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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Jänner 1994, Zl. 4.324.394/2-III/13/91, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat mit Bescheid vom 20. November 1991 festgestellt, daß beim Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Bangladesch, die Voraussetzungen für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. Jänner 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück, weil der erstinstanzliche Bescheid vom Beschwerdeführer bereits am 3. Dezember 1991 übernommen, die Berufung aber erst nach Ablauf der Berufungsfrist am 18. Dezember 1991 eingebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einen gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der erstinstanzliche Bescheid am 3. Dezember 1991 vom Beschwerdeführer übernommen worden sei. Die zweiwöchige Berufungsfrist sei daher am 17. Dezember 1991 abgelaufen. Da der Beschwerdeführer die Berufung erst am 18. Dezember 1991 eingebracht habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, die von der belangten Behörde angenommene Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides könne nicht am 3. Dezember 1991 "im Amte" erfolgt sein, weil er sich an diesem Tag dort nicht aufgehalten habe. Die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides sei vielmehr erst nach dem 3. Dezember 1991 "postalisch" im Flüchtlingsheim in W, wo der Beschwerdeführer ständig gewohnt habe, erfolgt. Des weiteren sei aus einer der Beschwerde beigelegten Ablichtung eines Aufgabescheines ersichtlich, daß die Berufung bereits am 17. Dezember 1991 und somit fristgerecht zur Post gegeben worden sei. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, dem Beschwerdeführer in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit zur Stellungnahme und somit zum Nachweis des tatsächlichen Zeitpunktes der Zustellung und der Berufungseinbringung zu bieten.
Die in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten enthaltene Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides weist den Zusatz "Originalbescheid wurde mir im Amte zugestellt. Wien, 03. Dez. 1991" sowie die - aus einem Vergleich mit der in der Berufungsschrift aufscheinenden Unterschrift erkennbar - eigenhändige Unterschrift des Beschwerdeführers auf. Das der mit 17. Dezember 1991 datierten Berufung beigeheftete Kuvert weist als Adressat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien und als Absender den Beschwerdeführer sowie den Poststempel 18. Dezember 1991 auf. Eine weitere in den Verwaltungsakten enthaltene, inhaltlich gleichlautende, aber an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gerichtete, ebenfalls mit 17. Dezember 1991 datierte Berufung wurde dem ihr beigehefteten Kuvert zufolge am 17. Dezember 1991 an die letztgenannte Behörde adressiert zur Post gegeben. Diese Berufung langte am 18. Dezember 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich ein, von wo sie mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien weitergeleitet wurde, wo sie am 10. Jänner 1992 einlangte. Auf die letztangeführte Berufung bezieht sich offenbar der der Beschwerde beigeschlossene Aufgabeschein, der als Empfänger die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich nennt und den Poststempel 17. Dezember 1991 trägt.
Gemäß der hg. Judikatur trägt die Berufungsbehörde wohl das Risiko der Aufhebung des Bescheides wegen unterlaufener Verfahrensmängel, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 4, Eisenstadt 1990, S. 499, zitierte Judikatur). Die Aufhebung eines Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt aber nur dann in Betracht, wenn es sich um wesentliche Verfahrensmängel handelt, wobei deren Wesentlichkeit von der Beschwerde darzutun ist (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 591 angeführte Judikatur). Im Lichte dieser Judikatur erweist sich die bloße Behauptung des Beschwerdeführers, er habe den erstinstanzlichen Bescheid nicht bei der Behörde erster Instanz übernommen, angesichts des Vorhandenseins seiner diese Übernahme und auch deren Datum bestätigenden eigenhändigen Unterschrift auf der in den Verwaltungsakten enthaltenen Ausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides als nicht geeignet, davon auszugehen, die belangte Behörde hätte bei Unterlassung des ihr vorgeworfenen, in der Verletzung des Parteiengehörs erblickten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid gelangen können.
Soweit der Beschwerdeführer aus dem Aufgebeschein der Post mit dem Poststempel 17. Dezember 1991 die Rechtzeitigkeit der Einbringung seiner Berufung abzuleiten versucht, ist ihm entgegenzuhalten, daß die darin als Empfänger aufscheinende Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich im Beschwerdefall nicht als Einbringungsstelle in Betracht kommen konnte. Die der Behörde gemäß § 6 AVG aufgegebene Weiterleitung von bei ihr eingelangten Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, an die zuständige Stelle erfolgt aber zufolge dieser Gesetzesstelle auf Gefahr des Einschreiters. Da diese Berufung erst am 10. Jänner 1992 bei der zuständigen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien eingelangt ist, wurde die Frist für ihre Erhebung nicht gewahrt. Die andere, richtig an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien adressierte Berufung wurde laut Poststempel erst am 18. Dezember 1991, also nach Ablauf der Berufungsfrist zur Post gegeben. Auch dieses Vorbringen ist daher nicht geeignet, Hinweise für die Rechtzeitigkeit der Berufung zu geben bzw. die Wesentlichkeit des aufgezeigten Verfahrensmangels darzutun.
Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie, ohne daß auf das weitere, die Frage der Flüchtlingeigenschaft des Beschwerdeführers betreffende Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200878.X00Im RIS seit
27.11.2000Zuletzt aktualisiert am
22.04.2010