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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §182 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der SD in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. April 1994, Zl. MA 61/IV-D 314/93, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. April 1994 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 8. September 1993 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 12 lit. d i.V.m. § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin - eine kolumbianische Staatsangehörige, die am 18. Juli 1970 geboren ist und im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unbestrittenermaßen noch nicht mindestens vier Jahre ununterbrochen ihren ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hatte (§ 10 Abs. 3 StbG) - hat ihren Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf § 12 lit. d StbG gestützt und gemäß § 20 StbG die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall, daß sie binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates nachweist, sowie die sofortige Verleihung der Staatsbürgerschaft nach erfolgtem Nachweis des Ausscheidens ohne weiteren Fristenlauf begehrt. Dem lag zugrunde, daß sie von RD, einem österreichischen Staatsbürger, am 2. Juni 1993 (bewilligt mit Beschluß des Bezirksgerichtes I vom selben Tag, AZ. 2 Nc X1/93) an Kindesstatt angenommen worden ist.
Nach § 6 Z. 1 StbG wird die Staatsbürgerschaft durch Abstammung (Legitimation; §§ 7, 7a und 8) erworben.
Nach § 7 Abs. 1 StbG erwerben eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn a) in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder b) ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tage seines Ablebens Staatsbürger war.
Nach § 12 lit. d StbG ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hiefür maßgebende Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist.
Nach § 17 Abs. 1 Z. 4 StbG ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 auf die Wahlkinder des Fremden zu erstrecken, sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremde sind.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, daß ein Adoptivkind in allen Rechten einem leiblichen Kind gleichgesetzt sei und daher dieselben Rechte wie ein durch Abstammung legitimiertes Kind habe. Zwar könne dem Adoptivkind die ihm - analog zur Abstammung - zustehende Staatsbürgerschaft nicht unmittelbar gemäß § 6 Z. 1 und § 7 Abs. 1 StbG zukommen, doch müsse ihm dies auf andere Weise, die dem Recht eines leiblichen Nachkommens gleichkomme oder möglichst nahekomme, zugänglich sein. Es könne daher bei richtiger Auslegung des StbG für ein Adoptivkind keine Wartefristen geben. Das StbG enthalte in den §§ 6 und 7 eine Gesetzeslücke, weil in diesen Bestimmungen zwar der Anspruch der leiblichen Kinder geregelt sei, der Anspruch der Adoptivkinder aber an dieser Gesetzesstelle ungeregelt bleibe. Der Anspruch der Adoptivkinder auf Gleichbehandlung mit den leiblichen Kindern leite sich aus der gesetzlichen Gleichstellung von leiblichen und Adoptivkindern ab. Bei der Analogie zu § 7 Abs. 1 StbG falle die Voraussetzung der Ehelichkeit des Kindes weg, weil es diesen Begriff bei Adoptivkindern nicht gebe.
Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, daß aufgrund des § 182 Abs. 1 ABGB die Gleichstellung bezüglich der Rechte, wie sie durch eheliche Abstammung begründet werden, auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Annehmenden und dessen Nachkommen einerseits und dem Wahlkind und dessen im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Annahme minderjährigen Nachkommen andererseits eingeschränkt ist. Eine umfassende, sämtliche Rechtsbereiche - einschließlich des öffentlichen Rechts - erfassende Gleichstellung wird hiedurch jedoch nicht bewirkt (vgl. Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Bd. II, S. 157 f, m.w.N.). Nach dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmungen des StbG, die den Fall der Adoption nicht berücksichtigen, muß vielmehr abgeleitet werden, daß durch die Adoption die Staatsbürgerschaft des Wahlkindes nicht berührt und auch nicht automatisch erworben wird (vgl. Thienel, a.a.O., S. 158, und die dort angeführten Gesetzesmaterialien, sowie Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes9, Bd. II, S. 269). Da die in § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Z. 1 StbG genannten Tatbestände für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation vom Gesetzgeber bewußt taxativ aufgezählt wurden (vgl. Thienel, a.a.O., S. 157, m.w.N.), besteht für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, vom Vorliegen einer zu schließenden Gesetzeslücke im Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführerin auszugehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 3. Februar 1976, Slg. Nr. 8979/A, zur diesbezüglich gleichlautenden Bestimmung des § 6 Z. 1 StbG ausgeführt hat, ist die Adoption kein Grund für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0264). Der Fall der Annahme an Kindesstatt stellt vielmehr gemäß § 12 lit. d StbG unter bestimmten (hier nicht vorliegenden) Voraussetzungen einen der begünstigten Verleihungstatbestände dar, der keinesfalls dem Erwerbstatbestand der Abstammung (Legitimation) gemäß § 6 Z. 1 StbG 1985 gleichzuhalten ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zl. 91/01/0127).
Ferner bringt die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die - wie bereits ausgeführt - nicht zutreffende Ansicht der analogen Anwendung der für leibliche Kinder geltenden Bestimmungen des StbG für Adoptivkinder vor, § 17 Abs. 1 Z. 4 StbG sei nur insoweit heranzuziehen, als diese Bestimmung für das Wahlkind ebenso wie für das leibliche Kind die Verleihung durch Erstreckung der Staatsbürgerschaft vorsehe, "deren es dann gemäß § 12 lit. d StbG nicht bedarf", daß aber die in § 17 Abs. 1 Z. 4 StbG genannte Voraussetzung der Minderjährigkeit im Beschwerdefall nicht anzuwenden sei. Die Beschwerdeführerin leitet diese Ansicht aus dem Text des § 17 Abs. 1 StbG ab, wonach dieser mehrfach ausdrücklich auf den Begriff des "Fremden" hinweise und daher nur solche Fälle umfasse, in denen auch der maßgebliche Elternteil zunächst ein "Fremder" gewesen sei. In diesem Zusammenhang ergebe die Unterscheidung zwischen minderjährigen Adoptivkindern, die nicht zusätzlich warten müssen, und großjährigen Kindern einen Sinn, weil "die Kinder" bereits im Rahmen der Wartefrist des maßgeblichen Elternteils hätten mitwarten müssen. Die belangte Behörde habe aber § 12 lit. d StbG unrichtig ausgelegt, weil sie nicht erkannt habe, daß das Erfordernis der Minderjährigkeit nur jene Fälle betreffe, in denen der "bereits Staatsbürger" seiende Elternteil dies ebenfalls erst durch Verleihung geworden sei.
Der Beschwerdeführerin ist insofern beizupflichten, als nach § 12 lit. d StbG eine Verleihung und nach § 17 Abs. 1 StbG eine Erstreckung der Staatsbürgerschaft zu erfolgen hat.
Nach § 12 lit. d StbG ist, wie schon ausgeführt worden ist, einem Fremden unter der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hiefür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist.
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend erkannt hat, sind aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 12 lit. d StbG die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen nach § 17 Abs. 1 Z. 4 StbG zu prüfen, wozu u.a. auch die Minderjährigkeit des Kindes (Wahlkindes) gehört (vgl. auch die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993 und vom 16. Oktober 1991).
Der Wortlaut des § 12 lit. d StbG ("... NUR DESHALB nicht erwerben, weil der hiefür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist") schließt eine Interpretation im Sinne der Ausführungen der Beschwerdeführerin geradezu aus.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010465.X00Im RIS seit
20.11.2000