TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/17 94/12/0209

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Veröffentlicht am 17.05.1995
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Index

L22005 Landesbedienstete Salzburg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
DVG 1984 §8 Abs1;
LBG Slbg 1987 §6b Z2;
LBG Slbg 1987 §6b Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des Dipl.Vw. J in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. Juni 1994, Zl. 0/82-5/0028991 16-1994, betreffend Bemessung des Ruhegenusses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Bemessung des Ruhegenusses betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1939 geborene Beschwerdeführer steht als Hofrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg.

Der angefochtene Bescheid weist folgenden Spruch aus:

"Sie werden von der Salzburger Landesregierung mit Ablauf des 30.6.1994 in den Ruhestand versetzt.

Die Bemessung Ihres Ruhegenusses sowie Ihre ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit ist aus beiliegendem Ruhegenußbemessungsblatt, das einen Bestandteil dieses Bescheides darstellt, ersichtlich.

Ruhegenuß (80 % der Ruhegenußbemessungsgrundlage) S 74.714,96 Verminderung des Ruhegenusses - 10 % ............ S 67.243,46

RECHTSGRUNDLAGE:

§ 14 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 in Verbindung mit §§ 2 Abs. 1 und 6 b des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987, in der jeweils geltenden Fassung."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 14 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 (Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen dauernder Dienstunfähigkeit) das im Verfahren eingeholte Gutachten des Institutes für Forensische Psychiatrie vom 7. Februar 1994 auszugsweise wiedergegeben. Demnach leide der Beschwerdeführer an folgenden Krankheitszuständen:

"1.) Depressives Syndrom (ICD-10 F43.21),

2.)

Nervenwurzelkompressionssyndrom L4/5 links,

3.)

Labile Hypertonie (Bluthochdruck).

Im Vordergrund der Beschwerdesymptomatik stehen die Symptome von seiten des depressiven Syndroms."

Dieses depressive Syndrom hänge auch mit den beruflichen Problemen des Beschwerdeführers zusammen (wird näher ausgeführt). Die Krankheitsbilder würden sich wechselseitig negativ beeinflussen.

Nach Wiedergabe des Textes des § 6b SLBG 1987 (ohne entsprechende Zitierung des Landesgesetzblattes) führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, der beim Amt der belangten Behörde eingerichtete Beirat habe im Verfahren gemäß § 6b SLBG 1987 in seiner Sitzung vom 15. Juni 1994 einstimmig beschlossen, der Dienstbehörde zu empfehlen, daß keine sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe für die Zuerkennung des vollen Ruhegenusses vorlägen. Vom Amtsarzt sowie vom psychiatrischen Gutachter sei eine operative Sanierung des Bandscheibenleidens des Beschwerdeführers empfohlen worden, was von ihm jedoch abgelehnt worden sei. Die dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16. Juni 1994 bekanntgegebenen Gutachten habe der Beschwerdeführer zur Stellungnahme vorgelegt erhalten und in seiner Äußerung erklärt, daß er mit einer allfälligen Minderung seines Ruhegenusses nicht einverstanden sei und alle Maßnahmen ergriffen hätte, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern; welche Maßnahmen der Beschwerdeführer zur Verhinderung der Dienstunfähigkeit aber tatsächlich ergriffen habe, habe er nicht vorgebracht. Bei der Höhe des dem Beschwerdeführer zuerkannten Ruhegenusses lägen auch keine wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe für die Zuerkennung des vollen Ruhegenusses vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde "wegen Zurechnung von Jahren nach § 9 des Pensionsgesetzes 1965 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 SLBG 1987" beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987, LGBl. Nr. 1 (in der Folge kurz: SLBG 1987), haben auf die Landesbeamten - soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist - die in der Anlage A angeführten, für das Dienst- und Besoldungsrecht einschließlich des Pensionsrechtes der Bundesbeamten maßgebenden bundesgesetzlichen Vorschriften mit der Maßgabe Anwendung zu finden, daß an die Stelle der Zuständigkeit der obersten Organe der Vollziehung des Bundes die Zuständigkeit der Landesregierung tritt.

