Entscheidungsdatum
03.09.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z1Spruch
W175 2176549-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , iranische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2024, Zahl: 1156753102-232417166, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde der römisch 40 , geboren am römisch 40 , iranische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2024, Zahl: 1156753102-232417166, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
1. Der Beschwerdeführerin (BF) wurde am 16.11.2016 von der italienischen Vertretungsbehörde in Teheran ein Schengenvisum C, gültig von 25.11.2016 bis 22.12.2016, erteilt.
2. Am 19.06.2017 gab sie im Zuge einer Antragstellung auf internationalen Schutz im Bundesgebiet bei der Erstbefragung den Sicherheitsbehörden gegenüber an, dass sie an Asthma leide und früher Medikamente genommen habe. Sie sei im ersten oder zweiten Monat schwanger.
Mit ihrem eigenen Reisepass sei sie im Dezember 2016 von Teheran über Wien nach Rom geflogen, habe sich elf Tage in Rom und Mailand aufgehalten und sei vor Weihnachten von Rom zurück nach Teheran geflogen. Ihr echter Pass sei bei der Familie im Iran. Sie werde ihn sich schicken lassen (eine Vorlage des Passes bei den österreichischen Behörden ist nicht aktenkundig).
Im März 2017 habe sie den Entschluss gefasst, den Iran zu verlassen, ihr Ziel sei Kanada gewesen, da sie näher bei ihrer Schwester leben wolle, die nach Amerika habe ziehen wollen. Am 30.05.2017 sei sie unter Verwendung eines gefälschten iranischen Reisepasses von Teheran nach Wien geflogen, wo ihr dieser vom Schlepper wieder abgenommen worden sei.
Den Schlepper habe sie sieben Monate zuvor in Teheran kennengelernt. Er habe sie nach Kanada bringen sollen. Mit einem gefälschten Pass und einem Visum habe er sie nach Wien gebracht, wo er ihr den Pass wieder abgenommen habe. Sie habe nie in den Pass hineinschauen dürfen, sie wisse nicht, auf welchen Namen er gelautet habe. Sie habe ihn nur bei den Grenzkontrollen bekommen. Sie sei in eine Wohnung bei Wien gebracht worden, wo sie sich bis einen Tag vor der Erstbefragung aufgehalten habe. Dann habe man sie nach Wien gebracht und sie dort stehen lassen. Sie habe sich seither in einem Park aufgehalten und dann dort einen Iraner getroffen, der ihr weitergeholfen habe.
Als Fluchtgrund gab sie an, sie habe sich vor fünf Jahren scheiden lassen, ihr Mann habe sie immer wieder gestört und unter Druck gesetzt. Er habe sie ohne konkreten Grund bei der Polizei angezeigt. Er sei sehr mächtig. Deshalb habe sie nach Kanada wollen.
3. Am 13.09.2017 wurde dem BFA von der Vertretung mitgeteilt, dass die BF am 27.07.2017 geheiratet habe.
4. Am 27.09.2017 gab sie vor dem BFA an, sie leide seit drei bis vier Jahren unter stressbedingtem Asthma. Sie verwende regelmäßig einen Asthma-Spray. In ihrer Heimat habe sie zusätzlich noch Medikamente und Beruhigungsmittel genommen. In Österreich habe sie noch keine Behandlung gehabt; sie habe nur den Asthma-Spray besorgen können. Am 02.10.2017 habe sie einen Arzttermin. Den habe ihr Ehemann organisiert. Befragt, um welche Untersuchung es sich handle, gab sie an, dass das ein Termin bei einem Psychologen sei. Sie leide nämlich unter Stress und habe Schlafstörungen. Dagegen seien auch die Medikamente gewesen, die sie in der Heimat eingenommen habe. Sie sei bei zwei Ärzten in Behandlung gewesen. Nachgefragt, ob eine Krankheit diagnostiziert worden sei, gab sie an, dass sie beraten worden sei und man ihr Lösungen angeboten habe, aber sie habe so viele Probleme gehabt, dass sie nicht behandelt worden sei. Befragt, ob sie bezüglich der psychischen Probleme in Österreich etwas unternommen habe, erklärte sie, dass ihr bislang ihr Mann nur einen Termin organisiert habe.
Nachweise für etwaige Erkrankungen oder Behandlungen legte die BF nicht vor.
