Entscheidungsdatum
30.08.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W600 2287226-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Albert TUDJAN, MA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesbetreuungs- und Unterstützungsagentur GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Albert TUDJAN, MA als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , alias römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesbetreuungs- und Unterstützungsagentur GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt. römisch II. Der Beschwerde gegen den Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt. römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch 40 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben. römisch IV. Die Spruchpunkte römisch III., römisch IV., römisch fünf. und römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 08.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 09.06.2023 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er wegen des gesetzlichen Militärdienstes bei der syrischen Armee und dem Wehrdienst der kurdischen Milizen geflüchtet sei.
3. Am 24.01.2024 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen gab er zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er von den kurdischen Milizen und dem syrischen Regime aufgefordert worden sei, den Militärdienst abzuleisten. Er wolle keine Waffen tragen und unschuldige Menschen töten. Zudem führte er an, 2021 an einem Checkpoint des syrischen Regimes aufgefordert worden zu sein, sich sein Wehrdienstbuch abzuholen. Damals seien in seinem Gebiet keine syrischen Regimekräfte präsent gewesen, sondern nur die kurdischen Machthaber. Nachdem er schließlich von den kurdischen Milizen zum Antritt des Wehrdienstes aufgefordert wurde, sei er 2022 illegal aus Syrien ausgereist.
4. Mit Bescheid des BFA vom 28.01.2024, dem BF zugestellt am 05.02.2024, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.) wurde ihm nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Syrien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), sowie, dass gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI).4. Mit Bescheid des BFA vom 28.01.2024, dem BF zugestellt am 05.02.2024, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Abs. AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch III.) wurde ihm nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Syrien gemäß Paragraph 46, FPG zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.), sowie, dass gemäß Paragraph 55, Absatz eins -, 3, FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt römisch VI).
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft dargelegt hätte, dass es vor seiner Ausreise aus Syrien zu Verfolgungshandlungen gekommen sei. Eine Verfolgung durch das syrische Regime wegen der noch nicht erfolgten Ableistung des Wehrdienstes habe er ebenso nicht glaubhaft machen können. Er werde laut BFA nicht vom syrischen Militär gesucht und auch nicht im gesamten syrischen Staatsgebiet zum Militärdienst des syrischen Regimes eingezogen. Eine Rekrutierung durch die kurdischen Machthaber sei aufgrund seines Alters möglich, jedoch nicht asylrelevant. Eine drastische Gefährdung aufgrund des Unwillens, sich einer bewaffneten Konfliktpartei anzuschließen, konnte der BF ebenfalls nicht glaubhaft dartun. Es liege außerdem keine Gefährdungslage im Sinne einer Verletzung gemäß Art. 2 und 3 EMRK vor. Der BF könne in Syrien seinen Lebensunterhalt bestreiten und Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Zudem sei es ihm möglich sein Heimatgebiet zu erreichen, ohne dabei in den Wirkungsbereich des syrischen Regimes zu geraten. Ihm drohe keine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der sunnitischen Araber sowie seiner Herkunft aus dem Dorf XXXX und einer damit verbundenen unterstellten oppositionellen Gesinnung. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft dargelegt hätte, dass es vor seiner Ausreise aus Syrien zu Verfolgungshandlungen gekommen sei. Eine Verfolgung durch das syrische Regime wegen der noch nicht erfolgten Ableistung des Wehrdienstes habe er ebenso nicht glaubhaft machen können. Er werde laut BFA nicht vom syrischen Militär gesucht und auch nicht im gesamten syrischen Staatsgebiet zum Militärdienst des syrischen Regimes eingezogen. Eine Rekrutierung durch die kurdischen Machthaber sei aufgrund seines Alters möglich, jedoch nicht asylrelevant. Eine drastische Gefährdung aufgrund des Unwillens, sich einer bewaffneten Konfliktpartei anzuschließen, konnte der BF ebenfalls nicht glaubhaft dartun. Es liege außerdem keine Gefährdungslage im Sinne einer Verletzung gemäß Artikel 2 und 3 EMRK vor. Der BF könne in Syrien seinen Lebensunterhalt bestreiten und Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Zudem sei es ihm möglich sein Heimatgebiet zu erreichen, ohne dabei in den Wirkungsbereich des syrischen Regimes zu geraten. Ihm drohe keine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der sunnitischen Araber sowie seiner Herkunft aus dem Dorf römisch 40 und einer damit verbundenen unterstellten oppositionellen Gesinnung.
