Entscheidungsdatum
10.09.2024Index
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
StbG §34Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a E. Lechner, LL.M. über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16.10.2023, Zl ***, betreffend die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 16.10.2023, Zl STB-S30.857/52-2023, wird ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, geboren am 19.03.1994 in Y, war auf Grund der *** Staatsangehörigkeit ihres Vaters *** Staatsangehörige. Sie ist seit **** in Österreich dauerhaft aufhältig, hat hier die Volks- und Hauptschule besucht, die Lehre als Einzelhandelskauffrau / Textil erfolgreich absolviert und im Anschluss als Einzelhandelskauffrau gearbeitet. Am XX.XX.XXXX gebar sie ihre Tochter BB in X. Im W haben die Beschwerdeführerin und ihre Tochter nie gelebt. Die Beschwerdeführerin, geboren am 19.03.1994 in Y, war auf Grund der *** Staatsangehörigkeit ihres Vaters *** Staatsangehörige. Sie ist seit **** in Österreich dauerhaft aufhältig, hat hier die Volks- und Hauptschule besucht, die Lehre als Einzelhandelskauffrau / Textil erfolgreich absolviert und im Anschluss als Einzelhandelskauffrau gearbeitet. Am römisch XX.XX.XXXX gebar sie ihre Tochter BB in römisch zehn. Im W haben die Beschwerdeführerin und ihre Tochter nie gelebt.
Mit Antrag vom 01.10.2018 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und deren Erstreckung auf ihre Tochter.
Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23.01 2019, ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 11a Abs 4 Z 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und die Verleihung gemäß § 17 Abs 1 Z 1 StbG auf ihre Tochter BB, geboren am XX.XX.XXXX in X, erstreckt. Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23.01 2019, ***, wurde der Beschwerdeführerin gemäß Paragraph 11 a, Absatz 4, Ziffer 2, des Staatsbürgerschaftsgesetzes (StbG) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und die Verleihung gemäß Paragraph 17, Absatz eins, Ziffer eins, StbG auf ihre Tochter BB, geboren am römisch XX.XX.XXXX in römisch zehn, erstreckt.
Mit Schreiben vom 06.04.2021 und 13.07.2021 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zum Ausscheiden aus der fremden Staatsangehörigkeit auf. Auf die Verpflichtung der Behörde, die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 34 StbG zu entziehen, wenn sie die bisherige Staatsbürgerschaft aus Gründen, die sie selbst zu vertreten hat, beibehält, wurde die Beschwerdeführerin hingewiesen.Mit Schreiben vom 06.04.2021 und 13.07.2021 forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zum Ausscheiden aus der fremden Staatsangehörigkeit auf. Auf die Verpflichtung der Behörde, die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß Paragraph 34, StbG zu entziehen, wenn sie die bisherige Staatsbürgerschaft aus Gründen, die sie selbst zu vertreten hat, beibehält, wurde die Beschwerdeführerin hingewiesen.
Daraufhin beantragte die Beschwerdeführerin beim *** Innenministerium die Zurücklegung ihrer *** Staatsbürgerschaft (***). Dieser Antrag wurde jedoch mit Schreiben vom 23.06.2021 abgewiesen, da die erforderliche Gebühr in der Höhe von 372,00 Pfund nicht bezahlt worden war.
Die Beschwerdeführerin ersuchte daraufhin die belangte Behörde um Fristerstreckung und legte dar, dass ihr die Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft trotz Bemühungen ihrerseits noch nicht gelungen sei. Im E-Mail vom 20.07.2021 führte die Beschwerdeführerin insbesondere aus, dass sie für den Austritt ca 400,00 Euro bezahlen müsse, dieses Geld jedoch im Moment als alleinerziehende Mutter und wegen eines aktuellen Umzuges nicht aufbringen könne, weshalb sie um mehr Zeit für den Austritt bitte.
In der Folge versuchte die Beschwerdeführerin mit *** Behörden, insbesondere der *** Botschaft, in Kontakt zu treten, um eine Herabsetzung bzw eine Ratenzahlung der Gebühr für den Austritt zu erwirken. Dies ist der Beschwerdeführerin jedoch nicht gelungen. Mit E-Mail vom 28.09.2021 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie keine Antwort von der *** Botschaft bekomme und dort auch niemanden telefonisch erreiche. Im Konsulat in V könne ihr auch niemand Informationen geben. Mit E-Mail vom 08.11.2021 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihre weiteren Versuche jemanden von der *** Botschaft zu erreichen, ergebnislos geblieben seien und ersuchte die belangte Behörde diesbezüglich um Hilfe. Die belangte Behörde verlängerte daraufhin mit E-Mail vom 18.11.2021 neuerlich die Frist zur Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft bis Ende März 2022 und teilte der Beschwerdeführerin eine Internetseite zur Entlassung aus dem *** Staatsverband sowie mit E-Mail vom 29.11.2021, dass sie sich an: *** (***) wenden solle, mit. In der Folge versuchte die Beschwerdeführerin mit *** Behörden, insbesondere der *** Botschaft, in Kontakt zu treten, um eine Herabsetzung bzw eine Ratenzahlung der Gebühr für den Austritt zu erwirken. Dies ist der Beschwerdeführerin jedoch nicht gelungen. Mit E-Mail vom 28.09.2021 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie keine Antwort von der *** Botschaft bekomme und dort auch niemanden telefonisch erreiche. Im Konsulat in römisch fünf könne ihr auch niemand Informationen geben. Mit E-Mail vom 08.11.2021 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass ihre weiteren Versuche jemanden von der *** Botschaft zu erreichen, ergebnislos geblieben seien und ersuchte die belangte Behörde diesbezüglich um Hilfe. Die belangte Behörde verlängerte daraufhin mit E-Mail vom 18.11.2021 neuerlich die Frist zur Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft bis Ende März 2022 und teilte der Beschwerdeführerin eine Internetseite zur Entlassung aus dem *** Staatsverband sowie mit E-Mail vom 29.11.2021, dass sie sich an: *** (***) wenden solle, mit.
Mit E-Mail vom 30.06.2022 fragte die belangte Behörde bei der Beschwerdeführerin nach, ob sie mittlerweile die erforderlichen Schritte in die Wege geleitet habe.
Mit E-Mail vom 02.07.2022 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie als alleinerziehende Mutter kein Geld für den Austritt habe. Da sie von den *** Behörden nie eine Antwort erhalten habe, versuche sie nun über eine Organisation Unterstützung zu erhalten. Mit weiterem E-Mail vom 11.07.2022 leitete die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine E-Mail vom 11.07.2022, gesendet an die Adresse ***, weiter, in der Sie um Mitteilung ersuchte, wo und wie viel sie für die Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft zu bezahlen habe, und teilte mit, dass sie schon alles zum Versenden bereit habe und nur mehr auf eine Rückmeldung warte.
Mit E-Mail vom 19.07.2022 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie nach wie vor keine Antwort und keine Informationen habe, wo und wieviel sie bezahlen müsse. Sie habe den Antrag fertig und würde diesen heute per Express nach U abschicken, außer die Behörde habe eine andere Idee. Mit E-Mail vom 20.07.2022 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin unter Anhang des E-Mails vom 29.11.2021 mit, dass ihr die notwendigen Informationen bereits im November des vergangenen Jahres zur Verfügung gestellt worden seien.
Mit E-Mail vom 20.07.2022, gesendet (unter anderem) an die von der belangten Behörde bekannt gegebene E-Mail-Adresse, ersuchte die Beschwerdeführerin um Mitteilung der Bankverbindung an die sie die Gebühr für den Austritt überweisen müsse und übermittelte die Formulare über den Verzicht auf die *** Staatsbürgerschaft. Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin die Verzichtsformulare samt Pass per Post versendet.
Mit E-Mail vom 08.11.2022 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass ihr Verzicht auf die *** Staatsbürgerschaft abgelehnt worden sei und dass sie telefonisch die Information erhalten habe, dass sie die Verzichtserklärung gemeinsam mit dem Formular über die Gebühr nochmals abschicken müsse. Sie werde das in dieser Woche nochmals versuchen.
Über Nachfrage der belangten Behörde mit E-Mail vom 15.10.2023 teilte die Beschwerdeführerin mit E-Mail vom selben Tag mit, dass sie nicht mehr daran gedacht habe und darauf vergessen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß „§§ 10 Abs. 3 und 34 Abs. 1 StbG 1985“ von Amts wegen entzogen werde, da sie die *** Staatsbürgerschaft aus Gründen, die sie selbst zu vertreten habe, beibehalten habe.Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß „§§ 10 Absatz 3 und 34 Absatz eins, StbG 1985“ von Amts wegen entzogen werde, da sie die *** Staatsbürgerschaft aus Gründen, die sie selbst zu vertreten habe, beibehalten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die per E-Mail bei der belangten Behörde rechtzeitig eingebrachte Beschwerde.
Mit Schreiben vom 15.11.2023 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Akt dem Landesverwaltungsgericht Tirol zur Entscheidung vor.
Mit Anbringen vom 27.03.2024 übermittelte die Beschwerdeführerin dem Landesverwaltungsgericht Tirol per E-Mail den Scan von Unterlagen („***“) des *** Innenministeriums (Home Department, ***) vom 05.03.2024, aus welchen hervorgeht, dass die Beschwerdeführerin auf die *** Staatsbürgerschaft verzichtet hat und seit 05.03.2024 nicht mehr *** Staatsbürgerin ist, vor.
Mit Ladungsbeschluss für die mündliche Verhandlung vom 19.07.2024 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, die Urkunden über das Ausscheiden aus dem *** im Original sowie den Nachweis der Echtheit mit einer Apostille vorzulegen.
Am 24.06.2024 übermittelte die Beschwerdeführerin die Dokumente über die Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft im Original an die zuständige *** Behörde zur Ausstellung einer Apostille.
Nachdem die Beschwerdeführerin die Originaldokumente samt Apostille retour erhalten hat, hat sie diese dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 19.08.2024 persönlich vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist seit dem 05.03.2024 nicht mehr *** Staatsbürgerin.
II. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen betreffend die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft folgen aus dem im Akt der belangten Behörde einliegenden Verleihungsbescheid vom 23.01.2019. Die Feststellungen zur E-Mail-Korrespondenz zwischen der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde in den Jahren 2021, 2022 und 2023 über die Zurücklegung der *** Staatsbürgerschaft folgen aus den im Akt der belangten Behörde einliegenden, entsprechenden E-Mail-Ausdrucken. Der angefochtene Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde liegen ebenso im Akt der belangten Behörde ein.
Die Feststellungen zur Aufforderung zur Vorlage der Urkunde über das Ausscheiden aus dem *** Staatsverband im Original samt Apostille und zur tatsächlich erfolgten Vorlage am 19.08.2024 folgen aus dem Ladungsbeschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 03.06.2024 sowie der Niederschrift von der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2024 und dem Aktenvermerkt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 19.08.2024 (OZ 4).
Dass die Beschwerdeführerin seit dem 05.03.2024 nicht mehr *** Staatsbürgerin ist, folgt aus der im Original vorgelegten und mit einer Apostille von der zuständigen *** Behörde versehenen Urkunde „***“, ausgestellt vom *** samt Begleitschreiben des *** Innenministeriums, ***, ebenfalls vom 05.03.2024.
Die Feststellungen betreffend die Person der Beschwerdeführerin und deren Tochter folgen aus dem Antrag auf Verleihung und Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den von der Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorgelegten und im Akt in Kopie einliegenden Urkunden (Geburtsurkunden, Zeugnisse, Versicherungsdatenauszug).
III. Rechtslage:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl Nr 311/1985 idF BGBl I Nr 21/2022, lauten: Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), Bundesgesetzblatt Nr 311 aus 1985, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 21 aus 2022,, lauten:
„§ 10. (1) …
(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder
2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
….
§ 34. (1) Einem Staatsbürger ist die Staatsbürgerschaft ferner zu entziehen, wennParagraph 34, (1) Einem Staatsbürger ist die Staatsbürgerschaft ferner zu entziehen, wenn
1. er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder durch die Erstreckung der Verleihung nach diesem Bundesgesetz erworben hat,
2. hiebei weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 angewendet worden sind,
3. er trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat.
(BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 25)Bundesgesetzblatt Nr. 170 aus 1983,, Art. römisch eins Ziffer 25,)
(2) Der betroffene Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren.(2) Der betroffene Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Absatz eins, zu belehren.
(3) Die Entziehung ist nach Ablauf der im Abs. 1 Z 1 genannten Frist ohne unnötigen Aufschub schriftlich zu verfügen. Nach Ablauf von sechs Jahren nach der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) ist die Entziehung nicht mehr zulässig.“(3) Die Entziehung ist nach Ablauf der im Absatz eins, Ziffer eins, genannten Frist ohne unnötigen Aufschub schriftlich zu verfügen. Nach Ablauf von sechs Jahren nach der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) ist die Entziehung nicht mehr zulässig.“
IV. Rechtliche Beurteilung:
Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23.01.2019, ***, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Sie war sohin gemäß § 34 Abs 1 Z 3 iVm § 10 Abs 3 StbG verpflichtet, binnen zwei Jahren ab der Verleihung die für das Ausscheiden aus ihrem bisherigen – konkret dem *** – Staat erforderlichen Handlungen vorzunehmen. Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23.01.2019, ***, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Sie war sohin gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 3, in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz 3, StbG verpflichtet, binnen zwei Jahren ab der Verleihung die für das Ausscheiden aus ihrem bisherigen – konkret dem *** – Staat erforderlichen Handlungen vorzunehmen.
Die Handlungspflicht des Betroffenen gemäß § 34 Abs 1 Z 3 iVm § 10 Abs 3 StbG hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen ihre Grenze (zB VwGH 24.06.2010, 2008/01/0779). Kommt der Betroffene dieser Verpflichtung nicht binnen zwei Jahren nach und hat dieser aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten, so hat die zuständige Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, vorausgesetzt, die sechsjährige Frist gemäß § 34 Abs 3 StbG ist noch nicht abgelaufen. Die Handlungspflicht des Betroffenen gemäß Paragraph 34, Absatz eins, Ziffer 3, in Verbindung mit Paragraph 10, Absatz 3, StbG hat nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen ihre Grenze (zB VwGH 24.06.2010, 2008/01/0779). Kommt der Betroffene dieser Verpflichtung nicht binnen zwei Jahren nach und hat dieser aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten, so hat die zuständige Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, vorausgesetzt, die sechsjährige Frist gemäß Paragraph 34, Absatz 3, StbG ist noch nicht abgelaufen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entzogen. Aus den getroffenen Feststellungen folgt, dass die Voraussetzungen für die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorlagen, da die Beschwerdeführerin aus Gründen, die sie zu vertreten hatte, nicht binnen zwei Jahren nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus dem *** Staatsverband ausgeschieden ist. Zudem war die sechsjährige Frist gemäß § 34 Abs 3 StbG nicht abgelaufen.Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft wieder entzogen. Aus den getroffenen Feststellungen folgt, dass die Voraussetzungen für die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorlagen, da die Beschwerdeführerin aus Gründen, die sie zu vertreten hatte, nicht binnen zwei Jahren nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus dem *** Staatsverband ausgeschieden ist. Zudem war die sechsjährige Frist gemäß Paragraph 34, Absatz 3, StbG nicht abgelaufen.
Vorliegend würde jedoch die Beschwerdeführerin mit dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft auch den Unionsbürgerstatus verlieren, weshalb nach der Judikatur der österreichischen Höchstgerichte und des EuGH eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist (vgl die im angefochtenen Bescheid zitierten Entscheidungen VwGH 26.01.2009/01/0060 mit Bezug auf EuGH 02.03.2010, Rs C-135/08, Rottmann, und VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0477, mit Bezug auf EuGH 12.03.2019, Rs C-221/17, Tjebbes u.a.). Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung geht nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol unter den Umständen des vorliegenden Einzelfalles und bei Berücksichtigung des nunmehr geänderten Sachverhaltes zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus. Die Beschwerdeführerin hat nach Aufforderung durch die belangte Behörde tatsächlich Bemühungen unternommen, die *** Staatsangehörigkeit zurückzulegen. Ihre beiden beim *** Innenministerium eingereichten Verzichtserklärungen blieben jedoch erfolglos, da die Beschwerdeführerin die erforderliche Gebühr nicht entrichtete. Ebenso blieben die Versuche der Beschwerdeführerin, bei den *** Behörden eine Reduktion der Gebühr zu erwirken, erfolglos. Anzulasten ist der Beschwerdeführerin, dass sie nach dem 08.11.2022 trotz gegenteiliger Mitteilung an die belangte Behörde keine weiteren Schritte zum Ausscheiden aus dem *** Staatsverband mehr gesetzt hat, auch wenn die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vermittelte, dass sie auf Grund der vorherigen Misserfolge entmutigt gewesen sei. Eine Absicht, von Anfang an die *** Staatsangehörigkeit beizubehalten, war jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Auch sind keine Hinweise hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin die *** Staatsbürgerschaft bzw. die bis zum wirksamen Verzicht auf die *** Staatsangehörigkeit bestehende Doppelstaatsbürgerschaft rechtsmissbräuchlich einsetzte. Nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides hat die Beschwerdeführerin neuerlich ihren Verzicht auf die *** Staatsbürgerschaft erklärt. Seit 05.03.2024 ist die Beschwerdeführerin nicht mehr *** Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diesen – nach Erlassung des angefochtenen Bescheides – geänderten Sachverhalt geht das Landesverwaltungsgericht Tirol davon aus, dass das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften überwiegt. Die Beschwerdeführerin verfügt im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nur mehr über die österreichische Staatsbürgerschaft. Mit einer nunmehrigen Entziehung dieser würde die Beschwerdeführerin nicht nur ihren Unionsbürgerstatus verlieren, sondern auch staatenlos werden. Wie die belangte Behörde ausgeführt hat, wäre die Beschwerdeführerin zwar berechtigt, gemäß § 21 Abs 2 Z 3 NAG vom Inland aus einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen. Allerdings ist die Erteilung eines NAG-Titels von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Im Falle der Nichterteilung eines solchen Aufenthaltstitels wäre zudem die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin, die die Beschwerdeführerin als Alleinerziehrein betreut, und auf die die österreichische Staatsbürgerschaft erstreckt worden ist, unter Umständen de facto zum Verlassen Österreichs bzw des Unionsgebietes gezwungen und somit im Kernbestand ihrer Unionsbürgerrechte beeinträchtigt. Insgesamt kommt das Landesverwaltungsgericht Tirol daher zum Ergebnis, dass die Entziehung der Staatsbürgerschaft unter den vorliegenden Umständen ausnahmsweise unverhältnismäßig ist und der angefochtene Bescheid – auch in Einklang mit der bisherigen Praxis des Landesveraltungsgerichtes Tirol, in Fällen, in denen während des Beschwerdeverfahrens der Austritt aus dem fremden Staatsverband nachgewiesen werden konnte (vgl Landesverwaltungsgericht Tirol 23.10.2023, LVwG-2023/47/1062-16; 01.12.2021, LVwG-2021/47/2888-3; 10.11.2020, LVwG-2019/17/2575-3; 08.10.2020 LVwG-2019/30/2607-3) – ersatzlos zu beheben ist. Vorliegend würde jedoch die Beschwerdeführerin mit dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft auch den Unionsbürgerstatus verlieren, weshalb nach der Judikatur der österreichischen Höchstgerichte und des EuGH eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist vergleiche die im angefochtenen Bescheid zitierten Entscheidungen VwGH 26.01.2009/01/0060 mit Bezug auf EuGH 02.03.2010, Rs C-135/08, Rottmann, und VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0477, mit Bezug auf EuGH 12.03.2019, Rs C-221/17, Tjebbes u.a.). Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung geht nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol unter den Umständen des vorliegenden Einzelfalles und bei Berücksichtigung des nunmehr geänderten Sachverhaltes zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus. Die Beschwerdeführerin hat nach Aufforderung durch die belangte Behörde tatsächlich Bemühungen unternommen, die *** Staatsangehörigkeit zurückzulegen. Ihre beiden beim *** Innenministerium eingereichten Verzichtserklärungen blieben jedoch erfolglos, da die Beschwerdeführerin die erforderliche Gebühr nicht entrichtete. Ebenso blieben die Versuche der Beschwerdeführerin, bei den *** Behörden eine Reduktion der Gebühr zu erwirken, erfolglos. Anzulasten ist der Beschwerdeführerin, dass sie nach dem 08.11.2022 trotz gegenteiliger Mitteilung an die belangte Behörde keine weiteren Schritte zum Ausscheiden aus dem *** Staatsverband mehr gesetzt hat, auch wenn die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vermittelte, dass sie auf Grund der vorherigen Misserfolge entmutigt gewesen sei. Eine Absicht, von Anfang an die *** Staatsangehörigkeit beizubehalten, war jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Auch sind keine Hinweise hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin die *** Staatsbürgerschaft bzw. die bis zum wirksamen Verzicht auf die *** Staatsangehörigkeit bestehende Doppelstaatsbürgerschaft rechtsmissbräuchlich einsetzte. Nach Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides hat die Beschwerdeführerin neuerlich ihren Verzicht auf die *** Staatsbürgerschaft erklärt. Seit 05.03.2024 ist die Beschwerdeführerin nicht mehr *** Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diesen – nach Erlassung des angefochtenen Bescheides – geänderten Sachverhalt geht das Landesverwaltungsgericht Tirol davon aus, dass das Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften überwiegt. Die Beschwerdeführerin verfügt im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nur mehr über die österreichische Staatsbürgerschaft. Mit einer nunmehrigen Entziehung dieser würde die Beschwerdeführerin nicht nur ihren Unionsbürgerstatus verlieren, sondern auch staatenlos werden. Wie die belangte Behörde ausgeführt hat, wäre die Beschwerdeführerin zwar berechtigt, gemäß Paragraph 21, Absatz 2, Ziffer 3, NAG vom Inland aus einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen. Allerdings ist die Erteilung eines NAG-Titels von verschiedenen Voraussetzungen abhängig. Im Falle der Nichterteilung eines solchen Aufenthaltstitels wäre zudem die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin, die die Beschwerdeführerin als Alleinerziehrein betreut, und auf die die österreichische Staatsbürgerschaft erstreckt worden ist, unter Umständen de facto zum Verlassen Österreichs bzw des Unionsgebietes gezwungen und somit im Kernbestand ihrer Unionsbürgerrechte beeinträchtigt. Insgesamt kommt das Landesverwaltungsgericht Tirol daher zum Ergebnis, dass die Entziehung der Staatsbürgerschaft unter den vorliegenden Umständen ausnahmsweise unverhältnismäßig ist und der angefochtene Bescheid – auch in Einklang mit der bisherigen Praxis des Landesveraltungsgerichtes Tirol, in Fällen, in denen während des Beschwerdeverfahrens der Austritt aus dem fremden Staatsverband nachgewiesen werden konnte vergleiche Landesverwaltungsgericht Tirol 23.10.2023, LVwG-2023/47/1062-16; 01.12.2021, LVwG-2021/47/2888-3; 10.11.2020, LVwG-2019/17/2575-3; 08.10.2020 LVwG-2019/30/2607-3) – ersatzlos zu beheben ist.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Artikel 133, Absatz 4, B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Mag. E. Lechner, LL.M.
(Richterin)
Schlagworte
Entzug der StaatsbürgerschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2024:LVwG.2023.19.2738.7Zuletzt aktualisiert am
13.09.2024