§ 6b SLBG 1987, in der Fassung LGBl. Nr. 103/1993, lautet auszugsweise:

"Die Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340, gelten mit folgenden Abweichungen:

1.

Bei der Berechnung der ruhegenußfähigen Landesdienstzeit gelten ergänzend zu § 6 Abs. 2 PG 1965 jene Zeiten, in denen der Beamte teilbeschäftigt war, nur in dem Ausmaß als ruhegenußfähige Landesdienstzeit, das dem Verhältnis der herabgesetzten Wochendienstzeit zur Vollarbeitszeit entspricht.

2.

§ 7 PG 1965 ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß sich der Ruhegenuß bei Beamten, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Dienstunfähigkeit ausscheiden, um 2 v.H. der Ruhegenußbemessungsgrundlage für jedes Jahr vermindert, das dem Beamten zur Vollendung des 60. Lebensjahres fehlt. Dabei werden Bruchteile eines Jahres, wenn sie mindestens sechs Monate betragen, als ein volles Jahr gerechnet, andernfalls bleiben sie unberücksichtigt. Der Ruhegenuß darf jedoch nicht auf weniger als 60 v.H. der Ruhegenußbemessungsgrundlage herabgesetzt werden. 60 v.H. des jeweiligen Gehaltsansatzes der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, dürfen bei der Berechnung des Ruhegenusses keinesfalls unterschritten werden. In berücksichtigungswürdigen Fällen (z. B. wenn der Beamte auf die eingetretene Dienstunfähigkeit keinen Einfluß nehmen konnte oder alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern) wird der Ruhegenuß in voller Höhe zuerkannt.

3.

Im Verfahren über die Minderung des Ruhegenusses gemäß Z. 2 ist ein bei der Dienstbehörde eingerichteter Beirat zu hören, der aus je zwei Vertretern des Dienstgebers und der Personalvertretung sowie einem Arzt besteht. ..."

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm gesetzlich gewährleisteten Recht auf Zuerkennung eines Ruhegenusses in der Höhe von 80 v.H. des laufenden Monatsbezuges ohne Verminderung gemäß § 6b SLBG 1987 verletzt.

Er bringt im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe von der gesetzlichen Möglichkeit der Verminderung des Ruhegenusses Gebrauch gemacht, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hiezu nicht vorlägen. Die Berücksichtigungswürdigkeit seines Falles habe er der belangten Behörde gegenüber aufgezeigt bzw. ergebe sich diese schon aus den unbedenklichen vorliegenden Gutachten. Er habe alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Eintritt seiner dauernden Dienstunfähigkeit abzuwenden. Diesbezüglich hätte die belangte Behörde entsprechende Feststellungen aus den vorliegenden Gutachten zu tätigen gehabt. Da es die belangte Behörde unterlassen habe, entsprechende Feststellungen über die vom Beschwerdeführer ergriffenen zumutbaren Maßnahmen, die er gesetzt habe, zu treffen, sei das Verfahren infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung mangelhaft geblieben. Bei mängelfreier Durchführung des Verfahrens durch die belangte Behörde hätte diese nur zu dem Ergebnis gelangen können, daß er alle Maßnahmen ergriffen habe, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern.

Diesem Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Nach § 6b Z. 2 SLBG 1987 ist der Ruhegenuß bei Beamten, die vor dem 60. Lebensjahr aus dem Dienst ausscheiden, in bestimmten Grenzen zu vermindern. Der volle Ruhegenuß ist in berücksichtigungswürdigen Fällen zuzuerkennen. Als solche berücksichtigungswürdige Fälle sind beispielsweise genannt, daß der Beamte auf die eingetretene Dienstunfähigkeit keinen Einfluß nehmen konnte ODER alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit zu verhindern. Wenn für die Frage der Dienstunfähigkeit mehrere Faktoren in Betracht kommen, ist bei der Beurteilung der Kausalität dieser nach der Wesentlichkeit der Einzelfaktoren für die Dienstunfähigkeit vorzugehen. Maßgebend sind also nur jene Faktoren, bei deren Wegfall ein anderer Erfolg gegeben wäre. Die im Gesetz verwendete Formulierung "berücksichtigungswürdige Fälle" stellt einen unbestimmten Gesetzesbegriff dar. Die Beurteilung, ob ein solcher Fall vorliegt oder nicht, setzt primär die Erhebung und Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes voraus.

Unter Beachtung der Regelung des § 8 Abs. 1 DVG ("Die Behörde hat im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.") ist die Dienstbehörde von Amts wegen (unter Mitwirkung des Beamten) verpflichtet, die Frage des Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe zu überprüfen. Wenn einer der beiden im Gesetz beispielsweise genannten Tatbestände verwirklicht ist, steht der Ruhegenuß jedenfalls in voller Höhe zu, was im gegebenen Zusammenhang aber nur bedeutet, daß es zu der ansonsten vorgesehenen Minderung des Ruhegenusses nicht kommt.

Im Beschwerdefall sind (zunächst) die gesetzlichen Voraussetzungen für die Minderung des Ruhebezuges des Beschwerdeführers gegeben; die belangte Behörde verneint das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe, weil

1.

der Beirat beschlossen habe, "der Dienstbehörde zu empfehlen, daß keine sonstigen berücksichtigungswürdigen Gründe für die Zuerkennung des vollen Ruhegenusses vorliegen",

2.

vom Amtsarzt und vom psychiatrischen Gutachter eine operative Sanierung des Bandscheibenleidens des Beschwerdeführers empfohlen worden sei, was vom Beschwerdeführer abgelehnt worden sei,

3.

der Beschwerdeführer sich zwar gegen die Minderung des Ruhegenusses ausgesprochen habe, er aber nicht erklärt habe, welche Maßnahmen er zur Verhinderung der Dienstunfähigkeit ergriffen habe.

Zu Punkt 1. ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, daß die Stellungnahme des Beirates lediglich eine Art Entscheidungshilfe für die Behörde darstellt. Dem Hinweis auf einen begründungslosen Beschluß dieses Beirates kann - gleich ob dieser Beschluß ein- oder mehrstimmig gefaßt worden ist - von vornherein keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommen.

Die unter Punkt 2. getroffene Aussage entbehrt entsprechender sachverhaltsmäßiger Feststellungen und einer Begründung. Auch unter Berücksichtigung des bei den Akten befindlichen Sachverständigengutachtens ist nicht offenkundig, daß das Bandscheibenleidens des Beschwerdeführers die wesentliche Ursache seiner Dienstunfähigkeit gewesen ist bzw. durch die Sanierung dieser Gesundheitsschädigung (- deren Zumutbarkeit vorausgesetzt -) die Dienstfähigkeit hätte wiederhergestellt werden können. Der Beschwerdeführer selbst hat in seinem Schreiben vom 21. Juni 1994 vorgebracht, er habe alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um den Eintritt seiner Dienstunfähigkeit zu verhindern. Wenn die belangte Behörde im Punkt 3. dem Beschwerdeführer anlastet, er habe nicht vorgebracht, welche Maßnahmen das gewesen seien, ist dies im Sinne des § 8 Abs. 1 DVG nicht gerechtfertigt. Diese Frage hätte vielmehr im weiteren Verfahren unter Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen und Mitwirkung des Beschwerdeführers geklärt werden müssen. Bei dem für den Beschwerdeführer gegebenen Verfahrensstand hat für ihn jedenfalls keine weitere Behauptungs- oder Beweispflicht in diese Richtung bestanden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den bereits vorher dargelegten Gründen mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im übrigen wird bemerkt, daß im Spruch des angefochtenen Bescheides und in der Begründung zwar der Inhalt der im Beschwerdefall angewendeten Rechtsgrundlagen auszugsweise wiedergegeben werden, dem gesamten Bescheid ist aber kein Hinweis auf die Fundstellen im Landesgesetzblatt bzw. im Bundesgesetzblatt zu entnehmen, was im Sinne der §§ 58 ff AVG geboten gewesen wäre.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994120209.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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