5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 22.02.2024 per E-Mail im Wege seiner Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) fristgerecht Beschwerde wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Darin wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt. 5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 22.02.2024 per E-Mail im Wege seiner Rechtsvertretung (im Folgenden: Regierungsvorlage fristgerecht Beschwerde wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Darin wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides sowie die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.
In der Beschwerde wurde zusammenfasst ausgeführt, dass der BF aus dem Dorf XXXX im Gouvernement Deir Ezzor stamme, wo er gemeinsam mit seiner Familie gelebt habe. Der Ort stehe unter der Kontrolle kurdischer Milizen. Er habe in Syrien weder seinen Wehrdienst für das syrische Regime noch die kurdischen Selbstverteidigungskräfte geleistet. Der BF sei verheiratet, seine Frau lebe in Syrien. Aufgrund der Kriegssituation und der Angst, zur Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen zu werden, sei er aus Syrien geflohen. An einem Checkpoint des syrischen Regimes sei der BF für drei Stunden angehalten worden. Dort habe man ihm mitgeteilt, dass er sich im wehrdienstpflichtigen Alter befinde und er sich sein Wehrdienstbuch abholen müsse. Der BF verweigere jedoch den Wehrdienst aus Gewissensgründen. Eine Einreise nach Syrien sei legal, sicher und zumutbar lediglich über vom syrischen Regime kontrollierte Grenzübergänge möglich. Dem BF steht es nicht offen, sich vom Wehrdienst freizukaufen oder sich auf Ausschlussgründe zu berufen. Im Falle der Rückkehr würde er in eine ausweglose Lage geraten, die mit einer Verletzung seiner nach Art. 2 und Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte einherginge. In der Beschwerde wurde zusammenfasst ausgeführt, dass der BF aus dem Dorf römisch 40 im Gouvernement Deir Ezzor stamme, wo er gemeinsam mit seiner Familie gelebt habe. Der Ort stehe unter der Kontrolle kurdischer Milizen. Er habe in Syrien weder seinen Wehrdienst für das syrische Regime noch die kurdischen Selbstverteidigungskräfte geleistet. Der BF sei verheiratet, seine Frau lebe in Syrien. Aufgrund der Kriegssituation und der Angst, zur Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen zu werden, sei er aus Syrien geflohen. An einem Checkpoint des syrischen Regimes sei der BF für drei Stunden angehalten worden. Dort habe man ihm mitgeteilt, dass er sich im wehrdienstpflichtigen Alter befinde und er sich sein Wehrdienstbuch abholen müsse. Der BF verweigere jedoch den Wehrdienst aus Gewissensgründen. Eine Einreise nach Syrien sei legal, sicher und zumutbar lediglich über vom syrischen Regime kontrollierte Grenzübergänge möglich. Dem BF steht es nicht offen, sich vom Wehrdienst freizukaufen oder sich auf Ausschlussgründe zu berufen. Im Falle der Rückkehr würde er in eine ausweglose Lage geraten, die mit einer Verletzung seiner nach Artikel 2 und Artikel 3, EMRK gewährleisteten Rechte einherginge.
6. Mit der Beschwerdeergänzung vom 26.02.2024 stellte die Rechtsvertretung des BF fristgerecht klar, dass sich die Beschwerde auf sämtliche Spruchpunkte bezieht.
7. Mit der Stellungnahme vom 08.07.2024 brachte der BF im Wege seiner Rechtsvertretung erneut vor, dass eine Verweigerung der Ableistung des „Selbstverteidigungsdienstes“ asylrelevant sei. Zudem brachte er erstmalig vor, dass er zum Stamm der „Akeidat“ gehöre, welcher 2023 gegen die SDF gekämpft habe und zum Ziel habe, die kurdischen Kräfte aus Deir Ezzor zu vertreiben. Er habe deshalb Angst, gegen seinen eigenen Stamm kämpfen zu müssen.
