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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Fahrverbotsverordnung; Ausnahme vom Fahrverbot nicht nur im Interesse eines bestimmten AnrainersSpruch
Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 11. Februar 1988, Z11.0 Bu 48-88/2, wird nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur hat mit Verordnung vom 11. Februar 1988, Z 11.0 Bu 48-88/2, ein Fahrverbot in beiden Richtungen gemäß §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 "ausgenommen Anrainer und deren Dienstnehmer" für die Fridrichallee in der Gemeinde Bruck an der Mur, ab 3 m südlich der nördlichen Objektskante der Fleischerei Graller erlassen. Gleichzeitig wurde das Außerkrafttreten der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 5. Mai 1972, mit der ein allgemeines Fahrverbot für die Fridrichallee verfügt worden war, und der Verordnung vom 13. Dezember 1976, die vom allgemeinen Fahrverbot "Fahrzeuge der Fa. Rauppach, deren Dienstnehmer und Besucher" ausnahm, angeordnet.
2. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B543/91 eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen einen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung anhängig, mit dem der Beschwerdeführer gemäß §24 Abs1 litn StVO 1960 in Verbindung mit §99 Abs3 lita StVO 1960 bestraft wurde, weil er sein Fahrzeug auf einer Straßenstelle abgestellt hatte, die nur durch Nichtbeachtung dieses Fahrverbots erreicht werden konnte. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde geltend, daß er durch die Anwendung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 11. Februar 1988, Z11.0 Bu 48-88/2, (Fahrverbotsverordnung), in seinen Rechten verletzt wurde, weil diese Verordnung gesetzwidrig sei.
Die Steiermärkische Landesregierung und die zur Stellungnahme aufgeforderte Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur begehren, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß vom 3. Oktober 1992, B543/91, von der Präjudizialität der Fahrverbotsverordnung bei seiner Entscheidung über die Beschwerde aus.
Mit Rücksicht auf folgende Bedenken beschloß er, die genannte Verordnung gemäß Art139 Abs1 B-VG auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen:
Dem Verfassungsgerichtshof schien es einerseits zweifelhaft, "ob ein allgemeines Fahrverbot auf der gesamten Fridrichallee für die 'Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs', ... von Nutzen, geschweige denn erforderlich ist", wie es §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 als Voraussetzung für die Erlassung einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme verlangt.
Zum anderen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß das Fahrverbot "lediglich im Interesse eines bestimmten Personenkreises gelegen" ist, also in sachlich nicht begründbarer Weise verfügt wurde und daher §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 widerspricht.
4. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur verteidigt in
ihrer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen
Fahrverbotsverordnung und führt aus, "daß die Fridrichallee eine
Verbindung ebenso wie der (parallel hiezu) verlaufende Straßenzug
Jahnstraße-Schulgasse zwischen der Schillerstraße und der
Dr.-Th.-Körner-Straße darstellt ... und sämtliche an den mit
Fahrverbot belegten Bereich der Fridrichallee angrenzenden Anwesen
bzw. Grundstücke, außer jene der Fa. Rauppach, über diesen
angeführten Parallelstraßenzug bzw. die Gartengasse aufgeschlossen
... werden. Über diese Straßenzüge ist die Zufahrt mit
Kraftfahrzeugen ungehindert möglich." Dies zeige, daß "weder der Verkehr in einem größeren bestehenden Ortsteil verunmöglicht wird, noch diese verkehrsbeschränkende Maßnahme für den in diesem Ortsteil herrschenden Fahrzeugverkehr unzumutbar erscheint".
Anläßlich des vor Erlassung des Fahrverbots am 8. Februar 1988 durchgeführten Ortsaugenscheines wurden "die örtlichen
Gegebenheiten ... wahrgenommen". Der "(umlegbare) Pflock hatte
bereits Bestand und ... der Bereich der Fridrichallee zwischen
diesem Pflock und der Schillerstraße (wurde) auf Grund seines äußeren Charakters als ausschließlich für den Fußgängerverkehr bestimmter 'Promenadenweg' und nicht als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des §1 StVO 1960 angesehen". Diese Ansicht bestätige auch der Umstand, daß in der in Prüfung gezogenen Verordnung die Anbringung nur eines Vorschriftszeichens gemäß §52 Z1 StVO 1960 festgelegt wurde. Der räumliche Wirkungsbereich der Fahrverbotsverordnung beziehe sich daher nicht auf die gesamte Fridrichallee, sondern nur auf den Bereich der Fridrichallee "ab 3 m südlich der nördlichen Objektskante der Fleischerei Graller" bis zum bestehenden Pflock.
