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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1968 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Holeschofsky, Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Dezember 1994, Zl. 4.341.470/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ghanas, reiste am 20. April 1992 in das Bundesgebiet ein und beantragte am darauffolgenden Tag, ihm Asyl zu gewähren. Er wurde am 28. Oktober 1992 von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark niederschriftlich befragt und gab dabei im wesentlichen an, in seiner Heimat zehn Jahre lang als Soldat gedient zu haben. Vor der Wahl im Jahre 1992 sei ihm durch die Opposition eine Beförderung in Aussicht gestellt worden. Da jedoch sein "alter Kommandant" geblieben sei, sei seine Beförderung und damit auch eine Lohnerhöhung ausgeblieben. Da er nicht zu den selben Bedingungen als Soldat weiterarbeiten habe wollen, habe er mit etwa zwanzig anderen jungen Männern die Einheit verlassen. Grund dafür sei gewesen, daß er bei der Beförderung und auch bei der Verleihung von Auszeichnungen nicht berücksichtigt worden sei. Er habe in Ghana für sich keine Zukunft mehr gesehen, weshalb er schließlich nach Österreich gekommen sei, weil er glaube, daß es ihm hier besser gehen werde. Es sei ihm in Ghana nicht möglich gewesen, als Facharbeiter eine Beschäftigung zu finden; alle Landsleute, besonders die, die der protestantischen Religionsgemeinschaft angehörten, würden nur als Hilfsarbeiter Arbeit finden. "Andere Asylgründe" habe er nicht. Er sei in seiner Heimat weder inhaftiert noch von der Polizei geschlagen oder auch nur vernommen worden. Seine Unzufriedenheit habe sich auf das Ausbleiben der in Aussicht gestellten Beförderung und der damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteile gegründet.
Im übrigen verwies der Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Asylgründe auf eine schriftliche Zusammenfassung, die er unter einem vorlegte.
Mit Bescheid vom 10. November 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 23. Dezember 1992 zugestellt.
In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er von 1982 bis 1992 Soldat bei der "C.D.R." gewesen sei, wobei es sich um eine Sicherheits- bzw. Geheimpolizei der Regierung gehandelt habe; er verwies auf eine im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Mitgliedskarte sowie eine Kopie seines Ausbildungszeugnisses. Er habe mit anderen im Auftrag der Regierung beobachtet, ob sich oppositionelle Strömungen zeigten. Er habe mehr und mehr bemerkt, wie sehr die Politik der Regierung gegen die Menschenrechte verstoßen habe. So seien willkürliche Verhaftungen häufig vorgekommen, auch seien Menschen ohne Gerichtsverhandlung über Jahre gefangen gehalten worden, es habe überdies keine Versammlungs- und Redefreiheit gegeben. Er habe daher geheim immer mehr mit der Opposition zusammenzuarbeiten begonnen. Ein offenes Auftreten für die Opposition sei verboten und - insbesondere für ein Mitglied der "C.D.R." - sehr gefährlich gewesen. Nachdem die Regierung demokratische Wahlen für den 28. April 1992 in Aussicht gestellt habe, habe er jedoch offen für die Opposition zu arbeiten begonnen. Bereits vor den Wahlen habe jedoch die Regierung Oppositionelle willkürlich verhaftet. Die Regierung habe dann auch die Wahlen gewonnen. In der Nacht vom
29. zum 30. März 1992 habe ihn ein Freund angerufen und informiert, daß zwanzig Oppositionelle in Accra verhaftet worden seien und daß sich auch der Beschwerdeführer in großer Gefahr befinde, verhaftet zu werden. Da er befürchtet habe, für eine lange Zeit eingesperrt, mißhandelt oder sogar getötet zu werden, habe er die Flucht angetreten.
Mit dem Bescheid vom 21. Dezember 1994 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Über die dagegen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber angesichts der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nach dem 1. Juni 1992 - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat; diese Bestimmung führte aber zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Danach ist Flüchtling nur eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 1995, Zl. 94/19/1415).
Die belangte Behörde hat das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers als im Widerspruch zu dem in erster Instanz erstatteten stehend und daher als unglaubwürdig angesehen. Folge man jedoch den Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz, so liege keiner der vom Gesetz geforderten Fluchtgründe vor. Der Beschwerdeführer habe nämlich ausschließlich wirtschaftliche Gründe angegeben, die ihn zu seiner Ausreise aus Ghana bewogen hätten.
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, daß der seiner Vernehmung in erster Instanz beigezogene Dolmetscher kein Amtsdolmetscher im Sinne des § 39a AVG gewesen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin die behauptete Mangelhaftigkeit nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist nämlich § 11 AsylG (1968) dahin zu verstehen, daß sich die Behörde nicht eines Amtsdolmetschers bedienen muß (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1994, Zl. 94/19/0178 mwN). Warum aber die als Dolmetsch beigezogene Person, die vom Beschwerdeführer ausdrücklich als "Freund" bezeichnet wurde und diesen nach der Aktenlage durch längere Zeit mit Essen versorgte, im Falle ihrer Beeidigung mit größerer Sorgfalt übersetzt hätte, vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen.
Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, auf das in englischer Sprache (eine deutsche Übersetzung wurde nach der Aktenlage nicht angefertigt) beigelegte Schreiben des Beschwerdeführers einzugehen, auf das dieser hinsichtlich seiner Asylgründe bei seiner Vernehmung am 28. Oktober 1992 verwiesen hat. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, daß darin der Beschwerdeführer ausführe, daß er sich gemeinsam mit der Opposition gegen das Referendum vom 28. April 1992 ausgesprochen und zu dessen Boykott aufgerufen hätte und (daher) von "Sicherheitsagenten" überwacht worden sei, gibt offensichtlich den asylrechtlich relevanten Inhalt dieses Schreibens nicht vollständig wieder, sodaß das Verfahren schon aus diesem Grunde mangelhaft geblieben ist. Die belangte Behörde hat sich aber auch im bekämpften Bescheid selbst nicht mit dem von ihr festgestellten Inhalt des Schreibens auseinandergesetzt. Damit sind aber der belangten Behörde Verfahrensmängel unterlaufen, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190007.X00Im RIS seit
20.11.2000