TE Vwgh Erkenntnis 1995/5/18 94/18/1129

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Veröffentlicht am 18.05.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

AMSBegleitG 1994 Art20 Z1;
AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §2 Abs4;
AVG §1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art20 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8 idF 1994/314;
FrG 1993 §18 Abs2 Z8;
HGB;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. November 1994, Zl. SD 790/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. November 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 8 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Nachdem die belangte Behörde einleitend die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides als auch für ihre Entscheidung maßgebend erklärte, nahm sie als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 3. Mai 1994 von zwei Bediensteten des Landesarbeitsamtes Wien auf einer Baustelle in Wien 21 bei einer Beschäftigung als Bauhelfer (Tragen von Ziegeln) betreten worden sei. Er habe dort für eine näher bezeichnete GesmbH & Co.KG gearbeitet und eine Bestätigung vorgelegt, derzufolge er Kommanditist mit einer Einlage von S 10.000,-- sei und sein Wirken diesem Unternehmen zur Verfügung stelle. Bei seiner Vernehmung am 5. Juli 1994 habe der Beschwerdeführer - der sich seit einem Jahr in Österreich aufhalte - eingeräumt, Schwarzarbeit ausgeübt zu haben. Er hätte nur drei Tage zur Probe arbeiten wollen, sei aber bereits am zweiten Tag "erwischt" worden. Die Absicht, für ihn eine Arbeitsbewilligung zu besorgen, wäre nicht realisiert worden. Er hätte eine bis 20. August 1994 gültige Aufenthaltsbewilligung zum Zweck eines privaten Aufenthaltes. Seine Familie (Ehegattin und zwei Kinder) hielte sich in Serbien auf.

Aus diesem Sachverhalt sei der Schluß auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG zu ziehen gewesen. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausgeführt habe, daß er, wie sich aus einer Bestätigung der Gebietskrankenkasse vom 28. März 1994 ergebe, in einem "ordnungsgemäßen" Dienstverhältnis zu der besagten GesmbH & Co.KG stehe (bzw. gestanden sei). Der Beschwerdeführer habe also mit seiner Arbeit als Bauhelfer Arbeitsleistungen in Erfüllung dieses Dienstverhältnisses erbracht. Daß der Beschwerdeführer seine Beschäftigung nach den Bestimmungen des AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, folge nicht erst aus dem in der Berufung ins Treffen geführten Dienstverhältnis zur Gesellschaft, sondern ergebe sich schon daraus, daß gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 501/1993 für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 AuslBG vorliege, der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend sei und eine Beschäftigung i.S. der vorgenannten Bestimmung auch dann vorliege, wenn ein Gesellschafter einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen Gesellschaftszweckes Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbringe, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis erbracht würden - was vorliegend ohne Zweifel der Fall sei. Der Beschwerdeführer habe demnach diese Beschäftigung ohne Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung (oder einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines) nicht antreten und nicht ausüben dürfen.

Die Einwände des Beschwerdeführers hinsichtlich der Organqualität von Bediensteten des Landesarbeitsamtes seien nicht nachvollziehbar, weil es sich beim Begriff "Bediensteter" um einen dienstrechtlichen Begriff handle und jeder Bedienstete (Beamter oder Vertragsbediensteter) einer Behörde (hier: des Landesarbeitsamtes), sofern er, was vorliegend nicht zweifelhaft sein könne, nach außen hin im Namen dieser Behörde auftrete, auch ein Organ dieser Behörde sei, und weil eine besondere Organqualität vom Gesetz nicht gefordert werde.

Angesichts des hohen Stellenwertes, der einer geordneten Arbeitsmarktverwaltung und einem geordneten Fremdenwesen zukomme, und des Umstandes, daß der Beschwerdeführer seine Erlaubnis zu einem privaten Aufenthalt mißbraucht habe, gefährde sein Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls die öffentliche Ordnung. Damit seien die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben.

Was die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG anlage, so sei festzuhalten, daß ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht vorliege, da er in Österreich keine Angehörigen habe und auch nicht auf einen längeren Aufenthalt im Bundesgebiet verweisen könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde hält den Sachverhalt für "derart unvollständig festgestellt", daß er "nicht ausreicht, um die rechtsrichtige Anwendung der Norm zu prüfen". Die belangte Behörde habe es verabsäumt festzustellen, ob im Beschwerdefall die für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses oder eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses (§ 2 Abs. 2 AuslBG) wesentlichen Kriterien gegeben seien. In diesem Sinn hätte sie zu prüfen gehabt, ob ein Dienstvertrag vorgelegen und ob eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschwerdeführers gegeben gewesen sei. Ein Dienstverhältnis habe den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses. Ein solches könne schon begrifflich nicht vorliegen, wenn - wie im Beschwerdefall - eine Arbeitsleistung "nur während einiger Stunden eines einzigen Tages erbracht wird". Die belangte Behörde hätte daher einen "konkreten Sachverhalt insbesondere über die Dauer und Entgeltlichkeit der behaupteten Dienstleistungen feststellen müssen, um die Frage eines Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz überhaupt prüfen zu können".

1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Mit ihm entfernt sich die Beschwerde völlig von dem im angefochtenen Bescheid aufgrund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren (Berufungsschriftsatz vom 19. Juli 1994) als maßgeblich festgestellten Sachverhalt - nämlich, daß der Beschwerdeführer (wie sich aus einer der Behörde vorgelegten Kopie einer Bestätigung der Gebietskrankenkasse vom 28. März 1994 ergebe) "in einem ordnungsgemäßen Dienstverhältnis zur Firma A GesmbH & Co.KG stehe". Schon aufgrund dieser wesentlichen Sachverhaltsannahme durfte die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangen, daß der Beschwerdeführer in einem Arbeitsverhältnis zu der genannten Gesellschaft stehe und daher die von ihm für diese erbrachte Arbeitsleistung als Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 lit. a AuslBG zu gelten habe. Keine andere Beurteilung ergäbe sich im übrigen für den Fall - auch damit hat die belangte Behörde im bekämpften Bescheid argumentiert -, daß man in sachverhaltsmäßiger Hinsicht entscheidend nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, sondern auf den vom Beschwerdeführer gleichfalls geltend gemachten Umstand abstellen würde, daß er Gesellschafter der in Rede stehenden Personengesellschaft sei. Denn diesfalls läge - von der belangten Behörde zutreffend erkannt - im Grunde des § 2 Abs. 4 AuslBG idF BGBl. Nr. 502/1993 deshalb eine Beschäftigung i.S. des § 2 Abs. 2 AuslBG vor, weil die vom Beschwerdeführer als Bauhelfer für die Gesellschaft erbrachten Arbeitsleistungen solche sind, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden.

Der behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.

2.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit behauptet die Beschwerde, daß der angefochtene Bescheid insofern gegen "formelles und materielles Recht" verstoße, als im Hinblick auf den "qualifizierten Beweis die rechtserhebliche Feststellung nicht durch - irgendeinen - Bediensteten des Arbeitsamtes, sondern wie der Gesetzgeber fordert, durch ein Organ des Arbeitsamtes zu erfolgen hat".

2.2. Der mit diesem Vorbringen zum Ausdruck gebrachte Gegensatz zwischen "Bedienstetem" und "Organ" (präziser: "Organwalter") existiert nicht. Nach der österreichischen Rechtsordnung wird die Verwaltung von auf Zeit gewählten Organwaltern, ernannten berufsmäßigen Organwaltern (Berufsbeamten) und privatrechtlich bestellten Organwaltern (Vertragsbediensteten) geführt. Das Rechtsverhältnis der durch Bescheid ernannten Beamten wie auch das Rechtsverhältnis der durch Dienstvertrag angestellten Vertragsbediensteten ist jeweils als eine Beziehung einer einzelnen physischen Person (des Organwalters) zum Staat ein öffentliches Dienstverhältnis. Die betreffenden Organwalter sind öffentliche Bedienstete. (Vgl. zum Ganzen näher Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, Wien 1986, 324 ff.) In diesem Sinn erfaßt der von der belangten Behörde verwendete Begriff "Bediensteter" des Landesarbeitsamtes sowohl den durch Ernennung berufenen Organwalter (Beamten) als auch den aufgrund eines Vertrages angestellten Organwalter (Vertragsbediensteten) des Landesarbeitsamtes. Damit aber hat die belangte Behörde dem § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG Genüge getan, da diese Norm keine Präzisierung dahingehend fordert, daß der Organwalter nach der Art der Begründung des öffentlichen Dienstverhältnisses bezeichnet wird.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde den maßgeblichen Sachverhalt zutreffend dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG subsumiert hat - daß für den Beschwerdeführer keine Beschäftigungsbewilligung vorlag, wurde von ihm nie bestritten -, bleibt noch zu prüfen, ob die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 leg. cit. zulässig ist.

4. Beides ist zu bejahen. Die Annahme, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung, ist im Hinblick auf die durch das Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes nicht als rechtswidrig zu erkennen. Dazu kommt der unbestrittene mehrmonatige unerlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (seit 21.8.1994), ein Umstand, der die Annahme nach § 18 Abs. 1 FrG umso mehr gerechtfertigt erscheinen läßt.

Zu § 19 FrG hat die belangte Behörde zu Recht die Auffassung vertreten, daß aufgrund des kurzen und noch dazu nur zum Teil rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich und des Fehlens familiärer Bindungen im Bundesgebiet durch das Aufenthaltsverbot kein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben bewirkt werde. Infolge dessen war die belangte Behörde entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer Prüfung der Frage, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, ebenso enthoben wie einer Interessenabwägung nach § 20 Abs. 1 FrG (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/18/0224, mwN).

5. Was schließlich den Beschwerdevorwurf anlangt, es sei die ausgesprochene Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht begründet worden, so übersieht der Beschwerdeführer, daß im angefochtenen Bescheid die diesbezügliche - wenngleich knappe - Begründung des erstinstanzlichen Bescheides übernommen wurde. Die Beschwerde zeigt ihrerseits nicht auf, welche Umstände die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, zu dem Ergebnis zu gelangen, es sei vorhersehbarerweise mit einem Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes mageblichen Gründe vor Verstreichen der festgesetzten Dauer von fünf Jahren zu rechnen.

6. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß durch die Nichtbedachtnahme auf die mit 1. Juli 1994 in Kraft getretene Novellierung des § 18 Abs. 2 Z. 8 FrG (Art. 20 Z. 1 BGBl. Nr. 314/1994) seitens der belangten Behörde Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0966).

7. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründung Allgemein Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Behördenorganisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994181129.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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