TE Bvwg Erkenntnis 2024/3/29 W184 2285859-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2024
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

29.03.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. BFA-VG § 21 heute
  2. BFA-VG § 21 gültig von 01.06.2018 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. BFA-VG § 21 gültig ab 01.06.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  5. BFA-VG § 21 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  6. BFA-VG § 21 gültig von 20.07.2015 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  7. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  8. BFA-VG § 21 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W184 2285859-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2023, ZI. 1329527704-223292364, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2023, ZI. 1329527704-223292364, zu Recht:

A) Die Beschwerde zu Spruchpunk I. des angefochtenen Bescheids wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde zu Spruchpunk römisch eins. des angefochtenen Bescheids wird gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Gebiet der Europäischen Union und spätestens am 17.10.2022 in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, wobei er angab, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger Syriens zu sein.Die beschwerdeführende Partei, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Gebiet der Europäischen Union und spätestens am 17.10.2022 in das österreichische Bundesgebiet und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, wobei er angab, den Namen römisch 40 zu führen, am römisch 40 geboren und Staatsangehöriger Syriens zu sein.

In der Erstbefragung am 18.10.2022, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache, gab die beschwerdeführende Partei an, wegen des Krieges geflohen zu sein, er möchte nicht den Militärdienst leisten und nicht kämpfen. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

In der am 02.05.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stattgefundenen Einvernahme, unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache, gab die beschwerdeführende Partei an, in der Stadt Minbij [gemeint: Manbij], in der Provinz Aleppo, geboren und aufgewachsen zu sein. Er sei ledig, habe keine Kinder, habe zehn Jahre die Schule in Syrien besucht und in der Türkei in einem Kaffeehaus als Kellner gearbeitet. Er sei 2016 illegal aus Syrien ausgereist und habe bis 2022 in der Türkei gelebt, er habe keinen Militärdienst geleistet und keinen Einberufungsbefehl erhalten. Auch seine Familie sei nicht vom syrischen Militär kontaktiert worden. Seine Eltern seien nach wie vor in Syrien aufhältig, sie seien älter und finanziell gut abgesichert, seine Schwestern und zwei Brüder seien in der Türkei. Befragt nach dem Aufenthalt seiner Familienangehöriger gab er an, dass es Belege dafür gebe, dass sich diese in der Türkei aufhalten. Ein weiterer Bruder sei auch nach Österreich gereist, er sei „anerkannter Flüchtling“ in Österreich [gemeint: subsidiär Schutzberechtigter]. In seinem Heimatland leben Onkel und Tanten. Es sei ihm verweigert worden, seinen Identitätsnachweis zu verlängern. Er sei ohne Probleme ausgereist, er habe beim Grenzübergang keine Probleme gehabt. Nach dem Fluchtgrund befragt, gab die beschwerdeführende Partei an, dass er nicht zum Militärdienst wolle und nicht an Kampfhandlungen teilnehmen wolle. Er sei nicht persönlich bedroht worden, sei nicht politisch aktiv gewesen und auch nicht festgenommen worden. Er würde bei einer Rückkehr um sein Leben fürchten und hätte Angst, eingesperrt zu werden, weil er den Militärdienst verweigere. Er sei jedoch persönlich auch von den Kurden nicht angesprochen worden.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde ein Foto einer Familienbuchseite und ein Foto eines türkischen Ausweises seines Bruders XXXX in Vorlage gebracht.Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde ein Foto einer Familienbuchseite und ein Foto eines türkischen Ausweises seines Bruders römisch 40 in Vorlage gebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.09.2023 wurde folgende Entscheidung über diesen Antrag getroffen:

„I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. „I. Der Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.römisch II. Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wird der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 für 1 Jahr erteilt.“römisch III. Die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte wird gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 für 1 Jahr erteilt.“

Die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen damit, dass aufgrund der bestehenden individuellen Situation der beschwerdeführenden Partei im Herkunftsland Syrien weder ein Verfolgungsgrund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe bestehe noch dieser Gefahr laufe, persönlich bedroht zu werden. Hinsichtlich der Nichtableistung des Militärdienstes sei die beschwerdeführende Partei nicht ins Blickfeld des Regimes geraten, da sich das Herkunftsgebiet der beschwerdeführenden Partei nicht im Zugriffsbereich des Regimes befinde und keiner der Angehörigen Probleme aufgrund des Wehrdienstes mit den Behörden gehabt habe. Im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet drohe ihm aufgrund seines Alters zudem keine Rekrutierung, auch aufgrund seiner illegalen Ausreise drohe ihm mit maßgebender Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung und es seien bis dato auch keine Rekrutierungsversuche unternommen worden. Es drohe ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise zudem auch mit maßgebender Wahrscheinlichkeit keine Gefahr, im Sinne der GFK verfolgt zu werden.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 06.12.2023 die gegenständliche Beschwerde, die anderen Spruchpunkte erwuchsen somit jeweils in Rechtskraft.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 06.12.2023 die gegenständliche Beschwerde, die anderen Spruchpunkte erwuchsen somit jeweils in Rechtskraft.

Ausgeführt wurde vor allem, dass die beschwerdeführende Partei es ablehne, sich am Krieg zu beteiligen und den Militärdienst zu leisten. Er fürchte bei einer Rückkehr, von den kurdischen Selbstverteidigungseinheiten rekrutiert zu werden, was er auch ablehne. Das Regime würde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, ihm drohe eine exzessive Bestrafung durch Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen. Die beschwerdeführende Partei besitze kein gültiges Reisedokument, was eine Einreise erschwere. Bei einem Grenzübertritt müsse er gefährliches Terrain passieren, wo er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an Checkpoints der Regierung aufgegriffen werden würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe es verabsäumt, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen, so habe es keine ausreichenden Berichte zum Thema Wehrdienst in die Entscheidung einfließen lassen, die Thematik der Rekrutierung durch die kurdischen Milizen vernachlässigt und nicht alle verfahrensrelevanten Angaben aufgenommen, so zur Demonstrationsteilnahme der beschwerdeführenden Partei, und habe den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Auch die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar gewesen und sei mit Mangelhaftigkeit belastet, die sich auch in einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung widerspiegle. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übersehe, dass die Einreise sehr wohl prüfungsrelevant sei, die beschwerdeführende Partei beantragte sohin, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Spruchpunkt I. zu beheben und der beschwerdeführenden Partei gemäß § 3 AsylG Asyl zu gewähren, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang des Spruchpunktes I. zu beheben und das Verfahren zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen. Ausgeführt wurde vor allem, dass die beschwerdeführende Partei es ablehne, sich am Krieg zu beteiligen und den Militärdienst zu leisten. Er fürchte bei einer Rückkehr, von den kurdischen Selbstverteidigungseinheiten rekrutiert zu werden, was er auch ablehne. Das Regime würde ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellen, ihm drohe eine exzessive Bestrafung durch Inhaftierung unter unmenschlichen Bedingungen. Die beschwerdeführende Partei besitze kein gültiges Reisedokument, was eine Einreise erschwere. Bei einem Grenzübertritt müsse er gefährliches Terrain passieren, wo er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an Checkpoints der Regierung aufgegriffen werden würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe es verabsäumt, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen, so habe es keine ausreichenden Berichte zum Thema Wehrdienst in die Entscheidung einfließen lassen, die Thematik der Rekrutierung durch die kurdischen Milizen vernachlässigt und nicht alle verfahrensrelevanten Angaben aufgenommen, so zur Demonstrationsteilnahme der beschwerdeführenden Partei, und habe den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Auch die Beweiswürdigung sei nicht nachvollziehbar gewesen und sei mit Mangelhaftigkeit belastet, die sich auch in einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung widerspiegle. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übersehe, dass die Einreise sehr wohl prüfungsrelevant sei, die beschwerdeführende Partei beantragte sohin, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Spruchpunkt römisch eins. zu beheben und der beschwerdeführenden Partei gemäß Paragraph 3, AsylG Asyl zu gewähren, in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang des Spruchpunktes römisch eins. zu beheben und das Verfahren zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

II. Das BVwG hat erwogen:römisch II. Das BVwG hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die beschwerdeführende Partei führt die im Spruch genannte Verfahrensidentität (Name und Geburtsdatum).

Die beschwerdeführende Partei ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volksgruppenzugehörigkeit und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Seine Identität steht nicht mit ausreichender Sicherheit fest.

Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Dorf XXXX der Nähe der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo.Die beschwerdeführende Partei stammt aus dem Dorf römisch 40 der Nähe der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo.

Die beschwerdeführende Partei ist ledig und hat keine Kinder. Er hat die Schule bis zur zehnten Klasse in Syrien besucht. Er hat in der Türkei in einem Kaffeehaus als Kellner gearbeitet.

Bis zu ihrer Ausreise 2016 lebte die beschwerdeführende Partei mit ihrer Familie in Syrien, bevor er illegal und schlepperunterstützt in die Türkei ausreiste. Seine Eltern halten sich nach wie vor in Syrien auf, sie leben im Elternhaus und sind finanziell abgesichert. Fünf Schwestern und zwei seiner Brüder leben in der Türkei. Ein weiterer Bruder befindet sich im österreichischen Bundesgebiet und verfügt über den Status des subsidiär-Schutzberechtigen (IFA: 1289454708). Weitere Familienangehörige, Onkel und Tanten väterlicherseits und mütterlicherseits halten sich nach wie vor im Herkunftsgebiet auf.

Die beschwerdeführende Partei hat den Militärdienst nicht abgeleistet, keine Musterung absolviert und keinen Einberufungsbefehl erhalten.

Die beschwerdeführende Partei ist gesund und leidet an keiner schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankung oder sonstigen Einschränkungen. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Mit Bescheid vom 12.09.2023, ZI.1329527704-223292364, wurde der beschwerdeführenden Partei der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da eine Rückkehr in den Heimatstaat aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht zumutbar ist und mit einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens zu rechnen ist.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Vorwiegend werden Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren eingezogen.

Im Gebiet, das sich unter kurdischer Kontrolle befindet, existiert eine „Wehrpflicht“ für alle Männer von 18 bis 24 Jahren.

Der Herkunftsort der beschwerdeführenden Partei steht unter Kontrolle der Kurden.

Die beschwerdeführende Partei verließ Syrien im Alter von 18 Jahren aufgrund seiner Angst vor dem Krieg und der Befürchtung, zum Wehrdienst einberufen zu werden.

Die beschwerdeführende Partei hatte in Syrien keine Probleme mit staatlichen Stellen oder einer anderen Gruppierung und wurde niemals festgenommen. Die beschwerdeführende Partei war im Herkunftsstaat nicht politisch tätig. Es kann nicht festgestellt werden, dass er jemals an Demonstrationen teilgenommen hat. Er wurde auch nicht von Behörden aufgefordert, den Militärdienst abzuleisten, er wurde aus diesem Grund auch nicht verfolgt.

Das Gouvernement Aleppo ist in mehrere Kontrollbereiche unterteilt, wovon der nördliche Teil von der Türkei und Türkei-nahen Milizen, darunter die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army, SNA) kontrolliert wird. Die Teile des Gouvernements um Manbidj und Kobanê sowie das Gebiet um Tal Rifa’at sind unter der Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces). Unter anderem West-Aleppo wird von der dschihadistischen Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) beherrscht. Die syrische Regierung kontrolliert den zentralen und südlichen Teil des Gouvernements Aleppo, einschließlich der Stadt Aleppo und der M5-Autobahn.

Das syrische Regime hat auf das Gebiet der beschwerdeführenden Partei keinen Zugriff. Es ist dem syrischen Regime nicht möglich, in seinem Heimatdorf zu rekrutieren oder festzunehmen. Der beschwerdeführenden Partei droht auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Einberufung durch kurdische Milizen. Auch durch diese gab es bisher keine Rekrutierungsversuche. Die beschwerdeführende Partei befindet sich zudem mit 26 Jahren nicht im wehrfähigen Alter für die Selbstverteidigungseinheit der Kurden.

Der beschwerdeführenden Partei wird keine oppositionelle Gesinnung unterstellt, er wurde bei seiner Ausreise nicht vom syrischen Regime gesucht, bei einer Rückkehr droht ihm nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Rekrutierung durch das syrische Regime gegen seinen Willen.

1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Staatendokumentation: Länderinformation der Staatendokumentation: Syrien; aus dem COI-CMS, 14. März 2024, https://www.ecoi.net/de/laender/arabische-republik-syrien/coi-cms:
„[…]

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024). Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

Syrische Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

Institutionen und Wahlen

Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Art. 113 der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).Syrien ist nach der geltenden Verfassung von 2012 eine semipräsidentielle Volksrepublik. Das politische System Syriens wird de facto jedoch vom autoritär regierenden Präsidenten dominiert. Der Präsident verfügt als oberstes Exekutivorgan, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Ba'ath-Partei über umfassende Vollmachten. Darüber hinaus darf der Präsident nach Artikel 113, der Verfassung auch legislativ tätig werden, wenn das Parlament nicht tagt, aufgelöst ist oder wenn "absolute Notwendigkeit" dies erfordert. De facto ist die Legislativbefugnis des Parlaments derzeit außer Kraft gesetzt. Gesetze werden weitgehend als Präsidialdekrete verabschiedet (AA 29.3.2023).

Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Art. 85 vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vgl. Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).Der Präsident wird nach der Verfassung direkt vom Volk gewählt. Seine Amtszeit beträgt sieben Jahre. Seit der letzten Verfassungsänderung 2012 ist maximal eine einmalige Wiederwahl möglich. Da diese Verfassungsbestimmung jedoch erstmals bei den Präsidentschaftswahlen 2014 zur Anwendung kam, war es dem aktuellen Präsidenten Baschar al-Assad erlaubt, bei der Präsidentschaftswahl im Mai 2021 erneut zu kandidieren. Kandidatinnen und Kandidaten für das Präsidentenamt werden nach Artikel 85, vom Obersten Verfassungsgericht überprüft und müssen Voraussetzungen erfüllen, die Angehörige der Opposition faktisch weitgehend ausschließen. So muss ein Kandidat u. a. im Besitz seiner bürgerlichen und politischen Rechte sein (diese werden bei Verurteilungen für politische Delikte in der Regel entzogen), darf nicht für ein "ehrenrühriges" Vergehen vorbestraft sein und muss bis zum Zeitpunkt der Kandidatur ununterbrochen zehn Jahre in Syrien gelebt haben. Damit sind im Exil lebende Politikerinnen und Politiker von einer Kandidatur de facto ausgeschlossen (AA 29.3.2023). Bei den Präsidentschaftswahlen, die im Mai 2021 in den von der Regierung kontrollierten Gebieten sowie einigen syrischen Botschaften abgehalten wurden, erhielt Bashar al-Assad 95,1 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 77 Prozent und wurde damit für eine weitere Amtsperiode von sieben Jahren wiedergewählt. Zwei kaum bekannte Personen waren als Gegenkandidaten angetreten und erhielten 1,5 Prozent und 3,3 Prozent der Stimmen (Standard 28.5.2021; vergleiche Reuters 28.5.2021). Politiker der Exilopposition waren von der Wahl ausgeschlossen. Die Europäische Union erkennt die Wahl nicht an, westliche Regierungen bezeichnen sie als 'weder frei noch fair' und als 'betrügerisch', und die Opposition nannte sie eine 'Farce' (Standard 28.5.2021).

Das Parlament hat nicht viel Macht. Dekrete werden meist von Ministern und Ministerinnen vorgelegt, um ohne Änderungen vom Parlament genehmigt zu werden. Sitze im Parlament oder im Kabinett dienen nicht dazu, einzelne Machtgruppen in die Entscheidungsfindung einzubinden, sondern dazu, sie durch die Vorteile, die ihnen ihre Positionen verschaffen, zu kooptieren (BS 23.2.2022). Im Juli 2020 fanden die Wahlen für das "Volksrat" genannte syrische Parlament mit 250 Sitzen statt, allerdings nur in Gebieten, in denen das Regime präsent ist. Auch diese Wahlen wurden durch die weitverbreitete Vertreibung der Bevölkerung beeinträchtigt. Bei den Wahlen gab es keinen nennenswerten Wettbewerb, da die im Exil lebenden Oppositionsgruppen nicht teilnahmen und die Behörden keine unabhängigen politischen Aktivitäten in dem von ihnen kontrollierten Gebiet dulden. Die regierende Ba'ath-Partei und ihre Koalition der Nationalen Progressiven Front erhielten 183 Sitze. Die restlichen 67 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, die jedoch alle als regierungstreu galten (FH 9.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 33,7 Prozent (BS 23.2.2022). Es gab Vorwürfe des Betrugs, der Wahlfälschung und der politischen Einflussnahme. Kandidaten wurden in letzter Minute von den Wahllisten gestrichen und durch vom Regime bevorzugte Kandidaten ersetzt, darunter Kriegsprofiteure, Warlords und Schmuggler, welche das Regime im Zuge des Konflikts unterstützten (WP 22.7.2020).

Der Wahlprozess soll so strukturiert sein, dass eine Manipulation des Regimes möglich ist. Syrische Bürger können überall innerhalb der vom Regime kontrollierten Gebiete wählen, und es gibt keine Liste der registrierten Wähler in den Wahllokalen und somit keinen Mechanismus zur Überprüfung, ob Personen an verschiedenen Wahllokalen mehrfach gewählt haben. Aufgrund der Vorschriften bei Reihungen auf Wahllisten sind alternative Kandidaten standardmäßig nur ein Zusatz zu den Kandidaten der Ba'ath-Partei (MEI 24.7.2020). Die vom Regime und den Nachrichtendiensten vorgenommene Reihung auf der Liste ist damit wichtiger als die Unterstützung durch die Bevölkerung oder Stimmen. Wahlen in Syrien dienen nicht dem Finden von Entscheidungsträgern, sondern der Aufrechterhaltung der Fassade von demokratischen Prozessen durch den Staat nach Außen. Sie fungieren als Möglichkeit, relevante Personen in Syrien quasi zu managen und Loyalisten dazu zu zwingen, ihre Hingabe zum Regime zu demonstrieren (BS 23.2.2022). Zudem gilt der Verkauf öffentlicher Ämter an reiche Personen, im Verbund mit entsprechend gefälschten Wahlergebnissen, als zunehmend wichtige Devisenquelle für das syrische Regime (AA 29.3.2023). Entscheidungen werden von den Sicherheitsdiensten oder dem Präsidenten auf Basis ihrer Notwendigkeiten getroffen - nicht durch gewählte Personen (BS 23.2.2022).

Im September 2022 fanden in allen [unter Kontrolle des syrischen Regimes stehenden] Provinzen Wahlen für die Lokalräte statt. Nichtregierungsorganisationen bezeichneten sie ebenfalls als weder frei noch fair (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten