Entscheidungsdatum
06.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W278 2272103-2/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2023, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 alias römisch 40 , geboren am römisch 40 , Staatsangehörigkeit SYRIEN, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2023, Zahl römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.05.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein volljähriger Staatsangehöriger Syriens, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 09.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 10.06.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab der BF an, er habe zum Militär sollen und die wirtschaftliche Lage sei schlecht. Er habe sehr viele Schwestern und wolle seine Familie unterstützen. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst eingezogen zu werden.
3. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 26.02.2023 erhob der BF Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG), welche mit Erkenntnis vom 10.09.2023, XXXX , gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG abgewiesen wurde.3. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 26.02.2023 erhob der BF Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG), welche mit Erkenntnis vom 10.09.2023, römisch 40 , gemäß Paragraph 8, Absatz eins, letzter Satz VwGVG abgewiesen wurde.
4. Am 27.07.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF zusammengefasst an, dass er aufgrund der Angriffe der syrischen Armee 2017 mit seinem Bruder nach Aleppo-Land flüchten habe müssen und nachdem sich die syrische Armee Aleppo-Land genähert habe, habe er beschlossen aus Syrien auszureisen und für immer zu fliehen. Er habe aufgrund von Razzien in einem 50 km entfernten Ort durch die syrische Armee Angst bekommen, festgenommen zu werden. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er zwangsweise zum Militärdienst vom syrischen Regime eingezogen zu werden. In XXXX würde nichts passieren.4. Am 27.07.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF zusammengefasst an, dass er aufgrund der Angriffe der syrischen Armee 2017 mit seinem Bruder nach Aleppo-Land flüchten habe müssen und nachdem sich die syrische Armee Aleppo-Land genähert habe, habe er beschlossen aus Syrien auszureisen und für immer zu fliehen. Er habe aufgrund von Razzien in einem 50 km entfernten Ort durch die syrische Armee Angst bekommen, festgenommen zu werden. Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er zwangsweise zum Militärdienst vom syrischen Regime eingezogen zu werden. In römisch 40 würde nichts passieren.
Der BF legte im Rahmen der Einvernahme eine syrische ID-Card im Original sowie eine Kopie seines syrischen Militärbuches vor.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.10.2023 (zugestellt am 10.11.2023 oder 13.11.2023, im Akt sind zwei Rückscheine enthalten) wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf 1 Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.10.2023 (zugestellt am 10.11.2023 oder 13.11.2023, im Akt sind zwei Rückscheine enthalten) wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine auf 1 Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte das BFA im Wesentlichen zur abweisenden Entscheidung aus, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der BF in Syrien eine asylrelevante individuelle, ihn persönlich betreffende Verfolgung drohe. Das Fluchtvorbringen des BF habe sich primär auf die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage sowie Sicherheitslage bezogen. Der BF habe seit Kriegsbeginn lediglich im Zuge der Ausstellung seines Militärbuches Kontakt zu den syrischen Behörden gehabt, er wäre seither nicht mehr in einem von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiet aufhältig gewesen und hätte zu keinem Zeitpunkt persönliche Probleme, oder auch nur Kontakt mit der syrischen Regierung gehabt. Zudem habe der BF vor dem BFA zu Protokoll gegeben, dass ihm bei einer Rückkehr an seinen letzten Aufenthaltsort in Aleppo-Land nichts passieren würde und sei zudem sein 34-jähriger Bruder bis dato im von der FSA kontrollierten XXXX aufhältig, ohne einer persönlichen Bedrohungs- oder Verfolgungssituation, oder auch einer etwaigen Zwangsrekrutierung ausgesetzt gewesen zu sein. Die syrische Regierung verfüge über keine Kontrolle dieser Region Syriens. Dem BF sei möglich, seinen letzten Aufenthaltsort in Syrien zu erreichen, ohne von den syrischen Behörden kontrollierte Gebiete passieren zu müssen.Begründend führte das BFA im Wesentlichen zur abweisenden Entscheidung aus, dass nicht habe festgestellt werden können, dass der BF in Syrien eine asylrelevante individuelle, ihn persönlich betreffende Verfolgung drohe. Das Fluchtvorbringen des BF habe sich primär auf die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage sowie Sicherheitslage bezogen. Der BF habe seit Kriegsbeginn lediglich im Zuge der Ausstellung seines Militärbuches Kontakt zu den syrischen Behörden gehabt, er wäre seither nicht mehr in einem von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiet aufhältig gewesen und hätte zu keinem Zeitpunkt persönliche Probleme, oder auch nur Kontakt mit der syrischen Regierung gehabt. Zudem habe der BF vor dem BFA zu Protokoll gegeben, dass ihm bei einer Rückkehr an seinen letzten Aufenthaltsort in Aleppo-Land nichts passieren würde und sei zudem sein 34-jähriger Bruder bis dato im von der FSA kontrollierten römisch 40 aufhältig, ohne einer persönlichen Bedrohungs- oder Verfolgungssituation, oder auch einer etwaigen Zwangsrekrutierung ausgesetzt gewesen zu sein. Die syrische Regierung verfüge über keine Kontrolle dieser Region Syriens. Dem BF sei möglich, seinen letzten Aufenthaltsort in Syrien zu erreichen, ohne von den syrischen Behörden kontrollierte Gebiete passieren zu müssen.
6. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 01.12.2023 (eingebracht am 01.12.2023) Beschwerde erhoben. In dieser wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF aus der Region Deir Ez-Zoir stamme und vor seiner Flucht in Aleppo-Land gelebt habe. Der BF habe Syrien Ende 2021 aufgrund der volatilen Lage und der damit eng verbundenen Rekrutierungsmaßnahmen der syrischen Regierung verlassen. Er unterliege dort der Gefahr von einer Zwangsrekrutierung und einer Festnahme bzw. Bestrafung aufgrund des bis dato unterlassenen Wehrdienstes und der damit unterstellten oppositionellen Gesinnung. Zwar sei das Gebiet, in welchem sich der BF befunden habe, nicht vom Regime kontrolliert, jedoch befinden sich Checkpoints des Regimes in der Nähe und können sich die Machtverhältnisse in der Region jederzeit ändern. Die Ermittlungen des BF zur Einstufung als „oppositionell“ haben sich als mangelhaft erwiesen, weil durch die illegale Ausreise, den Aufenthalt in regime-kritischen Orten werde dem BF eine solche politische Einstellung zumindest unterstellt. Die Möglichkeit sich durch Wehrersatzgeld freizukaufen, bestehe im Endeffekt nicht, weil sie weder die negative Konnotation einer Weigerung an sich noch den Wehrdienst mit Sicherheit abwendet.6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 01.12.2023 (eingebracht am 01.12.2023) Beschwerde erhoben. In dieser wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF aus der Region Deir Ez-Zoir stamme und vor seiner Flucht in Aleppo-Land gelebt habe. Der BF habe Syrien Ende 2021 aufgrund der volatilen Lage und der damit eng verbundenen Rekrutierungsmaßnahmen der syrischen Regierung verlassen. Er unterliege dort der Gefahr von einer Zwangsrekrutierung und einer Festnahme bzw. Bestrafung aufgrund des bis dato unterlassenen Wehrdienstes und der damit unterstellten oppositionellen Gesinnung. Zwar sei das Gebiet, in welchem sich der BF befunden habe, nicht vom Regime kontrolliert, jedoch befinden sich Checkpoints des Regimes in der Nähe und können sich die Machtverhältnisse in der Region jederzeit ändern. Die Ermittlungen des BF zur Einstufung als „oppositionell“ haben sich als mangelhaft erwiesen, weil durch die illegale Ausreise, den Aufenthalt in regime-kritischen Orten werde dem BF eine solche politische Einstellung zumindest unterstellt. Die Möglichkeit sich durch Wehrersatzgeld freizukaufen, bestehe im Endeffekt nicht, weil sie weder die negative Konnotation einer Weigerung an sich noch den Wehrdienst mit Sicherheit abwendet.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 19.01.2024 beim BVwG eingelangt.
8. Das BVwG führte am 23.05.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF, sein Rechtsberater als gewillkürte Vertretung sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA hat im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf die Teilnahme an der Verhandlung zu verzichten (OZ 4, 5 und 6). Im Zuge der Verhandlung wurde der BF zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt und es wurden ihm die im Verfahren herangezogenen Berichte zur Beurteilung der Lage in seinem Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.