Über Nachfrage nannte die BF die persönlichen Daten ihres Ehemannes und gab an, dass sie ihn in Österreich kennengelernt habe. Abgesehen von ihm habe sie keine Familienangehörigen oder Verwandte in Österreich oder der EU. Sie sei mit ihrem nunmehrigen Ehemann seit etwa drei Monaten zusammen. Er lebe schon seit 15 Jahren in Österreich, sei anerkannter Flüchtling und habe einen Aufenthaltstitel. Sie lebe seit etwa drei Monaten mit ihm im gemeinsamen Haushalt und er kümmere sich um alle ihre Bedürfnisse. Er arbeite unter der Woche, am Abend seien sie zusammen. Zwei Tage pro Woche habe er frei und da seien sie den ganzen Tag zusammen. Nachgefragt, wie sie ihn kennergelernt habe, schilderte die BF, dass sie einen Freund in Deutschland habe, der ihr die Telefonnummer seines Cousins gegeben habe. Das sei ihr nunmehriger Ehemann.
Zur geplanten Vorgehensweise des BFA, sie aufgrund der festgestellten Zuständigkeit Italiens dorthin außer Landes zu bringen, brachte die BF vor, dass sie nicht nach Italien könne, da sie in Österreich verheiratet sei und mit ihrem Mann einen gemeinsamen Haushalt führe. Eine Überstellung nach Italien werde die Ehe zerstören. Sie werde in Italien bezüglich ihrer Fluchtgründe auch Probleme bekommen. Ihr sei es egal gewesen, wo sie bleiben dürfe, aber nun, da sie in Österreich verheiratet sei, wolle sie nicht von ihrem Mann getrennt werden. Befragt, ob sie schwanger sei, erklärte die BF, dass sie von ihrem Ex-Mann im zweiten Monat schwanger gewesen sei, aber ihr ungeborenes Kind aufgrund einer Blutung verloren habe. Sie sei sofort ins Krankenhaus gebracht worden und dort behandelt worden. Weiters führte sie näher aus, dass sie sich vor fünf Jahren von ihrem damaligen Mann scheiden habe lassen. Er sei ein einflussreicher Offizier und habe das nicht akzeptieren wollen, woraufhin er sie mehrmals vergewaltigt habe. Sie habe auch einige Narben und habe sie vor eineinhalb Jahren umbringen wollen.
Zur Frage, ob sie konkrete, sie persönlich betreffende Gründe angeben könne, die dagegensprächen, das Verfahren in Italien weiterzuführen, schilderte die BF, dass ihr Exmann vorige Woche mit ihrer Mutter gesprochen habe. Er sei davon in Kenntnis, dass sie in Italien sei und werde sie mit verbundenen Händen nachhause bringen. Sie habe große Angst vor ihm. Sie werde von ihrem nunmehrigen Ehemann betreut und er sei eine große Unterstützung, sonst werde ihr Leben zerstört. Gegebenenfalls werde sie eine Möglichkeit suchen, sich umzubringen.
Nachgefragt, wie lange sie in Italien gewesen sei, gab die BF an, dass sie 2008 in Italien gewesen sei und anschließend bis 2016 im Iran gelebt habe. Danach sei sie im Dezember 2016 zwölf Tage in Italien auf Urlaub gewesen. Im Zuge ihrer jetzigen Ausreise sei sie nicht in Italien gewesen. Sie habe Angst vor ihrem Exmann, der sie in Italien bedrohe. Nachgefragt, ob sie seit ihrer Ausreise persönlich bedroht worden sei, gab sie an, dass ihr Exmann ihre Freunde, die Christen seien, befragt habe, wo sie sich befinde. Sie hätten ihm nichts gesagt, weshalb sie seit der Ausreise nicht persönlich bedroht worden sei. Er wisse nicht, wo sie sei und welche Nummer sie habe. Er setze aber ihren Bruder sehr unter Druck.
Betreffend etwaiger Dokumente zu ihrem nunmehrigen Ehemann erklärte die BF, dass sie Dokumente nachbringen werde; ihr Mann habe einen Konventionsreisepass. Nachgefragt, ob sie in Italien eine Einvernahme gehabt habe und ihr eine Entscheidung mitgeteilt worden sei, wiederholte sie abermals, dass sie nicht durch Italien gereist sei. Die anwesende Rechtsberaterin verwies abschließend auf Art. 9 Dublin-III-VO.Betreffend etwaiger Dokumente zu ihrem nunmehrigen Ehemann erklärte die BF, dass sie Dokumente nachbringen werde; ihr Mann habe einen Konventionsreisepass. Nachgefragt, ob sie in Italien eine Einvernahme gehabt habe und ihr eine Entscheidung mitgeteilt worden sei, wiederholte sie abermals, dass sie nicht durch Italien gereist sei. Die anwesende Rechtsberaterin verwies abschließend auf Artikel 9, Dublin-III-VO.
5. Neben den bereits genannten Unterlagen finden sich im Akt noch medizinische Schreiben eines genannten Krankenhauses, aus denen hervorgeht, dass die BF am 19.06.2017 und am 20.06.2017 in (stationärer) Behandlung gewesen sei (Diagnose: „Abortus incomplettus 6. SSW“, Therapie: „Geburtshilfliche Curretage“, Therapieempfehlung: „Körperliche Schonung, Schmerzmittel bei Bedarf“).
6. Dem seitens des BFA in Auftrag gegeben PSY-III-Gutachten vom 10.10.2017 ließ sich als psychologische Schlussfolgerung entnehmen, dass bei der BF aus aktueller Sicht weder eine krankheitswertige psychische Störung noch sonstige psychische Krankheitssymptome vorliegen würden. In der Schlussfolgerung wird dazu näher aufgeführt: „Zur Zeit der Befundaufnahme findet sich wohl subjektiv eine getrübte Stimmung und eine Belastung aufgrund der derzeit bestehenden Situation. Die Belastung in Art, Dauer und Intensität [ist] derzeit jedoch noch nicht krankheitswertigen Ausmaßes. Daher kann gesagt werden, dass die Asylwerberin derzeit unter keiner psychischen Störung leidet.“
7. Mit Bescheid des BFA vom 27.10.2017 wurde unter Spruchpunkt I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei. Zudem wurde gegen sie die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt. 7. Mit Bescheid des BFA vom 27.10.2017 wurde unter Spruchpunkt römisch eins. der Antrag der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß Paragraph 5, AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Artikel 12, Absatz 4, Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei. Zudem wurde gegen sie die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG für zulässig erklärt.
8. Die BF wurde am 13.12.2017 auf dem Luftweg nach Italien überstellt, wo sie am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
9. Gegen den Bescheid des BFA vom 27.10.2017 erhob die BF durch ihre Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Gerügt wurde zusammengefasst Folgendes: Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO könne nicht zur Zuständigkeitsbegründung herangezogen werden, da die BF zwar aufgrund einer Urlaubsreise gegen Jahresende 2016 mit einem italienischen Visum nach Italien eingereist sei, danach jedoch in den Iran zurückgekehrt sei und erst im Mai 2017 erneut aus dem Iran ausgereist und schlepperunterstützt direkt nach Österreich eingereist sei. Sie habe in Italien niemals einen Asylantrag gestellt. Des Weiteren sei die BF in Österreich verheiratet und ihr Ehemann stelle eine bedeutende psychische Stütze für sie dar. Eine Trennung von ihrem frisch angetrauten Ehemann werde eine erneute Destabilisierung und schwere psychische Krise hervorrufen; die BF habe für den Fall der erzwungenen Trennung Selbstmordabsicht kundgetan. Es liege daher sehr wohl ein qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis der BF von ihrem nunmehrigen Ehemann vor, welches einer Überstellung nach Italien entgegenstehe. Zudem befürchte die BF, in Italien von ihrem Exmann ausfindig gemacht und verfolgt zu werden. Das BFA habe das Parteienvorbringen völlig außer Acht gelassen, weshalb der angefochtene Bescheid mangelhaft sei.Gerügt wurde zusammengefasst Folgendes: Artikel 12, Absatz 4, Dublin-III-VO könne nicht zur Zuständigkeitsbegründung herangezogen werden, da die BF zwar aufgrund einer Urlaubsreise gegen Jahresende 2016 mit einem italienischen Visum nach Italien eingereist sei, danach jedoch in den Iran zurückgekehrt sei und erst im Mai 2017 erneut aus dem Iran ausgereist und schlepperunterstützt direkt nach Österreich eingereist sei. Sie habe in Italien niemals einen Asylantrag gestellt. Des Weiteren sei die BF in Österreich verheiratet und ihr Ehemann stelle eine bedeutende psychische Stütze für sie dar. Eine Trennung von ihrem frisch angetrauten Ehemann werde eine erneute Destabilisierung und schwere psychische Krise hervorrufen; die BF habe für den Fall der erzwungenen Trennung Selbstmordabsicht kundgetan. Es liege daher sehr wohl ein qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis der BF von ihrem nunmehrigen Ehemann vor, welches einer Überstellung nach Italien entgegenstehe. Zudem befürchte die BF, in Italien von ihrem Exmann ausfindig gemacht und verfolgt zu werden. Das BFA habe das Parteienvorbringen völlig außer Acht gelassen, weshalb der angefochtene Bescheid mangelhaft sei.
10. Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.08.2018, Zahl: W239 2176549-1/5E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen (Auszug):
„Sofern die BF vorgebracht habe und auch in der Beschwerde ausgeführt worden sei, dass sie nach ihrer Einreise in Italien, wo sie gegen Jahresende 2016 lediglich auf Urlaub gewesen sei, von dort wieder ausgereist sei, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten also verlassen habe, und damit die Zuständigkeit Italiens erloschen sei, wurde Folgendes festgehalten:
Der BF sei es nicht gelungen, eine Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten glaubwürdig darzulegen. Trotz der Ankündigung, sich ihren iranischen Reisepass schicken zu lassen, um ihr Vorbringen zu untermauern, sei kein entsprechendes Beweismittel vorgelegt worden. Es liege nahe, dass es sich bei ihrem Vorbringen um eine reine Schutzbehauptung handle. Mangels vorgelegter Beweismittel sei in Zusammenschau mit den vagen Aussagen der BF daher davon auszugehen, dass die BF zwar unter Verwendung des Visums, welches von den italienischen Behörden ausgestellt worden sei und welches in der VIS-Datenbank aufscheine, in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist sei, dieses jedoch - entgegen ihrer Behauptung - danach nicht wieder verlassen habe, sodass die Zuständigkeit Italiens zur Führung des inhaltlichen Asylverfahrens gegeben sei.
Dass die BF unter keinen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, sondern lediglich Asthma habe und einen Asthma-Spray verwende, ergebe sich aus ihren eigenen Angaben vor dem BFA. Aus den vorgelegten Berichten lasse sich zudem entnehmen, dass die BF im Bundesgebiet eine Fehlgeburt erlitten hat. Diesbezüglich hätten sich keine Hinweise auf die Notwenigkeit einer aktuell noch andauernden Behandlung ergeben. Im vom BFA in Auftrag gegebenen PSY-III-Gutachten sei in der Schlussfolgerung ausdrücklich festgehalten worden, dass sich bei der BF zur Zeit der Befundaufnahme zwar subjektiv eine getrübte Stimmung und eine Belastung aufgrund der derzeit bestehenden Situation finde, dass die Belastung in Art, Dauer und Intensität derzeit jedoch nicht krankheitswertigen Ausmaßes sei. Daher könne gesagt werden, dass die BF derzeit unter keiner psychischen Störung leide.
Die BF verfüge im Bundesgebiet über familiäre Anknüpfungspunkte, konkret über ihren nunmehrigen Ehemann, dem ihrer Aussage zufolge der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, und mit dem sie von 21.06.2017 bis zu ihrer Überstellung nach Italien am 13.12.2017 im gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Die BF und ihr Ehemann, der bereits seit etwa 15 Jahren im Bundesgebiet aufhältig sei, hätten sich dem Vorbringen zufolge unmittelbar nach der Antragstellung (19.06.2017) der BF im Bundesgebiet kennengelernt. Der Kontakt sei über einen Freund in Deutschland hergestellt worden, der der BF die Telefonnummer seines Cousins, des nunmehrigen Ehemannes, gegeben habe. Kurze Zeit sei die BF bei ihm eingezogen, seit 21.06.2017 habe ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden, am 27.07.2017 hätten sie standesamtlich geheiratet.
Es werde nicht verkannt, dass eine Unterstützung durch ihren nunmehrigen Ehemann für die BF von Vorteil sein könne und für sie wünschenswert sei, eine existenziell notwendige Abhängigkeit könne jedoch nicht erkannt werden.
In Bezug auf die auch in der Beschwerde angesprochene psychische Abhängigkeit der BF von ihrem Ehemann sei einerseits darauf zu verweisen, dass sich diese vor dem Hintergrund des eingeholten PSY-III-Gutachtens, wonach bei der BF keine krankheitswertige psychische Störung und keine sonstigen psychischen Krankheitssymptome vorlägen, relativiert. Zum anderen stehe es dem Ehemann letztlich auch frei, die BF in Italien zu besuchen, zumal er über einen Konventionsreisepass verfüge.
Zusammenfassend ist sei festzustellen, dass eine Ausweisung der BF keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben darstelle. Der durch die Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben sei durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls gedeckt.“Zusammenfassend ist sei festzustellen, dass eine Ausweisung der BF keinen unzulässigen Eingriff in das durch Artikel 8, EMRK gewährleistete Recht auf Familienleben darstelle. Der durch die Ausweisung der BF aus dem Bundesgebiet erfolgende Eingriff in ihr Privatleben sei durch ein Überwiegen des öffentlichen Interesses im Vergleich zu ihrem Privatinteresse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls gedeckt.“
Gegenständliches Verfahren:
1. Die BF stellte am 21.11.2023 den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet.
2. Laut bei der Erstbefragung vorliegenden Eurodac-Treffern suchte die BF im Juni 2017 in Österreich und im Dezember 2017 in Italien um internationalen Schutz an.
3. Im Zuge der Erstbefragung am 21.11.2023 legte die BF ein italienisches Konventionsreisedokument, ausgestellt am 03.11.2018, gültig bis 08.10.2023, vor. Die BF gab in Farsi befragt an, verheiratet zu sein. Sie habe 12 Jahre die Grundschule besucht, mit Matura abgeschlossen und sei gelernte Frisörin. Ihre Muttersprache sei Farsi und sie spreche überdies etwas Englisch.
Die Familie lebe im Iran, der Aufenthaltsort des (derzeitigen) Ehemannes sei ihr nicht bekannt. In Österreich habe sie keine Verwandten.
Sie habe den Iran im Herbst 2017 verlassen und sei direkt nach Österreich geflogen, da ihr jetziger Ehemann hier gelebt habe.
Sie habe sich von Herbst 2017 bis Mitte Dezember 2017 in Österreich aufgehalten, danach sei sie bis 2019 in Italien gewesen. Nach einem weiteren Aufenthalt in Österreich bis 2020 sei sie wieder nach Italien gereist, wo sie sich bis 19.11.2023 aufgehalten habe und sei danach erneut nach Österreich zurückgekehrt sei, wo sie den gegenständlichen Antrag eingebracht habe.
In Italien habe sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der positiv entschieden worden sei. Den Reisepass habe sie nicht mehr verlängert, da sie nicht in Italien habe bleiben wollen, der Asylbescheid sei noch aufrecht. Sie sei trotz Asylbescheid wegen ihres Ehemannes immer wieder nach Österreich gekommen.
Zu dem Aufenthalt in Italien befragt gab sie an, dass sie nach Erhalt des Passes die Unterkunft verlassen haben müsse. Sie habe keine Hilfe und keine Unterstützung mehr bekommen. Sie habe sich in Italien nicht sicher gefühlt. Ihr Ex-Mann (erster Ehemann) habe gehört, dass sie in Italien zum Christentum konvertiert sei, weshalb sie Angst gehabt habe, in Italien zu bleiben. Er sei Militärarzt und habe einen hohen militärischen Rang bekleidet. Sie habe nicht alleine das Haus verlassen dürfen und einen eigenen Fahrer gehabt. Nach der Scheidung habe er sie mehrmals nach Hause zurückgeholt. Eines Tages sei seine Waffe verschwunden gewesen und er habe sie beschuldigt, diese genommen und ihrem Bruder gegeben zu haben. Es sei ihr geraten worden, so schnell wie möglich das Land zu verlassen.
4. Die italienischen Behörden teilten auf eine Anfrage vom 19.12.2023 mit, dass der BF in Italien Asyl zuerkannt worden sei. Ihre Residence Permit sei bis 08.10.2023 gültig.
5. Am 23.02.2024 gab die BF im Rahmen des Parteiengehörs vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Farsi befragt an, dass sie seit 20 Jahren unter Asthma und überdies unter erhöhtem Blutdruck leide. Wegen des Asthmas sei sie bereits im Iran behandelt worden. Sie legte einen Ambulanzbericht des XXXX vom 29.02.2024 vor, wonach sie aufgrund einer Panikattacke behandelt worden sei. Ein Blutbefund zeigte keine Auffälligkeiten. Ein psychologisches Gespräch sei von der BF abgelehnt worden. Die Anamnese sei in Englisch aufgenommen worden. Weitere Befunde legte die BF trotz Aufforderung nicht vor.5. Am 23.02.2024 gab die BF im Rahmen des Parteiengehörs vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Farsi befragt an, dass sie seit 20 Jahren unter Asthma und überdies unter erhöhtem Blutdruck leide. Wegen des Asthmas sei sie bereits im Iran behandelt worden. Sie legte einen Ambulanzbericht des römisch 40 vom 29.02.2024 vor, wonach sie aufgrund einer Panikattacke behandelt worden sei. Ein Blutbefund zeigte keine Auffälligkeiten. Ein psychologisches Gespräch sei von der BF abgelehnt worden. Die Anamnese sei in Englisch aufgenommen worden. Weitere Befunde legte die BF trotz Aufforderung nicht vor.
Die BF gab weiters an, verheiratet zu sein. Sie hätte in Österreich standesamtlich geheiratet, ihr Ehemann sei einfach in den Iran zurückgekehrt. Sie wisse dies erst seit ein paar Monaten. Von ihrem ersten Mann sei sie offiziell geschieden. Sie habe in Österreich keine Kontakte.
Zu Italien befragt gab sie an, dass sie auch dort keine Verwandten habe. Sie habe sich dort dreieinhalb bis vier Jahre aufgehalten. Nachdem ihr Leben durcheinandergekommen sei, sei sie hier. Sie sei wegen Dublin nach Italien überstellt und gezwungen worden, einen Asylantrag zu stellen. Sie sei weder untergebracht noch versorgt worden.
Sie sei 2017 mit einem italienischen Visum nach Österreich gekommen und nach Italien zurückgeschickt worden. Dann sei sie wegen des Ehemannes hin- und hergereist. 2022 habe sie in Österreich einen Asylantrag gestellt.
Sie habe in Italien bei einer Freundin gelebt, sie habe keine Unterstützung erhalten. Sie habe auch nicht gearbeitet. Hin und wieder habe sie Jobs gefunden, aber schlecht bezahlte. Davon habe sie nicht leben können. Die Freundin sei schon älter und die Familie wolle sie nun in ein Altersheim stecken. Nach der Arbeit befragt gab die BF an, sie habe zwei Monate als Friseurin gearbeitet und einen Monat als Reinigungskraft in einem Hotel. Sie habe nie einen Meldezettel gehabt, die Freundin habe sie nicht anmelden wollen.
Sie habe den Reisepass nicht verlängert, da sie nicht mehr nach Italien wolle. Sie möge keine italienischen Dokumente.
Sie habe nicht versucht, eine Wohnung zu finden, dafür habe sie kein Geld gehabt.
Sie sei zu einer staatlichen Hilfsorganisation gegangen nachdem sie den Pass erhalten habe, man habe ihr gesagt, sie habe bestimmte Ansprüche, der Staat habe jedoch keine Mittel.
Wohnbeihilfe habe sie nicht beantragt.
Auf die Frage, ob sie sich beim sozialen Gesundheitsdienst registrieren habe lassen, gab sie an, sie sei faul gewesen. Man müsse selber bezahlen und jeden zweiten Monat verlängern.
Sie habe eine Weile versucht, einen Job zu bekommen, aber keine Arbeit und keine Unterstützung gefunden. Niemand sei bereit gewesen, sie als Frau zu unterstützen. Ihr Handy sei gehackt worden, die Polizei habe sie von einem Büro zum nächsten geschickt. Anzeigebestätigung habe sie keine. Niemand habe ihr geholfen. Sie habe in Rom gelebt, aber keinen Job und keine Unterstützung gefunden. Die meisten Handwerker hätten gegen eine geringe Summe gearbeitet, „die sie als Frau nicht könnte“.
Sie spreche nicht italienisch.
6. Mit Bescheid des BFA vom 26.05.2024, zugestellt am 05.06.2024, wurde unter
Spruchpunkt I. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die BF nach Italien zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt III. wurde gegen sie die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig erklärt. 6. Mit Bescheid des BFA vom 26.05.2024, zugestellt am 05.06.2024, wurde unter
Spruchpunkt römisch eins. der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 4 a, AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die BF nach Italien zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt römisch II. wurde der BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt. In Spruchpunkt römisch III. wurde gegen sie die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet und ihre Abschiebung nach Italien gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG für zulässig erklärt.
Dem Bescheid wurden nachfolgende Länderfeststellungen zugrunde gelegt (BFA Staatendokumentation: Länderinformationen der Staatendokumentation: Italien; aus dem COI-CMS,
27. Juli 2023 https://www.ecoi.net/de/laender/italien/coi-cms):
„Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung 2023-07-27 16:00
In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 5.2023):
2022 sind in Italien 105.129 Migranten auf dem Seeweg (über 55 % Anstieg gegenüber dem Vorjahr) und ca. 13.000 über Slowenien nach Italien gekommen (AIDA 5.2023). 2023 sind bis Mitte Juli 78.182 Migranten auf dem Seeweg nach Italien gekommen, darunter 7.876 unbegleitete Minderjährige. Die drei häufigsten Herkunftsländer der Migranten waren die Elfenbeinküste, Guinea und Ägypten (MdI 17.7.2023). Mehr als 4.500 Neuankömmlinge wurden 2023 bis Mai an der Grenze zu Slowenien berichtet (UNHCR 5.7.2023)
Im Jahr 2022 wurden in Italien 77.200 Asylanträge gestellt. 14,34 % der Entscheidungen in erster Instanz lauteten auf internationalen Schutz, 13,57 % auf subsidiären Schutz, 10.865 auf speziellen (humanitären) Schutz und 51,61 % wurden abgelehnt (AIDA 5.2023):
Von Jänner bis April 2023 wurden 39.645 Asylanträge gestellt. Von Jänner bis März wurden 14.396 Entscheidungen getroffen (bei 89.080 anhängigen Verfahren im April 2023), von denen 9 % auf internationalen Schutz lauteten, 11 % auf subsidiären Schutz, 22 % speziellen (humanitären) Schutz und 58 % wurden abgelehnt (rejection) (UNHCR 17.7.2023).
Der humanitäre Schutz war unter Innenminister Salvini 2018 eingeschränkt und 2020 inhaltlich wieder hergestellt worden. Er wird heute als "spezieller Schutz" an Personen vergeben, die faktisch nicht außer Landes gebracht werden können bzw. denen Refoulement droht. Die damit verbundene Aufenthaltsgenehmigung gilt für zwei Jahre (verlängerbar) (AIDA 5.2023).
Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat, für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vgl. AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a). Am 11.4.2023 gab der italienische Ministerrat bekannt, dass aufgrund des starken Anstiegs der Migrationsströme nach Italien, der zu einer starken Überfüllung der Erstaufnahmezentren und insbesondere des Hotspots Lampedusa führte, sowie des prognostizierten weiteren Anstiegs der Anlandungen, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen seien, um den Hotspot Lampedusa zu entlasten und neue Einrichtungen zu bauen, die sowohl den Bedürfnissen der Aufnahme als auch der Anerkennung und Rückführung von Migranten gerecht werden. Aus diesen Gründen beschloss der Ministerrat, für sechs Monate den Ausnahmezustand für das gesamte Staatsgebiet auszurufen (VB 12.4.2023; vergleiche AIDA 5.2023). Die Ausrufung des Ausnahmezustandes aufgrund der Migrationssituation diente vor allem dazu, außerordentliche Geldmittel zu lukrieren, Ausschreibungsverfahren für die Einrichtung zusätzlicher Aufnahmezentren zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie zusätzliche Transfers von Lampedusa nach Sizilien einzurichten, um die Überlastung des Hotspots und insgesamt der Insel Lampedusa zu verhindern. Diese Maßnahmen sollen zu einer systemischen Entlastung führen und einen besseren Umgang mit dem hohen Migrationsdruck ermöglichen (VB 6.6.2023a).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? MdI – Ministero dell’Interno [Italien] (17.7.2023): Cruscotto statistico giornaliero, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/sites/default/files/allegati/cruscotto_statistico_giornaliero_17-07-2023.pdf, Zugriff 26.7.2023
? UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (17.7.2023): Italy Weekly Snapshot (10 Jul - 16 Jul 2023), https://reliefweb.int/attachments/bda4ac26-2953-4fa5-9909-c2f604a1af26/2023_07_17_Italy_Weekly_Snapshot.pdf, Zugriff 26.7.2023
? UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (5.7.2023): Fact Sheet; Italy; May 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2094480/202305_Fact+Sheet+May.pdf, Zugriff 21.7.2023
? VB des BMI Italien [Österreich] (6.6.2023a): Auskunft des VB, per E-Mail
? VB des BMI Italien [Österreich] (12.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung 2023-07-27 16:03
Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in jene Provinz zu transferieren, wo sie ihren Antrag gestellt haben. Wurde noch kein Asylantrag in Italien gestellt, sind die Rückkehrer unter Wahrung der Familieneinheit in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist (AIDA 5.2023; vgl. VQ 11.10.2022).Dublin-Rückkehrer, die bereits einen Asylantrag in Italien gestellt haben, sind in jene Provinz zu transferieren, wo sie ihren Antrag gestellt haben. Wurde noch kein Asylantrag in Italien gestellt, sind die Rückkehrer unter Wahrung der Familieneinheit in der Provinz des Ankunftsflughafens unterzubringen. Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist (AIDA 5.2023; vergleiche VQ 11.10.2022).
Die zuständige Quästur ist oft weit entfernt, und die Rückkehrer haben nur wenige Tage Zeit, auf eigene Faust dort zu erscheinen. Sie werden weder begleitet noch über die Anreisemöglichkeiten informiert. In einigen Fällen werden die Rückkehrer in Mailand von der Behörde mit entsprechenden Fahrkarten ausgestattet. Am Flughafen Fiumicino in Rom war 2022 die NGO Cooperativa ITC mit der Information und dem Management von an der Luftgrenze ankommenden Asylsuchenden und Dublin-Rückkehrern betraut, darunter auch mit dem Transport vulnerabler Personen in die Unterbringungszentren. Am Flughafen Mailand Malpensa wird seit 2021 die Information für Asylwerber durch die NGO Kooperative Ballafon betreut. Es gibt solche NGO-Betreuung für Dublin-Rückkehrer am Flughafen auch in Bologna (AIDA 5.2023).
Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:
1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch, er könnte aber als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden (AIDA 5.2023).
2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers in Italien suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann er, im Falle einer Rückkehr binnen zwölf Monaten ab Suspendierung, einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als zwölf Monate vergangen und das Verfahren wurde abgeschossen, kann ein Folgeantrag gestellt werden, für den neue Asylgründe erforderlich sind, damit er zulässig ist (AIDA 5.2023). Gegen eine Unzulässigkeitsentscheidung ist grundsätzlich Beschwerde möglich, wenn auch ohne automatische aufschiebende Wirkung, welche aber gerichtlich beantragt werden kann (AIDA 5.2023).
3. In Fällen, in denen der Rückkehrer sich dem Verfahren entzogen hat, während er in privater Unterbringung lebte, und das Verfahren wegen Abwesenheit beendet wurde, kann das Verfahren wieder eröffnet werden, wenn der Antragsteller berechtigte Gründe für seine Abwesenheit vorbringt - und zwar innerhalb von zehn Tagen ab Wegfall dieser Gründe. Andernfalls muss der Rückkehrer einen Folgeantrag stellen.
4. Hat ein Interview stattgefunden, und wurde das Verfahren des Antragstellers in Italien negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er fristgerecht Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Die Entscheidung gilt bei Nichterreichbarkeit des Antragstellers nach 20 Tagen als zugestellt (AIDA 5.2023).
Am 5.12.2022 informierte die italienische Dublin-Einheit die anderen Dublin-Länder in einem Schreiben darüber, dass ab dem darauffolgenden Tag die Überstellungen nach Italien ausgesetzt werden, da es keine Plätze im Aufnahmesystem gebe. Italien wies darauf hin, dass die Aussetzung keine Auswirkungen auf die Wiedervereinigungsverfahren für Minderjährige habe (AIDA 5.2023).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (5.2023): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI, Autor) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE, Veröffentlicher): Country Report: Italy, https://asylumineurope.org/wp-content/uploads/2023/05/AIDA-IT_2022-Update.pdf, Zugriff 23.6.2023
? VQ – Vertrauliche Quelle (11.10.2022): Datenbank aus dem supranationalen Bereich, Zugriff 26.7.2023
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Letzte Änderung 2023-07-27 16:20
In Italien gelten folgende Personenkreise als vulnerabel: Minderjährige, unbegleitete Minderjährige (UM), Schwangere, alleinstehende Eltern mit minderjährigen Kindern, Opfer von Menschenhandel, Behinderte, Alte, ernsthaft physisch oder psychisch Kranke, Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen ernsten Formen physischer, psychischer oder sexueller Gewalt sowie Opfer von Genitalverstümmelung. In Italien ist kein Identifikationsmechanismus für Vulnerable gesetzlich vorgegeben. Vulnerable werden im Verfahren prioritär behandelt. Die Identifizierung von Gewaltopfern ist in jeder Phase des Verfahrens durch Anwälte, Beamte, Betreuer oder NGOs möglich. Die zuständige erstinstanzliche Asylbehörde kann zur Absicherung eine medizinische Untersuchung verlangen. Wenn im Zuge des Interviews ein V