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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz eines afghanischen Staatsangehörigen, der aus Kabul mit dem Flugzeug nach Ungarn evakuiert wurde; mangelhafte Auseinandersetzung mit aktuellen Länderberichten sowie dem "Botschaftsverfahren" und der Versorgungssituation rücküberstellter Asylwerber in Ungarn im Rahmen der Dublin III-VerordnungRechtssatz
Aus dem der Entscheidung des BVwG zugrunde liegenden – aktuellen – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ungarn vom April 2022 geht hervor, dass in Ungarn seit Mai/Juni 2020 das "Botschaftsverfahren" zur Anwendung kommt. Das BVwG geht zwar – gestützt auf eine von der ungarischen Dublin-Behörde ausgestellte "Transfer acceptance" – davon aus, dass Ungarn der Aufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich mit dem Hinweis zugestimmt habe, dessen Asylantrag dort zu prüfen, weshalb das "Botschaftsverfahren" nicht auf ihn anwendbar sei. Diese – bereits seit längerer Zeit in Gebrauch befindliche – formelhafte "Transfer acceptance" der ungarischen Dublin-Behörde erweist sich jedoch auf Grund der wiedergegebenen Länderberichte zur Anwendung des "Botschaftsverfahrens" in Ungarn als unzureichend, weil damit nicht gesichert ist, dass der Beschwerdeführer tatsächlich innerhalb Ungarns einen Antrag auf internationalen Schutz stellen können wird. Angesichts dessen wäre das BVwG daher verpflichtet gewesen, näher zu überprüfen, ob der Beschwerdeführer in Ungarn tatsächlich Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren hat, ohne dem Risiko einer Kettenabschiebung in ein Land ausgesetzt zu sein, in dem ihm die Verletzung seiner gemäß Art3 EMRK und Art4 GRC gewährleisteten Rechte drohen könnte.
Ein pauschaler Verweis darauf, dass man den ungarischen Behörden nicht unterstellen könne, die Personen mittels Evakuierungsfluges aus Afghanistan ins Land geholt zu haben, nur um sie dann sich selbst zu überlassen, und die Annahme, dass der Beschwerdeführer weiterhin die oder ähnliche Betreuung und Unterstützung wie nach seiner Ankunft in Ungarn genießen würde, stellen vor dem Hintergrund der aktuellen Berichtslage keine ausreichende Begründung für das Ergebnis dar, dass bei einer Rückkehr der Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren gesichert und damit eine entsprechende Versorgung gegeben sei.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, EU-Recht, AußerlandesbringungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:E2621.2022Zuletzt aktualisiert am
11.09.2024