, dass man ab dem 18. Lebensjahr zum syrischen Militär einrücken müsse. Die Frage, ob er bereits einen Einberufungsbefehl erhalten habe, wurde vom BF verneint. Er sei in diesem Zeitraum im Libanon gewesen. Die Frage, ob er bei einer Militärdienstuntersuchung gewesen sei, wurde vom BF ebenfalls verneint. Er wäre tauglich, falls er zur Militärdienstuntersuchung gegangen wäre. Nachgefragt, aus welchem Grund er sich nicht der syrischen Armee anschließen habe wollen, replizierte der BF, dass er aufgrund der Kriegsgeschehnisse nicht zum Militärdienst einrücken habe wollen. Die Frage, ob jemals von der syrischen Armee bei ihm zu Hause gewesen sei und nach ihm gefragt habe, wurde vom BF verneint. Er sei noch zu jung gewesen, als er Syrien verlassen habe. Auf Aufforderung, zu erläutern, wie sich die Machtverhältnisse in seinem Herkunftsort entwickelt hätten, gab der BF an, dass aktuell die syrische Regierung an der Macht sei. Er habe in Syrien keine Probleme gehabt, weil er sich nicht der syrischen Armee angeschlossen habe, da er sich im Libanon befunden habe. Seit seiner Ausreise hätten auch die Behörden auch nicht bei seinen Eltern nach ihm gefragt. Die weiteren Fragen, ob er je Kontakt zu extremistischen, terroristischen Gruppierungen gehabt habe oder in Syrien Kontakt mit den IS gehabt habe, wurden vom BF verneint. Im Falle einer Rückkehr hätte er Angst vor dem Gefängnis oder Militär. Die Frage, ob er in seiner Heimat irgendwelchen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, wurde vom BF verneint. Der Vorhalt, dass der Behörde bekannt sei, dass sich Männer, die länger als zwei Jahre im Ausland gelebt hätten, vom Militärdienst freikaufen könnten, wurde vom BF bestätigt. Es gebe in Syrien zudem Krieg und keine Sicherheit. Nachgefragt, wo er in Syrien zuletzt gewohnt habe, replizierte der BF, dass er in der Stadt Rif Damaskus im Bezirk römisch 40 mit seinen Eltern und Geschwistern gelebt habe. Derzeit würden in Syrien noch sein Großvater und weitschichtige Verwandte wohnen. Die Frage, ob er Kontakt zu seinen Angehörigen oder Verwandten in Syrien habe, wurde vom BF verneint. Nachgefragt, wie er bis zur Ausreise aus Syrien gelebt habe, erklärte der BF, dass sein Vater Taxifahrer gewesen sei und sein Leben finanziert habe. Er habe sechs Jahre die Schule in Rif Damaskus besucht. Nachgefragt, wovon seine Angehörigen derzeit in Syrien leben würden, replizierte der BF, dass sein Großvater als Schafhändler tätig sei. Im Libanon sei er von 2014 bis 2021 wohnhaft gewesen. Er habe dort keinen Asylantrag gestellt und habe im Libanon auch keinen Aufenthaltstitel gehabt. Es gebe im Libanon keine Meldepflicht und der BF habe in einem Mietshaus gewohnt. Auf die Frage, wie er seinen Lebensunterhalt verdient habe, brachte der BF vor, dass er als KFZ Mechaniker beschäftigt gewesen sei. Er habe den Libanon jedoch verlassen, da die Wirtschaftslage sehr schlecht gewesen sei und Syrer nach Syrien abgeschoben werden würden. Die Fragen, ob er in seiner Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft sei, in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde oder in seiner Heimat von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet worden sei, wurden vom BF allesamt verneint. Er habe auch keine Probleme mit den Behörden gehabt und sei in seiner Heimat nie Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen. Zudem sei er in seiner Heimat von staatlicher Seite nie wegen seiner politischen Gesinnung, Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppe oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt worden. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst vor dem Militär oder vor dem Gefängnis. Die Frage, ob er im Falle einer Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden hätten, wurde vom BF verneint.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF Kopien eines abgelaufenen syrischen Reisepasses und Auszügen aus dem Familienbuch in Vorlage gebracht.
