TE Lvwg Erkenntnis 2024/7/11 LVwG-S-2398/001-2023

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2024
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Entscheidungsdatum

11.07.2024

Norm

ASchG 1994 §130 Abs1 Z6
BauV §90
StGB §88
  1. StGB § 88 heute
  2. StGB § 88 gültig von 01.01.2016 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2015
  3. StGB § 88 gültig ab 01.01.2016 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 154/2015
  4. StGB § 88 gültig von 01.01.2011 bis 31.12.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
  5. StGB § 88 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  6. StGB § 88 gültig von 01.07.2006 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2006
  7. StGB § 88 gültig von 01.03.2005 bis 30.06.2006 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 152/2004
  8. StGB § 88 gültig von 01.01.2002 bis 28.02.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 130/2001
  9. StGB § 88 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2001

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag.a Lechner, MA über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 20. September 2023, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVGParagraph 50, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 45 Abs. 1 Z  2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStGParagraph 45, Absatz eins, Ziffer 2, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGGParagraph 25 a, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

I.       Wesentlicher Verfahrensgang

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (belangte Behörde) vom 20. September 2023, Zl. ***, wurden dem nunmehrigen Beschwerdeführer folgende Verwaltungsübertretungen vorgeworfen:

„Sie haben als Inhaber des C e.U. mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass im Rahmen einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat *** am 29.08.2022 in der auswärtigen Arbeitsstelle ***, ***, durch den einschreitenden Arbeitsinspektor festgestellt wurde, dass die Arbeitnehmer Hr. D, geb. ***, und Hr. E, geb. ***, Arbeiten auf dem Dach der landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle durchführten. Es waren zwei alte, beschädigte lichtdurchlässige Wellplatten gegen neue zu tauschen. Obwohl das Dach (Absturzhöhe ca. 7 m) auf Grund der Bauart (Wellasbestzementplatten mit integrierten lichtdurchlässigen Lichtplatten) als nicht durchbruchsicher gilt, betraten und begingen die beiden Arbeitnehmer die Dachfläche ohne dass Maßnahmen gegen Durchbrechen gesetzt wurden. Insbesondere waren keine Laufstege oder Laufbretter vorgesehen.

Dadurch wurde § 18 Abs. 6 der AAV, übertreten, wonach Dachflächen und Oberlichten aus sprödem Material, wie Glas oder Wellasbestzement, bei denen beim Durchbrechen Absturzgefahr besteht, nur auf Laufstegen oder Laufbrettern begangen werden dürfen. Dadurch wurde Paragraph 18, Absatz 6, der AAV, übertreten, wonach Dachflächen und Oberlichten aus sprödem Material, wie Glas oder Wellasbestzement, bei denen beim Durchbrechen Absturzgefahr besteht, nur auf Laufstegen oder Laufbrettern begangen werden dürfen.

2. Sie haben als Inhaber des C e.U. mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass im Rahmen einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat *** am 29.08.2022 in der auswärtigen Arbeitsstelle ***, ***, durch den einschreitenden Arbeitsinspektor festgestellt wurde, dass die Arbeitnehmer Hr. D, geb. ***, und Hr. E, geb. ***, Arbeiten auf dem Dach der landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle durchführten. Es waren zwei alte, beschädigte lichtdurchlässige Wellplatten gegen neue zu tauschen. Obwohl das Dach (Absturzhöhe ca. 7 m) auf Grund der Bauart (Wellasbestzementplatten mit integrierten lichtdurchlässigen Lichtplatten) als nicht durchbruchsicher gilt, betraten und begingen die beiden Arbeitnehmer die Dachfläche ohne dass Sicherungsmaßnahmen gegen Durchbrechen gesetzt wurden. Insbesondere waren keine Unterdachkonstruktionen, Unterspanntafeln, Maschendrahtgitter unterhalb der betroffenen Dachflächen vorgesehen, obwohl auch keine Lauf- oder Arbeitsstege auf dem Dach berücksichtigt wurden. Zur notwendigen Lastverteilung war nicht einmal eine Dachleiter aufgelegt.

Dadurch wurde § 90 Abs. 1 der BauV, übertreten, wonach nicht durchbruchsichere Dachflächen nur betreten werden dürfen, wenn Sicherungsmaßnahmen gegen Durchbrechen getroffen sind. Dadurch wurde Paragraph 90, Absatz eins, der BauV, übertreten, wonach nicht durchbruchsichere Dachflächen nur betreten werden dürfen, wenn Sicherungsmaßnahmen gegen Durchbrechen getroffen sind.

3. Sie haben als Inhaber des C e.U. mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass im Rahmen einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat *** am 29.08.2022 in der auswärtigen Arbeitsstelle ***, ***, durch den einschreitenden Arbeitsinspektor festgestellt wurde, dass die Arbeitnehmer Hr. D, geb. ***, und Hr. E, geb. ***, Arbeiten auf dem Dach der landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle durchführten. Es waren zwei alte, beschädigte lichtdurchlässige Wellplatten gegen neue zu tauschen. Obwohl das Dach auf Grund der Bauart (Wellasbestzementplatten mit integrierten lichtdurchlässigen Lichtplatten) als nicht durchbruchsicher gilt, betraten und begingen die beiden Arbeitnehmer die Dachfläche ohne dass Sicherungsmaßnahmen gegen Absturz vom Dach getroffen waren. Die Absturzhöhe ins Innere der Halle betrug ca. 7 m. Insbesondere waren keine Fanggerüste, keine Auffangnetze oder Unterdachkonstruktionen vorgesehen, obwohl die Arbeitnehmer auch keine persönliche Schutzausrüstung mittels geeigneter Absturzsicherungssysteme verwendeten. Dadurch wurde § 90 Abs. 5 der BauV, übertreten, wonach bei Arbeiten auf nicht durchbruchsicheren Dachflächen, bei möglicher Absturzhöhe von mehr als 5 m ins Innere des Bauwerks, geeignete Schutzmaßnahmen gegen Absturz zu treffen sind.“3. Sie haben als Inhaber des C e.U. mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass im Rahmen einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat *** am 29.08.2022 in der auswärtigen Arbeitsstelle ***, ***, durch den einschreitenden Arbeitsinspektor festgestellt wurde, dass die Arbeitnehmer Hr. D, geb. ***, und Hr. E, geb. ***, Arbeiten auf dem Dach der landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle durchführten. Es waren zwei alte, beschädigte lichtdurchlässige Wellplatten gegen neue zu tauschen. Obwohl das Dach auf Grund der Bauart (Wellasbestzementplatten mit integrierten lichtdurchlässigen Lichtplatten) als nicht durchbruchsicher gilt, betraten und begingen die beiden Arbeitnehmer die Dachfläche ohne dass Sicherungsmaßnahmen gegen Absturz vom Dach getroffen waren. Die Absturzhöhe ins Innere der Halle betrug ca. 7 m. Insbesondere waren keine Fanggerüste, keine Auffangnetze oder Unterdachkonstruktionen vorgesehen, obwohl die Arbeitnehmer auch keine persönliche Schutzausrüstung mittels geeigneter Absturzsicherungssysteme verwendeten. Dadurch wurde Paragraph 90, Absatz 5, der BauV, übertreten, wonach bei Arbeiten auf nicht durchbruchsicheren Dachflächen, bei möglicher Absturzhöhe von mehr als 5 m ins Innere des Bauwerks, geeignete Schutzmaßnahmen gegen Absturz zu treffen sind.“

Dadurch habe der Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 1. § 18 Abs. 6 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung iVm § 130 Abs. 1 Z 6 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Spruchpunkt 2. § 90 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung iVm § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG und zu Spruchpunkt 3. § 90 Abs. 5 Bauarbeiterschutzverordnung iVm § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG verletzt und wurde über ihn gemäß jeweils gemäß § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG eine Geldstrafe zu je 830 Euro (insgesamt somit 2.490 Euro), Ersatzfreiheitsstrafe 34 Stunden verhängt. Als Kostenbeitrag zum Verfahren wurde gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Betrag in der Höhe von 249 Euro vorgeschrieben. Dadurch habe der Beschwerdeführer zu Spruchpunkt 1. Paragraph 18, Absatz 6, Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung in Verbindung mit Paragraph 130, Absatz eins, Ziffer 6, ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), zu Spruchpunkt 2. Paragraph 90, Absatz eins, Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit Paragraph 130, Absatz eins, Ziffer 6, ASchG und zu Spruchpunkt 3. Paragraph 90, Absatz 5, Bauarbeiterschutzverordnung in Verbindung mit Paragraph 130, Absatz eins, Ziffer 6, ASchG verletzt und wurde über ihn gemäß jeweils gemäß Paragraph 130, Absatz eins, Ziffer 6, ASchG eine Geldstrafe zu je 830 Euro (insgesamt somit 2.490 Euro), Ersatzfreiheitsstrafe 34 Stunden verhängt. Als Kostenbeitrag zum Verfahren wurde gemäß Paragraph 64, Absatz 2, VStG ein Betrag in der Höhe von 249 Euro vorgeschrieben.

2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde - soweit hier wesentlich - vorgebracht, wegen dem identen und im Rahmen dieses Verwaltungsstrafverfahrens zu beurteilenden Sachverhalt sei bereits ein gerichtliches Strafverfahren des Bezirksgerichts *** anhängig. Die Beischaffung des Aktes wurde beantragt.

3. Die eingebrachte Beschwerde samt Verwaltungsakt wurde von der belangten Behörde – ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung – dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde verzichtet.

4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat in den Verwaltungsakt sowie den angeforderten Gerichtsakt des BG *** zur AZ *** Einsicht genommen und legt den unbedenklichen Akteninhalt seiner Entscheidung zu Grunde.

II.      Feststellungen

Der Beschwerdeführer ist Inhaber der C e.U. mit dem Geschäftszweig Zimmerei, Spengler und Dachdecker.

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt die Strafanzeige des Arbeitsinspektorats vom 31. August 2022, GZ: ***, zu Grunde. Demnach hätten am 29. August 2022 zwei Arbeitnehmer des Beschwerdeführers (Arbeitgeber) ein Dach betreten, um zwei alte, beschädigte lichtdurchlässige Wellplatten gegen neue zu tauschen. Das Dach sei von den Arbeitern betreten worden, welches aufgrund seiner Bauart nicht durchbruchsicher gewesen sei, ohne, dass Sicherungsmaßnahmen gegen Durchbrechen gesetzt worden seien.

Der Arbeitnehmer des Beschwerdeführers, Herr D brach im Zuge der Dacharbeiten durch eine veraltete lichtdurchlässige Wellenplatte und stürzte etwa sieben Meter in die Tiefe. Er verletzte sich dabei schwer (Prellung des Gehirns, Augenhöhlenbruch links, Prellung der Nase, Wunde an der Stirn links, Bruch des Brustbeines, Prellung und Schürfung am Brustkorb links, Bruch des 1. und 2. Lendenwirbels, Bruch der Beckens links, Bruch des Kreuzbeines, ausgekugelte Schulter links, Schürfung am Unterarm rechts, Schürfung an beiden Unterschenkeln, Bruch der Speiche rechts).

Die Staatsanwaltschaft *** hat gegen den Beschwerdeführer am 4. Mai 2023 einen Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1und Abs. 4 erster Fall StGB gestellt. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, am 29. August 2022 in *** Herrn D fahrlässig schwer am Körper verletzt zu haben, indem es der Beschwerdeführer als Arbeitgeber unterlassen habe, Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen, Maßnahmen festzulegen sowie Schutzmaßnahmen zur Gefahrenverhütung festzulegen und Schutzmaßnahmen gegen Absturz zu treffen.Die Staatsanwaltschaft *** hat gegen den Beschwerdeführer am 4. Mai 2023 einen Strafantrag wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach Paragraph 88, Absatz eins u, n, d, Absatz 4, erster Fall StGB gestellt. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, am 29. August 2022 in *** Herrn D fahrlässig schwer am Körper verletzt zu haben, indem es der Beschwerdeführer als Arbeitgeber unterlassen habe, Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen, Maßnahmen festzulegen sowie Schutzmaßnahmen zur Gefahrenverhütung festzulegen und Schutzmaßnahmen gegen Absturz zu treffen.

Das Strafverfahren wurde durch Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von 1.940 Euro diversionell erledigt. Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 199, 200 Abs. 5 StPO eingestellt. Das Strafverfahren wurde durch Zahlung einer Geldbuße in der Höhe von 1.940 Euro diversionell erledigt. Das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraphen 199,, 200 Absatz 5, StPO eingestellt.

III.     Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen basieren auf dem unstrittigen Akteninhalt des seitens der Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafaktes sowie auf dem Seitens des erkennenden Gerichts eingeholten Gerichtsakt des BG ***. Insbesondere ergeben sich die getroffenen Feststellungen aus dem Firmenbuchauszug, der Strafanzeige des Arbeitsinspektorats, dem im strafgerichtlichen Akt einliegenden Abschlussbericht der LPD NÖ sowie dem Einstellungsbeschluss des BG *** vom 3. Juni 2024 zum Akt ***.

IV.      Rechtliche Beurteilung

In der Beschwerde wurde u.a. vorgebracht, dass aufgrund identen und im Rahmen dieses Verwaltungsstrafverfahrens zu beurteilenden Sachverhalts bereits ein gerichtliches Strafverfahren des Bezirksgerichts *** anhängig ist.

Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl.  VwGH 15.4.2016, Ra 2015/02/0226). Allerdings kommt nicht jeder endgültigen Entscheidung die Fähigkeit zu, ein Wiederholungsverbot im Sinne des Art. 4 7. ZPEMRK zu bewirken. Im Fall einer Einstellung nach § 190 StPO ist dabei zunächst zu prüfen, ob sie (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich geworden ist, somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt ist mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres eine dem Art. 4 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten (vgl. VwGH 10.1.2017, Ra 2016/02/0230 mwN).Artikel 4, Absatz eins, 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung - Freispruch oder Verurteilung - ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, d.h. wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind vergleiche  VwGH 15.4.2016, Ra 2015/02/0226). Allerdings kommt nicht jeder endgültigen Entscheidung die Fähigkeit zu, ein Wiederholungsverbot im Sinne des Artikel 4, 7. ZPEMRK zu bewirken. Im Fall einer Einstellung nach Paragraph 190, StPO ist dabei zunächst zu prüfen, ob sie (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich geworden ist, somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt ist mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und aufgrund welcher Prüfungstiefe diese Entscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt des vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag nicht ohne weiteres eine dem Artikel 4, 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten vergleiche VwGH 10.1.2017, Ra 2016/02/0230 mwN).

Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens in seinem Urteil vom 7. Oktober 1998, G 51/97 ua, betreffend einen Fall, in dem die Außerachtlassung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften durch den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer GesmbH & Co KG gemäß § 9 Abs. 1 VStG) zu einem Arbeitsunfall geführt hatte, bei dem Arbeitnehmer schwer verletzt worden waren, nach Prüfung von Regelungs- und Schutzzweck sowie der wesentlichen Elemente der Straftatbestände des § 130 ASchG einerseits sowie der §§ 80 und 88 StGB andererseits bereits festgehalten, dass die Bestrafung nach § 80 bzw. § 88 StGB die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs. 5 ASchG ausschließt. Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen eines Gesetzesprüfungsverfahrens in seinem Urteil vom 7. Oktober 1998, G 51/97 ua, betreffend einen Fall, in dem die Außerachtlassung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften durch den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer GesmbH & Co KG gemäß Paragraph 9, Absatz eins, VStG) zu einem Arbeitsunfall geführt hatte, bei dem Arbeitnehmer schwer verletzt worden waren, nach Prüfung von Regelungs- und Schutzzweck sowie der wesentlichen Elemente der Straftatbestände des Paragraph 130, ASchG einerseits sowie der Paragraphen 80 und 88 StGB andererseits bereits festgehalten, dass die Bestrafung nach Paragraph 80, bzw. Paragraph 88, StGB die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach Paragraph 130, Absatz 5, ASchG ausschließt.

Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich dem Ergebnis des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238 an und führte darin aus: Im Zentrum beider angewendeten Strafbestimmungen (§ 130 ASchG und § 88 StGB) steht derselbe Vorwurf, nämlich die (fahrlässige) Außerachtlassung der normierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen. Damit umfasst die strafrechtliche Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit, und geht sogar noch um ein weiteres Element (den Erfolgseintritt der Körperverletzung) über die Verwaltungsstraftat hinaus. Auch davon, dass der Unrechtsgehalt, der im Straftatbestand des § 88 StGB zum Ausdruck kommt, von jenem des § 130 ASchG in einem wesentlichen Element abweiche und damit wesentlich verschieden sei, kann nicht die Rede sein. Somit liegen keine verschiedenen Straftatbestände vor, die sich in wesentlichen Elementen unterscheiden. Eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren wäre eine Verletzung des Art. 4 Abs. 1 des 7. ZP MRK und daher unzulässig. Der Verwaltungsgerichtshof schloss sich dem Ergebnis des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 2015, 2012/02/0238 an und führte darin aus: Im Zentrum beider angewendeten Strafbestimmungen (Paragraph 130, ASchG und Paragraph 88, StGB) steht derselbe Vorwurf, nämlich die (fahrlässige) Außerachtlassung der normierten arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen. Damit umfasst die strafrechtliche Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung die Fakten der Verwaltungsstraftat in ihrer Gesamtheit, und geht sogar noch um ein weiteres Element (den Erfolgseintritt der Körperverletzung) über die Verwaltungsstraftat hinaus. Auch davon, dass der Unrechtsgehalt, der im Straftatbestand des Paragraph 88, StGB zum Ausdruck kommt, von jenem des Paragraph 130, ASchG in einem wesentlichen Element abweiche und damit wesentlich verschieden sei, kann nicht die Rede sein. Somit liegen keine verschiedenen Straftatbestände vor, die sich in wesentlichen Elementen unterscheiden. Eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung bzw. Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren wäre eine Verletzung des Artikel 4, Absatz eins, des 7. ZP MRK und daher unzulässig.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Judikatur grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Verfolgung nach § 130 Abs. 1 Z 6 ASchG als auch jene nach § 88 StGB im Fall einer tatsächlich erfolgten Körperverletzung dieselbe strafbare Handlung betrifft und diese somit nur einmal verfolgt werden darf. Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Judikatur grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Verfolgung nach Paragraph 130, Absatz eins, Ziffer 6, ASchG als auch jene nach Paragraph 88, StGB im Fall einer tatsächlich erfolgten Körperverletzung dieselbe strafbare Handlung betrifft und diese somit nur einmal verfolgt werden darf.

Wie festgestellt, wurde das gegen den Beschwerdeführer wegen § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB geführte Strafverfahren aufgrund der Zahlung der seitens der Anklage aufgetragenen Geldbuße gemäß §§ 199, 200 Abs. 5 StPO eingestellt. Diese Einstellung ist rechtskräftig iSv unwiderruflich geworden und besteht somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr. Wie festgestellt, wurde das gegen den Beschwerdeführer wegen Paragraph 88, Absatz eins und 4 erster Fall StGB geführte Strafverfahren aufgrund der Zahlung der seitens der Anklage aufgetragenen Geldbuße gemäß Paragraphen 199,, 200 Absatz 5, StPO eingestellt. Diese Einstellung ist rechtskräftig iSv unwiderruflich geworden und besteht somit keine formlose Fortführungsmöglichkeit mehr.

Auch lag der gegenständlichen Diversion das gleiche Tatgeschehen zu Grunde: Die genannten Tatvorwürfe im Straferkenntnis sowie in dem der Diversion zugrundeliegenden Strafantrag beziehen sich im Wesentlichen auf denselben Sachverhalt, nämlich dem Arbeitsunfall vom 29. August 2022.

Vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Judikatur steht einer weiteren Bestrafung des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren das Doppelbestrafungsverbot entgegen.

Das in Bezug auf „dieselbe Sache“ geführte Verwaltungsstrafverfahren war daher einzustellen (vgl. VwGH 28.5.2019, Ra 2018/05/0266). Das in Bezug auf „dieselbe Sache“ geführte Verwaltungsstrafverfahren war daher einzustellen vergleiche VwGH 28.5.2019, Ra 2018/05/0266).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gegenständliche abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben ist (§ 44 Abs. 2 VwGVG). Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gegenständliche abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben ist (Paragraph 44, Absatz 2, VwGVG).

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Es wird auf die umfassend zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Es wird auf die umfassend zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Schlagworte

Arbeitsrecht; Arbeitnehmerschutz; Verwaltungsstrafe; Straftatbestand; Sperrwirkung; Doppelbestrafung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2024:LVwG.S.2398.001.2023

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2024
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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