TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/28 W242 2284898-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2024
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Entscheidungsdatum

28.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W242 2284898-1 /12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.04.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch 40 , alias römisch 40 , geb. römisch 40 StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold-Moses-Gasse 4, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2023, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.04.2024, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:römisch eins.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte am 03.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, dass er Syrien verlassen habe, da es dort nicht sicher sei.

3. Am 16.08.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA). Der BF wiederholte im Wesentlichen den in der Erstbefragung vorgetragenen Fluchtgrund und führte präzisierend aus, er habe Syrien mit seiner Familie aufgrund des Krieges verlassen. Er werde von der syrischen Regierung gesucht, da er sich im wehrpflichtige Alter befände. Der BF lehne den Wehrdienst für die syrische Regierung ab, da er keine Waffe tragen, niemanden töten und auch selbst nicht getötet werden wolle.

Der BF legte im Zuge der Einvernahme einen Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister vor.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 21.11.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 21.11.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde seitens des BFA im Wesentlichen damit begründet, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung zum Wehrdienst in der syrischen Armee drohe. Wenngleich der BF zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt im wehrfähigen Alter sei ergäbe sich aus den Länderinformationen und dem herangezogenen Kartenmaterial, dass eine Zugriffsmöglichkeit der syrischen Behörden auf den BF nicht maßgeblich wahrscheinlich scheint. Weiters sei es dem BF möglich sich durch die Zahlung einer Befreiungsgebühr vom syrischen Wehrdienst befreien zu lassen. Zudem sei aus den Länderberichten nicht ersichtlich, dass die syrische Regierung am Herkunftsort des BF tatsächlich Rekrutierungen durchführen würden. Es gäbe auch keine Hinweise darauf, dass sich der BF politisch gegen das Regime betätigte, oder sonst als regimekritisch durch die syrische Regierung wahrgenommen worden sei. Andere Hinweise auf eine möglicherweise unterstellte oppositionelle Gesinnung seien nicht hervorgetreten. Letztlich seien Umstände aus denen ersichtlich wäre, dass der BF von einer Zwangsrekrutierung durch zu der kurdischen Selbstverteidigungspflicht bedroht werde, nicht hervorgetreten. Dass der BF allein aufgrund der Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht von der AANES/SDF als regimefreundlich angesehen werden würde, oder im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an menschenrechtswidrigen Handlungen teilnehmen müsse, sei den Länderinformationen nicht zu entnehmen. Eine asylrelevante Verfolgungsgefahr sei sohin in Gesamtschau nicht zu erkennen gewesen.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner Rechtsvertretung am 14.12.2023 fristgerecht Beschwerde.

Darin wurde ergänzend zu den bisherigen Angaben vorgebracht, dass es den BF nicht möglich sei seinen Herkunftsort, ohne mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt zu sein, zu erreichen. Präzisierend zu dem bisherigen Vorbringen wurde ausgeführt, der BF sei im wehrpflichtigen Alter und es drohe ihm im Fall der Rückkehr die Rekrutierung zur syrischen Armee, bzw. im Fall der Verweigerung des Wehrdienstes die Inhaftierung und Folter bis hin zur Tötung. Da der BF seinen Militärdienst nicht abgeleistet habe, werde ihm durch das syrische Regime eine oppositionelle Haltung zumindest unterstellt. Überdies verweigere der BF den Wehrdienst aufgrund seiner politischen Haltung und aus Gewissensgründen. Außerdem müsse der BF die kurdische Selbstverteidigungspflicht ableisten, welche er ebenfalls aus Gewissensgründen ablehne. Hieraus würde ihm von kurdischer Seite eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen und er sei bei einer Zwangsrekrutierung gezwungen sich an Kriegsverbrechen zu beteiligen. Weiters führte der BF aus, dass ihm bereits aufgrund seiner Ausreise aus Syrien und der Asylantragsstellung in Österreich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle Gesinnung durch die syrische Regierung unterstellt werde. Letztlich sei es dem Beschwerdeführer nicht möglich an seinen Herkunftsort zurückzukehren, ohne dabei bereits der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Vor diesem Hintergrund sei dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

6. Mit Schreiben vom 22.01.2024 legte das BFA die Beschwerde mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.04.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch eine öffentliche mündliche Verhandlung zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhalts durch, an welcher der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde blieb der Beschwerdeverhandlung entschuldigt fern.

