TE Lvwg Erkenntnis 2024/2/19 VGW-151/066/381/2024, VGW-151/V/066/1854/2024

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2024
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Entscheidungsdatum

19.02.2024

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGVG §33 Abs1
  1. VwGVG § 33 heute
  2. VwGVG § 33 gültig von 01.07.2021 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 119/2020
  3. VwGVG § 33 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2021
  4. VwGVG § 33 gültig von 01.01.2017 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 24/2017
  5. VwGVG § 33 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2016

Text

Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag Fischer über 1) die Beschwerde des Herrn A. B., *...1995, StA: Algerien, vertreten durch C. Verein, in Wien, D.-gasse, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 07.07.2023, Aktenzeichen: …, mit dem gemäß § 64 Abs 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Aufenthaltsbewilligung Student“ abgewiesen wurde, sowie 2) den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist, den Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag Fischer über 1) die Beschwerde des Herrn A. B., *...1995, StA: Algerien, vertreten durch C. Verein, in Wien, D.-gasse, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 07.07.2023, Aktenzeichen: …, mit dem gemäß Paragraph 64, Absatz eins, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Aufenthaltsbewilligung Student“ abgewiesen wurde, sowie 2) den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist, den

BESCHLUSS:

I.     Die zu VGW-151/066/381/2024 protokollierte Beschwerde wird gemäß § 7 Abs 4 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

II.    Der zu VGW-151/V/066/1854/2024 protokollierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs 1 VwGVG abgewiesen.

III.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Begründung

I.     Verfahren und Feststellungen

1.     Mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.07.2023 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers (BF) vom 02.01.2023 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Aufenthaltsbewilligung Student“ gemäß § 64 Abs 1 NAG ab. Der Bescheid enthielt eine (auch hinsichtlich der Rechtsmittelfrist) vollständige und richtige Rechtsmittelbelehrung. Er wurde an den Vertreter des BF (BFV) per RSb-Brief adressiert und diesem laut Zustellnachweis am 11.07.2023 zugestellt (MA35-...-01-66; VGW-151/066/381/2024, ON0-1).

2.     Am 11.08.2023 brachte der BFV die Beschwerde gegen den Bescheid vom 07.07.2023 per Fax bei der belangten Behörde ein (MA35-...-74 und -76; VGW-151/066/381/2024, ON0-2).

3.     Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien samt den Akten des Verwaltungsverfahrens mit Schreiben vom 30.10.2023 vor (MA35-...-92). Die Akten langten am 09.01.2024 beim Verwaltungsgericht Wien ein (VGW-151/066/381/2024, ON0-0).

4.     Mit Schreiben vom 12.01.2024 (nachweislich zugestellt am 18.01.2024) wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass die Beschwerde der Aktenlage nach verspätet bei der belangten Behörde eingebracht wurde, und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen (VGW-151/066/381/2024, ON3).

5.     Am 31.01.2024 langte der zu VGW-151/V/066/1854/2024 protokolliere Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand des Beschwerdeführers beim Verwaltungsgericht Wien ein. In diesem wurde zusammengefasst vorgebracht, dem C. Verein sei mit dem Vorhalt der Verspätung vom 12.01.2024 zur Kenntnis gekommen, dass die Beschwerde verspätet eingebracht worden sei. Die 14-tägige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag sei somit gewahrt. Die für die Versendung der Faxe verantwortliche Mitarbeiterin E. F. sei eine seit Jahrzehnten hervorragende und zuverlässige Mitarbeiterin, der in tausenden Fällen kein Fehler unterlaufen sei. Es handle sich sohin um ein unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis und liege allenfalls ein leichtes Versehen vor (VGW-151/V/066/1854/2024, VGW-151/066/381/2024, ON0-1).

II.    Beweiswürdigung

6.     Die Feststellungen, die sich in den maßgeblichen Schritten des Verfahrens erschöpfen, ergeben sich aus den jeweils in Klammer angeführten Aktenstücken, die sowohl für sich genommen als auch im Zusammenhang schlüssig und widerspruchsfrei waren und deren Richtigkeit nicht bestritten wurde. Auch sonst kam im Verfahren kein Grund hervor, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

III.   

