Entscheidungsdatum
25.06.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W180 2257829-1/22E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2022, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.06.2022, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch 40 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch 40 damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Araber, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In seiner Erstbefragung am 08.10.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, 2013 habe er als Reservesoldat einrücken müssen, er sei aber mit seiner Familie nach Jordanien geflüchtet. In Jordanien habe er in einem Lager leben müssen und habe sich nicht frei bewegen dürfen. Er habe Angst gehabt, dass er als Syrer zurück nach Syrien geschickt werde. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst, verhaftet zu werden, vor das Militärgericht zu kommen und in den Krieg zu müssen. Er werde als Reservist gesucht.
3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 24.03.2022 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus einem Dorf im Gouvernement Dara’a. Er habe sieben Jahre die Grundschule besucht und dann in der Landwirtschaft gearbeitet. Er sei verheiratet und habe zwei Töchter und zwei Söhne. Im Jahr 2011 habe er geheiratet. 2013 sei er mit seiner Familie illegal nach Jordanien gegangen. Seitdem sei er nicht mehr in Syrien gewesen. In Jordanien hätten sie keinen Aufenthaltstitel erhalten, sie seien dort in einem Flüchtlingslager gewesen. Seine Frau lebe mit den Kindern nach wie vor im Lager in Jordanien, ebenso sein Vater und weitere Verwandte. Seine Mutter sei bereits verstorben. Drei Brüder seien in Syrien. Zwei Brüder würden sich in Österreich befinden.
Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien wegen der Sicherheitslage verlassen. Dort herrsche Krieg. Die Lage im Zeltlager in Jordanien sei schlecht gewesen. Von 2007 bis 2009 habe er den Militärdienst in Damaskus bei der Republikanischen Garde geleistet. Damals in Syrien, bevor er das Land verlassen habe, habe der Ortsvorsteher ihm mündlich mitgeteilt, dass er als Reservist einberufen worden sei. Er sei in Syrien als Reservist gesucht. Im Fall einer Rückkehr würde er sofort verhaftet werden, weil er illegal das Land verlassen habe.
Der Beschwerdeführer legte Dokumente vor (im Original: syrischer Reisepass, Personalausweis, in Kopie: Militärbuch, Führerschein, Familienregisterauszug, Geburtsurkunden seiner Kinder, Ehebescheinigung, Personalausweis seiner Frau). Die Dokumente wurden von der Behörde zur Übersetzung gegeben. Später legte der Beschwerdeführer noch Kopien weiterer Dokumente vor (UN-Ausweise seiner Familie, Unterlagen betreffend seine Brüder und weitere Verwandte in Österreich).
Bezüglich des Aufenthalts des Beschwerdeführers in einem Flüchtlingslager in Jordanien wurde von der Behörde eine Anfrage an UNHCR Österreich gestellt, die mit Schreiben vom 06.04.2022 beantwortet wurde.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2022 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2022 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
5. Mit Schreiben vom 21.07.2022 erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides. Er beantragte nach Darlegung der Beschwerdegründe die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu die Zurückverweisung, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. 5. Mit Schreiben vom 21.07.2022 erhob der Beschwerdeführer durch seine damalige Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides. Er beantragte nach Darlegung der Beschwerdegründe die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu die Zurückverweisung, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
6. Mit Schreiben vom 03.08.2022 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht einen Strafregisterauszug in Kopie mit Übersetzung vor. Mit Schreiben vom 20.07.2023 wurden Screenshots von einer Abfragemaske der Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums mit Übersetzung vorgelegt. Zudem legte der Beschwerdeführer ein Militärbuch und eine Militärdienstbestätigung im Original vor.
7. Am 11.08.2023 sowie am 15.03.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, bei welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern. Der Beschwerdeführer legte weitere Unterlagen vor (weitere Screenshots von einer Abfragemaske der Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums). Weiters wurden die Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2024, die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen vom März 2021, die EUAA Country Guidance Syria vom Februar 2023 sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Webseite des syrischen Verteidigungsministeriums – Einberufung, vom 18. Mai 2021 in das Verfahren eingebracht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und das dort genannte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch, weiters spricht er etwas Deutsch. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter und zwei Söhne.
Der Beschwerdeführer stammt aus der syrischen Ortschaft XXXX im Gouvernement Dara’a und hat dort mit seiner Familie gelebt. Er hat sieben Jahre die Schule in seiner Ortschaft besucht. Nach der Schule hat er in der Landwirtschaft gearbeitet, sowohl am landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters als auch in anderen Betrieben. Zudem hat er als Busfahrer gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2011 im Heimatort geheiratet, er ist mit seiner Frau entfernt verwandt. Die älteste Tochter des Beschwerdeführers wurde noch in Syrien geboren. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2013 mit seiner Frau, seiner Tochter und weiteren Verwandten illegal Syrien verlassen und ist nach Jordanien gegangen, wo er sich bis zum Jahr 2021 aufgehalten hat. Er ist nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt. Seine weiteren drei Kinder wurden in Jordanien geboren. Er hatte in Jordanien keinen Aufenthaltstitel, sondern er hat mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager gelebt. Im September 2021 ist er nach Europa aufgebrochen und hat nach einer Durchreise durch mehrere andere Länder am 07.10.2021 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.Der Beschwerdeführer stammt aus der syrischen Ortschaft römisch 40 im Gouvernement Dara’a und hat dort mit seiner Familie gelebt. Er hat sieben Jahre die Schule in seiner Ortschaft besucht. Nach der Schule hat er in der Landwirtschaft gearbeitet, sowohl am landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters als auch in anderen Betrieben. Zudem hat er als Busfahrer gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2011 im Heimatort geheiratet, er ist mit seiner Frau entfernt verwandt. Die älteste Tochter des Beschwerdeführers wurde noch in Syrien geboren. Der Beschwerdeführer hat im Jahr 2013 mit seiner Frau, seiner Tochter und weiteren Verwandten illegal Syrien verlassen und ist nach Jordanien gegangen, wo er sich bis zum Jahr 2021 aufgehalten hat. Er ist nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt. Seine weiteren drei Kinder wurden in Jordanien geboren. Er hatte in Jordanien keinen Aufenthaltstitel, sondern er hat mit seiner Familie in einem Flüchtlingslager gelebt. Im September 2021 ist er nach Europa aufgebrochen und hat nach einer Durchreise durch mehrere andere Länder am 07.10.2021 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. In jenem Flüchtlingslager in Jordanien, in dem auch der Beschwerdeführer gelebt hat, leben nach wie vor seine Frau und seine Kinder, weiters sein Vater, zwei Brüder und zwei Schwestern. Der Beschwerdeführer hatte insgesamt neun Brüder und fünf Schwestern. Zwei Brüder sind bereits verstorben. Drei Brüder leben nach wie vor in Syrien im Herkunftsort des Beschwerdeführers. Eine Schwester lebt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, eine weitere Schwester in Saudi-Arabien und eine Schwester in Deutschland. In Österreich leben zwei Brüder des Beschwerdeführers, denen vom Bundesamt der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, mit ihren Familien. Dabei handelt es sich um den Zwillingsbruder des Beschwerdeführers, XXXX (Zuerkennung mit Bescheid vom 22.04.2022), und XXXX (Zuerkennung mit Bescheid vom 15.03.2022; mit letzterem Bruder ist der Beschwerdeführer nach Österreich gekommen). Zudem leben weitere Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich (zwei Schwager und ein Neffe). Der Beschwerdeführer hat zu seiner Familie Kontakt.Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. In jenem Flüchtlingslager in Jordanien, in dem auch der Beschwerdeführer gelebt hat, leben nach wie vor seine Frau und seine Kinder, weiters sein Vater, zwei Brüder und zwei Schwestern. Der Beschwerdeführer hatte insgesamt neun Brüder und fünf Schwestern. Zwei Brüder sind bereits verstorben. Drei Brüder leben nach wie vor in Syrien im Herkunftsort des Beschwerdeführers. Eine Schwester lebt in den Vereinigten Arabischen Emiraten, eine weitere Schwester in Saudi-Arabien und eine Schwester in Deutschland. In Österreich leben zwei Brüder des Beschwerdeführers, denen vom Bundesamt der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, mit ihren Familien. Dabei handelt es sich um den Zwillingsbruder des Beschwerdeführers, römisch 40 (Zuerkennung mit Bescheid vom 22.04.2022), und römisch 40 (Zuerkennung mit Bescheid vom 15.03.2022; mit letzterem Bruder ist der Beschwerdeführer nach Österreich gekommen). Zudem leben weitere Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich (zwei Schwager und ein Neffe). Der Beschwerdeführer hat zu seiner Familie Kontakt.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer hat von 08.02.2007 bis 01.01.2009 seinen Grundwehrdienst bei der syrischen Armee abgeleistet. Nach Abschluss der Grundausbildung und einer Spezialausbildung zur Luftabwehr war der Beschwerdeführer bei der Republikanischen Garde als Wache in Damaskus tätig. Der Beschwerdeführer wurde nicht befördert und war einfacher Soldat. Er hat an keinen Kampfhandlungen teilgenommen.
Die Herkunftsregion des Beschwerdeführers im Gouvernement Dara’a befindet sich derzeit unter der Kontrolle der syrischen Regierung.
Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes Reservist, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Der Beschwerdeführer ist mit seinen 36 Jahren im wehrfähigen Alter, er hat seinen Reservedienst in der syrischen Armee nicht abgeleistet, sondern er hat Syrien verlassen.
Bei einer vom Beschwerdeführer durchgeführten Abfrage auf der Webseite mod.gov.sy scheint für ihn eine Einberufung für den Reservedienst auf.
Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer die Gefahr, an einem Grenzkontrollposten oder an einem Checkpoint verhaftet und in weiterer Folge zum Reservedienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehnt. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Für den Beschwerdeführer besteht nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit, sich durch die Zahlung einer Befreiungsgebühr vom Reservedienst freizukaufen. Er besitzt auch keine ausreichenden finanziellen Mittel, um die Befreiungsgebühr zu leisten.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
1.3.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation – Syrien (Version 10 vom 14.03.2024; Auszüge):
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 23.6.2023
? Alaraby - New Arab, the (31.5.2023): Why Syria's Kurds and Hayat Tahrir al-Sham are offering to host refugees, https://www.newarab.com/analysis/why-syrias-kurds-and-hts-are-offering-host-refugees, Zugriff 28.6.2023
? Brookings (27.1.2023): Syria’s dissolving line between state and nonstate actors, https://www.brookings.edu/b