TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/28 W200 2270650-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2024
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Entscheidungsdatum

28.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W200 2270650-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2023, Zl. 1291297401-211947987, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2023, Zl. 1291297401-211947987, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A)       Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, Moslem, Araber reiste am 14.12.2021 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung nannte er als Fluchtgrund, dass das Regime nach ihm suche, weil es gegen ihn einen falschen Bericht gebe und somit falsche Vorwürfe gegen ihn erhoben würden. Darüber hinaus würde er vom Regime aufgefordert den Militärdienst zu leisten. Sonst hätte er keine weiteren Fluchtgründe. Er hätte Angst vor dem Regime.

Im Rahmen der Einvernahme beim BFA am 15.03.2023 gab der Beschwerdeführer an, Araber, sunnitischer Moslem, verheiratet zu sein und einen Sohn zu haben. Seine Gattin und sein Sohn würden aktuell bei seiner Familie leben. Er hätte zuletzt seit 2015 in der Ortschaft XXXX , Provinz Qunaitra am Golan gelebt. Davor hätte er in Damaskus gelebt, wo er nur ein Jahr BWL studiert hätte, da er von den Geheimdienststellen gesucht worden wäre. Aufgewachsen sei er mit seiner Familie in Damaskus. Das Gebäude sei dann zerstört worden und die Familie sei nach Al Qunaitra übersiedelt, wo sie Wohnungen und landwirtschaftliche Flächen hätte. Sie hätten dort 1.500 Olivenbäume.Im Rahmen der Einvernahme beim BFA am 15.03.2023 gab der Beschwerdeführer an, Araber, sunnitischer Moslem, verheiratet zu sein und einen Sohn zu haben. Seine Gattin und sein Sohn würden aktuell bei seiner Familie leben. Er hätte zuletzt seit 2015 in der Ortschaft römisch 40 , Provinz Qunaitra am Golan gelebt. Davor hätte er in Damaskus gelebt, wo er nur ein Jahr BWL studiert hätte, da er von den Geheimdienststellen gesucht worden wäre. Aufgewachsen sei er mit seiner Familie in Damaskus. Das Gebäude sei dann zerstört worden und die Familie sei nach Al Qunaitra übersiedelt, wo sie Wohnungen und landwirtschaftliche Flächen hätte. Sie hätten dort 1.500 Olivenbäume.

Er hätte einen Einberufungsbefehl erhalten, seinen Militärdienst nicht abgeleistet. Er sei auch nicht zur Rekrutierungsstelle gegangen. Den Einberufungsbefehl hätte er von einem Boten der Polizei erhalten. Sein Militärbuch befindet sich aktuelle bei ihm zu Hause in Syrien. In diesem sei ein Studienaufschub vermerkt.

Auf den Hinweis, dass er wohl bei einer Rekrutierungsstelle vorstellig gewesen sein habe müssen, wenn er im Besitz eines Militärbuches sei, antwortete er, natürlich hingegangen zu sein, aber nur als er einen Aufschub erhalten hatte. Hätte er den nicht gehabt, hätte man ihn sofort zum Militärdienst mitgenommen. Die Kopie eines vom Beschwerdeführer vorgelegten Screenshots, der beweisen solle, dass er vom Militär gesucht werde, hätte er über eine Person gegen Bezahlung erhalten. Dies erst zu einem Zeitpunkt, als er sich schon in Österreich aufgehalten hätte. Eine Übersetzung des Fotos des Screenshots ergab, dass „der Suchbefehl nach wie vor aufrecht“ sei. Das Datum der Suchausschreibung war der 17.07.2019.

Seinen Wohnsitz hätte er im August 2021 verlassen. Die Schlepperkosten hätte sein Vater und er bezahlt.

Nach konkreten Problemen befragt gab er an, das Geheimdienststellen nach ihm gesucht hätten. Die Anklage laute auf Kooperation mit dem Feind – gemeint sei Israel. Darauf stehe die Todesstrafe. Ein Gerichtsverfahren gegen ihn sei nicht anhängig.

