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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Gemeinderats der Stadt Graz vom 2. März 1995, Zl. A 17-K-12.087/1994-5, betreffend Einwendungen gegen eine Widmungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: X-GesmbH), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz vom 20. Dezember 1994, GZ. A 17-K-12.087/1994-3, wurde der mitbeteiligten Partei die Bewilligung der Änderung der Widmung des Grundstückes Nr. 89/1, 90/3 und Nr. 1150, EZ 26, KG P, unter Vorschreibung von Bebauungsgrundlagen und Auflagen erteilt. Gegen diese Bewilligung erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führt die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, daß dem Nachbarn nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968 nur ein beschränktes Mitwirkungsrecht im Bauverfahren zukomme. Gemäß § 61 Abs. 2 könne der Nachbar gegen die Erteilung einer Widmungsbewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. In § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 seien alle Vorschriften erschöpfend aufgezählt, aus denen Nachbarrechte erwachsen. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG sei die Berufungsbehörde bei ihrer Entscheidung auf jenen Themenkreis beschränkt, in dem der Nachbar mitzuwirken berechtigt ist.
Nach Darstellung der Funktion einer Widmungsbewilligung wird ausgeführt, daß der Widmungsgrund gemäß der Ausweisung im Flächenwidmungsplan 1992 im "Reinen Wohngebiet" mit einer Bebauungsdichte von 0,1 bis 0,6 liege. Gemäß § 3a der Steiermärkischen Bauordnung 1968 besitze der Bewilligungswerber einen Rechtsanspruch auf die Ausschöpfung der für das Baugebiet im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Bebauungsdichte. Gemäß dieser Bestimmung besitze die Behörde bei Festsetzung der Bebauungsdichte und des Verwendungszweckes kein Planungsermessen mehr und könne die Behörde lediglich die im Flächenwidmungsplan festgesetzten Werte im Widmungsbescheid wiedergeben. Zu den in der Berufung geltend gemachten zu erwartenden Lärmimmissionen wird darauf hingewiesen, daß der Berufungswerber nicht habe angeben können, welche Bebauungsgrundlagen diese Lärmimmissionen verursachen sollten, wobei abgesehen davon anläßlich der Verhandlung lediglich gerügt worden sei, daß das Verkehrsaufkommen auf der öffentlichen Verkehrsfläche zunehmen könnte. Dazu wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, entsprechend der der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf besitze, daß die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen durch ein Bauvorhaben nicht zunehmen. Zum Vorbringen, daß das Bauvorhaben nicht den Bebauungsgrundlagen entspreche, habe der Berufungswerber selber bekanntgegeben, daß dies im späteren Bauverfahren zu erörtern sein werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Sache nach die Verletzung des dem Beschwerdeführer aus § 23 Abs. 5 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz erwachsenden subjektiv-öffentlichen Rechts "auf bescheinigte Einhaltung der Widmungsmaße bei Lärm und Luft" bzw. die Einhaltung der gesetzlich zulässigen Bebauungsdichte geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die erteilte Widmungsänderungsbewilligung, "weil die Lärm- und Luftgütesituation durch das Projekt belästigende Ausmaße erreichen würde, die Festlegung des Bebauungsgrades und der Bebauungsdichte nicht nachvollziehbar" sei und der "Gebietscharakter gestört werde". Er weist in der Beschwerde auf § 23 Abs. 5 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz hin und erblickt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens darin, daß die Behörde nicht Sachverständige zu der Frage beigezogen hat, ob das Projekt der bestehenden Flächenwidmung eines reinen Wohngebiets entspricht und keine den Wohncharakter des Gebietes widersprechende Belästigungen erfolgen würden.
Das Widmungsgrundstück (auf dem 14 Wohneinheiten und 15 Stellplätze für PKWs errichtet werden sollen) liegt im "Reinen Wohngebiet" gemäß § 23 Abs. 5 lit. a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz.
§ 23 Abs. 5 lit. a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz, LGBl. Nr. 127/1974, in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 41/1991, lautet:
"a) reine Wohngebiete, das sind Flächen, die ausschließlich für Wohnbauten bestimmt sind, wobei auch Nutzungen, die zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Bewohner des Gebietes dienen (Kindergärten, Schulen, Kirchen, u.dgl.) oder die dem Gebietscharakter nicht widersprechen, zulässig sind;"
Daraus ergibt sich, daß Wohnbauten im reinen Wohngebiet schlechthin zulässig sind. Die Beurteilung, ob eine Anlage oder ein Vorhaben dem Gebietscharakter widerspricht, ist allenfalls im Zusammenhang mit der Widmung für sonstige Nutzungen vorzunehmen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu vergleichbaren Widmungskategorien ausgesprochen hat, ist in Wohngebieten die Errichtung von Wohnbauten zulässig und sind die von einem Wohnhaus im Wohngebiet typischerweise ausgehenden Immissionen von Nachbarn hinzunehmen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens betreffend derartige Immissionen ist - sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen - nicht erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 93/06/0173, zur Widmungskategorie "Wohngebiet" gemäß § 12 Tiroler Raumordnungsgesetz 1972, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. April 1984, Zl. 83/06/0246, zur Frage, ob Wohnbauten in der Widmung "Wohngebiet" als Quelle von Belästigungen im Sinne des § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 angesehen werden können). In dem genannten Erkenntnis vom 20. Oktober 1994 hat der Verwaltungsgerichtshof auch festgehalten, daß die von den Beschwerdeführern in den Vordergrund gestellte relative Größe des Vorhabens daran nichts zu ändern vermag. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Der Umstand, daß es sich bei dem Gebiet, in welchem das Projekt der Mitbeteiligten zur Ausführung gelangen soll, nach dem Beschwerdevorbringen um eine Villengegend handelt, ändert an der rechtlichen Qualifikation im Hinblick auf § 23 Abs. 5 lit. a Steiermärkisches Raumordnungsgesetz nichts. In Ermangelung einer Differenzierung durch den Landesgesetzgeber hinsichtlich der Zulässigkeit von Wohnbauten im reinen Wohngebiet geht das entsprechende Beschwerdevorbringen ins Leere. Es liegt daher insoferne weder der behauptete Verfahrensmangel noch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor.
Unbegründet ist aber auch das Beschwerdevorbringen im Hinblick auf die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Bebauungsdichte. Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang selbst zutreffend auf § 3a Steiermärkische Bauordnung 1968 hin, dem zufolge der Antragsteller auf die Ausschöpfung der für Baugebiete im Flächenwidmungsplan festgesetzten höchstzulässigen Bebauungsdichte einen Anspuch besitzt. Die Beschwerde tritt der Feststellung im angefochtenen Bescheid, daß für das fragliche Gebiet eine Bebauungsdichte von 0,1 bis 0,6 festgesetzt ist, nicht entgegen. Die festgesetzte Bebauungsdichte von 0,1 bis 0,6 entspricht daher den gesetzlichen Grundlagen und dem im Einzelfall anzuwendenden Flächenwidmungsplan. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rechtsrüge, daß die Behörde übersehe, daß der dargestellte Rechtsanspruch nur dann gegeben ist, "wenn keine zusätzlichen Überlegungen dazukommen", verfängt im Beschwerdefall nicht. Wohl trifft es zu, daß gemäß § 3a in bestimmten Fällen die Ausschöpfung der höchstzulässigen Bebauungsdichte nicht zulässig ist (wenn ein Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien näheres bestimmen bzw. wenn andere baurechtliche Bestimmungen der Ausschöpfung entgegenstehen), doch ergibt sich auch aus dem Beschwerdevorbringen nicht, daß die dargestellten Ausnahmetatbestände im Beschwerdefall eingriffen. Es kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid davon ausgeht, daß § 3a Steiermärkische Bauordnung 1968 im konkreten Fall die Ausschöpfung der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Bebauungsdichte ermöglicht.
Auch die Ausführungen in der Beschwerde zur Festsetzung des Bebauungsgrades vermögen keine Unsachlichkeit der Beurteilung der belangten Behörde und damit eine Gesetzwidrigkeit bei der Ausübung des Planungsermessens gemäß § 3 Stmk BauO 1968 aufzuzeigen (vgl. zur Ausübung des Planungsermessens bei der Festlegung der Bebauungsgrundlagen das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1974, VwSlg 8694 A und das Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 90/06/0172, 0174). Insbesondere vermag der Umstand, daß es sich bei dem in Rede stehenden Gebiet um eine Villengegend handle, keine Gesetzwidrigkeit der vorgenommenen Festsetzung des Bebauungsgrades mit 0,25 zu begründen, zumal ein Bebauungsgrad in dieser Höhe in Relation zu der nach § 3a Stmk BauO 1968 iVm dem geltenden Flächenwidmungsplan zwingend mit 0,6 festzusetzenden Bebauungsdichte steht. Insbesondere ist festzuhalten, daß der Bebauungsgrad allein nicht dafür maßgeblich ist, ob ein Gebiet den Charakter eines Villengebiets aufweist, aber umgekehrt im Falle einer Festsetzung des Bebauungsgrades mit weniger als 0,25 bei einer zwingend vorgegebenen Bebauungsdichte von 0,6 entweder die Errichtung eines relativ hohen Gebäudes zulässig wäre oder aber (bei gleichzeitiger Festsetzung einer maximalen Höhe) die Bebauungsdichte nicht ausgeschöpft werden könnte, ohne daß ein Hinderungsgrund im Sinne des § 3a Stmk BauO 1968 vorläge. In der Beschwerde wird auch nichts vorgebracht, was Zweifel an der Sachverhaltsannahme in dem der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverständigengutachten hinsichtlich der in der Umgebung bestehenden Bebauungsgrade wecken könnte. Daß der festgelegte Bebauungsgrad dem Flächenwidmungsplan oder einem Bebauungsplan widerspräche, wird auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
Wenngleich es zutrifft, daß - wie in der Beschwerde abschließend festgehalten wird - der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einhaltung des Bebauungsgrades und der Bebauungsdichte - unbeschadet des § 3a Stmk BauO 1968 - ein subjektives Recht besitzt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1982, Zl. 82/06/0048, 0049, und vom 28. November 1991, Zl. 90/06/0172, 0174), haben somit Verletzungen dieses subjektiven Rechts nicht stattgefunden.
Zu den weiteren Verfahrensrügen der Beschwerde ist auszuführen, daß der Beschwerdeführer nicht dartut, inwiefern die Behörde zu anderen Ergebnissen hätte kommen können, wenn ihm die Gelegenheit zur Abgabe der von ihm genannten Stellungnahmen zum Protokoll vom 11. August 1994 und zur ergänzenden Stellungnahme des Stadtplanungsamtes gegeben worden wäre. Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Wesentlichkeit eines diesbezüglich allenfalls vorliegenden Verfahrensmangels aufzuzeigen (vgl. zur Frage der Darlegung der Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen des Parteiengehörs die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., 610, wiedergegebene Judikatur).
Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen daher nicht vor. Da dies bereits aufgrund der Beschwerde ersichtlich ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung abzuweisen.
Schlagworte
Sachverständiger Entfall der BeiziehungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweismittelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren BerufungParteiengehör RechtsmittelverfahrenParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060095.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
25.02.2010