Der Beschwerdeführer wurde zu seiner Identität und Herkunft, zu seinen persönlichen Lebensumständen, zu seinem Leben in Österreich, zu seinen Angehörigen und zu seinen Flucht- und Verfolgungsgründen sowie zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt. Dabei brachte der BF nach seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen vor, dass er Syrien mit seiner Familie wegen des Krieges verlassen habe. Er wolle nicht keine Waffe tragen, niemanden töten und nicht zu einem Verbrecher werden. Aufgrund seiner Ausreise würde man ihn als Verräter betrachten, zudem drohe ihm die Rekrutierung durch die syrische Armee und die Zwangsrekrutierung durch kurdische Milizen. Zusammenfassend brachte der BF vor, dass er auf keiner Seite einer Konfliktpartei stünde und sich nicht am Konflikt beteiligen wolle. Die Rechtsvertretung des BF verzichtete auf Ergänzungen und verwies auf die bisherigen Vorbringen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der BF eine Kopie der Geburtsurkunde, eine Kopie der Heiratsurkunde, eine Kopie des Familienbuchs, eine Kopie des Ehevertrags und eine Kopie des Personenstandsregisterauszugs vor. Die Kopien wurden im Konvolut als Beilage ./1 zum Akt genommen (= OZ 6).

8. Mit Schreiben vom 19.06.2024 wurde dem BF das Länderinformationsblatt Version 11, Stand 27.03.2024 zur Kenntnis gebracht und im Rahmen des Parteigehör die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen offener Frist von sieben Tagen eingeräumt.

9. Am 26.06.2024 erstattete der BF fristgerecht Stellungnahme und präzisierte im Wesentlichen bisher erstatte Vorbringen.

Im Zuge der Stellungnahme legte der BF einen übersetzten Auszug aus dem syrischen Zivilregister, einen übersetzten Auszug aus dem syrischen Familienregister, eine übersetzte Ehebestätigung, eine übersetzte Geburtsurkunde der Ehefrau und eine übersetzte syrische Heiratsurkunde. (Zusammengefasst im Konvolut OZ 11)

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang.Festgestellt wird zunächst der unter Pkt. römisch eins. dargelegte Verfahrensgang.

In Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente im Original, wie etwa Personalausweis oder Reisepass, konnte die Identität des BF nicht festgestellt werde. Dem BF kommt lediglich Verfahrensidentität zu. Der BF führt den Namen XXXX alias XXXX und ist am XXXX geboren. In Ermangelung identitätsbezeugender Dokumente im Original, wie etwa Personalausweis oder Reisepass, konnte die Identität des BF nicht festgestellt werde. Dem BF kommt lediglich Verfahrensidentität zu. Der BF führt den Namen römisch 40 alias römisch 40 und ist am römisch 40 geboren.

Der BF ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch, welche er nur in Wort, jedoch nicht in Schrift beherrscht.

Der BF ist in der Ortschaft XXXX , im Bezirk Qamishli im Gouvernement Al-Hasaka geboren und lebte dort zusammen mit seiner Kernfamilie bis zu seiner Ausreise aus Syiren. Der BF erhielt in Syrien keine Schulbildung. Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2016 über die syrisch-türkische Grenze, verblieb zunächst in der Türkei und reiste im Jahr 2022 nach Österreich.Der BF ist in der Ortschaft römisch 40 , im Bezirk Qamishli im Gouvernement Al-Hasaka geboren und lebte dort zusammen mit seiner Kernfamilie bis zu seiner Ausreise aus Syiren. Der BF erhielt in Syrien keine Schulbildung. Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2016 über die syrisch-türkische Grenze, verblieb zunächst in der Türkei und reiste im Jahr 2022 nach Österreich.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers umfasst seine Ehefrau, seine Mutter, sieben Brüder und eine Schwerster. Der Vater des BF ist ungefähr im Jahr 2010 in einem Autounfall verstorben. Die Gesamte Kernfamilie des BF ist in der Türkei aufhältig.

Der BF reiste am spätestens am 03.11.2022 unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Ihm kommt in Österreich der Aufenthaltsstatus eines subsidiär Schutzberechtigten zu.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, wird von den kurdisch dominierten syrischen demokratischen Kräfte (SDF) und ihren Verbündeten (in Folge: Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien - Autonomous Administration of North and East Syria – AANES oder kurdische Kräfte) kontrolliert.

Der gesunde, im Entscheidungszeitpunkt 24-jährige BF ist im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Militärdienst beim syrischen Regime wehrpflichtig. Der BF hat den Wehrdienst bei der syrischen Armee noch nicht abgeleistet, wurde zudem bisher vom syrischen Regime weder einer Musterung unterzogen noch hat der BF ein Militärbuch oder einen Einberufungsbefehl erhalten. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsgebiet nicht die Gefahr zum Wehrdienst des syrischen Regimes eingezogen zu werden.

In Syrien besteht in Gebieten unter der Kontrolle der kurdischen AANES ein verpflichtender Militärdienst (Selbstverteidigungspflicht) der auf Männer beschränkt ist, die 1998 oder später geboren sind und das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr an seinen Herkunftsort die Zwangsrekrutierung zum Selbstverteidigungsdienst durch die AANES bzw. SDF.

Dem Beschwerdeführer droht aufgrund der Verweigerung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee beziehungsweise der Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht bei der AAENS / SDF keine Verfolgung aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien nicht wegen seiner Ausreise aus Syrien, seiner Asylantragstellung in Österreich, der Abstammung aus einem als oppositionell angesehenen Gebiet, oder seiner Familienzugehörigkeit Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die syrische Regierung oder Mitglieder der AANES.

Dem Beschwerdeführer ist es möglich, seinen Herkunftsort ohne Kontakt zum syrischen Regime über den Grenzübergang Semalka zu erreichen. Er hätte bei einer Rückkehr in seine Heimatregion keine Gebiete zu durchqueren, die vom syrischen Regime kontrolliert werden.

Auch sonst ist der BF nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom BVwG herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11, vom 27.03.2024, wiedergegeben:

„[…]

1.3.1. Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten. Obwohl das Regime oft als alawitisch und als Beschützer anderer religiöser Minderheiten bezeichnet wird, stellt die Regierung kein wirkliches Instrument für die politischen Interessen der Minderheiten dar. In der Praxis hängt der politische Zugang von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten ab (LIB, S. 6).Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position. Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba’athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten. Obwohl das Regime oft als alawitisch und als Beschützer anderer religiöser Minderheiten bezeichnet wird, stellt die Regierung kein wirkliches Instrument für die politischen Interessen der Minderheiten dar. In der Praxis hängt der politische Zugang von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten ab (LIB, Sitzung 6).

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und konfessionelle Spannungen (LIB, S. 3).Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und konfessionelle Spannungen (LIB, Sitzung 3).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 ist der Konflikt in eine neue Patt-Phase eingetreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime – unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (LIB, S. 3 f).Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 ist der Konflikt in eine neue Patt-Phase eingetreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden. Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime – unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (LIB, Sitzung 3 f).

Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort. In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ist Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (LIB, S. 4).Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort. In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen ist Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (LIB, Sitzung 4).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert. Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung. Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (LIB, S. 4 f).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert. Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung. Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (LIB, Sitzung 4 f).

Das Ziel der Assad-Regierung ist es die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen. Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden. Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten. Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war. Die EU-Mitgliedsstaaten und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (LIB, S. 5).Das Ziel der Assad-Regierung ist es die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen. Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden. Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten. Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war. Die EU-Mitgliedsstaaten und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (LIB, Sitzung 5).

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine ’zweite Front’ in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, ’Ain al-’Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (LIB, S. 11f).2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine ’zweite Front’ in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba’ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, ’Ain al-’Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (LIB, Sitzung 11f).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für „Westen“ (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Die von den USA unterstützten SDF sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen, in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist. Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des „Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien“ (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben. Im März 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe. Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (LIB, S. 12).Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für „Westen“ (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF). Die von den USA unterstützten SDF sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen, in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist. Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des „Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien“ (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben. Im März 2018 übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe. Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (LIB, Sitzung 12).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet ’belohnt’ zu werden, ist bisher ausgeblieben. Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an. Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen. Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung. Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen. Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet. Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (LIB, S. 12f).Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet ’belohnt’ zu werden, ist bisher ausgeblieben. Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an. Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen. Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren. Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung. Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen. Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet. Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (LIB, Sitzung 12f).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die „autonome Verwaltung“ basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden. Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht. Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten, und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen. Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen. Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kinder-soldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (LIB, S. 13).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die „autonome Verwaltung“ basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden. Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht. Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten, und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen. Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen. Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kinder-soldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (LIB, Sitzung 13).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht. Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (LIB, S. 13).Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht. Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an. Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (LIB, Sitzung 13).

AANES und SDF sind formell unabhängig, aber mehrere Quellen weisen auf Verbindungen zwischen ihnen und der PKK hin. Ein Universitätsprofessor beschrieb, dass die SDF und die AANES eine Pro-PKK-Ideologie haben und dass die PKK einen gewissen Einfluss in den Führungsetagen dieser Institutionen hat. Diese Ansicht wurde von einem politischen Analysten und einem Hochschulforscher geteilt, die ebenfalls die ideologischen Ähnlichkeiten zwischen der kurdischen Verwaltung in Syrien und der PKK hervorhoben. Der derzeitige SDF-Führer, Mazloum Abdi, war früher Mitglied der PKK. Es gibt viele Bilder des PKK-Führers Abdullah Öcalan in offiziellen Gebäuden in Nord- und Ostsyrien. Nach der Gründung der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) schlossen sich viele syrische PKK-Mitglieder der YPG an. Einige Menschen in Nord- und Ostsyrien unterscheiden nicht zwischen den SDF und der PKK, da sie sie im Wesentlichen für dasselbe halten (DIS, S. 26).AANES und SDF sind formell unabhängig, aber mehrere Quellen weisen auf Verbindungen zwischen ihnen und der PKK hin. Ein Universitätsprofessor beschrieb, dass die SDF und die AANES eine Pro-PKK-Ideologie haben und dass die PKK einen gewissen Einfluss in den Führungsetagen dieser Institutionen hat. Diese Ansicht wurde von einem politischen Analysten und einem Hochschulforscher geteilt, die ebenfalls die ideologischen Ähnlichkeiten zwischen der kurdischen Verwaltung in Syrien und der PKK hervorhoben. Der derzeitige SDF-Führer, Mazloum Abdi, war früher Mitglied der PKK. Es gibt viele Bilder des PKK-Führers Abdullah Öcalan in offiziellen Gebäuden in Nord- und Ostsyrien. Nach der Gründung der Autonomen Verwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) schlossen sich viele syrische PKK-Mitglieder der YPG an. Einige Menschen in Nord- und Ostsyrien unterscheiden nicht zwischen den SDF und der PKK, da sie sie im Wesentlichen für dasselbe halten (DIS, Sitzung 26).

1.3.2. Sicherheitslage

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (LIB, S. 15).Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eing

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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