Mit Bescheid des BFA vom 22.8.2023 wurde der Antrag des BF vom 20.7.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).Mit Bescheid des BFA vom 22.8.2023 wurde der Antrag des BF vom 20.7.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und diesem gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass er kein Militärdienstbuch besitze, keinen Einberufungsbefehl erhalten habe und nicht bei der Militäruntersuchung gewesen sei, da er minderjährig gewesen sei, als er Syrien verlassen habe. Weiters habe auch nie jemand von der syrischen Armee nach ihm gefragt und er sei in Syrien auch keinen Bedrohungen ausgesetzt gewesen, da er sich seit 2014 in Syrien aufhalte. Es bestehe zwar die bloße Möglichkeit, aber nicht die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Einziehung der Person des BF zum Militärdienst. Den aktuellen Länderinformationen sei zu entnehmen, dass sich syrische Staatsbürger, welche einen Wohnsitz außerhalb Syrien innehätten, vom Militärdienst bzw. Reservedienst freikaufen könnten. Ebenso wenig könne aus den Länderfeststellungen entnommen werden, dass gleichsam jedem Flüchtling, der aus Europa nach Syrien zurückkehre, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde.
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der BF fristgerecht Beschwerde und legte im Wesentlichen dar, dass die belangte Behörde den Grundsätzen der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs nicht genügt und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet habe. Der BF befinde sich mit seinen 24 Jahren mittlerweile im vorgesehenen Wehrdienstalter. Im Falle einer Rückkehr bestehe für den BF die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehne. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Fallgegenständlich werde die Willkür aller Konfliktparteien außer Acht gelassen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der BF fristgerecht Beschwerde und legte im Wesentlichen dar, dass die belangte Behörde den Grundsätzen der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhaltes und der Wahrung des Parteiengehörs nicht genügt und das Verfahren dadurch mit Mangelhaftigkeit belastet habe. Der BF befinde sich mit seinen 24 Jahren mittlerweile im vorgesehenen Wehrdienstalter. Im Falle einer Rückkehr bestehe für den BF die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehne. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Fallgegenständlich werde die Willkür aller Konfliktparteien außer Acht gelassen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 16.2.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein der Rechtsberatung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde zu seinen Fluchtgründen befragt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe darzulegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogenrömisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen
1.1. Zur Person des BF
Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er wurde im Bezirk XXXX , im syrischen Gouvernement Damaskus geboren und besuchte dort 12 Jahre die Grundschule. Im Jahr 2014 verließ er Syrien legal in den Libanon und war dort bis 2021 wohnhaft. Er war im Libanon als KFZ Mechaniker tätig. Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er wurde im Bezirk römisch 40 , im syrischen Gouvernement Damaskus geboren und besuchte dort 12 Jahre die Grundschule. Im Jahr 2014 verließ er Syrien legal in den Libanon und war dort bis 2021 wohnhaft. Er war im Libanon als KFZ Mechaniker tätig.
Die Mutter und die sechs Schwestern sowie der Bruder des BF sind nach wie vor im Libanon wohnhaft. Eine Großmutter des BF ist nach wie vor in Syrien aufhältig.
Der Herkunftsort - die Heimatregion- des BF, das Gebiet um Khan Alshich im Gouvernement Damaskus, liegt im Regierungsgebiet und steht sohin gegenwärtig unter der Kontrolle des syrischen Regimes.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen über verschiedene Länder nach Österreich, wo er am 20.7.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Mit Bescheid des BFA vom 22.8.2023 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der BF ist gesund und in Österreich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der BF ist mit seinen 24 Jahren nach wie vor im wehrpflichtigen Alter, er ist gesund, hat seinen Wehrdienst aber bislang noch nicht abgeleistet, da er als Minderjähriger das Land verließ und ist von diesem nicht befreit.
Der BF wurde bisher nicht zum Wehrdienst eingezogen und hat sich diesem durch seine Flucht und Ausreise entzogen.
Der BF lehnt die Ableistung des Wehrdienstes ab, weil er an keinen Kriegshandlungen teilnehmen will.
Im Falle einer Rückkehr besteht für den BF die Gefahr, am Grenzkontrollposten verhaftet und zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehnt. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Er kann sich nicht dauerhaft dem staatlichen Wehrdienst entziehen, weil sein Herkunftsort von der Regierung kontrolliert wird.
Die syrische Regierung betrachtet Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen. Auch die Ausreise des BF und die dadurch bewirkte Entziehung von der Ableistung des Wehrdienstes wird vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.
Die Tatsache, dass die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung als Ausdruck politischen Dissens betrachtet (auch in Kombination mit den, den Betroffenen drohenden, völlig unverhältnismäßigen Sanktionen), kann nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung eine oppositionelle Gesinnung (zumindest) unterstellt.
Die Möglichkeit des Freikaufens vom Wehrdienst in der syrischen Armee stellt für den BF keine vertretbare Option dar.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-07-10 12:22
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).
Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus.
In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten).
Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).
Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).
SYRISCHE ARABISCHE REPUBLIK
Letzte Änderung 2023-07-10 12:56
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v.a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 29.3.2023).
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-07-11 09:42
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach eine politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 29.3.2023). Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) veröffentlichte eine Karte mit Stand Dezember 2022, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind. Es gibt Gebiete, in denen mehr als Akteur präsent ist (UNCOI 1.2023) [Anm.: die ausländischen Verbündeten des Regimes wie Iran, Russland und libanesische Hizbollah fehlen - siehe Karten weiter unten]:
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023).
Die CoI stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018).
Mitte des Jahres 2016 hatte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der 'wichtigsten' Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt, kontrolliert (Reuters 13.4.2016). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.3.2023).
Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind während des Jahres im Land in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien].
Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen.
Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).
Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (AA 29.11.2021).
Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022).
Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023).
Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).
Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS)
Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vgl. DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vgl. CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vgl. BAMF 6.12.2022).Der IS kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghouz die letzte Bastion des IS von den oppositionellen SDF erobert (DZ 24.3.2019). Im Oktober 2019 wurde der Gründer und Anführer des IS, Abu Bakr Al-Baghdadi, bei einem US-Spezialkräfteeinsatz in Nordwest-Syrien getötet (AA 19.5.2020). Sein Nachfolger Abu Ibrahim al-Hashimi al-Quraishi beging im Februar 2022 beim Eintreffen einer US-Spezialeinheit im Gouvernement Idlib Selbstmord. Als sein Nachfolger wurde Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi ernannt (EUAA 9.2022; vergleiche DS 10.3.2022). Am 30.11.2022 bestätigte die Dschihadistenmiliz den Tod von Abu Hassan al-Hashemi al-Quraishi (BAMF 6.12.2022; vergleiche CNN 30.11.2022). Das Oberkommando der US-Streitkräfte in der Region bestätigte, dass al-Quraishi Mitte Oktober 2022 bei einer Operation von syrischen Rebellen in der südlichen syrischen Provinz Dara’a getötet wurde (BAMF 6.12.2022). Der IS ernannte Abu al-Husain al-Husaini al-Quraishi zu seinem Nachfolger (CNN 30.11.2022; vergleiche BAMF 6.12.2022).
Der UN-Sicherheitsrat schätzt die Stärke der Gruppe auf 6.000 bis 10.000 Kämpfer in ganz Syrien und im Irak, wobei die operativen Führer der Gruppe hauptsächlich in Syrien stationiert sind (EUAA 9.2022). Die Terrororganisation IS kann in Syrien selbst in ihren Rückzugsgebieten im syrisch-irakischen Grenzgebiet sowie in Zentralsyrien weiterhin keine territoriale Kontrolle mehr ausüben. Mit mehreren Tausend Kämpfern sowie deren Angehörigen, die sich in Gefängnissen und Lagern in Nordostsyrien in Gewahrsam der SDF befinden, sowie einer vermutlich dreistelligen Zahl von im Untergrund aktiven Kämpfern bleibt IS jedoch ein relevanter asymmetrischer Akteur (AA 29.3.2023). Nach dem Verlust der territorialen Kontrolle verlagerte der IS seine Strategie hin zu aufständischen Methoden, wie gezielte Angriffe, u.a. Autobomben, Überfälle und Attentate (DIS 29.6.2020). Der IS verübte immer wieder Angriffe und Anschläge, insbesondere auf Einheiten der SDF im Nordosten sowie auf Truppen des Regimes in Zentralsyrien, und zeigte bei zwei Anschlägen im Jahr 2022 seine anhaltende Fähigkeit zu komplexen Operationen (AA 29.3.2023).
Trotz der starken Präsenz syrischer und russischer Streitkräfte in Südsyrien sind mit dem IS verbundene Kämpfer in der Region aktiv und das syrische Regime ist derzeit nicht in der Lage, IS-Aktivisten in Gebieten zurückzudrängen, die vollständig unter der Kontrolle der Regierung stehen (VOA 24.10.2022). Der IS ist im Regimegebiet stärker, weil die syrische Armee weniger kompetent