TE Vwgh Beschluss 1995/5/18 94/19/1128

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Veröffentlicht am 18.05.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs3;
AsylG 1991 §25 Abs1;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §27;
AVG §56;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über den Antrag des O in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde und über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Februar 1994, Zl. 4.337.438/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 VwGG wird der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen. Gleichzeitig wird die Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, der am 2. April 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1992 - dem Beschwerdeführer am 27. Mai 1992 zugestellt -, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit am 3. Juni 1992 zur Post gegebener Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 25. Februar 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Der Beschwerdeführer führte zur Begründung seines "in eventu" erhobenen Wiedereinsetzungsantrages aus, er sei infolge der besonders für Schwarzafrikaner äußerst angespannten Lage am Wohnungsmarkt gezwungen gewesen, in der Zeit vom 10. Februar 1994 - an diesem Tag habe er die Bundesbetreuungsstelle Reichenau verlassen müssen - bis zum 28. April 1994 in ständig wechselnden Wohnungen und zum Teil in einem Caritashaus in der Neustiftgasse zu nächtigen, ohne vorhersehen zu können, wie lange er jeweils bleiben dürfe. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, der Behörde in dieser Zeit eine Abgabestelle bekannt zu geben. Der Behörde sei bekannt gewesen, daß er ab dem 10. Februar 1994 über keine Unterkunft verfügt habe; es sei ihm auch weder mitgeteilt worden, daß er eine neue Abgabestelle bekanntzugeben habe, noch sei er darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung bei der Behörde möglich sei. Der angefochtene Bescheid sei am 2. März 1994 gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 durch Hinterlegung bei der belangten Behörde zugestellt worden.

Erstmals am 25. Mai 1994 habe der Beschwerdeführer durch Akteneinsicht seines Vertreters Kenntnis von der Erlassung des angefochtenen Bescheides erlangt. Er sei daher bis zu diesem Zeitpunkt durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Erhebung der Beschwerde gehindert gewesen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die belangte Behörde ist zunächst unter Hinweis auf § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 von der Anwendbarkeit dieses Gesetzes ausgegangen. Hierin ist ihr im Ergebnis zuzustimmen, weil am 1. Juni 1992, dem Tag des in seinem § 27 normierten Inkrafttretens dieses Gesetzes, das erstinstanzliche Verfahren zufolge Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vor diesem Datum bereits abgeschlossen, zu diesem Zeitpunkt aber eine Berufung dagegen - zufolge deren Einbringung erst am 3. Juni 1992 - und somit auch das Asylverfahren noch nicht bei der belangten Behörde anhängig war. Da somit im Beschwerdefall keiner der Tatbestände des § 25 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1991 erfüllt war, war gemäß § 27 Asylgesetz 1991 dieses Bundesgesetz anzuwenden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1993, Zl. 92/01/0831).

Gemäß § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 findet im Asylverfahren § 8 Abs. 2 Zustellgesetz mit der Maßgabe Anwendung, daß ohne vorherigen Zustellversuch die Hinterlegung bei der Behörde selbst erfolgt.

Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat die belangte Behörde am 24. Februar 1994 bei allen ihr zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesenen Abgabestellen und beim Zentralmeldeamt Nachforschungen über eine aktuelle Abgabestelle des Beschwerdeführers angestellt, die aber kein Ergebnis erbrachten. Daraus folgt, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar war, sodaß die belangte Behörde berechtigt war, die Zustellung des angefochtenen Bescheides gemäß den angeführten Gesetzesstellen im Wege der Hinterlegung bei der Behörde vorzunehmen. Die am 2. März 1994 vorgenommene Hinterlegung bewirkte somit eine rechtsgültige Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Beschwerdeführer. Die mangelnde Kenntnis von dieser Zustellung stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar (vgl. in diesem Zusammenhang die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 665 zur Frage der Ersatzzustellung angeführte Judikatur). Vielmehr wäre es, wie dies auch der Verfassungsgerichtshof in seinem auf Grund einer gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen, ebenfalls mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Parallelbeschwerde des Beschwerdeführers ergangenen Beschluß vom 29. September 1994, B 1133/94, ausgeführt hat, dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen, sich um den Fortgang des über seinen Asylantrag eingeleiteten Verfahrens zu kümmern und entsprechenden Kontakt mit den Asylbehörden wahrzunehmen.

Der Beschwerdeführer hat die Auffassung vertreten, die Unkenntnis des § 19 Asylgesetz 1991 bzw. des § 8 Zustellgesetz stelle einen bloß minderen Grad des Versehens dar. Diese Argumentation vermag seinem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gewertet werden können (vgl. die in Dolp, a.a.O, S. 648 f angeführte Judikatur).

Dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte daher nicht stattgegeben werden.

Gleichzeitig war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist (Hinterlegung des angefochtenen Bescheides am 2. März 1994, Einbringung der Beschwerde am 30. Mai 1994) zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191128.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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