Entscheidungsdatum
24.06.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W271 2268002-3/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 2001, StA. Syrien, unvertreten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom XXXX 2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anna WALBERT-SATEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 2001, StA. Syrien, unvertreten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom römisch 40 2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geboren am XXXX 2001, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 , geboren am römisch 40 2001, gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , geboren am XXXX 2001, kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 , geboren am römisch 40 2001, kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer behauptet, er sei syrischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Araber. Am XXXX 2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und bei seiner am XXXX 2022 durchgeführten Erstbefragung gab er hinsichtlich seines Fluchtgrundes an, dass er in Syrien zum Militär gehen müsse.1. Der Beschwerdeführer behauptet, er sei syrischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Araber. Am römisch 40 2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz und bei seiner am römisch 40 2022 durchgeführten Erstbefragung gab er hinsichtlich seines Fluchtgrundes an, dass er in Syrien zum Militär gehen müsse.
2. Am XXXX 2023 erfolgte die Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde). Syrien habe er wegen des Krieges verlassen. Er möchte nicht zu Militär, keine Waffen tragen und keine Menschen töten. Der Präsident sowie die Opposition seien schlechte Menschen, der Präsident sei ein Diktator, der das syrische Volk töte. Er habe bisher keinen Einberufungsbefehl erhalten, weil er wegen seines Studiums Aufschübe bekommen habe, insgesamt seien es drei gewesen, wobei er vor Ablauf des letzten Aufschubes ausgereist sei - dieser sei mittlerweile jedoch abgelaufen. Im Jahr 2019 habe er ein Militärbuch von der Einberufungsstelle in XXXX erhalten. Zudem habe er Syrien aus psychischen Gründen verlassen: Der Gesamtdruck in Syrien, der Druck seines Vaters, seines Umfeldes und die Kriegssituation seien dafür verantwortlich. Er sei oft grundlos von Leuten geschlagen und gehänselt worden.2. Am römisch 40 2023 erfolgte die Einvernahme zum Antrag auf internationalen Schutz vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde). Syrien habe er wegen des Krieges verlassen. Er möchte nicht zu Militär, keine Waffen tragen und keine Menschen töten. Der Präsident sowie die Opposition seien schlechte Menschen, der Präsident sei ein Diktator, der das syrische Volk töte. Er habe bisher keinen Einberufungsbefehl erhalten, weil er wegen seines Studiums Aufschübe bekommen habe, insgesamt seien es drei gewesen, wobei er vor Ablauf des letzten Aufschubes ausgereist sei - dieser sei mittlerweile jedoch abgelaufen. Im Jahr 2019 habe er ein Militärbuch von der Einberufungsstelle in römisch 40 erhalten. Zudem habe er Syrien aus psychischen Gründen verlassen: Der Gesamtdruck in Syrien, der Druck seines Vaters, seines Umfeldes und die Kriegssituation seien dafür verantwortlich. Er sei oft grundlos von Leuten geschlagen und gehänselt worden.
3. Mit Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I), erteilte ihm die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II), und erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß § 8 Abs.4 AsylG (Spruchpunkt III).3. Mit Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins), erteilte ihm die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch II), und erteilte dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr gemäß Paragraph 8, Absatz , AsylG (Spruchpunkt römisch III).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX 2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am römisch 40 2024 eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer teilnahm. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
6. Am XXXX 2024 wurden der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer Länderberichte zum Parteiengehör übermittelt.6. Am römisch 40 2024 wurden der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer Länderberichte zum Parteiengehör übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 2001. Er ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Muttersprache ist Arabisch.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und das Geburtsdatum römisch 40 2001. Er ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt XXXX , Syrien.Der Beschwerdeführer stammt aus der Stadt römisch 40 , Syrien.
Der Beschwerdeführer hat in Syrien ein Studium begonnen, dort jedoch nicht beendet.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In Syrien besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden. Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In dessen Art. 98-99 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht.In Syrien besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Militärdienst einberufen werden. Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In dessen Artikel 98 -, 99, ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht.
Der Beschwerdeführer betrachtet den Präsidenten als Diktator und schlechten Menschen, der das syrische Volk töte; zudem sieht der Beschwerdeführer in allen Kriegsbeteiligten Verbrecher: Damit steht er unter dem Verdacht, vom syrischen Regime als regimekritisch wahrgenommen zu werden und unterliegt damit einem besonders hohen Folterrisiko. Zwar betrachtet die Regierung nicht jeden Wehrdienstverweigerer als oppositionsnahe, jedoch in Anbetracht des Umstandes, dass „Loyalität“ ein entscheidender Faktor hinsichtlich dessen ist, ob die Wehrdienstverweigerung als Ausdruck von politischem Dissens zu sehen ist, der Beschwerdeführer wie oben angegeben den Präsidenten als schlechten Menschen ansieht, der das syrische Volk töte, betrachtet die Regierung die Wehrdienstverweigerung gerade in seinem Fall als Ausdruck politischen Dissens. Die Regierung betrachtet den Beschwerdeführer als illoyal, weil er dadurch versucht, sich ihrer Politik zu widersetzen.
Der Beschwerdeführer hatte drei Aufschübe vom Militärdienst wegen seines in Syrien begonnenen Studiums - der letzte Aufschub vom Militärdienst ist abgelaufen. Der Beschwerdeführer hat den verpflichtenden Wehrdienst in Syrien noch nicht abgeleistet und lehnt diesen auch aus Gewissensgründen ab. Er ist vom Wehrdienst nicht befreit. Der Beschwerdeführer ist zum Entscheidungszeitpunkt 23 Jahre alt und befindet sich damit im wehrdienstpflichtigen Alter.
Würde der Beschwerdeführer nach XXXX zurückkehren, könnte er sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einem Zugriff der syrischen Armee entziehen, da sich das syrische Regime in XXXX befindet. Dem Beschwerdeführer droht daher im Fall einer Rückkehr nach Syrien die reale Gefahr, als syrischer und junger Mann im wehrfähigen Alter erstmals zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes ist der Beschwerdeführer der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ein „Herausfiltern“ von Militärpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem von zahlreichen - auch mobilen - Checkpoints ist weit verbreitet und stellt für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr dar.Würde der Beschwerdeführer nach römisch 40 zurückkehren, könnte er sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einem Zugriff der syrischen Armee entziehen, da sich das syrische Regime in römisch 40 befindet. Dem Beschwerdeführer droht daher im Fall einer Rückkehr nach Syrien die reale Gefahr, als syrischer und junger Mann im wehrfähigen Alter erstmals zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden. Im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes ist der Beschwerdeführer der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ein „Herausfiltern“ von Militärpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem von zahlreichen - auch mobilen - Checkpoints ist weit verbreitet und stellt für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr dar.
Eine verlässliche Option des Freikaufens vom Militärdienst des syrischen Regimes besteht für den Beschwerdeführer nicht.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.3.1. Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11;
- EUAA Country Guidance Syria, February 2023.
1.3.2. Auszug aus der Länderinformation zu Syrien, Version 11:
„[…]
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
[…]
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere B