Entscheidungsdatum
27.08.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W226 2277671-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2023, Zl. 1315910800-222241818, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2024, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2023, Zl. 1315910800-222241818, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.05.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: „BF“), ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 19.07.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 20.07.2022 erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, am XXXX in XXXX , Syrien, geboren zu sein. Der BF sei ledig, gehöre dem islamischen Glauben und der arabischen Volksgruppe an. In Syrien habe der BF die Grundschule besucht und anschließend als Textilhändler gearbeitet. Der BF verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat in Form seiner Eltern, zwei Schwestern und eines Bruders. Vor seiner Ausreise habe sich der BF zuletzt in XXXX aufgehalten. Der BF gab an, vor vier Jahren zu Fuß aus Syrien in die Türkei ausgereist zu sein. Dort habe er sich dann für vier Jahre aufgehalten, bevor er über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist sei. 2. Im Rahmen der am 20.07.2022 erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, am römisch 40 in römisch 40 , Syrien, geboren zu sein. Der BF sei ledig, gehöre dem islamischen Glauben und der arabischen Volksgruppe an. In Syrien habe der BF die Grundschule besucht und anschließend als Textilhändler gearbeitet. Der BF verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat in Form seiner Eltern, zwei Schwestern und eines Bruders. Vor seiner Ausreise habe sich der BF zuletzt in römisch 40 aufgehalten. Der BF gab an, vor vier Jahren zu Fuß aus Syrien in die Türkei ausgereist zu sein. Dort habe er sich dann für vier Jahre aufgehalten, bevor er über Bulgarien, Serbien und Ungarn nach Österreich gereist sei.
Zum Fluchtgrund führte der BF aus, dass er zum syrischen Militär einberufen worden sei und nicht für das Regime kämpfen wolle. Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod.
3. Am 24.03.2023 erfolgte eine Einvernahme des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: „BFA“). Dabei gab der BF im Wesentlichen an, muttersprachlich Arabisch und Türkisch zu sprechen. Er habe fünf Jahre lang in der Türkei gelebt. Er sei gesund, nehme keine Medikamente und leide an keiner Erkrankung. Auf die Frage, ob der BF in der Erstbefragung die Wahrheit gesagt habe, bejahte der BF dies und führte aus, dass es zu keinen Verständigungsproblemen gekommen und die Einvernahme rückübersetzt worden sei.
Der BF führte aus, dass er am XXXX in XXXX geboren und dort auch aufgewachsen sei. Er sei sunnitischer Moslem. Im Jahr 2014 oder 2015, als die Krise begann, habe sich der BF entschlossen, XXXX zu verlassen. 2017 oder 2016 sei er illegal aus Syrien ausgereist und nicht mehr zurückgekehrt. Im Herkunftsland habe er zwölf Jahre die Schule besucht und danach in der Türkei im Bereich XXXX gearbeitet. In Syrien sei er für ein Jahr im Baubereich tätig gewesen. Seine Familie halte sich nach wie vor in Syrien auf. Seit sechs bis sieben Jahren würden diese in XXXX , leben. Der BF selbst habe dort etwa ein Jahr gelebt. Der in Syrien aufhältige Bruder des BF sei 30 Jahre alt. Über Telefon und WhatsApp halte der BF Kontakt zu seiner Familie. Der BF führte aus, dass er am römisch 40 in römisch 40 geboren und dort auch aufgewachsen sei. Er sei sunnitischer Moslem. Im Jahr 2014 oder 2015, als die Krise begann, habe sich der BF entschlossen, römisch 40 zu verlassen. 2017 oder 2016 sei er illegal aus Syrien ausgereist und nicht mehr zurückgekehrt. Im Herkunftsland habe er zwölf Jahre die Schule besucht und danach in der Türkei im Bereich römisch 40 gearbeitet. In Syrien sei er für ein Jahr im Baubereich tätig gewesen. Seine Familie halte sich nach wie vor in Syrien auf. Seit sechs bis sieben Jahren würden diese in römisch 40 , leben. Der BF selbst habe dort etwa ein Jahr gelebt. Der in Syrien aufhältige Bruder des BF sei 30 Jahre alt. Über Telefon und WhatsApp halte der BF Kontakt zu seiner Familie.
Danach befragt, ob der BF im Herkunftsland wegen seiner Religion verfolgt worden sei, gab der BF an, dass er wegen seiner Religion bedroht worden sei. Weiters führte der BF zu seinem Fluchtgrund aus, dass er zu Beginn der Krise in Syrien friedlich demonstriert habe. Der BF habe dann von seinem Vater erfahren, dass der Sicherheitsdienst den BF suche, und dass sie aus XXXX flüchten müssten, weil XXXX unter der Macht des Regimes war. Danach befragt, ob der BF im Herkunftsland wegen seiner Religion verfolgt worden sei, gab der BF an, dass er wegen seiner Religion bedroht worden sei. Weiters führte der BF zu seinem Fluchtgrund aus, dass er zu Beginn der Krise in Syrien friedlich demonstriert habe. Der BF habe dann von seinem Vater erfahren, dass der Sicherheitsdienst den BF suche, und dass sie aus römisch 40 flüchten müssten, weil römisch 40 unter der Macht des Regimes war.
Der BF gab an, aus XXXX zu stammen aber in XXXX geboren zu sein. Der BF sei gemeinsam mit seiner Familie in das Heimatdorf in XXXX gegangen. Als das Regime dort einmarschierte, seien sie nach XXXX umgezogen. Der BF habe Syrien verlassen, weil es dort viele Gruppierungen gebe, die den BF alle rekrutieren hätten wollen. Der BF werde wegen seiner Demonstrationsteilnahme und wegen der Rekrutierung zum Militärdienst gesucht. Bei einer Rückkehr in das Herkunftsland könnte der BF ins Gefängnis kommen oder rekrutiert werden und gegen Kinder seines Heimatlandes kämpfen müssen. Der BF habe noch nicht seinen Militärdienst abgeleistet und besitze auch kein Militärbuch. Der BF habe nicht die „Strafgebühr“ für das Militär bzw. den Freikauf vom Militär bezahlt, da es ein Verbrechensregime sei. Sie würden den BF inhaftieren, wenn er dorthin gehen und die Geldbuße zahlen würde. Er sei auch verurteilt worden, da er demonstriert habe. Er habe im Jahr 2015 vier bis fünf Mal in XXXX an Demonstrationen teilgenommen. Aufgrund seiner Religion sei der Name des BF bei den Demonstrationen an den Sicherheitsdienst weitergegeben worden. Dies habe der BF durch seinen Vater erfahren, der auch bei den Sicherheitsdiensten gearbeitet habe. Der BF gab an, aus römisch 40 zu stammen aber in römisch 40 geboren zu sein. Der BF sei gemeinsam mit seiner Familie in das Heimatdorf in römisch 40 gegangen. Als das Regime dort einmarschierte, seien sie nach römisch 40 umgezogen. Der BF habe Syrien verlassen, weil es dort viele Gruppierungen gebe, die den BF alle rekrutieren hätten wollen. Der BF werde wegen seiner Demonstrationsteilnahme und wegen der Rekrutierung zum Militärdienst gesucht. Bei einer Rückkehr in das Herkunftsland könnte der BF ins Gefängnis kommen oder rekrutiert werden und gegen Kinder seines Heimatlandes kämpfen müssen. Der BF habe noch nicht seinen Militärdienst abgeleistet und besitze auch kein Militärbuch. Der BF habe nicht die „Strafgebühr“ für das Militär bzw. den Freikauf vom Militär bezahlt, da es ein Verbrechensregime sei. Sie würden den BF inhaftieren, wenn er dorthin gehen und die Geldbuße zahlen würde. Er sei auch verurteilt worden, da er demonstriert habe. Er habe im Jahr 2015 vier bis fünf Mal in römisch 40 an Demonstrationen teilgenommen. Aufgrund seiner Religion sei der Name des BF bei den Demonstrationen an den Sicherheitsdienst weitergegeben worden. Dies habe der BF durch seinen Vater erfahren, der auch bei den Sicherheitsdiensten gearbeitet habe.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 28.06.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.07.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 4. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 28.06.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.07.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die Behörde aus, dass die Herkunftsregion des BF, XXXX in XXXX , nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehe und somit auch nicht die Gefahr der Zwangsrekrutierung oder der Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung für den BF bestehe. Aufgrund der derzeitigen instabilen Sicherheitslage in Syrien, würde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF jedoch eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens darstellen, weshalb dem BF subsidiärer Schutz zu gewähren sei.Begründend führte die Behörde aus, dass die Herkunftsregion des BF, römisch 40 in römisch 40 , nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehe und somit auch nicht die Gefahr der Zwangsrekrutierung oder der Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung für den BF bestehe. Aufgrund der derzeitigen instabilen Sicherheitslage in Syrien, würde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF jedoch eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens darstellen, weshalb dem BF subsidiärer Schutz zu gewähren sei.
5. Mit Information zur Rechtsberatung vom 29.06.2023 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.5. Mit Information zur Rechtsberatung vom 29.06.2023 wurde dem BF gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
6. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der BF mit Schriftsatz vom 24.07.2023 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte er aus, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund der Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, sowie aufgrund der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen, seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im westlichen Ausland Verfolgung drohe. 6. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides erhob der BF mit Schriftsatz vom 24.07.2023 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte er aus, dass ihm bei einer Rückkehr aufgrund der Weigerung, den Militärdienst abzuleisten, sowie aufgrund der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen, seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung im westlichen Ausland Verfolgung drohe.
7. Am 06.05.2024 legte der BF eine Kopie eines Dokuments vor, aus dem sich ergebe, dass der Vater des BF bei der syrischen Sicherheitsbehörde als Polizist gearbeitet habe.
8. Am 07.05.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung statt, im Rahmen welcher der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen wurde. Die Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
9. Am 15.05.2024 langte eine Stellungnahme des BF beim BVwG ein, in welcher der BF zur drohenden Gefahr der Zwangsrekrutierung ausführte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages des BF auf internationalen Schutz vom 19.07.2022, der polizeilichen Erstbefragung des BF am 20.07.2022, der niederschriftlichen Einvernahme des BF am 24.03.2023 vor dem BFA, der für den BF eingebrachten Beschwerde vom 24.07.2023 gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28.06.2023, der von dem BF vorgelegten Schriftsätze und Beweismittel und der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, des Strafregisters der Republik Österreich und des AJ-Web, sowie nach mündlicher Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 07.05.2024, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Syrien und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch, zudem verfügt er über Kenntnisse der türkischen Sprache.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Seine Identität steht fest.
Der BF wurde in XXXX , Syrien, geboren. Im Herkunftsland hat der BF zwölf Jahre die Schule besucht und arbeitete anschließend ein Jahr in Syrien im Baubereich und in der Türkei im XXXX .Der BF wurde in römisch 40 , Syrien, geboren. Im Herkunftsland hat der BF zwölf Jahre die Schule besucht und arbeitete anschließend ein Jahr in Syrien im Baubereich und in der Türkei im römisch 40 .
In Syrien sind weiterhin die Eltern und die beiden Schwestern des BF aufhältig, mit welchen der BF in Kontakt steht. Im Jahr 2015 zog der BF zusammen mit seiner Familie in die Region XXXX . Im Jahr 2018 verließ der BF sein Herkunftsland und reiste in die Türkei, wo er sich vier Jahre aufhielt bevor er weiter nach Österreich reiste. Der BF lebte mehrere Jahre in XXXX , und ist von einem verfestigten Aufenthalt auszugehen. In Syrien sind weiterhin die Eltern und die beiden Schwestern des BF aufhältig, mit welchen der BF in Kontakt steht. Im Jahr 2015 zog der BF zusammen mit seiner Familie in die Region römisch 40 . Im Jahr 2018 verließ der BF sein Herkunftsland und reiste in die Türkei, wo er sich vier Jahre aufhielt bevor er weiter nach Österreich reiste. Der BF lebte mehrere Jahre in römisch 40 , und ist von einem verfestigten Aufenthalt auszugehen.
Der BF reiste spätestens am 19.07.2022 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an ebendiesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 28.06.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte diesem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde am 24.07.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben. Die übrigen Spruchpunkte sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.Der BF reiste spätestens am 19.07.2022 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an ebendiesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 28.06.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte diesem gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.). Gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wurde am 24.07.2023 fristgerecht Beschwerde erhoben. Die übrigen Spruchpunkte sind unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Der BF ist gesund und nimmt keine Medikamente.
Er ist im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
Der BF weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf. Der BF ist persönlich unglaubwürdig, sein Vorbringen zu den individuellen Ereignissen somit nicht glaubhaft.
1.2. Zum Fluchtvorbringen und der Rückkehrgefährdung des BF:
1.2.1. Der BF war vor seiner Ausreise zuletzt mehrere Jahre in XXXX im Gouvernement XXXX aufhältig. Er lebte dort mit seinen Eltern und seinen Geschwistern. Aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts des BF und seiner Kernfamilie in XXXX ist dieser Ort als verfestigter Aufenthalt des BF anzusehen. XXXX befindet sich derzeit unter der Kontrolle der „Hay’at Tahrir ash-Sham“ (HTS).1.2.1. Der BF war vor seiner Ausreise zuletzt mehrere Jahre in römisch 40 im Gouvernement römisch 40 aufhältig. Er lebte dort mit seinen Eltern und seinen Geschwistern. Aufgrund des mehrjährigen Aufenthalts des BF und seiner Kernfamilie in römisch 40 ist dieser Ort als verfestigter Aufenthalt des BF anzusehen. römisch 40 befindet sich derzeit unter der Kontrolle der „Hay’at Tahrir ash-Sham“ (HTS).
1.2.2. In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 42 Jahren. Der BF befand sich bei Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im wehrpflichtigen Alter und ist zum Entscheidungszeitpunkt in einem wehrpflichtigem Alter. Der BF hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Der BF hat zu keinem Zeitpunkt einen Einberufungsbefehl erhalten und es wurde ihm kein Wehrdienstbuch ausgestellt. Die syrische Regierung kann die allgemeine Wehrpflicht in Gebieten, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen jedoch nicht umsetzen und führt keine Rekrutierungen durch, da sie nur eingeschränkt in der Lage ist, Personen zu rekrutieren. Für im Ausland lebende Syrer, wie den BF, besteht die Möglichkeit sich durch eine Befreiungsgebühr (badal an-naqdi) von der Ableistung des Wehrdienstes zu befreien. Diese Befreiungsgebühr hat der BF bis dato nicht geleistet. Dem BF droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatort im Gouvernement XXXX keine Einziehung oder Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee, noch eine Verfolgung in asylrelevantem Ausmaße durch diese aufgrund seines Herkunftsortes.1.2.2. In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger im Alter zwischen 18 und 42 Jahren. Der BF befand sich bei Ausreise aus seinem Herkunftsstaat im wehrpflichtigen Alter und ist zum Entscheidungszeitpunkt in einem wehrpflichtigem Alter. Der BF hat seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet. Der BF hat zu keinem Zeitpunkt einen Einberufungsbefehl erhalten und es wurde ihm kein Wehrdienstbuch ausgestellt. Die syrische Regierung kann die allgemeine Wehrpflicht in Gebieten, die nicht unter ihrer Kontrolle stehen jedoch nicht umsetzen und führt keine Rekrutierungen durch, da sie nur eingeschränkt in der Lage ist, Personen zu rekrutieren. Für im Ausland lebende Syrer, wie den BF, besteht die Möglichkeit sich durch eine Befreiungsgebühr (badal an-naqdi) von der Ableistung des Wehrdienstes zu befreien. Diese Befreiungsgebühr hat der BF bis dato nicht geleistet. Dem BF droht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatort im Gouvernement römisch 40 keine Einziehung oder Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee, noch eine Verfolgung in asylrelevantem Ausmaße durch diese aufgrund seines Herkunftsortes.
1.2.3. Eine Anreise zum Herkunftsort – ohne auf von syrischen Kräften kontrolliertes Gebiet zu gelangen – ist dem BF möglich und zumutbar.
1.2.4. In den von ihnen kontrollierten Gebieten erlegen oppositionelle bewaffnete Gruppierungen Zivilisten keine Wehrpflicht auf. Der BF wurde von oppositionellen Gruppierungen weder bedroht, noch wurde auf den BF Druck ausgeübt sich ihnen anzuschließen.
1.2.5. Dem BF droht in seinem Herkunftsort in der Region XXXX mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsrekrutierung durch die HTS oder durch andere Akteure (etwa durch die Freie Syrische Armee oder kurdischen Milizen) und läuft er auch nicht Gefahr, von diesen verfolgt zu werden.1.2.5. Dem BF droht in seinem Herkunftsort in der Region römisch 40 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Zwangsrekrutierung durch die HTS oder durch andere Akteure (etwa durch die Freie Syrische Armee oder kurdischen Milizen) und läuft er auch nicht Gefahr, von diesen verfolgt zu werden.
1.2.6. Der BF weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich, auf. Der BF hat keine nachweislich außenwirksamen und daher asylrelevanten (exil-) politischen, gegen das syrische Regime gerichteten, Aktivitäten, innerhalb oder außerhalb seines Landes betrieben, welche ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht haben, weshalb er mit verfahrensrelevanter Wahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr nach Syrien keine aktuell unmittelbare und ihn persönlich betreffende konkrete Verfolgung oder Bedrohung durch das Regime oder durch sonstige Gruppen wegen einer – ihm zumindest unterstellten – oppositionellen politischen Gesinnung zu befürchten hat.
1.2.7. Der BF ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
1.2.8. Der BF hat in Syrien keine Strafrechtsdelikte begangen, auch kein Verbrechen gegen den Frieden, kein Kriegsverbrechen und kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er genießt nicht den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen.
1.2.9. Dem BF droht keine asylrelevante Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise aus seinem Herkunftsstaat. Auch wegen der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Österreich droht dem BF im Herkunftsstaat keine Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bzw. einer Verfolgung von asylrelevantem Ausmaß bedroht zu werden und hat er Syrien aufgrund der schlechten Sicherheits- und Versorgungslage und des Krieges verlassen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt, Version 11 vom 27.03.2024:
[…]
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023).
Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba’ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba’ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienstund Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren ’zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel’. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).
Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).
Institutionen und Wahlen
Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba’ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn „absolute Notwendigkeit“ dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).
Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als ’weder frei noch fair’ und als ’betrügerisch’, und die Opposition nannte sie eine ’Farce’ (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein „ehrenrühriges“ Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als ’weder frei noch fair’ und als ’betrügerisch’, und die Opposition nannte sie eine ’Farce’ (Standard 28.5.2021).
Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das „Volksrat“ genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet