Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §41 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 21. Juni 1994, Zl. 5-226 Si 94/7-93, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 ASVG (mitbeteiligte Partei: Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Graz, Josef-Pongratz-Platz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 27. Oktober 1992 forderte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin auf, für die Zeit vom 1. Jänner 1988 bis 31. Dezember 1991 Beiträge in der Höhe von insgesamt S 374.943,27, binnen elf Tagen nach Zustellung dieser Beitragsnachverrechnung an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zu bezahlen.
Mit Bescheid vom 10. November 1992 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die Beschwerdeführerin die Bestimmungen über die Meldepflicht (§§ 33 und 34 ASVG) verletzt habe und ihr daher gemäß § 113 Abs. 1 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von S 122.550,-- vorgeschrieben werde. Nach der Bescheidbegründung sei anläßlich der am 3. Mai 1992 gemäß § 42 ASVG durchgeführten Beitragsprüfung festgestellt worden, daß es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, in 9 Fällen die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in 452 Fällen das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zugrundezulegen. Bei der Bemessung des Zuschlages seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin und die Art des Meldeverstoßes berücksichtigt worden. Damit seien die bis zum Zeitpunkt der Feststellung aufgelaufenen Verzugszinsen und der im Zusammenhang mit der Beitragsprüfung entstandene Verwaltungsmehraufwand abgegolten.
In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wandte die Beschwerdeführerin ein, daß die im bekämpften Bescheid festgestellte Verkürzung des der Beitragsabfuhr zugrundegelegten beitragspflichtigen Entgeltes nicht zutreffe; dies deshalb, weil die Beschwerdeführerin die Beiträge sowohl von den den Lehrlingen ausbezahlten Lehrlingsentschädigungen (brutto für netto) als auch von dem von der Beschwerdeführerin freiwillig übernommenen Betrag für den Dienstnehmeranteil errechnet und tatsächlich abgeführt habe: So etwa bei einer Lehrlingsentschädigung von S 4.000,-- und einem übernommenen Dienstnehmeranteil (10,25 % dieser Lehrlingsentschädigung) von S 410,-- von einem beitragspflichtigen Entgelt von S 4.410,--.
Über Antrag der Beschwerdeführerin sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit Bescheid vom 20. Juli 1993 aus, daß die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, für die in der Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 27. Oktober 1992 angeführten Dienstnehmer die dort ausgewiesenen allgemeinen Beiträge, Sonderbeiträge, Zuschläge und Nebenumlagen nach den jeweils angeführten Beitragsgrundlagen und für die gleichfalls dort näher bezeichneten Zeiten im Betrage von insgesamt S 374.943,27 nachzuentrichten. Die Beitragsnachverrechnungsanzeige vom 27. Oktober 1992, von der ein Betrag von S 148.816,81 strittig sei, bilde einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides. Begründet wurde dieser Bescheid hinsichtlich des (angeblich allein strittigen) Betrages, der sich auf Beitragsdifferenzen bezüglich der Lehrlingsentschädigungen beziehe, damit, daß im angeführten Beispielsfall das beitragspflichtige Entgelt und damit die allgemeine Beitragsgrundlage S 4.457,-- (und bei höherer Lehrlingsentschädigung einen entsprechend erhöhten Betrag) ausgemacht habe.
Mit Bescheid vom 8. Juni 1994, der Beschwerdeführerin zugestellt am 13. Juni 1994, gab die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 20. Juli 1993 keine Folge und bestätigte diesen Bescheid.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 10. November 1992 "betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 und 3 ASVG" keine Folge und bestätigte auch diesen Bescheid. In der Bescheidbegründung bezog sich die belangte Behörde auf ihren rechtskräftigen Bescheid vom 8. Juni 1994, mit dem der Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 20. Juli 1993 auch hinsichtlich des strittigen Teiles (Heranziehung der vollen Bruttolehrlingsentschädigung entsprechend dem Bruttoentgeltbegriff des § 49 Abs. 1 ASVG als allgemeine Beitragsgrundlage) bestätigt worden sei. Auf der Grundlage dieser rechtskräftigen Vorfragenentscheidung gemäß § 38 AVG und des Vorbringens der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der weiteren Aktenlage nehme die belangte Behörde als erwiesen an, daß es die Beschwerdeführerin unterlassen habe, in 9 Fällen die Versicherungsanmeldung zu erstatten und in 452 Fällen das Entgelt in beitragspflichtiger Höhe zu melden bzw. der Beitragsbemessung zugrundezulegen. Dadurch habe die Beschwerdeführerin unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt die im bekämpften Bescheid genannten Meldeverstöße nach § 113 Abs. 1 Z. 1 und 3 ASVG begangen. Es folgen Ausführungen zur Bemessung des Beitragszuschlages.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin im wesentlichen die schon im Einspruch vertretene Rechtsauffassung aufrecht erhält.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete aber keine Gegenschrift. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des § 113 Abs. 1 ASVG lauten:
"Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:
1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.
...
3. Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden.
..."
Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse verhängten Beitragszuschlag als einen solchen "gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 und 3 ASVG" gedeutet und in der Begründung die im Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten 9 Fälle der nicht erstatteten Versicherungsanmeldung als Meldeverstoß nach § 113 Abs. 1 Z. 1 und die 452 Fälle einer Nichtmeldung des Entgelts in beitragspflichtiger Höhe als Verstoß gegen § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG qualifiziert. Die Beschwerdeführerin bestreitet die erstgenannten Meldeverstöße nicht, wohl aber die letzteren, dies mit der Begründung, sie habe hinsichtlich der strittigen Lehrlingsentschädigungen die Beiträge richtig ermittelt und abgeführt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/08/0165, den obgenannten Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 1994 mit der Begründung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, daß die Auffassung der Beschwerdeführerin über die Ermittlung der Beitragsgrundlagen hinsichtlich der strittigen Lehrlingsentschädigungen und nicht jene der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde dem Gesetz entspreche. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Aus diesem Erkenntnis folgt aber, daß die Nichtmeldung eines Entgeltes in der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde behaupteten Höhe keinen Meldeverstoß darstellte.
Der Wahrnehmung dieser dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtswidrigkeit steht nicht der Umstand entgegen, daß mit dem im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch dem Rechtsbestand angehörenden rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 8. Juni 1994 die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Nachentrichtung von Beiträgen und Umlagen, ausgehend von den strittigen Lehrlingsentschädigungen in der von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse und der belangten Behörde behaupteten Höhe, ausgesprochen worden war. Denn die Höhe des beitragspflichtigen Entgelts bzw. der Beitragsgrundlagen bildete in keinem der beiden Verfahren die Hauptfrage; ein Bindungsproblem konnte schon deshalb nicht entstehen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 89/08/0299).
Der angefochtene Bescheid war daher (und zwar mangels von Feststellungen darüber, welcher Teil des verhängten Beitragszuschlages auf die Meldeverstöße nach § 113 Abs. 1 Z. 1 und § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG entfallen, zur Gänze) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren auf Stempelgebührenersatz war zufolge der bestehenden sachlichen Abgabenfreiheit (§ 110 Abs. 1 Z. 2 ASVG) abzuweisen.
Schlagworte
Entgelt Begriff Entgelt Begriff Anspruchslohn Sondervereinbarung VerfahrensgesichtspunkteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994080169.X00Im RIS seit
20.11.2000