Im Zuge der Verhandlung legte der BF erneut seinen syrischen Personalauswies als auch sein Militärbuch vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
1.1.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er beherrscht die arabische Sprache in Wort und Schrift (Erstsprache). Seine Identität steht fest.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
1.1.2. Der BF ist in XXXX , Region XXXX , einem Dorf im Gouvernement Deir ez-Zor, westlich des Flusses Euphrat, geboren und aufgewachsen und hat dort 9 Jahre die Grundschule besucht. Im Jahr 2017 reiste der BF mit seinem Bruder aufgrund von Kriegsgeschehnissen aus seinem Heimatort und lebte in einem Haus auf Miete anschließend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes im Dorf XXXX in XXXX im Gouvernement Aleppo-Land. Der BF war in Syrien in seinem Geburtsort in der Landwirtschaft auf den familiären Ländereien und im letzten Aufenthaltsort auf Baustellen tätig und finanzierte damit seinen Lebensunterhalt. Sein Geburts- und Herkunftsort XXXX und das durch den Euphrat begrenzte Umland steht im Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle des syrischen Regimes, welches zunächst von 2013 bis 2015 in der Hand der Opposition, ab Jänner 2015 in der Hand des IS und ab Dezember 2017 wieder in der Hand des syrischen Regimes ist.1.1.2. Der BF ist in römisch 40 , Region römisch 40 , einem Dorf im Gouvernement Deir ez-Zor, westlich des Flusses Euphrat, geboren und aufgewachsen und hat dort 9 Jahre die Grundschule besucht. Im Jahr 2017 reiste der BF mit seinem Bruder aufgrund von Kriegsgeschehnissen aus seinem Heimatort und lebte in einem Haus auf Miete anschließend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes im Dorf römisch 40 in römisch 40 im Gouvernement Aleppo-Land. Der BF war in Syrien in seinem Geburtsort in der Landwirtschaft auf den familiären Ländereien und im letzten Aufenthaltsort auf Baustellen tätig und finanzierte damit seinen Lebensunterhalt. Sein Geburts- und Herkunftsort römisch 40 und das durch den Euphrat begrenzte Umland steht im Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle des syrischen Regimes, welches zunächst von 2013 bis 2015 in der Hand der Opposition, ab Jänner 2015 in der Hand des IS und ab Dezember 2017 wieder in der Hand des syrischen Regimes ist.
Die Stadt XXXX , in der sich der BF zuletzt aufhielt, befindet sich unter der Kontrolle türkischer Truppen und mit diesen verbündeten Milizen, darunter insbesondere die Syrian National Army (SNA), bei der es sich um die Nachfolgeorganisation der Freien Syrischen Armee (Free Syrien Army, in der Folge: FSA) handelt.Die Stadt römisch 40 , in der sich der BF zuletzt aufhielt, befindet sich unter der Kontrolle türkischer Truppen und mit diesen verbündeten Milizen, darunter insbesondere die Syrian National Army (SNA), bei der es sich um die Nachfolgeorganisation der Freien Syrischen Armee (Free Syrien Army, in der Folge: FSA) handelt.
1.1.3. In Syrien sind nach wie vor seine Mutter und sechs Schwestern aufhältig. Sein Bruder reiste zuletzt im Jahr 2023 von XXXX in die Türkei aus und ist seither in der Türkei aufhältig und unterstützt die Familie in Syrien finanziell. Seine Mutter lebt gemeinsam mit drei ledigen Schwestern in Damaskus-Land und die anderen drei Schwestern sind verheiratet. Der Vater des BF verstarb 2014 krankheitsbedingt. Dass der BF noch weitere vier Brüder hat und einer inhaftiert war, konnte nicht festgestellt werden. Außerdem ist noch eine Schwester des BF in Holland wohnhaft. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner in Syrien lebenden Familie.1.1.3. In Syrien sind nach wie vor seine Mutter und sechs Schwestern aufhältig. Sein Bruder reiste zuletzt im Jahr 2023 von römisch 40 in die Türkei aus und ist seither in der Türkei aufhältig und unterstützt die Familie in Syrien finanziell. Seine Mutter lebt gemeinsam mit drei ledigen Schwestern in Damaskus-Land und die anderen drei Schwestern sind verheiratet. Der Vater des BF verstarb 2014 krankheitsbedingt. Dass der BF noch weitere vier Brüder hat und einer inhaftiert war, konnte nicht festgestellt werden. Außerdem ist noch eine Schwester des BF in Holland wohnhaft. Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner in Syrien lebenden Familie.
1.1.4. Ende 2021 reiste der BF aus Syrien in die Türkei aus und nach einem ca. 5- monatigen Aufenthalt weiter über mehrere Länder unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 09.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 24.10.2023 (zugestellt am 10.11.2023) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben (Spruchpunkt II.) und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Der BF erhob fristgerecht am 01.12.2023 Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des gegenständlichen Bescheides. Der Status des BF des subsidiär Schutzberechtigten erwuchs in Rechtskraft.Mit Bescheid vom 24.10.2023 (zugestellt am 10.11.2023) wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben (Spruchpunkt römisch II.) und dem BF eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Der BF erhob fristgerecht am 01.12.2023 Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des gegenständlichen Bescheides. Der Status des BF des subsidiär Schutzberechtigten erwuchs in Rechtskraft.
1.1.5. Der BF ist gesund und leidet an keiner schweren (lebensbedrohenden) psychischen oder physischen Erkrankung.
Er ist arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
1.2.1. Für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren ist die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend. Der BF befindet sich mit seinen 30 Jahren damit im wehrpflichtigen Alter hinsichtlich des gesetzlich vorgesehenen Militärdienstes der syrischen Regierung im Gebiet unter deren Kontrolle. Er ist nicht vom Wehrdienst befreit.
Im Jahr 2012 wurde dem BF zwar ein Militärbuch ausgestellt und einer medizinischen Untersuchung unterzogen, aber wurde er in Folge bis zu seiner Ausreise im Jahr 2021 von Sicherheitsbehörden der syrischen Regierung nicht zum Militärdienst zur syrischen Armee eingezogen. Er hat den Wehrdienst für das syrische Regime noch nicht abgeleistet, unter anderem weil er im Jahr 2017 von seinem Geburtsort in das Oppositionsgebiet verzog und zuvor die Opposition als auch der IS die Kontrolle über sein Herkunftsgebiet innehatte. Der BF hat den Wehrdienst daher nicht verweigert, sondern sich einer möglichen Einberufung durch seinen Verzug ins Oppositionsgebiet und endgültigen Ausreise aus Syrien entzogen.
Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
1.2.2. Die syrische Regierung kann im Geburts- und Heimatort des BF Rekrutierungen durchführen. Da der Bedarf an Soldaten für die syrische Armee weiterhin hoch ist, droht dem BF im Falle einer (hypothetischen) Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Rekrutierung seitens der syrischen Armee.
Der BF will seinen Wehrdienst nicht ableisten, um sich nicht den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung des Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt. Der BF hat allgemein Angst um sein Leben, aber weist keine glaubhaft verinnerlichte Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.
Die syrischen Behörden unterstellen nicht sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung. Auch dem BF würde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden. Der BF hat keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben. So war der BF in Syrien bzw. im Ausland nicht politisch aktiv oder außenwirksam tätig und nie Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und hatte keine Probleme mit den syrischen Behörden. Weder wurde in Syrien nach ihm gefahndet, noch wurde er festgenommen oder inhaftiert.
1.2.3. Dem BF steht zudem die Möglichkeit offen, sich durch die Leistung einer Befreiungsgebühr von der Wehrdienstpflicht freizukaufen. Er kann die dafür nötigen Geldmittel aufbringen. Der BF wurde bereits zuvor von seiner Mutter und seinen Geschwistern finanziell unterstützt.
Der BF ist im Bundesgebiet als subsidiär Schutzberechtigter aufenthaltsberechtigt, hat Zugang zum Arbeitsmarkt und bekommt aktuell insgesamt 1.255 EUR an Sozialleistungen, davon bezahlt er 250 EUR für die Wohnungsmiete.
1.2.4. Auch aufgrund des Aufenthalts in einem Oppositionsgebiet, seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Inhaftierung und Folter aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.
Ferner droht dem BF im Fall einer Rückkehr keine Verfolgung respektive Zwangsrekrutierung durch die FSA.
1.2.5. Ebenso wenig droht dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr aufgrund seiner Eigenschaft als sunnitischer Araber.
Es wird festgestellt, dass der BF im Fall einer fiktiven Rückkehr nach Syrien aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter keiner konkreten Verfolgungsgefährdung oder der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden, ausgesetzt ist.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen
- die aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (Country of Origin Information-Content Management System), Version 11 vom 27.03.2024;
- EUAA – Leitfaden April 2024;
- Danish Immigration Service (DIS), Syria: Treatment upon return vom Mai 2022;
- Anfragebeantwortung zu Syrien: Zwangsrekrutierung von Erwachsenen durch die Syrische Nationale Armee (SNA) oder andere oppositionelle militärische Gruppierungen in Dscharabulus; Personengruppen mit höherer Wahrscheinlichkeit von derartigen Rekrutierungen; Sanktionen gegen Personen, die eine Rekrutierung verweigern; Unterstellung oppositioneller Gesinnung im Falle einer Verweigerung; Zugriffsmöglichkeiten der syrischen Armee auf wehrdienstpflichtige Personen in Dscharabulus [a-12101] 20. März 2023;
auszugsweise wiedergegeben:
1.3.1. Zur Gebietskontrolle und Sicherheitslage
Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11 vom 27.03.2024:
Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).
Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).