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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die Abweisung von Anträgen auf internationalen Schutz betreffend eine Familie von türkischen (kurdischen) Staatsangehörigen mit minderjährigen Kindern; mangelnde Auseinandersetzung mit den Länderberichten im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit einer drohenden StrafverfolgungRechtssatz
Seine Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen illegitimen Verfolgungshandlungen seitens der türkischen Behörden ausgesetzt sei, begründet das BVwG mit einer 2004 erfolgten, einschlägigen Verurteilung des Beschwerdeführers und seiner fehlenden persönlichen Glaubwürdigkeit. Zur Frage der Achtung wesentlicher Verfahrensgrundsätze und Beschuldigtenrechte durch die türkischen Strafverfolgungsbehörden hält das BVwG lediglich fest, dass "objektiv betrachtet […] keinesfalls jeglichem Verwaltungs- oder Justizhandeln türkischer Hoheitsträger von vornherein die Rechtskonformität abgesprochen werden" könne. Weder aktuelle Länderinformationen noch die persönlichen Erfahrungen des erkennenden Richters ließen den Schluss zu, dass in der Türkei eine Scheinjustiz bestehe, sodass der Beschwerdeführer "– sollte es überhaupt zu einer Anklage kommen – im Zuge eines Strafverfahrens die Gelegenheit haben [werde], seinen Rechtsstandpunkt gegenüber einem türkischen Gericht zu verteidigen." Hinweise auf die mangelnde Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers betreffend die Fluchtgeschichte und eine länger zurückliegende Verurteilung entbinden das BVwG jedoch nicht davon, den Tatvorwürfen der türkischen Strafverfolgungsbehörden nachzugehen und sich mit der aktuellen Verfolgungsgefahr auf Grund der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten auseinandersetzen. Dies erfordert, die konkreten Tatvorwürfe festzustellen.
Entgegen der Auffassung des BVwG lässt sich die Annahme, dass gegen den Beschwerdeführer in der Türkei ein in rechtsstaatlicher Hinsicht unbedenkliches Verfahren geführt werde, nicht mit Hinweis auf die festgestellten Länderberichte begründen. Diese Annahme steht vielmehr in offenem Widerspruch zu den Berichten. Den Länderberichten ist zu entnehmen – worauf auch der VwGH bereits ausdrücklich hingewiesen hat – dass "massive Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren in der Türkei" bestehen, mit denen sich das BVwG vor dem Hintergrund des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Haftbefehls hätte auseinandersetzen müssen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, fair trial, Rückkehrentscheidung, KinderEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:E3904.2023Zuletzt aktualisiert am
04.10.2024