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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1991 §4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der G, mit ihren minderjährigen Kindern V, S, L, X und K, alle in A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1993, Zl. 4.330.575/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der "früheren SFRJ", ist am 14. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und beantragte am selben Tag, ihr Asyl zu gewähren. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark stellte mit Bescheid vom 21. Februar 1992 fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, nicht erfülle. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG von der belangten Behörde abgewiesen, Österreich gewähre der Beschwerdeführerin kein Asyl.
Bei der erstinstanzlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 16. Oktober 1991 gab die Beschwerdeführerin an, sie sei albanischer Abstammung und gehöre deshalb in ihrem Heimatland zur albanischen Minderheit. Sie sei nicht Mitglied einer politischen Partei oder Organisation. Bezüglich der Religion habe sie keine Schwierigkeiten gehabt. Sie sei jedoch mit ihrem Ehegatten geflüchtet und habe auch ihre Kinder mitgenommen, da ihr Ehegatte in nächster Zeit mit Sicherheit zur Bundesarmee hätte einrücken müssen. Er habe dies auf keinen Fall tun wollen. Aus diesem Grund seien sie aus ihrem Heimatland geflüchtet. Sie hätte in Jugoslawien nicht allein bleiben können und wollen, da sie nicht gewußt hätte, wovon sie ihre Kinder ernähren sollte. Außerdem sei ihr die Lage derzeit zu unsicher und man wisse nicht, wann dort die Kämpfe beginnen. Sie und ihre Familie wollten in Österreich bleiben.
In der Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf ihre Angaben vor der erstinstanzlichen Behörde und auf die Angaben ihres Ehegatten in seiner Berufung. Die Berufungsausführungen ihres Ehegatten würden vollinhaltich auch auf sie zutreffen. Sie sei ihrem Ehegatten mit ihren fünf Kindern bei seiner Flucht nach Österreich gefolgt, weil sie unbedingt mit ihm habe zusammenbleiben wollen. In der Berufung stellte sie abschließend den Antrag, daß der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben werde und festgestellt werde, daß sie Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Beschwerdeführerin im gesamten Verwaltungsverfahren keine Gründe dargetan habe, die eine konkrete Verfolgung aus einem der im Asylgesetz 1991 taxativ aufgezählten Tatbestände darstellten. Eine Verfolgung im Sinne dieses Gesetzes sei nur dann anzunehmen, wenn konkrete, spezifisch auf die Person des Asylwerbers zielende Repressionshandlungen seitens der Behörden des Heimatstaates ins Treffen geführt würden. Solche konkreten Maßnahmen habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen können. Die eventuelle Einberufung des Ehegatten der Beschwerdeführerin zur Militärdienstleistung stelle keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar. Die erforderliche Verfolgungsmotivation sei nicht gegeben, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. Die "Berufungsangaben des Ehegatten der Beschwerdeführerin" könnten "nicht als Grund für ihre Asylgewährung angesehen werden, zumal der Wahrheitsgehalt dieses Vorbringens überdies in Frage gestellt" werde. Im übrigen habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß die Beschwerdeführerin bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen sei. Verfolgungssicherheit sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Es müßten lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz bestehen und weiters "tatsächlich die Möglichkeit bestanden haben, ihn durch oder bei Kontaktaufnahme mit der Behörde zu aktualisieren".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid für rechtswidrig, weil ihrer Auffassung nach ein Ausdehnungsantrag im Sinne des § 4 Asylgesetz 1991 von ihr gestellt worden sei. Es sei der angefochtene Bescheid ohne entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin ergangen.
Dieser Rüge der Beschwerdeführerin kommt keine Berechtigung zu, weil es während des Asylverfahrens erster Instanz gemäß dem damals geltenden Asylgesetz (1968) keine Möglichkeit eines Antrages auf Ausdehnung des Asyls gegeben hat. Die Behörde erster Instanz hätte den Antrag der Beschwerdeführerin daher gar nicht im Sinne eines Ausdehnungsantrages des heute geltenden § 4 Asylgesetz 1991 deuten können. In der Berufung machte die Beschwerdeführerin daher auch nicht geltend, daß ihr Antrag nicht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention gerichtet sei. Sie stellte vielmehr in der Berufung den Antrag, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und festzustellen, daß sie Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei. Im Rahmen der "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG, die durch den erstinstanzlichen Bescheid bestimmt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0149), entschied in der Folge die belangte Behörde. Die Berufungsbehörde hatte daher nicht zu prüfen, ob der von der Beschwerdeführerin am 14. Oktober 1991 gestellte Antrag im Zusammenhalt mit ihrer Einvernahme am 16. Oktober 1991 einen Ausdehnungsantrag im Sinne des § 4 Asylgesetz 1991 darstellte. Es steht und stand der Beschwerdeführerin seit dem Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 jederzeit offen, einen Antrag auf Ausdehnung des Asyls im Sinne des § 4 Asylgesetz 1991 zu stellen.
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid somit nicht in Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994010404.X00Im RIS seit
11.07.2001