Die Verkehrsbeschränkung diene auch der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs: Auf Grund der "baulich gegebenen Einengung gegenüber der Zufahrt zur Fa. L" sei "ein Wendemanöver eines Fahrzeuges im Bereich vor dem erlassenen Fahrverbot auf Grund der günstigeren Platzverhältnisse - auf Grund des Bestandes von Garagen gegenüber der (damaligen) Fleischerei Graller ist die Fahrbahn der Fridrichallee erweitert - wesentlich sicherer, leichter und rascher möglich ... und eine geringere Gefahr von Parkschäden bzw. einer Beeinträchtigung von Fußgängern gegeben". Auch die Lage, Widmung und Beschaffenheit der an der Straße gelegenen Gebäude sei entsprechend berücksichtigt worden. "Durch den regelmäßigen Zustellverkehr würde der Aufenthalt von Fahrzeugen im mit (dem) Fahrverbot belegten Bereich zu einer wesentlich erhöhten Unfallgefahr führen. Das Zu- und Abfahren eines LKW-Zuges von der Liegenschaft der Fa. L wäre nur unter erheblichem Unfallsrisiko auf Grund der geringen Fahrbahnbreite möglich."
Ebenso rechtfertige der "Gedanke einer 'Abschnittsregelung' (fahrzeugfreier Bereich - beschränkt nutzbarer Bereich - für den öffentlichen Verkehr eingeschränkt nutzbarer Bereich)" im Interesse des Fußgängerverkehrs die verkehrsbeschränkende Maßnahme.
Wegen des im Bau befindlichen Wohnblockes mit zugehöriger Tiefgarage "gegenüber dem Anwesen L" könne "zumindest in Zukunft keinesfalls mehr von einer Verkehrsbeschränkung lediglich im Interesse einzelner Personen oder Personengruppen" gesprochen werden.
5. Die ebenfalls zur Äußerung aufgeforderte Steiermärkische Landesregierung teilte mit, keine Äußerung abzugeben.
II. 1. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat bei seiner Prüfung des zu B543/91 gemäß Art144 B-VG angefochtenen Bescheides die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 11. Februar 1988, Z 11.0 Bu 48-88/2, wegen deren Übertretung der Beschwerdeführer bestraft wurde, anzuwenden.
2.a. Das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, daß ein allgemeines Fahrverbot auf der gesamten Fridrichallee für die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht von Nutzen, geschweige denn im Sinne des §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 erforderlich wäre, wurde von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur in ihrer Äußerung hinreichend entkräftet.
Entgegen der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes ist nämlich davon auszugehen, daß das verordnete Fahrverbot nicht für die gesamte Fridrichallee, sondern lediglich für jenen Bereich dieser Straße gilt, der "3 m südlich der nördlichen Objektskante der Fleischerei Graller" beginnt (so der Wortlaut der Verordnung vom 11. Februar 1988) und der wenige Meter danach bei einem Pflock endet, ab dem die Fridrichallee schon von ihrer baulichen Gestaltung her für den Fahrzeugverkehr nicht mehr in Betracht kommt und lediglich als Fußgängerpromenade weiter bis zur Schillerstraße verläuft.
Mit Rücksicht auf die bauliche Verengung der Fridrichallee sowie auf die Lage, Widmung und Beschaffenheit der am öffentlichen Teil der Straße gelegenen Gebäude, insbesondere aber auch im Interesse der Sicherheit der Fußgänger, welche nach dem Verlassen des Promenadenweges den befahrbaren Teil der Fridrichallee erreichen, erscheint das - räumlich eng begrenzte - Fahrverbot gerechtfertigt.
b. Aber auch das weitere Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, "daß die Ausnahme der Anrainer und deren Dienstnehmer vom Fahrverbot auf der Fridrichallee im ausschließlichen Interesse eines einzigen Anrainers verfügt wurde" und daher dem §43 Abs1 litb Z1 StVO 1960 widerspreche, läßt sich nicht aufrechterhalten. Zwar kommt die Ausnahme vom Fahrverbot derzeit schon auf Grund dessen enger räumlicher Begrenzung lediglich dem Betrieb eines Anrainers zugute. Die Formulierung der Ausnahmevorschrift läßt wegen ihrer generellen Adresse zu, daß im Bereich der Fahrverbotsverordnung auch andere, dort befindliche Anrainer jedenfalls in Zukunft in ihren Genuß gelangen, sodaß es - trotz gegenteiliger Hinweise im Verordnungsakt - keineswegs erweislich ist, daß mit dem Fahrverbot samt Ausnahmevorschrift lediglich dem Interesse einzelner Personen oder Personengruppen in sachlich nicht begründbarer Weise Rechnung getragen wurde. Daß bei einem räumlich derart, wie unter Punkt a. beschrieben, begrenzten Fahrverbot die für "alle" Anrainer geltende Ausnahme von vornherein nur einige wenige Personen betrifft, kann nicht die rechtliche Unzulässigkeit der gleichwohl an einen allgemein umschriebenen Personenkreis gerichteten Ausnahmebestimmung bewirken.
Da die vom Verfassungsgerichtshof im Lichte des §43 Abs1 litb StVO 1960 aufgeworfenen Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 11. Februar 1988, Z11.0 Bu 48-88/2, sohin nicht zutreffen, war auszusprechen, daß die Verordnung nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.
Dies konnte der Verfassungsgerichtshof gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschließen.
Schlagworte
Straßenpolizei, FahrverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:V96.1992Dokumentnummer
JFT_10069688_92V00096_00