TE Bvwg Erkenntnis 2024/2/2 W294 2190997-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.02.2024
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Entscheidungsdatum

02.02.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28
  1. AsylG 2005 § 57 heute
  2. AsylG 2005 § 57 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2021
  3. AsylG 2005 § 57 gültig von 20.07.2015 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  4. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  6. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2010 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  7. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  8. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  9. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  10. AsylG 2005 § 57 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. AsylG 2005 § 8 heute
  2. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 8 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  5. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  6. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  7. AsylG 2005 § 8 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2009
  1. BFA-VG § 9 heute
  2. BFA-VG § 9 gültig ab 01.09.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018
  3. BFA-VG § 9 gültig von 20.07.2015 bis 31.08.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  4. BFA-VG § 9 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013
  5. BFA-VG § 9 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W294 2190997-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.2.2018, Zl. 1106352004/160286460, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.11.2022, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Konstantin Köck, LL.M, MBA, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 StA. Kamerun, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.2.2018, Zl. 1106352004/160286460, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.11.2022, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen. römisch eins. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte römisch eins., römisch II. und römisch III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch IV. wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 9, Absatz 3, BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Dem Beschwerdeführer wird gemäß § 55 Abs 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von 12 Monaten erteilt.Dem Beschwerdeführer wird gemäß Paragraph 55, Absatz 2, AsylG eine Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

III. Die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben. römisch III. Die Spruchpunkte römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:römisch eins.       Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsbürger Kameruns, stellte am 23.2.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag erklärte er, Kamerun verlassen zu haben, weil er schwul sei und deshalb bedroht worden sei.

Am 30.3.2017 wurde der BF niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen und brachte vor, der Volksgruppe der Bafanji anzugehören und dem christlichen Glauben anzugehören. Er sei in XXXX geboren worden und habe seine Schulbildung in XXXX weitergeführt bzw. in Limbe abgeschlossen. Im Jahr 2014 sei er in die Hauptstadt Yaounde gezogen. Seine Mutter, seine drei Schwestern sowie sein Bruder seien nach wie vor in XXXX wohnhaft. Vor seiner Ausreise sei er als Barkeeper tätig gewesen und habe Snacks verkauft. Er stehe derzeit in telefonischen Kontakt mit seiner Mutter. Am 30.3.2017 wurde der BF niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen und brachte vor, der Volksgruppe der Bafanji anzugehören und dem christlichen Glauben anzugehören. Er sei in römisch 40 geboren worden und habe seine Schulbildung in römisch 40 weitergeführt bzw. in Limbe abgeschlossen. Im Jahr 2014 sei er in die Hauptstadt Yaounde gezogen. Seine Mutter, seine drei Schwestern sowie sein Bruder seien nach wie vor in römisch 40 wohnhaft. Vor seiner Ausreise sei er als Barkeeper tätig gewesen und habe Snacks verkauft. Er stehe derzeit in telefonischen Kontakt mit seiner Mutter.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er Kamerun aufgrund seiner sexuellen Vorlieben verlassen habe. Nachgefragt, ob es konkrete Vorfälle aufgrund seiner sexuellen Orientierung gegeben habe, erklärte der BF, dass es Ende Februar 2015 zu einem Zwischenfall gekommen sei, aufgrund dessen er gezwungen gewesen sei, sein gesamtes Umfeld zu ändern, da er sich nicht mehr sicher gefühlt habe. Auf weitere Nachfrage, wieso er sich erst im April 2015 dazu entschlossen habe, Kamerun zu verlassen, erwiderte der BF, dass er eingesperrt gewesen sei. Nach seiner Freilassung habe er festgestellt, dass sein Leben nicht mehr sicher sei.

Zum konkreten Vorfall in Kamerun befragt führte der BF aus, dass er mit der Gesellschaft aufgrund seiner sexuellen Präferenz Probleme habe und es für ihn schwierig gewesen sei, eine Beziehung auszuleben. Homosexuelle würden Beziehungen mit Frauen eingehen, um ihre sexuelle Orientierung nach außen hin zu verbergen. Als er eines Abends mit seinem damaligen Partner in seinem Zimmer geschlafen habe, seien sie von dem Mädchen, mit welchem er zu diesem Zeitpunkt eine Beziehung geführt habe, um seine Homosexualität zu verbergen, erwischt worden. Der BF habe seiner Freundin in weiterer Folge gestanden, dass er sich schon immer zu Männern hingezogen gefühlt habe.

Wenig später habe er eine polizeiliche Vorladung erhalten. Homosexuelle Freunde hätten ihm dazu geraten, der Ladung Folge zu leisten, da das Mädchen keine genauen Beweismittel über seine Homosexualität vorweisen habe können. Bei der Polizeistation sei er jedoch zusammengeschlagen und in eine Zelle verbracht worden. Nach drei Tagen sei er in ein Zentralgefängnis überstellt worden, wo er neben dem WC in Fäkalien schlafen habe müssen und ihm aufgetragen worden sei, den Eimer, der als Toilette verwendet worden sei, in einem übervollen Tank zu entleeren. Er wisse zwar nicht, ob die anderen Gefängnisinsassen mit der Polizei zusammengearbeitet hätten, er sei jedoch jeden Tag von diesen geschlagen und sexuell belästigt worden.

Es sei nie eine Verhandlung vor Gericht anberaumt worden und dem BF sei von der Polizei geraten worden, seine Homosexualität einzugestehen. Sein Anwalt habe ihm jedoch empfohlen, dies nicht zu tun, da ihm ansonsten eine schlimme Strafe drohen könnte. In den Befragungen der Polizei habe sich der BF mit dem Argument gerechtfertigt, dass sich seine Freundin nur für bestimmte Handlungen rächen habe wollen. Auf Initiative seines Anwaltes sei er in weiterer Folge freigekommen, bei seiner Entlassung sei ihm vom Polizeikommissar jedoch gedroht worden. Überdies sei er wenige Tage später auf dem Weg zu einem Fußballspiel angefeindet, als „Pede“ beschimpft und zusammengeschlagen worden. Er habe im Zuge dieser Auseinandersetzung einen Zahn verloren und ihm sei bewusstgeworden, dass sein Leben in Kamerun nicht mehr sicher sei. Er könne seine sexuelle Ausrichtung im gesellschaftlichen Lebens Kamerun nicht für immer verbergen.

Nachgefragt, ob er aufgrund der Folter auch Narben davongetragen habe, erklärte der BF, dass er im Gefängnis Pocken gehabt habe und es ihm schlecht gegangen sei. Narben habe er jedoch keine davongetragen. Auf weitere Nachfrage, wie er gefoltert worden sie, gab der BF an, dass er sich nach vorne beugen habe müssen und daraufhin von einzelnen Gefängnisinsassen geschlagen worden sei. Zudem hätten ihm mehrere Inhaftierte den Finger in den Anus gesteckt bzw. der BF habe sich gegen die Wand stellen müssen und er sei mit der Hand gegen den Rücken geschlagen worden, bis er umgefallen sei. Bei seiner Mutter in Kumbia würde er aufgrund seiner Homosexualität sofort umgebracht werden. Befragt, was nun der ausschlaggebende Grund für seine Flucht aus Kamerun gewesen sei, erwiderte der BF, dass er homosexuell sei und seine sexuellen Präferenzen öffentlich ausleben habe wollen, was in Kamerun jedoch nicht möglich sei. Er halte sich bereits seit Februar 2016 in Kamerun auf. Zur Frage, ob er bereits Kontakte mit anderen Homosexuellen geschlossen habe, entgegnete der BF, dass er seit fünf Monaten in einer homosexuellen Beziehung sei. Er habe seinen Partner im Club F56 kennengelernt. Die Frage, ob gegen ihn im Herkunftsstaat ein Haftbefehl bestehe, wurde vom BF verneint. Im Falle einer fiktiven Rückkehr in das Heimatland wäre er für die Gesellschaft in Kamerun ein Aussätziger und würde getötet werden, da seine Homosexualität bereits bekannt sei. Die Frage, ob er Bindungen an Österreich bzw. Verwandte habe, wurde vom BF verneint. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.

Mit Bescheid des BFA vom 15.2.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.2.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Mit Bescheid des BFA vom 15.2.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 23.2.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kamerun abgewiesen (Spruchpunkt römisch II). Ein Aufenthaltstitel gemäß Paragraph 57, AsylG wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Kamerun zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).

Begründend wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass der BF bei der Einvernahme vor dem BFA konkret angegeben habe, dass er im Jahr 2015 aufgrund seiner Homosexualität ins Gefängnis gekommen sei. Jedoch könne dies aufgrund der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.03.2016 als nicht wahr erachtet werden. So lasse sich aus dieser Anfragebeantwortung der Staatendokumentation entnehmen, dass die Verfolgung von Homosexuellen im Jahr 2015 zurückgegangen sei. Da der Fall des BF nicht offiziell dokumentiert worden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er in Kamerun tatsächlich im Gefängnis gewesen sei. Auch die Ausführungen, wie seine Exfreundin ihn erwischt habe, sei in keinster Weise glaubhaft. Wenn der BF tatsächlich homosexuell wäre, hätte er nicht einfach die Tür offengelassen, da er auch gewusst hätte, dass seine Exfreundin einen Schlüssel zu seiner Wohnung habe. In diesem Zusammenhang sei auch in keinster Weise nachvollziehbar, warum er mit seinem Freund in seine Wohnung gegangen sei, um mit diesem Geschlechtsverkehr zu haben, da er selbst bei der Einvernahme vor dem Bundesamt angegeben habe, dass in dem Haus, in dem er gelebt habe, mehrere Parteien wohnen würden und es demnach nicht glaubhaft sei, dass er sich der Gefahr ausgesetzt hätte, von einem anderen Bewohner des Hauses gesehen zu werden. Zudem habe der BF bezüglich seiner Beziehung angegeben, dass er bereits seit fünf Monaten mit einem Mann zusammen sei, über diesen jedoch keine konkreten Angaben machen habe können.

Am 14.3.2018 wurde gegen den im Spruch genannten Bescheid Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass er entgegen der Ansicht der Behörde nicht unglaubwürdig sei, weil er keine näheren Angaben zu seinem homosexuellen Freund in Österreich machen habe können. Es sei ihm nach wie vor unangenehm, über seine Homosexualität offen zu reden, weshalb er seinen Freund nicht näher beschreiben habe können. Zudem könne er sich nicht an die Polizei wenden, da Homosexualität in Kamerun gesetzlich geahndet werde. Er sei auch nicht deshalb unglaubwürdig, weil er sich in seinen Aussagen der Fluchtgeschichte während der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor der Behörde widersprochen habe, da die wesentlichen Aussagen seiner Fluchtgeschichte übereinstimmen würden, da er aufgrund seiner Homosexualität aus Kamerun geflohen sei. Überdies sei er auch nicht deshalb unglaubwürdig, weil er von seiner Gefangenschaft keine sichtbaren Narben davongetragen habe. Ebenfalls sei er nicht unglaubwürdig, da seine Inhaftierung im Jahr 2015 nicht dokumentiert worden sei, da nicht jede Inhaftierung in Kamerun dokumentiert werde. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Die gegenständliche Beschwerde wurde mit dem Verwaltungsakt am 28.3.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung I401 zugewiesen.

Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 10.8.2022 wurde das gegenständliche Verfahren am 1.9.2022 der Gerichtsabteilung W294 zugewiesen.

Am 29.11.2022 wurde am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung abgehalten, zu der der BF mit seinem bevollmächtigten Vertreter erschien. Der Partner des BF wurde als Zeuge einvernommen; das BFA entsandte keinen Vertreter.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden vom BF eine E-Mail mit Links über die Mitgliedschaft des BF bei Queer Base, ein Schreiben der Queer Base vom 22.11.2022, ein Empfehlungsschreiben, ein Schreiben des Partners des BF sowie eine Teilnahmebestätigung über einen absolvierten Werte-und Orientierungskurs und ein Zeugnis über eine absolvierte Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 vom 31.10.2020 in Vorlage gebracht.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2022, Zl. W294 2190997-1/14Z, wurde dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Schriftsatz vom 26.5.2023, eingelangt am 30.5.2023, beantragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2022, Zl. W294 2190997-1/14Z, abgeschlossenen Verfahrens.

Begründend führte sie aus, dass ein Sachverhalt bekannt geworden sei, der vom BF wissentlich verschwiegen worden sei, und Zweifel an der behaupteten Homosexualität aufwerfe. Der BF sei am 3.11.2022 Vater eines in Österreich geborenen Sohnes, BONJE Larry Kyan BonjeXXXX , geworden, den er bei der Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht am 29.11.2022 verschwiegen habe, als er in der Verhandlung nach Kindern befragt worden sei, wobei der Hintergrund dieses Verschweigens wohl darin gelegen sei, das Gericht im Zusammenhang mit der sexuellen Neigung zu täuschen. Dem Schriftsatz wurden die Geburtsurkunde des Sohnes des BF vom 24.11.2022 sowie das Einvernahmeprotokoll der Mutter des Kindes des BF vom 24.5.2023 angeschlossen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2023, W294 2190997-2, wurde dem Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG stattgegeben und das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2022, Zl. W294 2190997-1/14Z, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG auf Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen wiederaufgenommen.Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2023, W294 2190997-2, wurde dem Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer eins, VwGVG stattgegeben und das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2022, Zl. W294 2190997-1/14Z, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren gemäß Paragraph 32, Absatz eins, Ziffer eins, VwGVG auf Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen wiederaufgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogenrömisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des BF

Der BF ist Staatsangehöriger Kameruns und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Bafanji sowie der christlichen Glaubensgemeinschaft an.
Der BF stammt aus XXXX und hat seine Schulbildung in den Städten XXXX da sowie in Limbe abgeschlossen. Anschließend hat er ein Jahr an der Universität in Buea studiert. Seine Mutter, seine drei Schwestern sowie sein Bruder sind nach wie vor in XXXX wohnhaft. Vor seiner Ausreise war er als Barkeeper tätig und hat Snacks verkauft.
Der BF ist Staatsangehöriger Kameruns und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest. Er gehört der Volksgruppe der Bafanji sowie der christlichen Glaubensgemeinschaft an.
Der BF stammt aus römisch 40 und hat seine Schulbildung in den Städten römisch 40 da sowie in Limbe abgeschlossen. Anschließend hat er ein Jahr an der Universität in Buea studiert. Seine Mutter, seine drei Schwestern sowie sein Bruder sind nach wie vor in römisch 40 wohnhaft. Vor seiner Ausreise war er als Barkeeper tätig und hat Snacks verkauft.

Er stellte am 23.2.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde am 3.11.2022 Vater eines in Österreich geborenen Sohnes.

Es ist nicht glaubhaft, dass der BF homosexuell ist und deshalb im Herkunftsstaat Verfolgungshandlungen von staatlicher oder von dritter Seite befürchten müsse.

Im Falle einer Rückkehr nach Kamerun besteht keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der BF aufgrund seiner sexuellen Präferenzen sowohl von privater Seite als auch den Sicherheitsbehörden Verfolgung zu befürchten hätte. Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

Der BF hat keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich und ist strafgerichtlich unbescholten. Er ist Mitglied der „Queer Base“. Der BF hat im Bundesgebiet einen Werte-und Orientierungskurs besucht und hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert.

1.2. Zur Situation in Kamerun (Stand Oktober 2022)

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

COVID-19

Kamerun hat seine Landesgrenzen teilweise geöffnet (AA 12.9.2022). Der Zugang über die Land- und Seegrenzen ist aufgrund von COVID-19 eingeschränkt (UKFCO 12.9.2022), aber unter Auflagen möglich (AA 12.9.2022).

Die Reisebedingungen für die Ein- und Ausreise nach Kamerun können sich ohne Vorankündigung und ohne proaktive Kommunikation ändern. Bestimmungen zur Einreise ändern sich mit der Pandemielage häufig (UKFCO 12.9.2022; vgl. AA 12.9.2022). Für näher Informationen siehe: https://www.ccousp.cm/urgences-sanitaires/COVID-19/condition-dentree-et-sortie-au-cameroun/.Die Reisebedingungen für die Ein- und Ausreise nach Kamerun können sich ohne Vorankündigung und ohne proaktive Kommunikation ändern. Bestimmungen zur Einreise ändern sich mit der Pandemielage häufig (UKFCO 12.9.2022; vergleiche AA 12.9.2022). Für näher Informationen siehe: https://www.ccousp.cm/urgences-sanitaires/COVID-19/condition-dentree-et-sortie-au-cameroun/.

Für die Einreise nach Kamerun und die Einreise über die Flughäfen Yaoundé oder Douala muss ein aktueller (nicht älter als 72 Stunden vor der ersten Einreise) negativer COVID-19-PCR-Test vorgelegt werden (UKFCO 12.9.2022; vgl. BMEIA 12.9.2022). Die Regierung von Kamerun verlangt von allen Reisenden ab fünf Jahren einen negativen PCR-Test. Ferner werden Tests/Screening bei der Ankunft durchgeführt (UKFCO 12.9.2022).Für die Einreise nach Kamerun und die Einreise über die Flughäfen Yaoundé oder Douala muss ein aktueller (nicht älter als 72 Stunden vor der ersten Einreise) negativer COVID-19-PCR-Test vorgelegt werden (UKFCO 12.9.2022; vergleiche BMEIA 12.9.2022). Die Regierung von Kamerun verlangt von allen Reisenden ab fünf Jahren einen negativen PCR-Test. Ferner werden Tests/Screening bei der Ankunft durchgeführt (UKFCO 12.9.2022).

Zusätzlich werden alle internationalen Reisenden bei der Ankunft auf den internationalen Flughäfen Yaoundé und Douala einem zusätzlichen Schnelltest unterzogen. Diese Tests sind obligatorisch (UKFCO 12.9.2022). Sofern das Testergebnis positiv ist, werden Einreisende den staatlichen Gesundheitsbehörden überstellt (AA 12.9.2022) und müssen sich in einem staatlich überwachten Hotel einer 14-tägigen Quarantäne unterziehen (BMEIA 12.9.2022).

Politische Lage

Kamerun ist eine Republik und Präsidialdemokratie, die seit 1982 von Staatspräsident Paul Biya regiert wird (AA 12.2.2020; vgl. AA 2.9.2022, USDOS 12.4.2022, FH 24.2.2022). Die regierende politische Partei, Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais (RDPC) (FD 26.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022) ist seit ihrer Gründung im Jahr 1985 an der Macht (USDOS 12.4.2022). Staatlicher Klientelismus und die Kontrolle von Präsident Biya über Ernennungen auf hoher Ebene tragen zum Machterhalt der RDPC bei. Die Unsicherheit in den anglophonen Regionen, die durch die Gewalt zwischen bewaffneten Kämpfern und dem Militär verursacht wurde, machte die Stimmabgabe bei den Präsidentschaftswahlen 2018 nahezu unmöglich. Die anhaltende Krise wirkte sich auch auf die Parlaments-, Kommunal- und Regionalwahlen 2020 aus, da die Anhänger der Separatisten in den anglophonen Regionen Northwest und Southwest zum Boykott aufriefen, was zu einer geringen Wahlbeteiligung führte (FH 24.2.2022). In den von bewaffneten Konflikten betroffenen Regionen kam es zu Gewalttaten separatistischer Kräfte, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten (AA 2.9.2022).Kamerun ist eine Republik und Präsidialdemokratie, die seit 1982 von Staatspräsident Paul Biya regiert wird (AA 12.2.2020; vergleiche AA 2.9.2022, USDOS 12.4.2022, FH 24.2.2022). Die regierende politische Partei, Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais (RDPC) (FD 26.7.2022; vergleiche USDOS 12.4.2022) ist seit ihrer Gründung im Jahr 1985 an der Macht (USDOS 12.4.2022). Staatlicher Klientelismus und die Kontrolle von Präsident Biya über Ernennungen auf hoher Ebene tragen zum Machterhalt der RDPC bei. Die Unsicherheit in den anglophonen Regionen, die durch die Gewalt zwischen bewaffneten Kämpfern und dem Militär verursacht wurde, machte die Stimmabgabe bei den Präsidentschaftswahlen 2018 nahezu unmöglich. Die anhaltende Krise wirkte sich auch auf die Parlaments-, Kommunal- und Regionalwahlen 2020 aus, da die Anhänger der Separatisten in den anglophonen Regionen Northwest und Southwest zum Boykott aufriefen, was zu einer geringen Wahlbeteiligung führte (FH 24.2.2022). In den von bewaffneten Konflikten betroffenen Regionen kam es zu Gewalttaten separatistischer Kräfte, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten (AA 2.9.2022).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurde Präsident Biya in seinem Amt bestätigt und erhielt 71,28 % der abgegebenen Stimmen. Maurice Kamto kam mit 14,23 % der Stimmen auf den zweiten Platz (FD 26.7.20222). Am 9.2.2020 fanden in Kamerun Parlaments- und Kommunalwahlen statt, die von Unregelmäßigkeiten geprägt waren. Die Regierungspartei gewann 152 der 180 Sitze in der Nationalversammlung (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 2.9.2022). Die Oppositionsparteien verloren im Vergleich zu früheren Wahlen erheblich an Sitzen. Insgesamt gewannen acht Oppositionsparteien Sitze in der Nationalversammlung und neun die Kontrolle über lokale Räte (USDOS 12.4.2022). Die RDPC erhielt bei den Wahlen im Feber 2020 auch 87 % der Sitze in den Gemeinderäten (FD 26.7.2022). Am 26.3.2020 wurden turnusgemäß Senatswahlen durchgeführt, die die Regierungspartei RDPC mit klarer Mehrheit gewann (AA 2.9.2022). Auch bei den Regionalwahlen, die am 6.12.2020 zum ersten Mal in Kamerun stattfanden, siegte die RDPC im größten Teil des Landes (9 von 10 Regionen) (FD 26.7.2022).Bei den Präsidentschaftswahlen am 7.10.2018 wurde Präsident Biya in seinem Amt bestätigt und erhielt 71,28 % der abgegebenen Stimmen. Maurice Kamto kam mit 14,23 % der Stimmen auf den zweiten Platz (FD 26.7.20222). Am 9.2.2020 fanden in Kamerun Parlaments- und Kommunalwahlen statt, die von Unregelmäßigkeiten geprägt waren. Die Regierungspartei gewann 152 der 180 Sitze in der Nationalversammlung (USDOS 12.4.2022; vergleiche AA 2.9.2022). Die Oppositionsparteien verloren im Vergleich zu früheren Wahlen erheblich an Sitzen. Insgesamt gewannen acht Oppositionsparteien Sitze in der Nationalversammlung und neun die Kontrolle über lokale Räte (USDOS 12.4.2022). Die RDPC erhielt bei den Wahlen im Feber 2020 auch 87 % der Sitze in den Gemeinderäten (FD 26.7.2022). Am 26.3.2020 wurden turnusgemäß Senatswahlen durchgeführt, die die Regierungspartei RDPC mit klarer Mehrheit gewann (AA 2.9.2022). Auch bei den Regionalwahlen, die am 6.12.2020 zum ersten Mal in Kamerun stattfanden, siegte die RDPC im größten Teil des Landes (9 von 10 Regionen) (FD 26.7.2022).

Hinsichtlich der Wahlen gab es Unregelmäßigkeiten wie mangelnden gleichberechtigten Zugang zu Medien und Wahlkampfraum, Beschränkungen der Möglichkeiten von Oppositionskandidaten, sich für die Wahlen anzumelden, Stimmzettelfüllung, mangelndes Wahlgeheimnis, Einschüchterung von Wählern, uneinheitliche Verwendung von Ausweisen und mangelndes Fachwissen unter den Einheimischen (USDOS 12.4.2022). Die Gerichte erklärten die Parlamentswahlen in 11 Wahlkreisen der Regionen Northwest und Southwest für ungültig, da die Wahlbeteiligung unter 10 % lag (USDOS 12.4.2022). Viele Binnenvertriebene waren an der Teilnahme an der Wahl gehindert, da sie an ihrem aktuellen Aufenthaltsort keine Wahlberechtigung hatten und kaum Bemühungen der Regierung erkennbar waren, die Wählerlisten zu korrigieren (AA 2.9.2022).

Durch die Regionalwahlen ist ein wichtiger Schritt zur Dezentralisierung getan worden. Zunehmend engagieren sich Lokalpolitiker in den Regionen für die Belange ihrer Kommunen. Noch fehlt es jedoch an einem ausreichenden regionalen Budget (AA 2.9.2022). Die politische Opposition und zivilgesellschaftliche Gruppen kritisierten außerdem, dass die Wahlen nicht zu einer echten Dezentralisierung der Macht geführt hätten (USDOS 12.4.2022). Ein Teil der Opposition, darunter Maurice Kamtos und seine Partei, Mouvement pour la renaissance du Cameroun (MRC), boykottierten die Parlaments-, Kommunal- und Regionalwahlen (FD 26.7.2022). Am 22.9.2020 veranstaltete die oppositionelle Kameruner MRC Proteste in ganz Kamerun. Es gab Berichte über Verhaftungen und Gewalt in Teilen von Yaoundé, Douala und Bafoussam (UKFCO 12.9.2022). Nachdem Maurice Kamto zu einer verbotenen Demonstration am 22.9.2020 aufgerufen hatte, wurde er bis zum Tag nach den Regionalwahlen unter Hausarrest gestellt. Zahlreiche Aktivisten des MRC wurden festgenommen und mehrere Dutzend waren im Feber 2022 noch immer in Haft. Maurice Kamto war bereits im Jänner 2019 wegen "Rebellion, Aufstand und Feindschaft gegen das Vaterland" angeklagt worden und mehrere Monate in Haft gewesen, nachdem er zu verbotenen Demonstrationen aufgerufen hatte (FD 26.7.2022).

Kamerun befindet sich in einer entscheidenden Phase seiner politischen Entwicklung, am Ende der Ära Paul Biya (89 Jahre), noch ohne einen Hinweis, wie ein Machtwechsel aussehen könnte. Die Frage der Nachfolge wird offiziell nicht diskutiert. Dabei wird der politische Stillstand umso deutlicher. Drängende Probleme, wie die Lösung des Konflikts in den Regionen Northwest und Southwest, Reformen zur Verbesserung der Wirtschaftslage und politische Positionierung bezüglich der weltweiten Lage werden nicht angegangen (AA 2.9.2022).

Sicherheitslage

Die Situation in der Region Far North (Extrême Nord) bleibt angespannt und ist weiterhin geprägt durch häufige gewaltsame Übergriffe terroristischer Gruppen (Boko Haram, sogenannter Islamic State’s West Africa Province - ISWAP) auf die Zivilbevölkerung. Insbesondere rund um den Tschadsee sind regelmäßig Tote zu beklagen. Die kamerunischen Sicherheitskräfte sind in der Region aktiv, können jedoch das Territorium nur sporadisch abdecken, häufig ist die Zivilbevölkerung auf sich allein gestellt. Neben Anschlägen auf die Bevölkerung besteht das Ziel der Terroristen darin, Vieh und Lebensmittel zu erbeuten. Trotz massiver Verstärkung der Sicherheitskräfte in der Region kann flächendeckende Sicherheit nicht garantiert werden (AA 2.9.2022). In der Region Far North in Kamerun führten die Aktivitäten von Boko-Haram-nahen Gruppen und Splittergruppen zusammen mit der chronischen Gefährdung, den Konflikten zwischen den Gemeinschaften und den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels weiterhin zu Bevölkerungsvertreibungen. Zwischen dem 1.12.2021 und dem 15.1.2022 gab es 80 von den Vereinten Nationen bestätigte und gemeldete Sicherheitsvorfälle im Zusammenhang mit Boko Haram in Kamerun, bei denen 30 Zivilisten getötet wurden. Die meisten Angriffe ereigneten sich in den Departements Mayo-Sava und Mayo-Tsanaga in der Region Far North, wobei die Angriffe ihren Höhepunkt im ersten Quartal 2022 erreichten (UNSC 26.5.2022).

Zudem besteht in Far North ein sehr hohes Entführungsrisiko. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Far North, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen. In den Regionen North und Adamawa sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen und Entführungen. Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher. Es besteht außerdem die Gefahr, Opfer von Entführungen oder Raubüberfällen zu werden (AA 12.9.2022). Sowohl das österreichische als auch das deutsche Außenministerium warnen vor Reisen in das Grenzgebiet (mindestens 40 Kilometer) zur Zentralafrikanischen Republik, zum Tschad und zu Nigeria. Das Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie Entführungen ist besonders hoch. Auch vor Reisen in die englischsprachigen Provinzen Northwest und Southwest und zur Halbinsel Bakassi samt Umgebung wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (BMEIA 12.9.2022; vgl. AA 12.9.2022).Zudem besteht in Far North ein sehr hohes Entführungsrisiko. An der Grenze zu Nigeria und in Maroua, der Hauptstadt der Region Far North, ist es zu Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Todesopfern gekommen. In den Regionen North und Adamawa sowie in den Grenzgebieten zu Nigeria und Tschad kommt es vermehrt zu gewalttätigen Raubüberfällen und Entführungen. Das Grenzgebiet mit der Zentralafrikanischen Republik gilt wegen grenzüberschreitender Übergriffe bewaffneter Gruppen der dortigen Rebellen als unsicher. Es besteht außerdem die Gefahr, Opfer von Entführungen oder Raubüberfällen zu werden (AA 12.9.2022). Sowohl das österreichische als auch das deutsche Außenministerium warnen vor Reisen in das Grenzgebiet (mindestens 40 Kilometer) zur Zentralafrikanischen Republik, zum Tschad und zu Nigeria. Das Risiko von Überfällen durch gewalttätige Straßenräuber sowie Entführungen ist besonders hoch. Auch vor Reisen in die englischsprachigen Provinzen Northwest und Southwest und zur Halbinsel Bakassi samt Umgebung wird aufgrund der angespannten Sicherheitslage gewarnt (BMEIA 12.9.2022; vergleiche AA 12.9.2022).

Auf der Halbinsel Bakassi und Umgebung nahe der Grenze zu Nigeria gibt es fortdauernde Sicherheitsprobleme. Im gesamten Golf von Guinea kommt es zu Überfällen auf Küstenorte, Fischkutter, Öltanker oder Ölplattformen mit Geiselnahmen. Die Gefahr für Entführungen besteht auch in allen entlegenen Gebieten Kameruns (AA 12.9.2022).

In den beiden anglophonen Regionen Northwest und Southwest dauern gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen an. Dabei gibt es Todesopfer und Verletzte (AA 12.9.2022). Am 8.1.2022 fingen bewaffnete Gruppen an einem Kontrollpunkt in der Nähe von Bamenda in Northwest einen Lastwagen ab, der im Auftrag einer UN-Organisation humanitäre Hilfe liefern sollte. Die sogenannten „Verteidigungskräfte von Ambazonia“ veröffentlichten später ein Video, auf dem der Lastwagen zu sehen ist, und behaupteten, sie hätten die Nahrungsmittelhilfe an die lokale Bevölkerung verteilt (UNSC 26.5.2022). Die Straße zwischen Bamenda und Bafoussam darf laut Anordnung der kamerunischen Sicherheitskräfte nur noch im Konvoi mit bewaffneter Eskorte zu festgelegten Zeiten befahren werden (AA 12.9.2022).

Ferner kam es auch zu Anschlägen mit improvisierten Sprengsätzen. Am 8.12.2021 wurden entlang der Straße zwischen Bamenda und Mbengwi in Northwest Häuser und Geschäfte niedergebrannt, angeblich von staatlichen Sicherheitskräften, nachdem ein Angriff mit einem improvisierten Sprengsatz gegen diese verübt worden war. Die Regierung veröffentlichte eine Erklärung, in der sie die Vorwürfe zurückwies. Am 2.3.2022 verübten die sogenannten Verteidigungskräfte von Ambazonia einen Anschlag mit einem improvisierten Sprengsatz auf einen Konvoi des Gouverneurs der Region Southwest, wobei sieben Menschen getötet wurden. Am 12.1.2022 wurde ein improvisierter Sprengsatz an einem Sicherheitskontrollpunkt in Buea gezündet, wobei drei Angehörige der Sicherheitskräfte verletzt wurden. Die Zahl der Explosionen, die sich gegen Zivilisten richteten, stieg Ende 2021 an, bevor sie im ersten Quartal 2022 wieder zurückging. Mindestens die Hälfte aller Anschläge mit Sprengkörpern in der Region Southwest seit November 2021 richtete sich gegen Zivilisten (UNSC 26.5.2022). Am 2.7.2022 wurde auf dem Mokolo-Markt in Yaoundé ein Sprengsatz gezündet. Bei der Explosion wurden vier Personen verletzt. Am 12.7.2022 detonierte ein weiterer Sprengsatz auf dem Mokolo-Markt in Yaoundé, wobei eine Person verletzt wurde (UKFCO 12.9.2022).

Laut Medienberichten kam es am 6.9.2022 zu einem bewaffneten Angriff auf einen öffentlichen Bus nahe der Stadt Ekona (Region Southwest). Dabei wurden mindestens sechs Personen getötet und acht weitere verletzt. Der Bus war auf dem Weg von Douala in die Stadt Kumba. Bisher hat sich niemand zu dem Angriff bekannt (BAMF 12.9.2022). Am 16.9.2022 sollen unbekannte bewaffnete Angreifer die katholische Kirche St. Mary im Dorf Nchang (Region Southwest) in Brand gesteckt und fünf Priester, eine Nonne und zwei Gläubige entführt haben. Bisher hat sich niemand zu dem Angriff bekannt (BAMF 19.9.2022).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor, was aber in der Praxis nicht immer der Fall ist (USDOS 12.4.2022). Das Justizwesen ist dem Justizministerium unterstellt, wobei Korruption und politische Einflussnahme, auch durch die Exekutive, die Gerichte schwächen (FH 24.2.2022). In einigen Fällen scheint der Ausgang von Prozessen von der Regierung beeinflusst zu werden, insbesondere in politisch heiklen Fällen (USDOS 12.4.2022). Die Staatsanwälte werden unter Druck gesetzt, die Verfolgung von Korruptionsfällen gegen einige hochrangige Beamte einzustellen (FH 24.2.2022). Das Justizsystem ist insgesamt korrupt, unterfinanziert und ineffizient. In Gerichtsverfahren werden rechtsstaatliche Grundsätze nicht immer eingehalten und Habeas-Corpus-Rechte verletzt. Die lange Dauer der Untersuchungshaft und willkürlicher Polizeigewahrsam stellen weiterhin Probleme dar. Das Justizsystem ist überlastet; manche Richter und Staatsanwälte sind unterqualifiziert und/oder bestechlich. Rechtsstaatliche Verfahren sind nicht durchgängig gewährleistet. Die gravierenden Schwächen des Rechtssystems betreffen alle Bürgern gleichermaßen und sind vor allem in Korruption, mangelhafter Aus- und Fortbildung sowie Überlastung der Richter und Rechtsanwälte begründet. Sippenhaft ist nicht vorgesehen. Der Justizapparat ist schwerfällig, unterbesetzt und zeigt wenig Einsatzbereitschaft; dies gilt auch bei Ermittlungen zu Menschenrechtsverletzungen (AA 2.9.2022).

Trotz der formalen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und Legislative ernennt der Präsident alle Mitglieder der Richterschaft und der Rechtsabteilung der Justiz, einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, sowie den Präsidenten und die Mitglieder des Verfassungsrats und kann sie nach Belieben entlassen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 24.2.2022).Trotz der formalen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive und Legislative ernennt der Präsident alle Mitglieder der Richterschaft und der Rechtsabteilung der Justiz, einschließlich des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, sowie den Präsidenten und die Mitglieder des Verfassungsrats und kann sie nach Belieben entlassen (USDOS 12.4.2022; vergleiche FH 24.2.2022).

Neben dem zivilen Justizsystem sind bei bestimmten Vergehen wie Menschenrechtsverbrechen und Staatssicherheitsangelegenheiten verschiedene Militärgerichte zuständig, auch bei Verfahren gegen Zivilpersonen (AA 2.9.2022). Militärgerichte können bei einer Vielzahl von Straftaten, einschließlich ziviler Unruhen, die Gerichtsbarkeit über Zivilpersonen ausüben. Diese Gerichte üben auch zunehmend die Gerichtsbarkeit über friedliche Demonstrationen aus, welche die Regierung zuvor nicht genehmigt hatte (USDOS 12.4.2022).

Die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren werden nur unzureichend gewahrt (FH 24.2.2022). Die Arbeit von Rechtsanwälten wird immer wieder durch Übergriffe von Sicherheitskräften beeinträchtigt, ein Kontakt zu ihren Klienten unterbunden. Ende 2020 wurden in Douala Rechtsanwälte im Gerichtssaal von der Polizei mit Tränengas und Schlägen angegriffen, einige Rechtsanwälte wurden der Korruption bezichtigt und verhaftet, und auf Druck der Anwaltskammer wieder freigelassen. Als Reaktion auf diese Vorkommnisse traten zahlreiche Rechtsanwälte in einen mehrwöchigen Streik. Trotz Zugeständnissen der Regierung, dass Rechtsanwälte in ihrer Arbeit nicht beeinträchtigt werden, hat sich die Situation nicht grundlegend verändert (AA 2.9.2022).

Langwierige Untersuchungshaft ist an der Tagesordnung. Zivilisten, die des Terrorismus beschuldigt werden, haben häufig nicht das Recht auf ein faires Verfahren. In den anglophonen Regionen werden Kamerunern regelmäßig französische Rechtsnormen aufgezwungen (FH 24.2.2022).

Sicherheitsbehörden

Es gibt folgende Teile der kamerunischen Streitkräfte (Forces Armees Camerounaises, FAC): die Armee (L'Armee de Terre), die Marine (Marine Nationale Republique, MNR, umfasst Marineinfanterie), die Luftwaffe (Armee de l'Air du Cameroun, AAC), das Schnelleinsatzbataillon (Bataillons d'Intervention Rapide oder BIR), die Nationale Gendarmerie und die Präsidentengarde (CIA 7.9.2022). Für die innere Sicherheit sind die nationale Polizei und die nationale Gendarmerie zuständig. Erstere untersteht der Generaldelegation für nationale Sicherheit, letztere dem Staatssekretariat für Verteidigung (USDOS 12.4.2022; vgl. CIA 6.9.2022). Die Armee ist teilweise für die innere Sicherheit mitverantwortlich; sie untersteht dem für die Verteidigung zuständigen Ministerdelegierten der Präsidentschaft. Das BIR ist direkt dem Präsidenten unterstellt und unterhält seine eigene Führungs- und Kontrollstruktur und berichtet direkt an den Präsidenten (CIA 7.9.2022).Es gibt folgende Teile der kamerunischen Streitkräfte (Forces Armees Camerounaises, FAC): die Armee (L'Armee de Terre), die Marine (Marine Nationale Republique, MNR, umfasst Marineinfanterie), die Luftwaffe (Armee de l'Air du Cameroun, AAC), das Schnelleinsatzbataillon (Bataillons d'Intervention Rapide oder BIR), die Nationale Gendarmerie und die Präsidentengarde (CIA 7.9.2022). Für die innere Sicherheit sind die nationale Polizei und die nationale Gendarmerie zuständig. Erstere untersteht der Generaldelegation für nationale Sicherheit, letztere dem Staatssekretariat für Verteidigung (USDOS 12.4.2022; vergleiche CIA 6.9.2022). Die Armee ist teilweise für die innere Sicherheit mitverantwortlich; sie untersteht dem für die Verteidigung zuständigen Ministerdelegierten der Präsidentschaft. Das BIR ist direkt dem Präsidenten unterstellt und unterhält seine eigene Führungs- und Kontrollstruktur und berichtet direkt an den Präsidenten (CIA 7.9.2022).

Die zivilen und militärischen Behörden üben keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Es gibt glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte zahlreiche Übergriffe begangen haben (USDOS 12.4.2022). Die Sicherheitskräfte sind zu großen Teilen schlecht ausgebildet, bezahlt und ausgerüstet. Es kommt zu willkürlicher und unverhältnismäßiger Gewaltanwendung. Ü

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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