8. Das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) führte am 10.07.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und seine RV teilnahmen. Mit Schriftsatz vom 02.07.2024 verzichtete das BFA auf eine Teilnahme an der Verhandlung. 8. Das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) führte am 10.07.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF und seine Regierungsvorlage teilnahmen. Mit Schriftsatz vom 02.07.2024 verzichtete das BFA auf eine Teilnahme an der Verhandlung.
9. Am 22.07.2024 langte beim BVwG erneut eine Stellungnahme ein, in welcher der BF im Wege seiner RV ergänzend vorbrachte, dass ihm angesichts der in Syrien herrschenden Sicherheits- und Versorgungslage zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Zusätzlich wurden Urkunden zu seinem in Österreich bestehenden Dienstverhältnis in Vorlage gebracht. 9. Am 22.07.2024 langte beim BVwG erneut eine Stellungnahme ein, in welcher der BF im Wege seiner Regierungsvorlage ergänzend vorbrachte, dass ihm angesichts der in Syrien herrschenden Sicherheits- und Versorgungslage zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Zusätzlich wurden Urkunden zu seinem in Österreich bestehenden Dienstverhältnis in Vorlage gebracht.
10. Die Stellungnahme samt vorgelegter Urkunden wurde dem BFA am 31.07.2024 zum Parteiengehör übersendet. Bis dato langte jedoch keine Stellugnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF führt die im Spruch genannten Verfahrensidentität und ist syrischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Der BF bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und seine Muttersprache ist Arabisch.
Der BF wurde im Ort XXXX im Gouvernement Deir Ezzor geboren. Bis auf einen etwa zweimonatigen Aufenthalt in XXXX wuchs der Beschwerdeführer in XXXX auf. Im Jahr 2022 reiste der BF aus Syrien aus. Er hielt sich in Folge ungefähr acht Monate in der Türkei auf, bevor er nach Österreich weiterreiste wo er am 08.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der BF wurde im Ort römisch 40 im Gouvernement Deir Ezzor geboren. Bis auf einen etwa zweimonatigen Aufenthalt in römisch 40 wuchs der Beschwerdeführer in römisch 40 auf. Im Jahr 2022 reiste der BF aus Syrien aus. Er hielt sich in Folge ungefähr acht Monate in der Türkei auf, bevor er nach Österreich weiterreiste wo er am 08.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
In Syrien besuchte der BF neun Jahre die Schule. Er absolvierte eine Ausbildung als Maler und Anstreicher und war als Stuckateur sowie als Arbeiter in der familieneigenen Landwirtschaft tätig.
Der BF ist verheiratet und kinderlos. Im Geburtsort des BF leben jedenfalls seine Eltern, vier seiner Brüder, seine Schwester sowie seine Ehefrau, die bei der Familie des BF ihren Wohnsitz hat. Zwei seiner Brüder halten sich im Libanon auf, ein weiterer Bruder und einer seiner Cousins in Österreich.
Der BF ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
1.2.1. Die Herkunftsregion des BF steht im Entscheidungszeitpunkt im Einfluss- und Kontrollbereich der kurdischen Kräfte („Syrian Democatric Forces“ – SDF).
1.2.2. Im Juni 2019 verabschiedete die „Autonomous Administration of North and East Syria“ (AANES), die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“, ein Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“, das den verpflichtenden Militärdienst, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen, regelt. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt.
Der BF hat die „Selbstverteidigungspflicht“ bisher noch nicht erfüllt und unterlag auch keinen Zwangsrekrutierungsversuchen der kurdischen Milizen. Der BF fällt in die wehrpflichtigen Jahrgänge und unterliegt keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die gegen eine Verpflichtung zur Wehrdienstableistung sprechen. Er müsste den Militärdienst erfüllen und würde dabei höchstwahrscheinlich im Bereich des Nachschubes oder der Objektbewachung eingesetzt werden. Zum Kampf an der Front werden der „Selbstverteidigungspflicht“ unterliegende Rekruten im Allgemeinen nicht eingesetzt.
