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10/11 Vereins- und VersammlungsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach dem VersammlungsG; Unzulässigkeit der Qualifikation der (vier) Teilnehmer der Versammlung als verantwortliche Veranstalter lediglich mangels Feststellbarkeit eines VeranstaltersRechtssatz
Das LVwG Salzburg stellt zunächst fest, dass sich ein Veranstalter iSd §2 Abs1 VersG nicht herausgestellt habe. Trotz dieser Feststellung kommt es aber letztlich – ohne nähere Begründung – zum Schluss, dass das Beweisergebnis bei insgesamt (nur) vier Versammlungsteilnehmern dahingehend gewürdigt werden könne, dass allen vier Personen eine gemeinsame Verantwortung als Veranstalter zukomme, zumal es bei der Überschaubarkeit dieser Gruppe "abwegig [sei] anzunehmen, dass diese gleichsam von ihnen unbekannter dritter Seite 'ferngesteuert' zur Durchführung der Versammlung veranlasst worden sein sollte". In offenkundigem Widerspruch zu den eigenen Sachverhaltsfeststellungen gelangt das LVwG somit zu dem Ergebnis, dass die Veranstaltereigenschaft dem Beschwerdeführer ebenso wie den anderen Versammlungsteilnehmern zukomme.
Mit der vom LVwG Salzburg vertretenen Rechtsauffassung, von einer "kollektiven Veranstaltereigenschaft" bei nur wenigen Versammlungsteilnehmern auszugehen, wenngleich im Rahmen der Beweiswürdigung keine Person als Veranstalter der Versammlung ermittelt werden konnte, wird dem Begriff des Veranstalters in §2 Abs1 VersG ein (potentiell) verfassungswidriger Inhalt unterstellt. Aus der Nichtfeststellbarkeit eines Veranstalters kann keinesfalls zwingend und quasi automatisch die Schlussfolgerung gezogen werden, dass im Zweifel stets alle Versammlungsteilnehmer zu Veranstaltern werden. Die rechtliche Beurteilung hätte vielmehr im Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers als Teilnehmer der Versammlung ausfallen müssen. Würden alle Teilnehmer an einer Versammlung stets auch die Verantwortung des Veranstalters tragen – im Übrigen ohne es in dieser Situation zudem zu wissen –, wäre nicht auszuschließen, dass dies letztlich das Recht, sich zu versammeln, in verfassungswidriger Weise schmälern könnte.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Versammlungsrecht, Veranstaltungswesen, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Meinungsäußerungsfreiheit, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, KlimaEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:E3792.2023Zuletzt aktualisiert am
12.09.2024