Nach Details für seine Fluchtgründe befragt gab er an, dass es Ende 2014 zu einer Durchsuchung gekommen sei und er sich bei den Geheimdienststellen melden hätte sollen, da er von diesen gesucht werde. Deswegen hätte er damals Damaskus verlassen und sei nach Qunaitra in ein Dorf zurückgekehrt, da es dort nur wenige Sicherheitsstellen gebe. Außerdem hätte relativ schnell die Opposition die Kontrolle über dieses Gebiet gewonnen, sodass er bis Ende 2018 relativ normal dort leben konnte. Gegen Ende des Jahres 2018 hätte das Regime wieder die Kontrolle über das Gebiet erlangt und er hätte seinerseits einen Antrag auf eine friedliche Lösung gestellt. Dieser Antrag sei mit der Begründung, er hätte mit dem Feind kollaboriert, abgelehnt worden. Es hätte sich dabei natürlich um eine falsche Anschuldigung gehandelt – die Regierung hätte ihm einfach nicht verziehen, dass er zu Beginn der Krise in Syrien an Demonstrationen teilgenommen hätte. Er hätte also schauen müssen, dass er nicht von den Regierungsstellen aufgegriffen werde, den in diesem Fall hätten sie ihn ins Gefängnis gebracht und dies wäre sein sicherer Tod gewesen. Er hätte viele Familienmitglieder, die vom Regime festgenommen worden wären und bis jetzt nicht wieder freigelassen worden seien.

Befragt, woher die syrischen Behörden Kenntnis von der Demonstrationsteilnahme hätten, antwortete er, dass es Youtubevideos gebe. Befragt, was man dort sehe, antwortete er, dass ein friedlicher Demonstrationszug zu sehen sei, an dem er sich ebenfalls friedlich beteiligt hätte. Es werde zunächst von hinten gefilmt, danach sei er seitlich zu sehen. Das Regime hätte gefilmt und fotografiert. Befragt, wie das Regime sein Gesicht zur Person zuordnen hätte können, antwortete er, dass das Regime zahlreiche Informanten und Spitzel hätte. Diese gingen auf Demonstrationen und hätten getan als ob sie einfache Teilnehmer gewesen wären. In Wirklichkeit hätten sie aufgeschrieben, wer mitgemacht hätte.

Nach dem von ihm gestellten Antrag auf friedlichen Lösungen genauer befragt, gab er an, dass es sich bei diesem Ansuchen um eine Bitte handle, dass der Staat einen Fehler vergebe, die man in Bezug auf den Staat gemacht hätte – eine Art Amnestie. Allerdings vergebe der Staat eine Sache niemals – die Kollaboration mit dem Feind. Darauf stehe in Syrien die Todesstrafe.

Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl abgewiesen, dem Beschwerdeführer jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsbewilligung für ein Jahr erteilt.

Nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle stellte das BFA den Namen und das Geburtsdatum, die syrische Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe und zur sunnitische muslimischen Glaubensgemeinschaft sowie die arabische Muttersprache fest. Ebenso wurde festgestellt die Ehe zu einer syrischen Staatsbürgerin sowie die Vaterschaft zu einem syrischen Staatsbürger. Sämtliche Familienmitglieder würden sich in Al Qunaitra aufhalten.

Zu den Gründen für das Verlassen Syriens wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden hätte können, dass er in Syrien der Gefahr einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei.

Beweiswürdigend wurde hinsichtlich der Gründe für das Verlassen Syriens die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers festgehalten.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben in der unter anderem ausgeführt wurde, dass er nicht zum Militär wolle um gegen die eigenen Landsleute zu kämpfen. Weiters wurden vereinzelte Fotos des Militärbuchs des Beschwerdeführers vorgelegt. Eine Übersetzung dieser Fotos des Militärbuchs des Beschwerdeführers vorgelegt. Eine Übersetzung des Fotos des Militärbuchs ergab, dass der Beschwerdeführer an einer Nephrektomie der linke Niere leide.

Im Rahmen der am 13.10.2023 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen.

Auf den Vorhalt, dass sein Bruder in der Verhandlung des BVwG angegeben hätte wegen gemeinsamer in Qunaitra stattgefundener Demonstrationen zwischen 2013 und 2019 verfolgt zu werden, während er selbst angegeben hätte wegen der Teilnahme an Demonstrationen vom Jahr 2011 bis 2014 in Damaskus verfolgt zu werden, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Bruder zu dem Zeitpunkt, als er in Damaskus demonstriert hätte, noch zu klein gewesen sei. Sie seien erst Ende 2014 in Qunaitra zusammengetroffen.

Zum Vorwurf der Kooperation mit Israel gab er an, dass man ihm Spionage für Israel vorgeworfen hätte, dieser Vorwurf werde allen Einwohnern des Gebiets unterstellt, dies wegen der Grenze zu Israel. Das Regime erfinde irgendeinen Vorwurf, um jemanden ins Gefängnis zu bringen und demzufolge auch hinzurichten, obwohl der Hauptgrund die Suche wegen der Teilnahme an Demonstrationen sei.

Die weitere Verhandlungsschrift wird zum besseren Verständnis wortwörtlich wiedergegeben:

„RI: Sie haben beim BFA gesagt, dass Sie einen Aufschub vom Militärdienst aufgrund Ihres Studiums erhalten haben. Das ist aus dem von Ihnen vorgelegten Militärbuch nicht ersichtlich. Warum haben Sie diese Seiten nicht vorgelegt?

BF: Ich weiß es nicht, warum ich das nicht vorgelegt habe, aber ich kann sofort alle Seiten des Militärdienstbuchs besorgen.

RI: Sie haben beim BFA gesagt, dass Sie 2015 einen Einberufungsbefehl erhalten hätten. Wo ist der Befehl?

BF: Das Schreiben war bei uns zuhause in Rif Dimaschq. Mein Zuhause ist aber zerstört worden.

RI: Ist Rif Dimaschq in Quneitra oder Damaskus?

BF: Die Verbindung zwischen Rif Dimaschq und Damaskus ist wie Wien und Niederösterreich. Wir hatten dort ein Gebäude. Ich habe auch ein Video, dass das belegt.

D: Rif Dimaschq ist ein eigenes Gouvernement in der Umgebung von Damaskus, wörtlich übersetzt Damaskus Land.

RI: Das heißt, den Einberufungsbefehl gibt es nicht mehr.

BF: Nein, gibt es nicht mehr.

RI: Warum hat man den Einberufungsbefehl 2015 dorthin zugestellt, wenn Sie doch damals schon in Quneitra waren?

BF: Auch jetzt aktuell, ich wohne in Österreich, trotzdem landen alle meine Behördenschreiben bei meinen Eltern.

RI: Wo?

BF: Meine letzte Wohnadresse war Quneitra, bei meinen Eltern.

RI: Zu dem Zeitpunkt, als der Einberufungsbefehl nach Rif Dimaschq geschickt wurde, waren Sie dort nicht mehr aufhältig. Verstehe ich das richtig?

BF: Den Einberufungsbefehl habe ich Ende 2014 erhalten und nicht 2015. Auch im Militärdienstbuch ist vermerkt, dass der Aufschub nur für ein Jahr erteilt wurde, nämlich bis zum März 2015. Danach musste ich zum Militärdienst einrücken.

RI: Beim BFA haben Sie auf die Frage: „Wann haben Sie den Einberufungsbefehl erhalten?“ gesagt: „Das war im Jahr 2015, aber ich kann mich nicht an den Monat erinnern.“

BF: Ja, stimmt, das Schreiben wurde der Familie meines Onkels vs. ausgehändigt und nicht mir persönlich. Danach wurde unser Gebäude angegriffen. Meine Tante, ich meine die Frau von meinem Onkel vs., ist durch diesen Angriff ums Leben gekommen.

RI: Was meinen Sie mit Angriff?

BF: Die Gegend wurde wahllos durch die syrische Luftwaffe angegriffen. Vor dem Haus war meine Tante. Ein Splitter hat auch meine Tante getroffen und sie ist ums Leben gekommen.

RI: Wann haben Sie diese Gegend verlassen?

BF: Damaskus? Ende 2014 habe ich Rif Dimaschq verlassen. Nachgefragt, ich war damals, 2015, nicht mehr dort.

RI: Warum haben Sie 2014 Rif Dimaschq verlassen?

BF: Die Sicherheitsbehörde ist zu uns nach Hause gekommen. Unser Haus wurde durch die Sicherheitsbehörde überfallen.

RI: Warum haben die Sicherheitsbehörden das Haus überfallen?

BF: Fast die ganze Familie hat eine oppositionelle Stellung dem Regime gegenüber. Drei Onkel vs. wurden umgebracht. Ein weiterer Onkel vs., er ist ein Doktor und hat zudem auch die russische Staatsangehörigkeit, ist schon längst im Gefängnis, wegen seiner oppositionellen Haltung.

RI: Waren Sie damals vor Ort?

BF: In Damaskus gab es eine abwechselnde Machtübernahme. Zum Zeitpunkt, als das Regime mein Zuhause überfallen hat, war ich an der Uni.

RI: Was hat jetzt dieser Überfall mit Ihnen zu tun, wenn Sie gar nicht dort waren?

BF: Es gibt eine Liste beim Regime. Es gibt bestimmte Personen, die auf dieser Liste zur Fahndung ausgeschrieben sind.

RI: Heißt das, man hat Sie gezielt gesucht?

BF: Sie haben mich namentlich gesucht.

RI: Seit wann sind Sie oppositionell auffällig? Seit wann hat das Regime etwas gegen Sie?

BF: Seit 2013.

RI: Warum?

BF: Ich habe demonstriert. Unter den DemonstrantInnen waren auch Leute, die für das Regime spioniert haben und unsere Namen dem Regime mitgeteilt haben. Wir kannten diese Personen aber nicht.

RI: Wo waren die Demonstrationen, an denen Sie teilgenommen haben? Wann, wie oft, von wem waren die Demonstrationen organisiert? Ich will von Ihnen jetzt ganz genaue, konkrete Angaben.

BF: Die Demonstrationen fanden im Rif Dimaschq in einem Bezirk namens XXXX statt. Ich habe nach dem Ausbruch der syrischen Revolution an den Demonstrationen teilgenommen und zwar von Anfang an, jedoch erst im Jahr 2013 wurde dies dem Regime bekannt.BF: Die Demonstrationen fanden im Rif Dimaschq in einem Bezirk namens römisch 40 statt. Ich habe nach dem Ausbruch der syrischen Revolution an den Demonstrationen teilgenommen und zwar von Anfang an, jedoch erst im Jahr 2013 wurde dies dem Regime bekannt.

RI: Ich wiederhole, wann, wie oft und von wem organisiert?

BF: Ich habe ca. vom April 2011 bis zum Ende 2013 an ungefähr elf bis zwölf Demonstrationen teilgenommen. Diese Demonstrationen wurden von uns selbst organisiert. Wir waren eine Gruppe der jungen Revolution. Wir haben für unsere Rechte demonstriert.

RI: Was meinen Sie mit „unsere Rechte“?

BF: Zum Beispiel, warum Kinder in den Schulen geschlagen wurden. Warum die Beamten Geld bekommen und bestochen werden. Die Beamten wollten nichts erledigen, wenn sie kein Geld dafür bekommen.

RI: Das von Ihnen vorgelegte Foto eines Bildschirms samt Inhalt (AS 65) hat keine Beweiskraft. Ein derartiges Beweismittel kann von jedem hergestellt werden.

BF: Ja, das stimmt, aber bei uns in Syrien funktioniert es anders als hier in Österreich. Man bekommt kein Schreiben, worauf steht, dass man gesucht wird. Diesen Beweis habe ich mit Hilfe eines Anwalts bekommen. Ich kann nicht zum Regime gehen und um einen Beweis ansuchen. So hätte ich persönlich zu meinem Tod beigetragen.

RI: Es ist bisher auch vorgebracht worden, dass Sie zum Militärdienst eingezogen werden würden. Welchen Sinn hätte es für das Regime, Sie als Regimegegner einzuziehen?

BF: Jede Person ist mit 18 wehrdienstpflichtig. Eigentlich habe ich nichts dagegen, den Militärdienst abzuleisten, aber nicht für dieses Regime, denn zum aktuellen Zeitpunkt werden Soldaten gezwungen, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. Sie bekommen ihre Befehle vom Militäroffizier. Und das werde ich nicht machen.

RI: Das müssten Sie auch nicht machen. Dem Militärbuch ist zu entnehmen, dass Sie eine Nephrektomie der linken Niere gehabt haben –– d.h., dass Ihnen Ihre Niere entfernt wurde und dass Sie nur für ortsfeste Dienste gem. § 164/9/5 der VO 174 eingesetzt werden dürfen.RI: Das müssten Sie auch nicht machen. Dem Militärbuch ist zu entnehmen, dass Sie eine Nephrektomie der linken Niere gehabt haben –– d.h., dass Ihnen Ihre Niere entfernt wurde und dass Sie nur für ortsfeste Dienste gem. Paragraph 164 /, 9 /, 5, der VO 174 eingesetzt werden dürfen.

Sie würden also nicht wie sonst üblich im „Felddienst“, also im Kampfeinsatz eingesetzt werden. Sie müssen nicht kämpfen und müssen nicht schießen.

BF: Das stimmt und so ist das auch im Militärbuch angeführt, aber die Realität ist anders. Das Regime kennt sowas nicht. Wenn das Regime Mangel an Soldaten hat, dann werden alle Soldaten gezwungen, an Kampfhandlungen teilzunehmen.

RI an RV: Haben Sie Fragen an den BF?RI an Regierungsvorlage, Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage, an Kampfhandlungen teilzunehmen oder wären Sie daran gehindert?Regierungsvorlage, Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage, an Kampfhandlungen teilzunehmen oder wären Sie daran gehindert?

BF: Gesundheitlich geht es mir sehr gut.

RV: Sind Sie auf sozialen Medien aktiv?Regierungsvorlage, Sind Sie auf sozialen Medien aktiv?

BF: Ja, schon.

RV: Sieht man Ihre Demonstrationsteilnahme in Österreich in den sozialen Medien?Regierungsvorlage, Sieht man Ihre Demonstrationsteilnahme in Österreich in den sozialen Medien?

BF: Ja, schon, auf der Facebookseite der Koordination der Revolution der Freien SyrerInnen werden ab und zu Aufnahmen zu unserer Teilnahme an Demonstrationen veröffentlicht. Es gibt auf Facebook auch Videodateien.

RV: Welche konkreten Tätigkeiten üben Sie bei dem Verein aus?Regierungsvorlage, Welche konkreten Tätigkeiten üben Sie bei dem Verein aus?

BF: Ich nehme an Demonstrationen teil. Ich möchte durch meine Teilnahme die Stimme der syrischen Bürger weltweit teilen und der Welt zeigen, was das verbrecherische Regime seiner Bevölkerung getan hat.“

Weiters legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Vereins „Die freien Syrerinnen in Österreich“ sowie ein Foto vor einer syrischen Fahne in Wien stehend vor.

Am 10.06.2024 legte der Beschwerdeführer sowie sein Bruder jeweils einen Scan eines Schriftstücks in arabischer Sprache vor. Die Übersetzung ergab, dass es sich dabei um einen Scan eines Schreibens der Staatsanwaltschaft Damaskus mit folgendem Inhalt in Form eines Beschlusses handelt: 1.) Der Beschwerdeführer ist wegen des Verbrechens des Fernbleibens von der Einberufung, gemäß Anzeigen-Nr. 1211, Datum 09.09.2020 „abzupassen“ und der Generaldirektion des Nachrichtendienstes vorzuführen. 2.) Die zuständigen Behörden werden beauftragt diesen Beschluss zu vollziehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Araber, er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Die Identität des am XXXX geborenen Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Araber, er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch. Die Identität des am römisch 40 geborenen Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus Damaskus Land und lebte dort bis Ende 2014, ging in weiterer Folge nach Qunaitra, verließ im August 2021 Syrien und reiste im Dezember 2021 in Österreich ein.

Er hat in Syrien zwölf Jahre die Schule besucht und schloss diese mit Matura ab, hat danach ein Jahr BWL an der Universität Damaskus, Studienrichtung BWL studiert. Er war in Syrien beruflich selbstständig tätig und hatte zwei Geschäfte für Handyzubehör.

Dem Beschwerdeführer wurde die linke Niere entfernt. Sonst ist er gesund.

Der Beschwerdeführer leistete bisher keinen Militärdienst in der syrischen Armee.

Die Herkunftsregion liegt in dem aktuell vom syrischen Regime kontrollierten Teil Syriens. Der Beschwerdeführer reiste illegal in Österreich ein und stellte am 14.12.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 16.03.2023 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten (rechtskräftig) zuerkannt und ihm eine für ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Ehefrau und sein Sohn in der Ortschaft XXXX , Provinz Al Quneitra.Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine Ehefrau und sein Sohn in der Ortschaft römisch 40 , Provinz Al Quneitra.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der 29jährige Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst für die syrische Zentralregierung noch nicht abgeleistet. Er ist eingeschränkt tauglich - laut seinem 2013 in Al Qunaitra ausgestellten Militärbuch ist der Beschwerdeführer wegen einer Nephrektomie der linke Niere nur für ortsfeste Dienste gemäß § 164/9/5 tauglich.Der 29jährige Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst für die syrische Zentralregierung noch nicht abgeleistet. Er ist eingeschränkt tauglich - laut seinem 2013 in Al Qunaitra ausgestellten Militärbuch ist der Beschwerdeführer wegen einer Nephrektomie der linke Niere nur für ortsfeste Dienste gemäß Paragraph 164 /, 9 /, 5, tauglich.

Bis zu seiner (illegalen) Ausreise aus Syrien im Jahr 2021 hielt er sich nach Zerstörung des Hauses der Familie in Damaskus –Land ab Ende 2014 bis zur Ausreise in Quneitra auf.

Der Beschwerdeführer wurde in Syrien vor seiner Ausreise nicht persönlich bedroht/verfolgt.

Er ist in Syrien nicht vorbestraft und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Er wurde und wird nicht gesucht und hatte keine Probleme mit den syrischen Behörden. Dem Beschwerdeführer droht in seiner Heimat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung durch die syrische Regierung. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von der syrischen Regierung wegen Wehrdienstverweigerung gesucht wurde bzw. wird. Der Beschwerdeführer ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht, von der syrischen Regierung als Oppositioneller bzw. politischer Gegner angesehen und verfolgt zu werden.

Er ist bzw. war nicht politisch aktiv und hat sich nicht oppositionell gegen die syrische Regierung betätigt.

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Die Wehrdienstverweigerung stellt aber nicht das einzige Mittel dar, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes und der damit allenfalls verbundenen Beteiligung an Kriegsverbrechen entgehen kann.

Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien. Diese Möglichkeit steht auch dem Beschwerdeführer offen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese Personen trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr dennoch systematisch und generell und daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Wehrdienst einziehen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass dies im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.

Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden sämtlichen Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen und haben sich auch im Fall des Beschwerdeführers keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Insbesondere weist der Beschwerdeführer keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Zentralregierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich, auf.

Ebenso droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise oder seiner Asylantragstellung im Ausland bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung

Der Beschwerdeführer hat keinen Einberufungsbefehl des syrischen Militärs erhalten.

Dem Beschwerdeführer droht vonseiten des syrischen Regimes im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische und/oder psychische Gewalt asylrelevanter Intensität aufgrund seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet.

Ihm droht vonseiten des syrischen Regimes im Falle einer Rückkehr nach Syrien auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physische und/oder psychische Gewalt asylrelevanter Intensität aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit.

Dem Beschwerdeführer droht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien oder seiner Asylantragstellung im Ausland bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Gesinnung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird vom syrischen Regime eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 (Veröffentlichung am 27.03.2024), wiedergegeben:

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024). […]

Syrische Arabische Republik

Letzte Änderung 2024-03-08 11:06

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).

Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).

Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Profiteure darstellt (Enab 23.1.2023). Baschar al-Assad mag der unumschränkte Herrscher sein, aber die Loyalität mächtiger Warlords, Geschäftsleute oder auch seiner Verwandten hat ihren Preis. Beispielhaft wird von einer vormals kleinkriminellen Bande berichtet, die Präsident Assad in der Stadt Sednaya gewähren ließ, um die dort ansässigen Christen zu kooptieren, und die inzwischen auf eigene Rechnung in den Drogenhandel involviert ist. Der Machtapparat hat nur bedingt die Kontrolle über die eigenen Drogennetzwerke. Assads Cousins, die Hisbollah und Anführer der lokalen Organisierten Kriminalität haben kleine Imperien errichtet und geraten gelegentlich aneinander, wobei Maher al-Assad, der jüngere Bruder des Präsidenten und Befehlshaber der Vierten Division, eine zentrale Rolle bei der Logistik innehat. Die Vierte Division mutierte in den vergangenen Jahren 'zu einer Art Mafia-Konglomerat mit militärischem Flügel'. Sie bewacht die Transporte und Fabriken, kontrolliert die Häfen und nimmt Geld ein. Maher al-Assads Vertreter, General Ghassan Bilal, gilt als der operative Kopf und Verbindungsmann zur Hisbollah (Spiegel 17.6.2022).

Es gibt keine Rechtssicherheit oder Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Die Gefahr, Opfer staatlicher Repression und Willkür zu werden, bleibt für Einzelne unvorhersehbar (AA 2.2.2024).

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass si

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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