Eine Wehrdienstverweigerung wird von den kurdischen Machthabern nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung angesehen. Im Übrigen hat der BF kein Verhalten gesetzt, aufgrund dessen ihm von den kurdischen Autonomiebehörden eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden könnte. Bei Nichtbefolung der Einberufung kann zum Zweck der zwangsweisen Durchsetzung der Wehrpflicht eine Verhaftung und Anhaltung von ein bis zwei Tagen bzw. ein bis zwei Wochen zum Zwecke des Findens eines Einsatzortes drohen, wobei zusätzlich die Dauer der Wehrdienstverpflichtung um einen Monat erhöht werden kann. Wegen der Verweigerung des Militärdienstes ist der BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit oder einer längeren Haftstrafe bedroht. Es liegen konkret keine individuellen gefahrenerhöhenden Umstände vor, welche die Annahme zulassen, dass der BF im Zusammenhang mit dem kurdischen Wehrdienst einer relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.
1.2.3. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren erfolgt die Einberufung zum Wehrdienst. Die syrischen Behörden setzen die gesetzliche Wehrpflicht auch tatsächlich um. Wehrpflichtige Männer, die nicht auf den Einberufungsbescheid reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert. Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert. 1.2.3. Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend. Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Artikel 4, Litera b, gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren. Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren erfolgt die Einberufung zum Wehrdienst. Die syrischen Behörden setzen die gesetzliche Wehrpflicht auch tatsächlich um. Wehrpflichtige Männer, die nicht auf den Einberufungsbescheid reagieren, werden von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert. Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert.
Der BF hat seine Wehrpflicht bisher nicht erfüllt und unterliegt aufgrund seines Alters der gesetzlichen Wehrpflicht der syrischen Streitkräfte und kann sich auf keine Ausschluss- oder Befreiuungsgründe berufen. Er hat weder ein Wehrdienstbuch noch einen Einberufungsbefehl der syrischen Armee erhalten.
Die Herkunftsregion des BF steht nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern maßgeblich unter der Kontrolle der kurdischen Machthaber. Die syrische Regierung verfügt lediglich über mehrere kleine Enklaven im Selbstverwaltungsgebiet, außerhalb derer sie keine Hoheitsgewalt ausüben und insbesondere keine Rekrutierungen durchführen kann. Der BF ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt, zwangsweise zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen oder wegen seiner Wehrdienstverweigerung bestraft zu werden.
1.2.4. Die Herkunftsregion des BF ist ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar. Die Einreise in die nordöstlichen Gebiete Syriens unter kurdischer Kontrolle ist für den BF über den Grenzübergang Semalka – Faysh Khabour möglich. Aufgrund der faktischen Hoheitsgewalt der kurdischen Machthaber über das Gebiet vom Grenzübergang Semalka – Faysh Khabour bis zum Herkunftsort des BF ist ihm auch eine Weiterreise in seinen Herkunftsort möglich, ohne in den Wirkungsbereich der syrischen Behörden zu gelangen.
1.2.5. Der BF unterliegt im Falle der Rückkehr an seinen Herkunftsort mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht der Gefahr aufgrund seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit und/oder seiner Zuehörigkeit zum Stamm der „Akeidat“ Verfolgungshandlungen durch eine der bewaffneten Konfliktparteien in Syrien zu befürchten.
1.2.6. Die Familienangehörigen des BF sind keiner Verfolgung durch eine der in Syrien vertretenen bewaffenten Konfliktparteien augesetzt. Der BF ist auch keiner realen Verfolgungsgefahr wegen seiner Angehörigeneigenschaft bezüglich seiner Brüder oder Cousins ausgesetzt.
1.2.7. Auch aufgrund der illegalen Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 und der Asylantragstellung in Österreich droht dem BF im Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung. Nicht alle Rückkehrenden, die unrechtmäßig ausgereist sind und die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
1.2.8. Im Übrigen hatte und hat der BF in Syrien keine Probleme wegen seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit oder anderer relevanter Auseinandersetzungen mit bewaffneten Konfliktparteien oder Privatpersonen. Überdies war und ist der BF im Herkunftsstaat nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Eingriffe in seiner physische und/oder psychische Integrität zu erleiden.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom BVwG herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
1.3.1. Politische Lage
[…]
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine ’zweite Front’ in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, ’Ain al-’Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für „Westen“ (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des „Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien“ (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet ’belohnt’ zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische