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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der E und des FG, beide in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Februar 1992, GZ. 03-12 Za 12-92/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. MZ, 2. JZ, beide in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte - soweit sie für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - ist anzumerken, daß den mitbeteiligten Parteien mit Bescheid vom 6. November 1989 die Widmungsbewilligung und mit Bescheid vom 21. November 1989 die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 187/17, KG. S, erteilt worden ist. Mit dem Bescheid vom 21. März 1991 wurde auf Grund der "augenscheinlichen" Überprüfung vom 7. März 1991 eine Übertretung des § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstände) festgestellt und die sofortige Baueinstellung gemäß § 68 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968 verfügt. Mit dem Bescheid vom 25. April 1991 wurde auf Grund der Rohbaubeschau vom 16. April 1991 neuerlich eine Übertretung des § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 festgestellt, die Baueinstellung vom 21. März 1991 für das Keller- und Erdgeschoß des Wohnhauses aufgehoben und festgelegt, daß für den geplanten Dachgeschoßausbau des Wohnhauses und des Dachgeschoßausbaues über der Garage einschließlich der notwendigen Abänderung des bauordnungsgemäßen Mindestabstandes bei der Baubehörde neuerlich anzusuchen sei. Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Gemeinderates vom 19. Juni 1991 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid des Gemeinderates vom 19. Juni 1991 ist in Rechtskraft erwachsen.
2. Mit dem Bescheid vom 18. Juli 1991 wurde vom Bürgermeister den mitbeteiligten Parteien die (nachträgliche) Bewilligung "für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses, Herstellen des bauordnungsgemäßen Mindestabstandes und Ausbaues des Dachgeschoßes" auf dem Grundstück Nr. 187/17 mit verschiedenen Auflagen erteilt und die Baueinstellung vom 21. März 1991 "gänzlich" aufgehoben. Gleichzeitig wurden im Spruch dieses Bescheides die Einwendungen der Beschwerdeführer gemäß § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 als unbegründet abgewiesen, "da Balkone, Erker, Dachvorsprünge etc. von den Abstandsvorschriften ausgenommen sind". Begründet wurde dieser Bescheid - soweit es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist - im wesentlichen damit, daß das aufgehende Mauerwerk der Garage zum Grundstück Nr. 187/6 (der Beschwerdeführer) den bauordnungsgemäßen Mindestabstand für ein eingeschoßiges Gebäude aufweise. Der überdachte Balkon habe an der nordöstlichen Ecke eine Breite von 1,7 m. Durch diesen Dachvorsprung im Dachgeschoßbereich werde der Gesamteindruck des Gebäudes in architektonischer Hinsicht nicht verändert. Im übrigen werde auf den § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 verwiesen, wonach Balkone, Erker, Dachvorsprünge usw. von den Abstandsvorschriften ausgenommen seien. Der vorliegende Dachvorsprung sei in technischer Hinsicht nicht als vorspringendes Geschoß anzusehen.
3. Gegen den Bescheid vom 18. Juli 1991 erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Sie begründeten ihre Berufung im wesentlichen damit, es seien zwar Balkone und Erker bei der Berechnung des Mindestabstandes zur Grundstücksgrenze nicht miteinzurechnen, doch handle es sich bei der vorliegenden Konstruktion um ein in seiner Gesamtheit vorspringendes Geschoß. Dieser Gebäudevorsprung sei nur dadurch entstanden, daß die mitbeteiligten Parteien durch die Rückversetzung der Wand des Erdgeschoßes sozusagen als "Notlösung" den bauordnungsgemäßen Zustand herstellen wollten. Der dadurch allerdings entstandene Gebäudevorsprung, der ein ausgebautes Dachgeschoß samt französischem Balkon beherberge, sei dadurch an seiner ausladendsten Stelle 1,7 m breit. Die Entfernung zum Nachbargrundstück betrage somit nur mehr 1,3 m. Die Außenwand des Gebäudes im Erdgeschoß stelle vom optischen Eindruck her gesehen nicht mehr die Gebäudefront dar. Als Gebäudefront sei eindeutig das Dachgeschoß anzusehen, welches wegen seiner ausladenden Bauweise den optisch prägenden Eindruck vermittle.
§ 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 lege fest, daß der Gebäudeabstand vom aufgehenden Mauerwerk und nicht von vorspringenden Bauteilen zu rechnen sei. Es sei allerdings zu bedenken, daß das ausgebaute Dachgeschoß nach wie vor einen Teil des aufgehenden Mauerwerks darstelle und dieses Mauerwerk nur im Erdgeschoß zurückgesetzt worden sei. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß der Berechnung des Mindestabstandes der ursprüngliche Standort der Mauer zugrunde zu legen sei. Weiters sei zu bedenken, daß mit vorspringenden Bauteilen nur solche gemeint sein könnten, die - wie eben bei Balkonen und Erkern üblich - nach einer gewissen Bauhöhe wieder auf das ursprüngliche Niveau des aufgehenden Mauerwerks zurückspringen würden. Dies sei jedoch im Beschwerdefall nicht der Fall. Das ausgebaute Dachgeschoß trage natürlich auch das Dach, welches die gesamte überbaute Fläche bedecke. Dieser Geschoßvorsprung beherberge auch ein ausgebautes Dachzimmer, dessen Boden nach Rückversetzung der Mauer nun teilweise schwebend über die zurückversetzte Mauer hinausrage. Es handle sich um den Teil eines Zimmers, einen davorliegenden französischen Balkon und die Dachkonstruktion, welche Zimmer und französischen Balkon überspanne. Die Auffassung, daß Balkone, Erker, Dachvorsprünge etc. bei der Berechnung des Mindestabstandes unberücksichtigt bleiben könnten, könne schon deswegen nicht zielführend sein, weil die Behörde es unterlassen habe festzustellen, wie dieser Gebäudevorsprung nun tatsächlich rechtlich zu qualifizieren sei. Das Gutachten des technischen Sachverständigen führe aus, daß dieser Gebäudevorsprung ein "überdachter Balkon" sei. Gründe dafür sei das Gutachten jedoch schuldig geblieben. Dadurch werde die Behörde in ihrer Beweiswürdigung eingeengt, weil die technische Zuordnung dieses Gebäudevorsprunges Grundlage für eine rechtliche Qualifikation hätte liefern müssen. Die lapidare Feststellung, daß es sich um einen überdachten Balkon handle, ohne weitere Gründe dafür anzugeben, sei ein Vorgriff auf die behördliche Beweiswürdigung. Im übrigen seien nicht alle verfahrensrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden, weil gemäß § 52 Abs. 1 AVG die Behörde die ihr beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen beizuziehen habe; gemäß § 52 Abs. 2 AVG sei es ihr nur in Ausnahmefällen gestattet, nicht-amtliche Sachverständige beizuziehen. Ein solcher Ausnahmefall liege im gegenständlichen Verfahren nicht vor, da ein bautechnischer Amtssachverständiger verfügbar gewesen sei. Aus dem gesamten Akteninhalt ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Amtssachverständiger nicht zur Verfügung gestanden wäre. Es bedeute eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Behörde ohne Vorliegen eines Ausnahmefalles andere Sachverständige heranziehe. Außerdem stelle die Bestellung eines nicht-amtlichen Sachverständigen einen verfahrensrechtlichen - und im Instanzenzug anfechtbaren - Bescheid dar. Tatsächlich habe eine solche Bestellung auch nicht stattgefunden, der Sachverständige N. sei nur durch Ladung zur Verhandlung beigezogen worden. Auch hierin sei eine grobe Verletzung des Verfahrensrechtes gelegen.
4. Mit dem Bescheid vom 2. November 1991 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer vom Gemeinderat abgewiesen und der Bescheid vom 18. Juli 1991 bestätigt. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach dem Gutachten des Sachverständigen der Gesamteindruck des Gebäudes in architektonischer Hinsicht nicht verändert werde, jedoch das aufgehende Mauerwerk der Garage den bauordnungsgemäßen Mindestabstand für ein eingeschoßiges Gebäude aufweise. Somit ergebe sich ein Mindestabstand von 3 m (Geschoßanzahl vermehrt um 2). Die Abstandsvorschrift nach § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 gelte nur für Gebäude, nicht für Balkone. Der Gebäudeabstand sei vom aufgehenden Mauerwerk, nicht jedoch von vorspringenden Bauteilen zu berechnen. Der überdachte Balkon sei kein vorspringendes Geschoß; dies ergebe sich aus der technischen Bewertung durch den Sachverständigen. Auch die Behörde sei zu diesem Schluß gekommen, da der Begriff Gebäudefront, der in der Bauordnung nicht näher bestimmt werde, die Frage offen lasse, ob und bejahendenfalls welche Vorsprünge von der Gebäudewand zu beachten seien. Nach dem Auslegungsgrundsatz: "im Zweifel für die Baufreiheit" habe die Behörde in Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gemäß § 45 Abs. 2 AVG nicht anders entscheiden können. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführer werde im Gutachten der strittige Teil als "Balkon" bezeichnet. Das Gutachten sei schlüssig. Als Gegenbeweis gegen ein schlüssiges Sachverständigengutachten sei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Beweismittel auf gleicher fachlicher Ebene, also ein Gutachten eines anderen Sachverständigen, erforderlich. Ein solches Gutachten hätten die Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Die Nichtbeiziehung von Amtssachverständigen sei nicht willkürlich erfolgt, der Amtssachverständige sei im Beschwerdefall nicht verfügbar gewesen.
5. Gegen den Bescheid vom 2. November 1991 erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung und wiederholten darin im wesentlichen ihre Berufungsgründe. Im besonderen wiesen sie darauf hin, daß auch das Gutachten des Sachverständigen zum Inhalt habe, daß der Gesamteindruck des Gebäudes in architektonischer Hinsicht nicht verändert werde. Am tatsächlichen Zustand und am Erscheinungsbild des Bauwerkes habe sich daher nichts geändert. Am Dachgeschoß seien keinerlei Veränderungen vorgenommen worden; daher bestünde ein Großteil des aufgehenden Mauerwerkes nach wie vor, nämlich im ausgebauten Dachgeschoß. Daraus ergebe sich, daß das aufgehende Mauerwerk des ausgebauten Dachgeschoßes zur Berechnung des Mindestabstandes heranzuziehen sei. Es sei verfehlt, wenn die Behörde glaube, sich durch den Grundsatz "im Zweifel für die Baufreiheit" der Sorgen um eine genaue Qualifikation des Gebäudevorsprunges entledigen zu können. Das technische Gutachten sei unvollständig geblieben, weil es nicht die Grundlagen für eine rechtliche Qualifikation des Gebäudevorsprunges liefere.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. Februar 1992 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Sie begründete ihren Bescheid im wesentlichen damit, daß auch von den Beschwerdeführern nicht bestritten werde, daß mit bestimmten Bauteilen (z.B. Balkone, Erker u.dgl.) in der Abstandsfläche gebaut werden dürfe, es sei denn, es würde der Eindruck vermittelt, die Außenwand des Gebäudes sei gar nicht mehr die Gebäudefront.
Entscheidungswesentlich für den vorliegenden Fall sei daher, ob der vom Sachverständigen als überdachter Balkon qualifizierte Dachgeschoßausbau tatsächlich als solcher zu qualifizieren sei und ob trotz Anwendung des Grundsatzes "im Zweifel für die Baufreiheit" nicht der Eindruck vermittelt werde, daß beim verfahrensgegenständlichen Bauwerk die Außenwand gar nicht mehr die Gebäudefront sei. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handle es sich bei Balkonen durchwegs um vorspringende - horizontale oder vertikale - Gliederungen des Gebäudes, denen der Charakter eines Raumes fehle. Festzustellen sei weiters, daß es sich beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handle, in welchem es nicht darauf ankomme, welcher Zustand bestünde, sondern darauf, welcher Zustand nach Verwirklichung des Projekts herbeigeführt werden solle. Es habe daher auch das Projekt des Bauwerbers Grundlage des Sachverständigengutachtens zu sein. Dem der Baubewilligung zugrunde liegenden Plan sei zu entnehmen, daß das Dachgeschoß derart ausgebaut werden solle, daß sich im betreffenden Abschnitt ein Zimmer im Ausmaß von 14,54 m2 befinde, dessen Außenwand parallel, und zwar im Abstand von 3 m, zur Grundstücksgrenze verlaufe. An dieses Zimmer schließe ein sich verjüngender Balkon an, der in die gesetzlich vorgeschriebene Abstandsfläche hineinrage. Daß dieser Balkon den Charakter eines Raumes aufweise, könne dem Plan nicht entnommen werden, wie auch nicht, daß die Außenwand des Erdgeschoßes gar nicht mehr die Gebäudefront des verfahrensgegenständlichen Bauwerkes darstelle. Daß der gesetzliche Mindestabstand vom aufgehenden Mauerwerk des Erdgeschoßes zum Grundstück der Beschwerdeführer eingehalten werde und dies nur durch die Zurückversetzung der Mauer der errichteten Garage erreicht worden sei, sei dem Verwaltungsakt zweifelsfrei zu entnehmen und sei auch nie bestritten worden. Unbestritten sei auch, daß es sich dabei auch um eine im nachhinein konstruierte Notlösung handle und der Gesamteindruck des Bauwerkes unverändert bleibe. Dies wäre auch rechtlich unerheblich, da die Baubehörde sogar verpflichtet sei, dem Bauwerber die Abänderung des Projektes nahezulegen, wenn dadurch ein gesetzwidriger Zustand beseitigt werden könne. Den Nachbarn stünde kein Recht auf Beiziehung eines bestimmten Sachverständigen im Widmungs- und/oder Baubewilligungsverfahren zu. Ziehe die Behörde im Ausnahmefall einen anderen als der Gemeinde zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen einem Verfahren bei, ohne sich nachweislich zu vergewissern, ob ein anderer Sachverständiger zur Verfügung gestanden wäre, so stünde dies ausschließlich unter Kostensanktion, beeinflusse die Beweiskraft des erstatteten Gutachtens jedoch nicht. Es erübrige sich daher, näher auf die Ausführungen der Beschwerdeführer einzugehen.
7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der beantragt wird, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, die im § 61 Abs. 2 lit. d und k der Steiermärkischen Bauordnung 1968 verankert sind (Nichteinhaltung der Mindestabstände gemäß § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 und Überschreitung der ortsüblichen Belastungen durch Immissionen gemäß § 4 der Steiermärkischen Bauordnung und § 5 der Steiermärkischen Garagenordnung), verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß in der Beschwerde als belangte Behörde das "Amt der Steiermärkischen Landesregierung als baubehördliche Aufsichtsbehörde" bezeichnet ist. Aus diesem Grund wurde in der Gegenschrift der Steiermärkischen Landesregierung "die mangelnde Passivlegitimation" eingewendet. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß dann eine derartige Bezeichnung der belangten Behörde als ausreichend anzusehen ist, wenn nach dem Inhalt der Beschwerde in Verbindung mit den maßgebenden Organisationsvorschriften (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 21. März 1986, Slg.Nr. 12088/A) kein Zweifel über das Organ besteht, für das die Dienststelle tätig wurde (vgl. dazu Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 107, und die dort zitierte hg. Judikatur). Dies ist im Beschwerdefall gegeben.
2. Die Beschwerdeführer behaupten, daß die ursprüngliche Baugenehmigung vom 21. November 1989 lediglich die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses zum Inhalt gehabt habe und die Errichtung einer Garage gar nicht beantragt und auch nicht bewilligt worden sei. Auch die Baubewilligung vom 18. Juli 1991 bewillige lediglich die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses, nunmehr mit erhöhter Quadratmeteranzahl im ausgebauten Dachgeschoß, jedoch nicht die Errichtung einer Garage.
Dieses Beschwerdevorbringen ist aktenwidrig. Wie sich aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, war von Anfang an die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses unter Einschluß einer Garage beantragt und bewilligt worden.
3. Nach dem Beschwerdevorbringen habe es die Behörde unterlassen, gemäß § 5 Abs. 1 der Steiermärkischen Garagenordnung von Amts wegen zu prüfen, ob nicht größere Abstände zur Grundgrenze vorzuschreiben gewesen wären. Auch § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 normiere, daß die Behörde größere als die im Abs. 1 leg.cit. festgelegten Abstände festsetzen könne, wenn der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft erwarten lasse. Das Wort "kann" normiere kein Ermessen, sondern sei als Verpflichtung zu interpretieren.
Zu Recht verweist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang darauf, daß die Beschwerdeführer die Verletzung dieser subjektiv-öffentlichen Rechte erstmals in der Beschwerde vorbringen. Dies ist aber unzulässig, sind sie doch damit deshalb bereits präkludiert, weil sie diese Einwendungen nicht bereits gemäß § 42 AVG spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht haben.
4. Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, daß wegen des Ausbaues des Dachgeschoßes kein ebenerdiges Gebäude mehr vorliege, es erhöhe sich daher der Mindestabstand gemäß § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 auf 4 m. Auf diesen Umstand hätte die Behörde einzugehen gehabt, da die Behörde sogar verpflichtet sei, dem Bauwerber die Abänderung des Projektes nahezulegen, wenn dadurch ein gesetzwidriger Zustand beseitigt werden könne.
Damit sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1991, muß eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als sich durch die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht ausführt, wird allein durch die geänderte Nutzung des Dachbereiches die abstandsbegründende Wirkung des (bereits unter Einschluß des Dachvorsprunges rechtskräftig bewilligten) Gesamtobjektes nicht geändert, soferne nicht - was im Zusammenhang mit dem unter 5. dargestellten Beschwerdevorbringen zu beurteilen ist - die Gebäudefront an sich verändert werden soll oder durch die Errichtung des Balkons u.dgl. der Eindruck vermittelt wird, daß die Außenwand des Gebäudes nicht mehr die Gebäudefront ist (vgl. dazu Hauer, Steiermärkisches Baurecht, 2. Auflage, Anmerkung 6 zu § 4 BO, S. 59). Der gesetzliche Mindestabstand gemäß § 4 Abs. 1 leg.cit. ergibt sich aus der Geschoßanzahl - im Beschwerdefall im Hinblick auf die unveränderte Höhe des rechtskräftig bewilligten Dachbereiches ein Geschoß (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/06/0074) - und nicht aus dem Verwendungszweck, da er nach § 4 Abs. 3 leg. cit. (wonach dann "größere Abstände als die im Abs. 1 festgelegten", festzusetzen sind, wenn der Verwendungszweck eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft erwarten läßt) zu berücksichtigen ist. Es stößt daher auf keine Bedenken, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß sich die Geschoßzahl nicht verändert hat.
5. Auf das Wesentliche zusammengefaßt bringen die Beschwerdeführer (neuerlich) vor, daß es sich bei dem strittigen Gebäudevorsprung entgegen den Aussagen des Gutachters nicht um einen "überdachten Balkon" handle. Tatsächlich beherberge der Gebäudevorsprung in seiner gesamten Länge einen gleich breiten Balkon sowie Teile des ausgebauten Dachgeschoßes, also einen mit Mauern umschlossenen Gebäudeteil. Die Mauer sei nur im Erdgeschoß zurückversetzt worden. Dies ergebe sich aus den Plänen des Dachgeschoßes, die jedoch aus unerfindlichen Gründen nicht mehr im Bauakt einliegen würden. Der im Bauakt einliegende Plan des Erdgeschoßes sei insofern unrichtig, als die Säule am ausladendsten Teil des Gebäudevorsprunges nicht mehr bestünde und der Überhang in seiner Gesamtheit als Balkon bezeichnet werde.
Dem ist zum einen zu entgegnen, daß es - wie dies die belangte Behörde zu Recht im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat - im Projektgenehmigungsverfahren auch im Zusammenhang mit einer nachträglich beantragten Baubewilligung nicht auf die TATSÄCHLICHE Situation, sondern auf die zur Bewilligung vorgelegten Pläne ankommt. Die der Baubewilligung zugrunde gelegten (in den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten befindlichen) Pläne ergeben offenkundig, daß im Dachgeschoß die Gebäudefront in gleicher Weise zurückversetzt gestaltet werden soll, wie im Erdgeschoß im Bereich der Garage. Daß durch den Balkon allein der Eindruck vermittelt würde, es handle sich bei der Außenwand gar nicht mehr um die Gebäudefront, ist im Beschwerdefall nicht erkennbar. Es handelt sich daher nach den Plänen im strittigen Gebäudeteil um einen überdachten Balkon, der gemäß § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 im Mindestabstandsbereich errichtet werden darf. Sofern TATSÄCHLICH in der Natur - wie die Beschwerdeführer behaupten - auch ein Teil des "Balkons" als umschlossener Raum ausgestaltet ist, ist dies im Beschwerdefall ohne Belang, weil sich darauf die im Beschwerdefall maßgebliche Baubewilligung nicht bezieht; dieser Umstand ist daher für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ohne Bedeutung.
6. Die Beschwerdeführer sehen schließlich in dem Umstand, daß entgegen § 52 AVG ein nicht-amtlicher Sachverständiger im Verwaltungsverfahren tätig geworden ist, eine Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Dem ist entgegenzuhalten, daß ein Verfahrensmangel dieser Art überhaupt nur dann von Bedeutung wäre, wenn er - wäre er nicht aufgetreten - zu einer anderen Entscheidung der Behörde geführt hätte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1991, Zl. 90/06/0146). Weder aus der Beschwerde noch auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich irgendein Hinweis, daß ein allfälliger Verwaltungsverfahrensmangel dieser Art in diesem Sinne wesentlich gewesen wäre. Das Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere. Darauf, ob den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang ein subjektives Recht zusteht, braucht daher nicht eingegangen zu werden.
7. Da dem Bescheid der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit angelastet werden kann, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Anrufung der obersten Behörde Behördenbezeichnung Behördenorganisation MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992060067.X00Im RIS seit
03.05.2001