Rechtliche Beurteilung

7.     Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten (auszugsweise):

„§ 7. […]

(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. […] Sie beginnt (4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Artikel 130, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Artikel 130, Absatz 2, Ziffer eins, B-VG beträgt vier Wochen. […] Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung, 1. in den Fällen des Artikel 132, Absatz eins, Ziffer eins, B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,

[…]

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Paragraph 33, (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

[…]

(3) In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. (3) In den Fällen des Absatz eins, ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht; ein ab Vorlage der Beschwerde vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an das Verwaltungsgericht bei der Behörde gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgericht gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen. […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen. (4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. Paragraph 15, Absatz 3, ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

[…]

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.

[…]

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.Paragraph 24, (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Artikel 6, Absatz eins, der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Artikel 47, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.“

8.     Die maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) lauten:

„§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

§ 33. (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Paragraph 33, (1) Beginn und Lauf einer Frist werden durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

(3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet. (3) Die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des Paragraph 2, Ziffer 7, des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postlauf) werden in die Frist nicht eingerechnet.

(4) Durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.“

9.     Daraus ergibt sich für den festgestellten Sachverhalt:

Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung):Zu Spruchpunkt römisch eins. (Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung):

10.    Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen, wobei gemäß § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG in den Fällen des Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG die Frist zur Erhebung der Beschwerde, wenn der Bescheid dem BF zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung beginnt.

11.    Im Beschwerdefall erfolgte die Zustellung des angefochtenen Bescheids gem § 16 Abs 2 ZustG durch Übergabe an einen Ersatzempfänger – einen Mitarbeiter des BFV – am 11.07.2023. Die vierwöchige Beschwerdefrist begann somit am 11.07.2023 und endete mit 08.08.2023. Die am 11.08.2023 per Fax eingebrachte Beschwerde wurde daher verspätet eingebracht.

12.    Die Rechtsmittelfrist ist eine gesetzliche, auch durch die Behörde nicht
erstreckbare Frist (§ 33 Abs 4 AVG; VwGH 16.09.1968, 526/68). Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ist allein das Versäumen der Rechtsmittelfrist und nicht auch ein Verschulden der Partei an der Verspätung (VwGH 11.07.1988, 88/10/0113). Wird ein Rechtsmittel verspätet eingebracht, ist es der Behörde verwehrt, auf das Vorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (VwGH 27.03.1990, 89/08/0173). Die Beschwerde gegen das angefochtene Straferkenntnis vom 07.07.2023 war daher (mit Beschluss; s auch VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026) als verspätet zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung):Zu Spruchpunkt römisch II. (Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung):

13.    Die Zulässigkeit und Statthaftigkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist vor dem Verwaltungsgericht ist anhand § 33 VwGVG zu prüfen. Über Anträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde eingebracht werden, hat stets die belangte Behörde zu entscheiden. Das VwG entscheidet erst über Anträge, die ab der Vorlage der Beschwerde an das VwG eingebracht werden (VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013). Die zu § 71 AVG ergangene Rechtsprechung ist infolge der gleichartigen Rechtslage auf die Bestimmung des § 33 VwGVG 2014 übertragbar (VwGH 03.07.2020, Ra 2019/06/0036).

14.    Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gem § 33 Abs 1 VwGVG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

15.    Ein solcher Antrag auf Wiedereinsetzung ist gem § 33 Abs 2 VwGVG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Gem § 33 Abs 4 VwGVG hat ab Vorlage der Beschwerde über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

16.    Der BF hat einen solchen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und in diesem vorgebracht, „[d]ie für die Versendung der Faxe verantwortliche Mitarbeiterin […] ist eine seit Jahrzehnten hervorragend und zuverlässige Mitarbeiterin, der in tausend Fällen kein Fehler passiert ist. Es handelt sich daher um ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis. Es liegt allenfalls leichtes Versehen vor.“.

17.    Nach der Rechtsprechung des VwGH zu § 33 VwGVG sowie zu § 71 AVG (vgl zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung zB VwGH 02.03.2022, Ra 2021/20/0393) ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in dem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und darzulegen hat, dass ihn nicht mehr als ein bloß minderer Grad des Versehens an der Fristversäumnis trifft (VwGH 03.08.2022, Ra 2022/01/0202; VwGH 20.06.2008, 2008/01/0073).

18.    Das diesbezügliche Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag des BF besteht im Hinweis, „[d]ie für die Versendung der Faxe verantwortliche Mitarbeiterin […] ist eine seit Jahrzehnten hervorragend und zuverlässige Mitarbeiterin, der in tausend Fällen kein Fehler passiert ist“. Darüber hinaus wird bloß unsubstantiiert vorgebracht, es liege lediglich ein minderer Grad des Verschuldens vor (dass in der Organisation des BFV ein geeignetes Kontrollsystem eingerichtet gewesen sei, wurde nicht vorgebracht).

19.    Damit wurden aber keine Tatsachen vorgebracht, die als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis betrachtet werden könnten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung erwähnt zwar die Qualifikation und Erfahrung der „für die Versendung der Faxe“ verantwortlichen Mitarbeiterin, er bezeichnet aber kein äußeres oder inneres Ereignis (wie Vergessen, Versehen, Irrtum etc), das für das Versäumen der Frist kausal gewesen sein könnte.

In diesem Zusammenhang ist insb festzuhalten: Die – ohne Hinweise auf irgendeine Ereigniskette – vorgebrachte Qualifikation und Erfahrung der verantwortlichen Mitarbeiterin können für sich genommen gerade kein Ereignis sein, das für das Versäumen der Frist kausal gewesen sein kann (sie wären erst bei der Frage des Ausmaßes des Verschuldens im Zusammenhang mit einem – hier eben nicht vorgebrachten – unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignis ein maßgebliches Sachverhaltselement).

20.    Das Vorbringen des BF enthält somit keine Angaben zu einer dem verspäteten Einbringen der Beschwerde zugrundeliegenden Ereigniskette. Es wurden keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ein – zur Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiterin hinzutretendes – unabwendbares oder unvorhergesehenes äußeres oder inneres Ereignis ableiten ließe, durch das die Verspätung der Beschwerde – trotz Qualifikation und Erfahrung der verantwortlichen Mitarbeiterin – bewirkt worden sein könnte. Der bloße Hinweis, „[d]ie für die Versendung der Faxe verantwortliche Mitarbeiterin […] ist eine seit Jahrzehnten hervorragend und zuverlässige Mitarbeiterin, der in tausend Fällen kein Fehler passiert ist“, enthält keine idS ausreichende Ereigniskette; denn aus diesem Vorbringen kann zwar abgeleitet werden, dass zur Übermittlung der Beschwerde per Fax eine qualifizierte und erfahrene Mitarbeiterin eingesetzt wurde, zugleich kann aber nicht nachvollzogen werden, aufgrund welcher Ereigniskette (zB Übersehen eines Kalendereintrags, Übersehen der bereitgelegten Beschwerde, versehentlich falsch vorgemerktes Datum für die Übermittlung, falsche Anweisung, irrtümlich falsche Faxnummer, unrichtige Mitteilung des Zustelldatums bzw mangelnde Überprüfung des mitgeteilten Zustelldatums, …) die Übermittlung im konkreten Fall dennoch (trotz Qualifikation und Erfahrung der eingesetzten Mitarbeiterin) verspätet erfolgte.

21.    Weil die maßgeblichen Elemente dieser Ereigniskette nicht mitgeteilt wurden (vgl zum Inhalt des Antrags auf Wiedereinsetzung Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz115f (Stand 01.01.2020, rdb.at) und die dort zitierte Rsp), kann nicht beurteilt werden,

-   ob es sich bei dem dem rechtzeitigen Einbringen der Beschwerde entgegenstehenden Hindernis tatsächlich um ein unvorhergesehenes (ie tatsächlich nicht einberechnetes und bei zumutbarer Aufmerksamkeit und Voraussicht subjektiv nicht erwartbares – VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214 mwN) oder unabwendbares (ie objektiv vom Durchschnittsmenschen nicht verhinderbares – VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214 mwN) Ereignis handelte,

-   ob dadurch die Verspätung der Beschwerde – trotz Qualifikation und Erfahrung der verantwortlichen Mitarbeiterin – bewirkt worden sein könnte und somit zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und dem Versäumen der Frist ein Kausalzusammenhang bestand (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 Rz36 (Stand 01.01.2020, rdb.at) und die dort zitierte Rsp),

-   und ob kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens vorlag.

22.    Der BF hat mit seinem Vorbringen daher nicht iSd § 33 Abs 1 VwGVG glaubhaft gemacht, dass das Versäumen der Beschwerdefrist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis bedingt, dieses Ereignis für das Versäumen der Frist kausal und ihm in diesem Zusammenhang nicht mehr als einen bloß minderer Grad des Versehens zuzurechnen war. Daher war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen.

23.    Die öffentliche Verhandlung konnte – trotz diesbezüglichen Antrags des BF – im Hinblick auf Spruchpunkt I. gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil die Beschwerde (als verspätet) zurückzuweisen war. Darüber hinaus entfiel die öffentliche Verhandlung auch gem § 24 Abs 4 VwGVG, weil die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. So blieb der entscheidungserhebliche Sachverhalt (iZm der Verspätung der Beschwerde) unbestritten bzw wurde vom (iZm Qualifikation und Erfahrung der zuständigen Mitarbeiterin des BFV gemachten) Vorbringen des BF ausgegangen (vgl VwGH 26.04.2016, Ra 2016/03/0038). Weiteres Vorbringen – insb zur dem Versäumen der Frist trotz des Einsatzes einer qualifizierten und erfahrenen Mitarbeiterin zugrundeliegenden Ereigniskette – machte der BF nicht. Da hinsichtlich der Feststellungen somit dem sachverhaltsbezogenen Vorbringen des BF gefolgt wurde, waren schließlich im Ergebnis ausschließlich Rechtsfragen zu klären, zu denen einschlägige und einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt (siehe jeweils zitierte Rechtsprechung). Daher stehen im konkreten Fall weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC dem Entfall der Verhandlung entgegen (EGMR 05.09.2002, Appl Nr 42.057/98 – Speil [ÖJZ 2003, 117]; EGMR 07.03.2017, Appl Nr 24.719/12 – Tusnovics; im gegenständlichen Zusammenhang auch VwGH 25.07.2019, Ra 2019/22/0067). Im Übrigen berührt das Versagen eines Aufenthaltstitels kein civil right iSd Art 6 EMRK (VwGH 15.06.2010, 2009/22/0347; VwGH 03.08.2016, Ra 2016/07/0058 mwN).

Zu Spruchpunkt III.:Zu Spruchpunkt römisch III.:

24.    Die Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblich waren. Maßgeblich waren zunächst Fragen der Beweiswürdigung und der daraus abgeleiteten Feststellungen, zu deren Überprüfung der VwGH im Allgemeinen nicht berufen ist (VwGH 24.03.2014, Ro 2014/01/0011). Zu den sich daraus ergebenden Rechtsfragen ist die Rechtslage eindeutig (iZm Spruchpunkt I.) bzw liegt höchstgerichtliche Rechtsprechung vor, die nicht als uneinheitlich zu betrachten ist und von der mit diesem Beschluss nicht abgewichen wird (iZm Spruchpunkt II.). Es kamen auch sonst keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage hervor.

Schlagworte

Wiedereinsetzung, Glaubhaftmachung, Kanzleikraft, Qualifikation, Erfahrung, Ereigniskette

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2024:VGW.151.066.381.2024

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2024
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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