Entscheidungsdatum
25.07.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
I412 2222896-2/9E
I412 2216992-2/8E
Schriftliche Ausfertigung des am 11.07.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , alias XXXX und 2. von XXXX , geb. XXXX , beide StA. NIGERIA, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 09.02.2024, Zl. XXXX und vom 12.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.07.2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. römisch 40 , geb. römisch 40 , alias römisch 40 und 2. von römisch 40 , geb. römisch 40 , beide StA. NIGERIA, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien Außenstelle Wien (BFA-W-ASt-Wien) vom 09.02.2024, Zl. römisch 40 und vom 12.02.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.07.2024 zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , StA. NIGERIA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, und mj. XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA gemäß § 3 Abs. 1 iVm
§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.Den Beschwerden wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch 40 , geb. römisch 40 , alias römisch 40 , StA. NIGERIA gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005, und mj. römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. NIGERIA gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit
§ 34 Absatz 2, AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Nigerias. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Es handelt sich um ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005.1. Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige Nigerias. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin. Es handelt sich um ein Familienverfahren gemäß Paragraph 34, AsylG 2005.
2. Die Erstbeschwerdeführerin reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 20.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde sie am 21.11.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie an, sie habe ihr Land verlassen, weil sie kein Geld habe und sich nicht selbst versorgen könne. In Nigeria habe sie nicht lange zur Schule gehen können und habe außerdem niemanden, der sich um sie kümmere. Sie habe Angst auf der Straße zu leben, andere Fluchtgründe habe sie nicht.
3. Am 28.11.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Folgenden als belangte Behörde oder BFA bezeichnet, niederschriftlich einvernommen. Im Wesentlichen führte sie dabei aus, sie sei ausgereist, weil sie nicht genug Geld für Essen gehabt hätten. Als Kind sei sie mit einem Messer verletzt worden, sie sei sehr oft krank gewesen. In Nigeria habe sie keine Arbeit gehabt und wolle auch ein besseres Leben haben.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 08.03.2019 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde der Erstbeschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das Ende der Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit dem 31.10.2019 festgesetzt (Spruchpunkt VI.).4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 08.03.2019 wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Zugleich wurde der Erstbeschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus Gründen des Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Das Ende der Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit dem 31.10.2019 festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 01.04.2019. Im Wesentlichen wurde dabei ausgeführt, dass ihres Erachtens sehr wohl ein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bestünde, weshalb sie ihre bislang getätigten Aussagen aufrecht halte. Zudem sei sie auf sich alleine gestellt, ohne Unterstützung von der Familie, ohne Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung, weshalb von einer Verletzung des Art. 3 EMKR auszugehen sei. 5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 01.04.2019. Im Wesentlichen wurde dabei ausgeführt, dass ihres Erachtens sehr wohl ein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bestünde, weshalb sie ihre bislang getätigten Aussagen aufrecht halte. Zudem sei sie auf sich alleine gestellt, ohne Unterstützung von der Familie, ohne Berufsausbildung oder Arbeitserfahrung, weshalb von einer Verletzung des Artikel 3, EMKR auszugehen sei.
6. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich geboren, für die am 02.08.2019 durch die Erstbeschwerdeführerin ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, wobei keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen dargetan wurden, sondern Bezug auf den Antrag der Erstbeschwerdeführerin genommen wurde. 6. Am römisch 40 wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Österreich geboren, für die am 02.08.2019 durch die Erstbeschwerdeführerin ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, wobei keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen dargetan wurden, sondern Bezug auf den Antrag der Erstbeschwerdeführerin genommen wurde.
7. Mit Bescheid vom 05.08.2019 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Zugleich wurde der Zweitbeschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt VI.).7. Mit Bescheid vom 05.08.2019 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Zugleich wurde der Zweitbeschwerdeführerin kein Aufenthaltstitel aus Gründen des Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
10. Nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 03.01.2022 wurden die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
11. Am 10.11.2022 wurde von den Beschwerdeführerinnen der gegenständliche Folgeantrag auf internationalen Schutz eingebracht. Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab die BF1 an, sie habe aus Angst im ersten Asylverfahren darüber, dass sie durch den Menschenhandel nach Österreich gebracht worden sei, nichts erwähnt. Sie fürchte eine Dame namens „U.A.“, eine Nigerianerin, die sie bereits im Alter von 15 Jahren nach Libyen gebracht und in weiterer Folge auch nach Österreich gebracht habe. Sie habe für sie als Prostituierte arbeiten müssen. Sie fordere von ihr eine hohe Geldsumme, die sie nicht aufbringen könne und habe ihr damit gedroht, sie und ihre Tochter zu töten, sollten sie nach Nigeria zurückkehren. Für die BF2 gab sie an, dass für diese die von ihr angegebenen Fluchtgründe ebenso gelten würden und diese keine eigenen Fluchtgründe habe.
12. In einer am 10.11.2022 eingebrachten Stellungnahme wurde von der Rechtsvertretung der Erstbeschwerdeführerin ergänzend (zusammengefasst) vorgebracht, diese sei Opfer von Menschenhandel geworden, von einem Menschenhändlerring nach Österreich gebracht und gezwungen worden, der Prostitution nachzugehen. Die BF1 habe sich trotz ihrer durchaus nachvollziehbaren Furcht dazu durchgerungen, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die BF1 sei eine schutzlose Mutter und könne der minderjährigen BF2 nicht den notwendigen Schutz bieten. Als alleinstehende Mutter drohe der BF1 und ihrer Tochter bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Lage zu geraten, die die Schwelle von Art 3 EMRK erreiche. 12. In einer am 10.11.2022 eingebrachten Stellungnahme wurde von der Rechtsvertretung der Erstbeschwerdeführerin ergänzend (zusammengefasst) vorgebracht, diese sei Opfer von Menschenhandel geworden, von einem Menschenhändlerring nach Österreich gebracht und gezwungen worden, der Prostitution nachzugehen. Die BF1 habe sich trotz ihrer durchaus nachvollziehbaren Furcht dazu durchgerungen, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Die BF1 sei eine schutzlose Mutter und könne der minderjährigen BF2 nicht den notwendigen Schutz bieten. Als alleinstehende Mutter drohe der BF1 und ihrer Tochter bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Lage zu geraten, die die Schwelle von Artikel 3, EMRK erreiche.
13. Am 03.11.2022 wurde die BF1 von der Landespolizeidirektion XXXX als Zeugin einvernommen. 13. Am 03.11.2022 wurde die BF1 von der Landespolizeidirektion römisch 40 als Zeugin einvernommen.
14. Am 17.07.2023 wurde sie im Beisein eines Dolmetschers in der Sprache Englisch sowie im Beisein ihrer rechtlichen Vertretung niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. Dabei gab sie erneut an, Angst vor dieser Frau zu haben, vor allem jetzt, wo sie eine Tochter habe. Für diese gab die BF1 an, dass sie Angst um sie habe und nicht wolle, dass sie Opfer von Menschenhandel oder Vergewaltigung werde.
15. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 09.02.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ihnen wurde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten erteilt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt. Begründend führte die belangte Behörde aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerinnen in Nigeria asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen sind oder zukünftig ausgesetzt seien. Sie würden jedoch in Nigeria über kein tragfähiges Netzwerk verfügen. Im Falle der BF1 wurde nach Treffen der Feststellungen, dass diese zwar an keinen lebensbedrohenden Krankheiten, allerdings an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, ausgeführt, dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese allein für sich und ihre Kinder zu sorgen hätte und alleinerziehende Mutter sei. Als alleinstehende unverheiratete Mutter ohne Ersparnisse wäre es ihr nur schwer möglich, eine Anstellung zu finden, zumal sie sich zumindest um ein minderjähriges Kind zu kümmern hätte. Von der im Allgemeinen problematischen wirtschaftlichen und sozialen problematischen Lage in Nigeria sei im besonderen Maße die Gruppe der alleinstehenden Frauen betroffen, welche darüber hinaus vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt seien. Es bestehe derzeit daher aufgrund des Fehlens eines familiären Netzwerkes die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Nigeria. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zudem aus, das Vorbringen der BF1 stehe grundsätzlich in Einklang mit den Berichten über die Struktur und Vorgehensweise der Menschenhändlerorganisationen in Nigeria und die BF1 entspreche zudem dem typischen Profil eines Opfers von Menschenhandel. Es könne nach Ansicht der Behörde nicht ausgeschlossen werden, dass diese tatsächlich Opfer von Menschenhandel wurde. Es sei jedoch angesichts der aufgezeigten divergierenden Angaben und der sich daraus ergebenden persönlichen Unglaubwürdigkeit nicht davon auszugehen, dass diese im Falle einer Rückkehr nach Nigeria aufgrund etwaiger nicht getilgter „Schulden“ mit Vergeltungsmaßnahmen durch das Menschenhändlernetzwerk zu rechnen hätte. 15. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 09.02.2024 wurde der Antrag der Beschwerdeführerinnen hinsichtlich des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen. Ihnen wurde gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten erteilt und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt. Begründend führte die belangte Behörde aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerinnen in Nigeria asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt gewesen sind oder zukünftig ausgesetzt seien. Sie würden jedoch in Nigeria über kein tragfähiges Netzwerk verfügen. Im Falle der BF1 wurde nach Treffen der Feststellungen, dass diese zwar an keinen lebensbedrohenden Krankheiten, allerdings an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, ausgeführt, dass davon ausgegangen werden müsse, dass diese allein für sich und ihre Kinder zu sorgen hätte und alleinerziehende Mutter sei. Als alleinstehende unverheiratete Mutter ohne Ersparnisse wäre es ihr nur schwer möglich, eine Anstellung zu finden, zumal sie sich zumindest um ein minderjähriges Kind zu kümmern hätte. Von der im Allgemeinen problematischen wirtschaftlichen und sozialen problematischen Lage in Nigeria sei im besonderen Maße die Gruppe der alleinstehenden Frauen betroffen, welche darüber hinaus vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt seien. Es bestehe derzeit daher aufgrund des Fehlens eines familiären Netzwerkes die reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 3, EMRK bei einer Rückkehr nach Nigeria. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde zudem aus, das Vorbringen der BF1 stehe grundsätzlich in Einklang mit den Berichten über die Struktur und Vorgehensweise der Menschenhändlerorganisationen in Nigeria und die BF1 entspreche zudem dem typischen Profil eines Opfers von Menschenhandel. Es könne nach Ansicht der Behörde nicht ausgeschlossen werden, dass diese tatsächlich Opfer von Menschenhandel wurde. Es sei jedoch angesichts der aufgezeigten divergierenden Angaben und der sich daraus ergebenden persönlichen Unglaubwürdigkeit nicht davon auszugehen, dass diese im Falle einer Rückkehr nach Nigeria aufgrund etwaiger nicht getilgter „Schulden“ mit Vergeltungsmaßnahmen durch das Menschenhändlernetzwerk zu rechnen hätte.
16. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 04.03.2024 Beschwerde erhoben und nach Ausführung des Sachverhaltes erneut darauf verwiesen, dass es sich bei der BF1 um ein Opfer von Menschenhandle handle. Die belangte Behörde verkenne, dass sich die BF1 zum Zeitpunkt ihres ersten Asylverfahrens noch in den Fängen der Menschenhändlerin befunden habe, und sich getraut habe, damals die Wahrheit zu sagen. Es sei bemerkenswert, dass die belangte Behörde einerseits davon ausgehe, dass die BF1 kein tragfähiges Netz habe und sie als alleinerziehende Mutter auf sich selbst gestellt sei, ihr aber gleichzeitig unterstelle, in Bezug auf ihre Familienangehörigen bzw. das nicht Vorhandensein familiärer Kontrakte bzw. familiärer Beziehungen gelogen zu haben. Die belangte Behörde gehe zudem nicht auf die Stellungnahme der Opferschutzeinrichtung LEFÖ ei und setze sich mit den ärztlichen Befundberichten von Hemayat nicht auseinander, welche die Glaubwürdigkeit der BF1 ausdrücklich untermauern würden und der BF1 überdies Konzentrationsschwierigkeiten attestieren würden.
17. Die gegenständlichen Beschwerden wurden dem Bundesverwaltung am 06.03.2024 vorgelegt und nach einer Unzuständigkeitseinreide der Gerichtsabteilung I412 am 08.03.2024 zugeteilt.
18. Am 11.07.2024 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt in der die erkennende Richterin mündlich das im Spruch ersichtliche Erkenntnis verkündete.
19. Am 24.07.2024 langten die Anträge des BFA auf Ausfertigung der mündlich verkündeten Erkenntnisse ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführerinnen
Die BF1 ist eine volljährige nigerianische Staatsangehörige, ihre Identität steht nicht fest. Sie stammt aus Benin City, gehört der Volksgruppe der Edo an und bekennt sich zum christlichen Glauben.
Die BF2 ist die minderjährige, in Österreich geborene Tochter der BF2. Die BF1 ist alleinerziehend, der Vater der BF2 stammt ebenfalls aus Nigeria.
Ein ebenfalls mj Sohn der BF1 (geb. 2010) lebt in Nigeria.
Die BF1 besuchte 6 Jahre lang die Grundschule und verdiente sich ihren Lebensunterhalt etwa durch den Verkauf von Wasser.
Die BF1 leidet an keinen lebensbedrohenden Krankheiten. Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Sie wurde beschnitten (ohne Klitoris oder Klitorisvorhautentfernung).
Zum Gesundheitszustand der BF2 wird festgestellt, dass diese an keinen lebensbedrohenden Krankheiten leidet. Sie leidet an kongenitale Katarakt (schmerzfreie Trübung der Linse), Pseudophakie (Kunstlinse), Ambylopie und Strabismus convergens (Innenschielen). Eine Okklusionsbehandlung ist erforderlich sowie eine halbjährliche Kontrolle. Die mj BF2 benötigt eine Brille.
Die BF1 ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Den BF wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.02.2024 der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zuerkannt.Den BF wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.02.2024 der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zuerkannt.
1.2. Zu den Fluchtgründen/Rückkehrbefürchtungen:
Die Erstbeschwerdeführerin verließ Nigeria erstmals im Jahr 2005 und wurde ein Opfer von Frauenhandel zur sexuellen Ausbeutung. Nachdem sie in Libyen Opfer sexueller Gewalt wurde, hielt sie sich von 2007 bis 2016 wieder in Nigeria auf, wo sie schwanger wurde und 2010 einen Sohn bekam.
Im Jahr 2016 wurde die BF1 erneut Opfer von Re-trafficking und begab sich auf Anweisung der Täter zunächst nach Libyen, anschließend kam sie über Italien nach Österreich, wo sie am 20.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und ebenfalls der Prostitution nachging.
Sie verblieb dabei im Einflussbereich der Menschenhändler, denen sie wiederholt Geldzahlungen tätigte.
Am 10.11.2022 stellte sie erneut einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
Die BF1 erstattete eine Anzeige wegen Menschenhandels und wurde am 03.11.2022 zeugenschaftlich von der Landespolizeidirektion XXXX befragt. Das Verfahren wurde gegen einen angeblich mitbeteiligten österreichischen Staatsangehörigen eingestellt und gegen die von der BF angegebene nigerianische Täterin „A. U.“ abgebrochen. Die BF1 erstattete eine Anzeige wegen Menschenhandels und wurde am 03.11.2022 zeugenschaftlich von der Landespolizeidirektion römisch 40 befragt. Das Verfahren wurde gegen einen angeblich mitbeteiligten österreichischen Staatsangehörigen eingestellt und gegen die von der BF angegebene nigerianische Täterin „A. U.“ abgebrochen.
Die BF haben in Nigeria kein tragfähiges Netzwerk. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die BF1 allein für sich und ihre Kinder bzw. ihr Kind zu sorgen hätten. Sie ist alleinerziehende Mutter.
Insbesondere würde die BF1 aufgrund der mehrjährigen Abwesenheit, der Tätigkeit als Prostituierte und ihrer instabilen psychischen Situation diskriminiert werden - es wäre ihr kaum möglich, eine Arbeit aufzunehmen. Sie wird daher bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existentielle Notlage geraten und nicht in der Lage sein, für sich bzw. ihre Kinder/ihr Kind zu sorgen und besteht die Gefahr eines erneuten Re-Traffickings. Die BF läuft Gefahr, in Nigeria einer Verfolgung durch das Menschenhandelsnetzwerk ausgesetzt zu sein.
Auch wenn davon auszugehen wäre, dass NAPTIP die Beschwerdeführerin unmittelbar nach ihrer Rückkehr schützen könnte, kann ein langfristiger Schutz nicht garantiert werden. Ein EASO-Bericht bestätigt, dass die Vorgehensweise nigerianischer Menschenhändler zunehmend an Brutalität gewinnt und die Verurteilungsrate von Menschenhändlern in Nigeria in Relation zur Verbreitung des Phänomens niedrig geblieben ist. .
Für die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe substantiiert geltend gemacht.
1.3. Zur Lage im Herkunftsland
1.3.1
Auf Basis des aktuellen "EASO Country of Origin Information Report: Nigeria - Trafficking in Human Beings, April 2021", welcher als Aktualisierung des "EASO Country of Origin Information Report: Nigeria - Sex Trafficking of women, October 2015" (im Folgenden: EASO-Bericht 2015) sowie von Kapitel 3.16 des "EASO Country of Origin Information Report: Nigeria - Targeting of Individuals, November 2018" zu verstehen ist, wird Folgendes festgestellt:
Allgemeines zum Menschenhandel in Nigeria:
Nigeria ist ein Herkunfts-, Transit- und Zielland für Opfer von Menschenhandel. Im Jahr 2003 wurde das Gesetz zum Verbot des Menschenhandels (Trafficking in Persons (Prohibition) Law Enforcement and Administration Act; im Folgenden: TIPLEAA) verabschiedet, welches die rechtliche Grundlage für die Bekämpfung des Menschenhandels in Nigeria darstellt und 2015 umfassend novelliert wurde. Durch dieses Gesetz wurde auch eine Nationale Agentur für das Verbot des Menschenhandels (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons; im Folgenden: NAPTIP) eingerichtet, um die Bestimmungen des TIPLEAA durchzusetzen. Internationale Organisationen und Experten stimmen weitgehend darin überein, dass die nigerianische Regierung auf Bundes- und Bundesstaatsebene - insbesondere in Edo State - diverse Anstrengungen unternommen hat, um gegen den Menschenhandel vorzugehen. Quellen stellten jedoch ebenso fest, dass diesem Eingeständnis nicht die Bereitstellung angemessener Ressourcen für einen effizienten Kampf gegen den Menschenhandel gefolgt ist. Positive Entwicklungen in den letzten Jahren können u.a. in den Bemühungen um die Erarbeitung eines neuen nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel und der Einrichtung mehrerer staatlicher Task Forces zu dieser Thematik erkannt werden.
Nigeria fungiert als Quellland für Menschenhandel in Nachbarländer, Zielländer in Nordafrika und dem Nahen Osten, die EU und osteuropäische Länder wie Russland. Im Jahr 2020 identifizierte das US-Außenministerium nigerianische Opfer von Menschenhandel in mindestens 36 anderen Ländern. Im Jahr 2019 brachte NAPTIP nigerianische Opfer aus achtzehn verschiedenen Ländern in ihren Herkunftsstaat zurück. Die meisten Opfer, die von NAPTIP aus Ausbeutungssituationen in Drittländern gerettet wurden, befanden sich in Nachbarländern (Mali, Niger und Elfenbeinküste), Libyen, Russland und verschiedenen Ländern im Nahen Osten. Nigerianische Frauen und Mädchen landeten häufig in der Prostitution oder in der häuslichen Sklaverei.
Speziell im Hinblick auf den Sexhandel ist Quellen zu entnehmen, dass die Schleppernetzwerke ihren Modus Operandi angepasst haben und sich vermehrt auf die Nachbarländer und den Nahen Osten als Zielländer fokussieren, da es schwieriger geworden ist, nigerianische Frauen über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa zu schleusen und ein nicht unerheblicher Teil der Opfer auf dem Weg nach Europa mittlerweile für Monate oder gar Jahre in Libyen festsitzt.
Zum grenzüberschreitenden Menschenhandel aus Nigeria nach Europa:
Die EU beherbergt eine erhebliche Anzahl nigerianischer Opfer des Menschenhandels. Nach einem Höhepunkt der Ankünfte nigerianischer Migranten in Italien zwischen 2015 und 2017 zeigen Daten aus dem Jahr 2019 jedoch, dass der Zustrom aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage in Libyen und neuer Maßnahmen zur Eindämmung der Migration nach Italien, einschließlich der Unterstützung der libyschen Küstenwache, stark zurückgegangen ist. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen zwischen 2017 und Mitte 2020 insgesamt 465.250 irreguläre Migranten nach Europa (sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg), wobei hiervon 20.348 Personen aus Nigeria stammten. Während des Berichtszeitraums führte Nigeria nach wie vor die Liste der Herkunftsländer von (identifizierten) Nicht-EU-Opfern des Menschenhandels in der EU an, ebenso wie die Liste der Nicht-EU-Staaten mit dem höchsten Anteil an Opfern des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (68 % dieser Opfer). Die Mehrheit (92 %) der identifizierten nigerianischen Opfer von Menschenhandel in EU-Ländern waren Frauen. Diese stammten überwiegend aus dem Süden Nigerias, insbesondere aus Edo State, dessen Hauptstadt Benin City in den letzten Jahrzehnten die zentrale Drehscheibe für den Sexhandel von Nigeria nach Europa war. Der EASO-Bericht 2015 zeigte, da